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ADVENT - ERZÄHLT/005: Baumretter - eine Idee ... (SB)



Es war ein herrlicher Sommertag. Vollgefressen und behaglich wühlte Timbo sich im hohen Gras eine Mulde für sein Nickerchen zurecht. Im Schatten des großen Baumes, der mitten im Garten stand, hielt er sich am liebsten auf. "Du bist und bleibst mein Lieblingsbaum", flüsterte er dem Baumriesen zu, und als der mit einem leisen Rascheln im Blätterdach antwortete, legte Timbo die Schnauze auf seine Vorderpfoten und döste zufrieden vor sich hin.



Der kleine Hund döst gemütlich unter seinem Lieblingsbaum - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick


Fast wäre er eingeschlafen, aber plötzlich hörte er dieses Schwuii, Schwuii, Schwuii. 'Na nu', dachte er, 'was ist das denn für ein komischer Wind?' Als dann auch noch das Blätterrascheln richtig laut wurde, schaute er misstrauisch nach oben. 'Huuch, wo kommt der denn her?', wunderte er sich, als er dort den großen, bunten Vogel entdeckte.

"Hallo, Vogel, dich habe ich hier ja noch nie gesehen", begrüßte Timbo staunend den Neuankömmling. "Das will ich dir gerne glauben. Ich komme von weit her, aber einen wie dich habe ich bei mir zu Hause auch noch nicht getroffen", entgegnete der Vogel.

"Hast du dich verflogen?", wollte Timbo wissen. "Oh nein, gewiss nicht. Ich fliege um die ganze Welt von einem Land zum nächsten, über Meere und Berge, oh ja, oh ja", erklärte der Vogel und nickte vielsagend mit dem Kopf.

"Warum das denn? Das ist doch bestimmt sehr anstrengend?" erkundigte sich Timbo. "Das will ich dir sagen, sehr anstrengend, sehr anstrengend. Aber ich habe eine wichtige Botschaft zu verbreiten. Das kann nicht warten. Deshalb fliege ich, ja, deshalb fliege ich und fliege ..."

'Ob die Vögel in seiner Heimat wohl alle so merkwürdig sprechen?', wunderte sich Timbo, sagte aber lieber nichts, sondern wartete neugierig auf die wichtige Botschaft. Als aber gar nichts weiter kam, schaute er leicht ungeduldig hinauf ins Blätterdach. Da saß der Vogel, hatte den Kopf unter seine Flügel gesteckt und schlief. "Oh je, so ein Flug um die ganze Welt macht wohl sehr müde", sagte sich der kleine Hund und ließ ihn in Ruhe weiter schlafen.

Endlich, nach einer halben Ewigkeit, wachte der Vogel wieder auf, blickte sich um und wurde ganz aufgeregt. "Bin ich etwa eingeschlafen? Das gibt 's doch nicht." Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Na, dann will ich mal keine Zeit verlieren und schleunigst allen berichten, was sich in meiner Heimat Schlimmes zugetragen hat." Er reckte sich und fragte Timbo: "Wo sind denn hier die Tiere?"

Ein großer bunter Vogel spricht aufgeregt zum kleinen Hund, der ihn von unten anschaut - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

"Hier und da. Wir müssen sie nur rufen, dann werden sie schon kommen!" Sofort rief der Vogel laut: "Hallo, hier bin ich, kommt alle her. Ich habe euch etwas wichtiges zu sagen ..."

Es dauerte nicht lange, da kamen schon die ersten Vögel angeflogen, setzten sich ins Gras oder auf einen Ast. Neugierig bestaunten sie den großen, bunten Fremdling. Jetzt kamen auch Hasen, Igel, Schnecken, Maulwürfe, Eichhörnchen und eine Horde Mäuse herbeigeeilt. Selbst die Rehe, Dachse, Biber, Uhus, Bussarde und Wildschweine eilten herbei. Die Blätter der Bäume raschelten, die Tiere tuschelten miteinander, und endlich begann der Vogel zu sprechen: "Ruhe, ich bitte um Ruhe!" Die Tiere verstummten, nur die Blätter dachten gar nicht daran, mit dem Geraschel aufzuhören.

"Ich heiße Bara und komme von weit her. Ich lebe in einem riesigen Wald, der heißt Regenwald, natürlich wohnen dort auch noch viele andere Tiere. Und der Wald ist voll von Bäumen, da wachsen große und kleine, dicke und dünne und schiefe und krumme. Aber bald werden wir alle kein zu Hause mehr haben, denn meine Freunde, die Bäume, werden von Männern mit großen Maschinen oder mit Sägen und Äxten ganz brutal umgelegt. Dann werden ihnen die Äste und Zweige abgeschlagen und die kahlen Stämme abtransportiert. Zurück bleiben riesige Flächen aufgewühlter Erde. Der Wald wird immer kleiner und wir haben immer weniger Platz und es wird immer schwieriger, etwas zu essen zu finden. Deshalb bin ich nun hier, vielleicht könnt ihr irgendwie helfen?"

Die Tiere, die ihm alle gespannt zugehört hatten, waren total erschrocken und redeten jetzt ganz aufgeregt durcheinander. Sie waren wütend und ratlos, aber Timbo war nur traurig. Er stellte sich vor, daß sein Lieblingsbaum einfach abgesägt und fortgeschafft würde, und bevor er es merkte, kullerten ein paar Tränen ins Gras. Lange überlegte er hin und her, was man denn da machen könnte, und schließlich fasste er all seinen Mut zusammen und rief: "Ich will den Bäumen helfen und werde den Regenwald retten!" Dann sah er den großen, bunten Vogel an: "Bara, kannst mir sagen, wie ich dorthin komme? Am liebsten würde ich gleich morgen aufbrechen!"

"Na klar, sicher kann ich dir das sagen, und ich freue mich, dass du helfen willst." Dann beschrieb Bara ihm lange und wortreich den Weg und fragte zum Schluß: "Hast du auch alles verstanden? Eigentlich ist es ja ganz einfach. Du gehst einmal quer über die Welt und schon bist du da!"

Der kleine Hund läuft auf der Erdkugel in Richtung Regenwald - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

"Ja, ich glaube, ich habe mir alles genau gemerkt und ich werde mich auch ganz doll beeilen", beteuerte der kleine Hund.

"Und weißt du, Timbo, ich muss zwar noch weiter fliegen, aber ich werde zwischendurch immer mal nach dir Ausschau halten, um zu sehen, ob du noch auf dem richtigen Weg bist", schlug Bara vor.

Darüber war Timbo mächtig froh, denn schließlich war er ja noch nie aus seinem Garten rausgekommen und war natürlich ziemlich aufgeregt. 'Einmal quer über die Welt ..., puuh, das ist bestimmt ganz schön weit', murmelte er vor sich hin, 'und was, wenn ich mich verlaufe ...? Ach was, das wird schon werden!'

Und am nächsten Morgen brach der kleine Held, ausgeruht und gestärkt, tatsächlich auf zu seiner langen abenteuerlichen Reise.

Der kleine Hund läuft auf dem Weg zum Regenwald - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Lange Zeit lief er immer im gleichen Trott vor sich hin, aber endlich nach einer ganzen Weile, als ihm seine Pfoten schon ziemlich doll weh taten, erreichte er das Meer.

Hier sollte er auf die Seeschlange warten, das hatte der bunte Vogel ihm gesagt. Aber Timbo kannte keine Seeschlangen, wie konnte er sie denn erkennen? Da fielen ihm zum Glück wieder Baras Worte ein: "Jette, das ist der Name der Seeschlange, wird dich erkennen, sie weiß schon Bescheid, dass du kommst." Und er erinnerte sich auch an den guten Rat, den der Vogel ihm gegeben hat: "Stell Jette lieber keine Fragen, gar keine Fragen, hörst du? Sie kann Fragen nämlich nicht leiden, wirklich überhaupt nicht leiden. Sag einfach gar nichts! Ich weiß nicht, was sonst geschieht, aber ich jedenfalls möchte keiner wütenden Seeschlange begegnen!"

"Na ja, so schwer wird es wohl nicht sein, nichts zu fragen ...", versicherte Timbo sich selbst. "Ich mache es mir hier inzwischen gemütlich und ruhe mich aus, wer weiß wann diese Jette auftaucht. Und meine müden Pfoten werde ich ins kühle Wasser halten, das wird ihnen bestimmt gefallen."

Da Timbo nicht wusste, wie tief das Wasser war, streckte er zunächst nur eine Vorderpfote ins Wasser, zog sie nach einer Weile wieder zurück, schüttelte sie und tauchte dann die andere ins kühle Nass. "Booaah, das tut gut!" Dann drehte er sein Hinterteil Richtung Wasser. Jetzt waren die Hinterpfoten an der Reihe. Aber was war das? Irgendetwas stimmte nicht mit dem Wasser. Schnell zog Timbo seine Pfote aus dem Wasser und drehte sich flugs um.

In diesem Moment begann das Wasser seine Farbe zu verändern. Es wurde so hellblau wie der Himmel und Wellen türmten sich hoch auf. Sie schlugen mächtig gegen das Ufer und spülten ans Land. Timbo konnte gerade noch rechtzeitig ein paar Sprünge rückwärts machen. Dann tauchte ein riesiger Kopf aus dem tosenden Wasser auf und er sah in zwei große, dunkle Augen.

Fortsetzung folgt ...

7. Dezember 2015


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