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GUTE-NACHT/2423: Das Eichhörnchen wartet vergebens (SB)


Oben auf dem Baum sitzt das Eichhörnchen. Es blickt hinunter und wartet. Jeden Tag kommt doch der große Weiße vorbei und legt sich unter den Baum. Er blickt sich um und beobachtet die Umgebung. Wenn ihn etwas ärgert, erhebt er die Stimme und sagt, was er zu melden hat. Dann liegt er wieder friedlich da und tut keiner Fliege etwas zuleide.

Das Eichhörnchen hat ihn schon oft beobachtet und weiß, daß es sich vor ihm nicht zu fürchten braucht. Einmal ist es direkt vor seiner Nase dahergelaufen und der große Weiße hat nicht einmal seine Stimme erhoben. Manchmal hat das Eichhörnchen ihn sogar geneckt. Irgendwie freut sich das Eichhörnchen immer, wenn der große Weiße in seiner Nähe ist. Dann fühlt es sich beschützt und wird ruhig, springt nicht so hektisch durch die Gegend.

Heute aber scheint der große Weiße gar nicht zu kommen. Wo steckt er bloß. Das ist ganz ungewöhnlich. Da kommen Menschen herbei. Sie tragen etwas in den Händen. Das Eichhörnchen versteckt sich in den Zweigen, verfolgt die Menschen mit den Augen aber ganz genau. Einen erkennt das Eichhörnchen sogar wieder. Dieser da ist doch sonst immer mit dem großen Weißen hierher gekommen. "Was macht er da unten nur?" fragt sich das Eichhörnchen und sieht, wie die Menschen an den Wurzeln des Baumes, auf dem es sitzt, graben. "Wollen sie den Baum ausgraben? Dann fällt er um!" Instinktiv klammert sich das Eichhörnchen fester an den Stamm und beobachtet die Menschen weiter.

Nach einer Weile stellt das Eichhörnchen fest, daß die Menschen den Baum nicht ausgraben wollen. Denn sie graben nur an einer Stelle. Ist das nicht die Stelle, wo das Eichhörnchen einen Teil seines Wintervorrats vergraben hat? "Wollen sie mir mein Winterfutter wegholen?" grübelt das Eichhörnchen. Doch so tief hat es das Loch zum Verbergen der Nüsse gar nicht gegraben. Die Menschen aber graben und graben ein sehr tiefes Loch und daneben noch ein ganz kleines. Nun gehen die Menschen fort. Das Eichhörnchen ist neugierig und klettert am Baum weiter hinunter, um besser in das Loch schauen zu können. Dort liegt weiches Heu in dem Loch. "Und was nun?" fragt sich das Eichhörnchen und will gerade in das Loch hineinspringen, da tauchen die Menschen wieder auf. Auf einer Trage bringen sie etwas großes Weißes.

"Das ist er!" denkt das Eichhörnchen, "aber was ist mit ihm? Er ist so ruhig und bewegt sich nicht." Die Menschen betten den Körper des großen Weißen nun auf dem Heu in dem Erdloch. Einer von ihnen legt etwas in das kleine Loch. Das Eichhörnchen erkennt, daß es wie eine kleine Maus aussieht. Ist sich aber nicht ganz sicher. Neugierig klettert es noch zwei Zweige weiter nach unten. Die Menschen sind so mit sich selber beschäftigt, daß keiner das Eichhörnchen bemerkt. Nun sagt einer der Menschen: "Holen wir die kleine Waldspitzmaus doch aus dem Grab heraus und betten sie auf unseren Freund. Dann sind die beiden nicht so allein."

Das Eichhörnchen sieht, wie die kleine schwarze Maus auf das ganz weiße Fell gelegt wird. Jetzt erkennt das Eichhörnchen, daß die kleine Maus keine andere ist als die Waldspitzmaus, die nach Irland ziehen wollte. Was war ihr wohl wiederfahren? Die Menschen nehmen eine weiße Decke und legen sie über die beiden Körper in dem Erdengrab. Nun werfen sie mit ihren Schaufeln die ausgegrabene Erde wieder in das Loch hinein. Ein kleiner Hügel entsteht. Ein Stein wird ganz zuoberst darauf gelegt.

"Nie mehr werde ich den großen Weißen sehen könnten", erkennt das Eichhörnchen, "nie mehr werde ich ihn necken können oder ihm eine Nuß auf den Kopf werfen." Das Eichhörnchen ist sehr traurig. Dennoch fühlt es sich beschützt und ruhig, wie immer wenn der große Weiße in der Nähe ist.

8. September 2007

Gute Nacht