Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2495: Die alte Wurst (SB)


Mutter Maus im Sandmannhaus

Die Mäusekinder spielen in der Mäusehöhle. Lieber würden sie in dem großen Saal toben, doch da schläft der Sandmann. Keiner weiß, wann er wieder erwacht. Außerdem schleicht Kater Mombart um des Sandmanns Beine. Es ist also für alle Mäuschen besser, nicht dort draußen zu spielen. "Kinder, Abendessen!" ruft Mutter Maus und hat Körner bereitgestellt.

"Schon wieder Körner?" mault Willi, "können wir nicht ein Stück Käse bekommen?" - "Im Moment nicht", sagt Mutter Maus und geht einfach über Willis Gemecker hinweg. Wie gut kann sie ihn verstehen, aber wenn es nicht geht, geht es eben nicht.

Vielleicht haben die Mäuse nicht das zu essen, was sie sich gerade wünschen, dafür aber lassen sie es sich nicht nehmen, abends zusammen zu kuscheln und den Geschichten ihrer Mäusemutter zu lauschen. Mutter Maus erzählt heute die Geschichte vom Mäuschen, das aus seinem Käfig entwich und später in einem Brotkorb einschläft, weiter.


*


Die alte Wurst

Die Maus schlief also noch in dem Brotkorb. Allmählich aber wurde ihr kalt. Zwar hatte sie ein Fell. Doch in diesen Tagen wurde im Haus nicht geheizt, da konnte auch so ein kleines Mäuschen ins Frieren geraten, wenn es sonst immer nur die warme Heizungsluft kannte. Also erwachte die Maus von der Kälte und spürte sogleich ein Hungergefühl. Das war nicht verwunderlich. Denn die Maus hatte so viel auf einmal gegessen, daß jetzt, wo gerade wieder etwas Platz im Magen war, sich sogleich das Verlangen nach Eßbarem erneut einstellte. So kletterte die Maus aus dem Brotkorb und begab sich auf die Suche nach neuen Leckereien. In der Küche war nichts Spannendes mehr zu finden. Das hatten die Bewohner alles mit in den Urlaub genommen. So suchte die Maus weiter und folgte einem untrüglichen Duft. Dieser kam durch einen kleinen Spalt unter einer Tür hervor. Der Spalt war hoch genug, daß die Maus sich durchdrücken konnte. Hinter der Tür lag die Speisekammer des Hauses. Was erblickte da das Mäuseherz. Dicke lange Stangen hingen von der Decke, von denen der Duft auszugehen schien, der die Maus angelockt hatte. Sofort kletterte die Maus an den Regalen, die rund um die Wände standen, hinauf. Vom obersten Brett wagte die Maus einen kleinen Sprung zur ersten Stange, die da neben dem Regal hing. Beinahe wäre das Mäuschen abgerutscht, denn es waren ja keine Stangen, die dort hingen, sondern fette Würste. Die hingen zum Trocknen hier. Ihre äußere Haut war aber noch recht glitschig. Zum Glück war die Pelle noch so weich, daß die Maus ihre kleinen spitzen Krallen darein verankern und sich so vor dem Absturz retten konnte.

Nach dem anfänglichen Schock erholte sich die Maus wieder, nicht zuletzt, weil der Wurstgeruch sie aufmunterte. Nun gab es kein Halten mehr. Das Mäuschen biß tatkräftig in die Wurst zwischen ihren Krallen und hatte alle Mühe, sich zurückzuhalten, um nicht so viel zu essen, daß sie gar von der Decke herababstürzte. "Mhm", schmeckte die Wurst lecker...


*


"Ich möchte auch in so eine Wurst beißen", kommt es da von allen Seiten. Das hätte Mutter Maus sich eigentlich denken können, daß diese Geschichte nicht gerade dazu angetan ist, die Mäusekinder in den Schlaf zu wiegen. Doch was hilft es jetzt noch. Irgendwoher braucht Mutter Maus nun ein Stück Wurst, am besten eine schöne, alte Omawurst, wie die Menschen zu sagen pflegen. "Wißt ihr", schlägt Mutter Maus vor, "eure Großmutter wird mit euch ein paar Lieder singen und ich schaue mich einmal in der Speisekammer des Sandmanns um." Die Kinder sind begeistert. Sie ahnen nicht, welchen Gefahren sich Mutter Maus da aussetzt. Großmutter Maus dagegen möchte am liebsten losschimpfen. Doch sie hat für Mutter Maus nur einen warnenden Blick bereit. "Dann bis bald", sagt Mutter Maus und, "gute Nacht."

4. Dezember 2007

Gute Nacht