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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/336: Anne-Klein-Frauenpreis an Nebahat Akkoc


Heinrich-Böll-Stiftung - Berlin, den 9. Dezember 2014

Anne-Klein-Frauenpreis 2015 an Nebahat Akkoc,
Gründerin der türkisch-kurdischen Frauenrechtsorganisation Kamer



Der Anne-Klein-Frauenpreis 2015 geht an die Kurdin Nebahat Akkoc für ihren aktiven Widerstand gegen staatliche und häusliche Gewalt, für die Verteidigung der Menschenrechte und Rechte der Frauen.

Der Anne-Klein-Frauenpreis wird zum vierten Mal verliehen und ist mit 10.000 Euro dotiert. Der Preis wird bei einem Festakt am Abend des 6. März 2015 in Berlin überreicht.

In der Begründung der Jury heißt es:

Nebahat Akkoc, armenisch-alevitische Kurdin aus Diyarbakir, ist eine bemerkenswerte und mutige Verteidigerin der Menschenrechte und der Rechte der Frauen. Ihr Engagement gründet auf eigener Gewalterfahrung. In ihrer Zeit als Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Egitim Sen wurden allein neunzehn Lehrer ermordet, 1993 wurde auch ihr Ehemann ermordet. Sie selbst wurde mehrfach festgenommen und gefoltert. Dieser omnipräsenten staatlichen Gewalt stellte sich Nebahat Akkoc entgegen: Als erste Frau aus der Türkei verklagte sie das Land vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Folter. Die türkische Regierung wurde verurteilt und musste Nebahat Akkoc entschädigen. Doch das war Nebahat Akkoc nicht genug. Sie will die Gewalt dort angehen, wo sie entsteht: In den Familien und in den Köpfen. In der Türkei wurde noch in den 90er Jahren Gewalt als selbstverständlich und unvermeidbar angesehen, selbst von 95 % der türkischen Frauen.

Nebahat Akkoc gründete 1997 die türkisch-kurdische Frauenrechtsorganisation Kamer (KAdin MERkezi, Frauenzentrum). Kamer ist inzwischen in 23 Städten im Südosten der Türkei vertreten und Teil eines Netzwerks von Frauenrechtsorganisationen und Frauenzentren türkei- und europaweit. Kamer bietet psychologische und rechtliche Beratung für Frauen, Schutzräume und Unterstützung zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit. In Diyarbakir z.B. betreibt Kamer ein ausschließlich von Frauen geführtes Café in der alten Karawanserei, einem Basar, der bis dahin ausschließlich von Männern besucht war. Mittlerweile ist Vergewaltigung in der Ehe in der Türkei strafbar, gesetzliche Näherungsverbote nach Gewalt werden angewendet, und "Ehren"-Morde strafrechtlich mit nicht weniger als zehn Jahren verfolgt. 80 % der türkischen Frauen finden inzwischen Gewalt in der Ehe nicht mehr normal. Dieser Bewusstseinswandel ist nur möglich durch die hartnäckige Arbeit von Aktivistinnen wie Nebahat Akkoc. Sie selbst meint: "Eine Frau, die zu uns kommt, verändert sich. Ein Mann, der schlägt, bleibt immer der alte."

Die Jury hebt hervor:
"Mit dem Anne-Klein-Frauenpreis würdigen wir die Arbeit von Kamer, die zu einem großen Teil von Ehrenamtlichen getragen ist, aber vor allem Nebahat Akkoc als deren Gründerin. Nebahat Akkoc selbst stellt sich der Gewalt - nach wie vor wird sie auch persönlich bedroht - furchtlos entgegen und weigert sich, genderspezifische Gewalt und jede Ungleichbehandlung zu akzeptieren. Darin ist sie den Frauen im Südosten der Türkei und darüber hinaus eine Mutmacherin."

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Quelle:
Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Vera Lorenz
Telefon: 030-28534-217
E-Mail lorenz@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2014


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