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GUTE-NACHT/2630: Ein Pfennig auf Reisen - Erinnerungen (SB)


Ein Pfennig auf Reisen

Zwischen den beiden glatten Plastikflächen seiner Münztasche fühlt sich der kleine Pfennig gar nicht wohl. Da drücken die Gewichte der anderen Münzen von oben und lassen ihn die Kanten der unter ihm liegenden Münzen spüren. Irgendwie sollte es doch möglich sein, aus dieser Tasche heraus zu gelangen. Aber jeder Versuch, sich zu bewegen, schlägt fehl.

Der kleine Pfennig denkt an frühere Zeiten zurück. Wie war es noch in dem Geldbeutel gewesen, in dem er so lange Zeit steckte und aus dem er erst vor wenigen Tagen herausgenommen worden war? Die meiste Zeit war es dort drinnen sehr dunkel, aber nicht so eng wie hier. In seiner damaligen Falte, die weich mit Stoff ausgepolstert war, lag der Pfennig recht bequem. Er konnte sich dort gemütlich hin und her wiegen und sich vor den anderen Geldstücken verbergen. Auch damals gab es Geldstücke, die ihm nicht wohl gesonnen waren, aber auch solche, die gern mit ihm plauderten.

Leider blieben diese Geldstücke nicht lange. Sie kamen herein und wurden schon bald wieder ausgegeben, besonders die großen Geldstücke verweilten nur kurz. Das war aber auch gut so, denn sie waren besonders hochnäsig. Manch einer lachte den kleinen Pfennig nur aus. Dann sagte der kleine Pfennig immer: "Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert." Diesen Spruch hatte er einmal von einem Groschen gehört. Der war sehr gebildet und kannte sich aus mit Nummern und Serien, die auf den Geldstücken vermerkt sind. Das wußte der Groschen daher, daß er einmal in einem Münzalbum gesteckt hatte, so wie der kleine Pfennig jetzt. Der Groschen hatte stets genau zugehört, wenn der Münzsammler mit seinen Schätzen sprach, als wären es seine Kinder. Er erklärte ihnen alles genau, wieviel sie wert seien, aus welchem Jahr sie stammten und wie viele von ihnen in eine Reihe gehörten. Dem Groschen gefiel es dort sehr gut und er lernte schnell. Doch dann eines Tages, gab es plötzlich einen Groschen, der ihm genau glich, nur mit einem Unterschied. Dieser andere Groschen war kein bißchen verkratzt. Das war der Grund, warum der erste Groschen plötzlich wieder aus dem Album herausgenommen wurde und in den Geldkreislauf zurückkehrte.

Der Pfennig wahr froh darüber. Denn nur weil der Groschen ausrangiert worden war, hatten sich die beiden überhaupt kennengelernt. Damals hätte der Pfennig es nicht für möglich gehalten, daß er selbst einmal in ein Münzalbum wandern würde. Und hier will er auch keine Wurzeln schlagen. Es sollte ihm doch gelingen, von hier zu entkommen. Vielleicht würde er ja auch eines Tages durch einen anderen Pfennig ersetzt. Oder er konnte beim Putzen und Baden verschwinden. Also gab es doch schon zwei Möglichkeiten, hier zu entkommen. Diese Aussicht stimmte den Pfennig bereits wieder fröhlicher und er fiel zurück in seinen tiefen Schlaf.

17. Mai 2008

Gute Nacht