Schattenblick → INFOPOOL → GESELLSCHAFTEN → STIFTUNGEN


HEINRICH BÖLL STIFTUNG/458: Iran-Report Nr. 3 - März 2020


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 3 - März 2020
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Die Parlamentswahlen
• Chameinei forderte das Volk zur Teilnahme an der Wahl auf
• Rohani will nicht zurücktreten
• Mottahari: "Ich werde nicht um Zulassung zu den Wahlen betteln"
• Nargess Mohammadi rief zum Wahlboykott auf
• 41. Jahrestag der Gründung der Islamischen Republik gefeiert
• Coronavirus - Iran nach China am zweitstärksten betroffen
• Immer noch keine Zahlen über Tote bei den Unruhen im November
• Alle Instanzen in Iran waren vom Anfang an über Flugzeugabschuss informiert
• Spitzensportlerinnen und Spitzensportler verlassen das Land
• Endgültige Urteile gegen Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten
• Drei Frauenrechtlerinnen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt
• Todesurteil wegen Spionage für die USA


DIE PARLAMENTSWAHLEN

Bei den diesjährigen Parlamentswahlen waren in der Bevölkerung keine Spannung über ihren Ausgang und allgemein kein großes Interesse spürbar. Anders als bei vergangenen Wahlen gab es keinen Andrang und kaum lange Schlangen vor den Wahllokalen. Die Menschen schienen eher resigniert. Jeder konnte sich ausmalen, wie das Wahlergebnis lauten werde. Tatsächlich kam fast alles wie erwartet: das Wahlergebnis entsprach dem Wunsch der Architekten der Wahl, zu ihrem Leidwesen aber nicht die peinlich geringe Wahlbeteiligung.

Das am 21. Februar gewählte Parlament besteht, bis auf wenige Gemäßigte, aus Ultras und Konservativen. Die Monopolisierung des "Hauses des Volkes," wie das Parlament in Iran genannt wird, war nicht überraschend. Der von den Konservativen beherrschte Wächterrat, der bei den Wahlen über die Eignung der Kandidaten entscheidet, hatte mehrere tausend Reformer und Gemäßigte als "ungeeignet" eingestuft, darunter solche, die seit vier Jahren als Volksvertreter im Parlament sitzen.

Es scheint, dass die Hardliner mit Revolutionsführer Ali Chamenei an der Spitze kein Risiko eingehen wollten. Zwar war ein Sieg der Reformer nicht zu erwarten. Denn sowohl die als gemäßigt geltende Regierung von Hassan Rohani als auch das Parlament, in dem die Reformer bis vor den Wahlen die Mehrheit hatten, haben die Bevölkerung zutiefst enttäuscht. Das Land steckt in einer existenzbedrohenden Wirtschaftskrise. Hinzu kommen Misswirtschaft und eine weit verbreitete Korruption. Auch der Druck von außen, allen voran der "maximale Druck" aus den USA, und die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die sich in immer häufiger werdenden landesweiten Demonstrationen manifestiert, ließen den Reformern keine Hoffnung, im Parlament erneut die Mehrheit erringen zu können.

Dennoch wollten die Ultras offenbar auf Nummer sichergehen. Selbst die harmlosesten Gemäßigten, die zumindest als republikanisches Feigenblatt hätten dienen können, wurden nicht zugelassen. Das Parlament sollte eine Einheit bilden, die wie ein Bollwerk hinter dem Revolutionsführer steht und dessen Willen und Pläne umsetzt.

Die Zusammensetzung des neuen Parlaments zeigt, dass die Ultras und Konservativen ihr Ziel erreicht haben. Sie haben 76,2 Prozent der Stimmen bekommen und damit 221 der 290 Sitze erobert. Die Reformer und Gemäßigten erhielten lediglich 5,5 Prozent der Stimmen und bilden mit 16 Sitzen eine winzige Minderheit gegenüber den Ultras. Der Rest der Sitze fiel an unabhängige Kandidaten, die wegen ihrer lokalen Popularität gewählt wurden, oder an Vertreter religiöser Minderheiten. Sämtliche 30 Sitze für Teheran wurden von Ultras besetzt. Die meisten Stimmen erhielt der ehemalige Teheraner Bürgermeister Bagher Ghalibaf, der vermutlich auch der zukünftige Präsident des Parlaments sein wird.

Der 58-jährige Ghalibaf machte bereits in seinen jungen Jahren bei den Revolutionsgarden Karriere und wurde während des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) zum Kommandeur einer Division ernannt. 1999 wurde er Polizeichef, promovierte während dieser Zeit an der Tarbiat Modares Universität in Teheran in dem Fach Politische Geographie. 2005 wurde er Bürgermeister von Teheran. Dreimal kandidierte er bei den Präsidentschaftswahlen und scheiterte. Jetzt wird er wohl als Chef der Legislative in die Staatsführung aufgenommen werden.

Den zweithöchsten Stimmenanteil in der Hauptstadt erhielt Mostafa Mirsalim. Er war früher unter Präsident Haschemi Rafsandschani Minister für Kultur und Islamische Führung und ist bekannt als der größte Zensor in der Geschichte der Islamischen Republik. Im neuen Parlament sind zudem eine ganze Reihe von Personen aus dem Kreis um den früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Hinzu kommt eine Reihe früherer Minister oder Provinzgouverneure, die alle den Konservativen und Ultras angehören.

Spannend bei der Wahl war die Wahlbeteiligung, die bei früheren Wahlen immer hoch war, was das Regime als eindeutigen Hinweis auf seine Legitimität propagierte. Aber dieses Mal war die Lage anders als sonst. Abgesehen von den rigorosen Ausgrenzungen der Reformer und Gemäßigten hatten die Ereignisse der letzten Monate, die landesweiten Proteste im November, bei denen laut Reuters mehr als 1.500 Menschen getötet wurden, der Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine, bei dem das Volk drei Tage lang belogen und betrogen wurde und die Demonstrationen danach, viel Unmut in der Bevölkerung erzeugt. So gab es im Vorfeld der Wahl zahlreiche Boykottaufrufe, die in den sozialen Netzwerken weit verbreitet wurden. Dagegen waren alle Appelle der Staatsführung nutzlos.

Nach Angaben des Innenministeriums lag die Wahlbeteiligung bei 42,57 Prozent. Das ist der geringste Wert seit der Gründung der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran nahmen demnach lediglich 22 Prozent an der Wahl teil. In vielen Großstädten lag die Wahlbeteiligung bei 20 bis 30 Prozent. Selbst in der Pilgerstadt Ghom, Hochburg der Ultras, gingen nur 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zu den Urnen.

Das war eine herbe Niederlage für das gesamte Regime. Chamenei machte die "Feinde der Islamischen Republik" dafür verantwortlich. Sie hätten mit dem Coronavirus Ängste geschürt und damit versucht, die Menschen davon abzuhalten, ihre Stimme abzugeben, schrieb er am 24. Februar auf seiner Internetseite. Auch die feindlichen Medien im Ausland hätten alle Kunst der Propaganda verwendet, um einen Wahlboykott zu erreichen. Dennoch bedankte er sich bei der Bevölkerung, die sich trotz der Propaganda an der Wahl beteiligt habe. "Es ist der Wille Gottes, dass dieses Volk siegt," sagte er vor einer Versammlung von Geistlichen.

Chamenei musste klar sein, dass die Wahlbeteiligung gering ausfallen wird. Aber warum haben er und die Ultras diese Niederlage riskiert? Vielleicht wollten sie, bei der Lösung der akuten Probleme, mit denen das Land konfrontiert ist, Verzögerungen und Zweifel vermeiden und die Entscheidungen alleine treffen. Auch der Umstand, dass in den nächsten vier Jahren über die Nachfolge des alternden und kranken Revolutionsführers entschieden werden muss, könnte ein Grund für die Monopolisierung der Macht gewesen sein. Wie auch immer, das Risiko war zu groß, die Spaltung der Gesellschaft hat sich stark vertieft. Zudem ist davon auszugehen, dass auch im neuen Parlament die Machtkämpfe fortgesetzt werden. Zwar sind alle neu gewählten Abgeordneten dem Revolutionsführer ergeben und werden seine Anweisungen ausführen. Aber sie bilden dennoch keine Einheit, vertreten verschiedene wirtschaftliche und politische Interessen, folglich werden sie miteinander konkurrieren und einander bekämpfen. Wie auch immer, die absolute Herrschaft der Geistlichkeit wird ohne Unterstützung der Massen nicht funktionieren.

(Auszüge aus diesem Bericht sind am 24. Februar in der taz erschienen.)


CHAMEINEI FORDERTE DAS VOLK ZUR TEILNAHME AN DER WAHL AUF

Aus Furcht davor, dass die Ereignisse der letzten Monate einen Großteil der Bevölkerung davon abhalten könnte, zur Wahl zu gehen, versuchte Revolutionsführer Ali Chamenei in einer anbiedernden Rede am 14. Februar, an das Nationalgefühl der Iraner zu appellieren. So wollte er sie doch noch zur Teilnahme an der Wahl bewegen. "Es kann sein, dass jemand mich nicht mag, aber, wenn er seine Heimat Iran liebt, muss er wählen gehen," sagte er. "Alle, die einen Bezug zu Iran und zu seiner Sicherheit haben, müssen an der Wahl teilnehmen." Selbst jene, die nicht religiös oder revolutionär motiviert seien, sollten zu den Urnen gehen, weil die hohe Wahlbeteiligung eine Garantie für die Sicherheit und Stabilität des Landes bilde und zur Lösung der Probleme, einen wichtigen Beitrag leiste.

Scharfe Kritik übte Chamenei an jenen, die dem Wächterrat wegen massenhafter Ablehnung der Kadidaten kritisierten. Es sei eine Lüge, wenn behauptet werde, die Wahlen würden manipuliert oder Abgeordnete bereits vor der Wahl nominiert. Solche Stellungsnahmen seien dazu geeignet, unter der Bevölkerung Resignation zu verbreiten. Es sei erstaunlich, dass Leute, die durch Wahlen zu Rang und Namen gekommen seien, jetzt die Wahlen kritisierten. "Wie kommt es, dass ihr die Wahlen gutheißt, wenn sie zu eueren Gunsten ausfallen, sie aber kritisiert, wenn ihr davon nicht profitiert?" sagte er. "Wir können uns nicht bei Feinden beschweren, die uns denunzieren, wohl aber bei jenem Schriftsteller, der im Internet aktiv ist oder bei jenem Parlamentsabgeordneten oder Staatsbeamten, die zwar die Bevölkerung zur Teilnahme an der Wahl auffordern, aber sich so negativ über die Wahl äußern, dass die Menschen die Lust verlieren, zu wählen."

"Die Wahlen in Iran gehören zu den saubersten und korrektesten Wahlen in der Welt," sagte Chamenei weiter. Es sei bei den Wahlen oft vorgekommen, dass einige sich über Wahlbetrug beschwert hätten. "Ich habe eine Untersuchungskommission beauftragt, die Fälle zu untersuchen. Das Ergebnis zeigte, dass die Vorwürfe nicht zutrafen."

Chamenei betonte die Bedeutung der Wahl für das internationale Ansehen des Landes und forderte die Kritiker auf, Äußerungen zu vermeiden, die resignierend wirken. Er warnte davor, den Lügen der Auslandspresse Glauben zu schenken. Eine feindlich gesinnte Presse, die zum Beispiel die Millionen Teilnehmer an den Trauerfeiern für General Soleimani als "Tausende" bezeichnet und ein paar Hundert Demonstranten auf den Straßen als Massenproteste dargestellt habe, sei nicht glaubwürdig.

Einen Tag vor den Wahlen appellierte Chamenei noch einmal an das iranische Volk, wählen zu gehen. Er bezeichnete den Urnengang als "Dschihad der Massen" (Massenaufmarsch im Krieg für Gott). Es sei äußerst wichtig, ein starkes Parlament zu haben, das imstande sei, den Feinden Widerstand zu leisten und das Land zu schützen. Die Teilnahme an der Wahl sei nicht allein eine "nationale und revolutionäre Pflicht," sondern auch eine "religiöse Pflicht." Die Wähler sollten wachsam sein und die richtigen Leuten Wählen. "Denn in unseren Parlamenten saßen auch Abgeordnete, die inzwischen Diener und Dienerinnen der Amerikaner und Feinde Irans geworden sind."


ROHANI WILL NICHT ZURÜCKTRETEN

Kurz vor den Parlamentswahlen widersprach Präsident Hassan Rohani Gerüchten, wonach er im Falle einer Schlappe bei den Parlamentswahlen zurücktreten würde. "Die Idee, zurückzutreten, ist mir nie in den Sinn gekommen," sagte er am 17. Februar auf einer Pressekonferenz. Ein Rücktritt würde die Probleme nicht lösen. Die Amtszeit Rohanis endet im Juni nächsten Jahres. Er wurde 2013 gewählt und nach vier Jahren im Amt bestätigt. Gemäß der Verfassung der Islamischen Republik darf ein Präsident nur zweimal gewählt werden.

Rohani berichtete, dass er bereits zweimal seinen Rücktritt eingereicht habe, einmal in seiner ersten und einmal in seiner zweiten Amtszeit. Doch Revolutionsführer Ali Chamenei hätte abgelehnt. "Ich wünsche, dass Sie bis zur letzten Minute dienen. Ich unterstütze diese Regierung," soll er laut Rohani gesagt haben. Der Präsident kündigte an, er werde auch während des Rests seiner Amtszeit seine Versprechen einlösen. Er sagte nicht, welche Versprechen er bisher eingelöst habe. Eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit liefert jedenfalls keine Antwort auf diese Frage. Allerdings sind Rohani und seine Regierung nicht allein schuldig an ihrem Misserfolg. Der Austritt der USA aus dem Atomabkommen und die anschließenden Sanktionen der USA haben dazu beigetragen. Die Regierung ist aber verantwortlich für die weit verbreitete Korruption und die Misswirtschaft und dafür, dass in den vergangenen sieben Jahren keine grundlegenden Reformen durchgesetzt worden sind. Sollten sie dazu nicht fähig gewesen sein, sich gegen Ultras und Konservative durchzusetzen, hätten sie zurücktreten müssen.


MOTTAHARI: "ICH WERDE NICHT UM ZULASSUNG ZU DEN WAHLEN BETTELN"

Der populäre Parlamentsabgeordnete aus Teheran, Ali Mottahari, dessen Kandidatur für einen Sitz im nächsten Parlament vom Wächterrat abgelehnt und dessen Beschwerde ebenso zurückgewiesen wurde, schrieb in einer Erklärung am 2. Februar: "Als ein Mitglied des Wächterrats auf einer Sitzung, an der ich auf Einladung des Rats teilgenommen hatte, indirekt zu mir sagte: 'Sie müssen genau das sagen, was wir Ihnen vorschreiben' ergriff ein Beben meinen ganzen Körper und ich dachte, ich befinde mich in einem Albtraum."

Es sei absurd, dass über eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Wächterrats nicht eine andere Instanz, sondern der Wächterrat selbst entscheide, schrieb Mottahari. Das bedeute, dass ein und dieselbe Person sowohl die Rolle des Richters als auch die des Angeklagten übernehme. Dieser Fehler im Rechtssystem müsse korrigiert werden. Zu seiner Kandidatur sagte er, er werde nicht um eine Zulassung betteln.


NARGESS MOHAMMADI RIEF ZUM WAHLBOYKOTT AUF

Die Menschrechtaktivistin Nargess Mohammadi, die zu 16 Jahren Haft verurteilt worden war, schickte aus dem Gefängnis eine Botschaft, in der sie die Bevölkerung aufforderte, "auf zivilisierte Weise" mit einem Wahlboykott gegen die "kleinkarierte und unterdrückerische Politik" des iranischen Staates zu protestieren. "Der Respekt vor dem vergossenen Blut der Demonstranten im November" verlange ein Boykott der Wahlen.

"Wir haben in den vergangenen 40 Jahren zivilisiert und friedlich Freiheit und Unabhängigkeit gefordert. Herausgekommen ist eine Diktatur," schreibt Mohammadi weiter. "Das Volk hat mit dem Gang zu den Wahlurnen Reformen gefordert, doch die Regierung hat darauf mit Aggression und Brutalität reagiert. Das Volk hat vom Staat Kompromissbereitschaft gefordert, doch der Staat hat darauf mit Mord auf den Straßen geantwortet."

"Aus Protest gegen die Missachtung der Grundrechte der Bürger gegen eine unterdrückerische und aggressive Politik und in Anbetracht der gegenwärtige Lage, in der der Staat den Willen des Volkes permanent missachtet, legale und friedliche Möglichkeiten, wie Demonstrationen, Kundgebungen, Streiks und Bildung von zivilen Institutionen verbietet und mit aggressiven Methoden, Gefängnis, Folter und Tötung von wehrlosen Menschen ahndet, wie im November geschehen, bleibt kein anderer Weg, als den Gang zu den Wahlurnen abzulehnen," fährt Mohammadi fort.

Taghi Rahmani, Ehemann von Mohammadi, der derzeit in Paris lebt, sagte in einem Interview mit der BBC: "Nargess hat, wie viele andere Menschen in Iran, in den vergangenen Jahrzehnten an den Wahlen teilgenommen, mit dem Ziel, die Zivilgesellschaft zu stärken. Doch (Revolutionsführer) Chamenei hat sein Wort gebrochen und bei dem Spiel sich selbst einen Sieg und der Bevölkerung eine Niederlage beschert." Möglicherweise werde ein Wahlboykott kaum eine Wirkung haben, "er wird aber eine klare Botschaft an Chamenei senden und ihm mitteilen, dass er sein Wort gebrochen, alle Wege, die zu Reformen führen, gesperrt und das Vertrauen zwischen dem Volk und dem Staat zerstört hat."

Auch eine Gruppe von Frauen, die sich im Gefängnis befindet, hat zum Wahlboykott aufgerufen. Das sei ein Akt der Solidarität mit den Ermordeten vom November. "Die Freiheit und damit die Stimmen der Wähler ging von dem Tag an verloren, an dem statt einer vom Volk frei gewählten Verfassungsgebenden Versammlung eine Expertenversammlung gebildet wurde, die die absolute Herrschaft der Schriftgelehrten sicherte," schreiben die Frauen. "Heute ist es so weit gekommen, dass die Staatsführung aus Furcht vor einem allgemeinen Wahlboykott versucht, mit allen Mitteln die Menschen zu den Urnen zu locken. Der Justizchef erklärte sogar, jeder, der, aus welchem Grund auch immer, die Wahlen in Frage stelle, gelte als Staatsfeind. Doch die Wähler haben von 2009 bis November 2019 opferbereit ihren Willen auf den Straßen kundgetan. (...) Die Menschen in Iran werden das vergossene Blut nicht unbeantwortet lassen," heißt es in der Erklärung der Frauen. Zum Schluss schreiben die Frauen: "Lassen wir ihnen ihre Wahlen, gehen wir lieber dorthin, wo der wirkliche Wille des Volkes kundgetan wird. Jeder der zu den Urnen geht, hinterlässt seinen Fingerabdruck auf dem Abzug der Gewehre, die auf junge Revolutionäre gerichtet wird. Zu den Urnen gehen bedeutet, das herrschende Regime und seine Verbrechen zu akzeptieren."


41. JAHRESTAG DER GRÜNDUNG DER ISLAMISCHEN REPUBLIK GEFEIERT

Trotz der tiefen Krise, in der Iran sowohl wirtschaftlich als auch politisch steckt, versucht die Führung die Probleme als gering darzustellen und die Bevölkerung mit Hilfe von Durchhalteparolen zur Unterstützung des Staates zu mobilisieren. An den Kundgebungen zum 41. Jahrestag der Gründung der Islamischen Republik nahmen landesweit wieder Hunderttausende teil, wobei wahrscheinlich ein Großteil nicht freiwillig zu den Kundgebungen gekommen war.

Hauptredner bei der Kundgebung in Teheran war Präsident Hassan Rohani, der einen Teil seiner Rede dem Konflikt mit den USA widmete. Ziel der USA sei, Iran durch wirtschaftlichen Druck zur Kapitulation zu zwingen. Aber "wir werden niemals aufgeben und letztendlich wird die jetzige US-Regierung dies auch einsehen müssen." US-Präsident Trump sollte wissen, dass er es "nicht nur mit einer Regierung zu tun hat, sondern mit einem ganzen Volk, das genau wie vor 41 Jahren für seine Unabhängigkeit kämpfen wird," sagte Rohani. Er ließ aber trotz starker Worte die Tür noch einen Spalt offen. "Widerstand (gegen die USA) heißt aber nicht, dass wir nicht auch den Weg der Diplomatie weiterführen werden," betonte der Präsident. Sollten die USA die Sanktionen gegen Iran aufheben, werde Teheran bereit sein, mit den USA und anderen Mächten wieder Gespräche zu führen.

Die Massenkundgebungen und die Durchhalteparolen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Land in einer tiefen Krise befindet. Für jeden Bewohner des Landes ist sicht- und spürbar, dass die Säulen des Systems längst zu bersten begonnen haben. Bezeichnend für diese Lage ist, dass die meisten von denen, die noch bis vor kurzem an Reformen glaubten und die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen als ein Instrument betrachteten, um Reformen durchzusetzen, heute alle Hoffnungen aufgegeben haben, die Islamische Republik friedlich in einen freien und demokratischen Staat transformieren zu können.

Zu diesem Teil der Bevölkerung gehört die Gruppe, die als Melli-Mashabi (national-religiös) bezeichnet wird. Einige ihrer Mitglieder waren in den ersten Jahren nach der Gründung der Islamischen Republik Träger hoher Ämter, Parlamentsabgeordnete und dergleichen mehr und zählten damit zu den Trägern des Systems. Doch nach und nach wurde die Gruppe an den Rand gedrängt. Inzwischen führt sie ein halblegales Dasein. Sie veröffentlichte zum Jahrestag der Revolution einen offenen Brief, aus dem wir einige Passagen hier zusammenfassend wiedergeben:

Die Revolution von 1979 hatte Freiheit, Unabhängigkeit und Gerechtigkeit ankündigt, Ziele, die die Menschen in unserem Land seit mehr als einem Jahrhundert anstreben. Diese Ziele wurden in den Begriffen wie Islamische Republik oder Gerechter Islamischer Staat zum Ausdruck gebracht. Sie waren das Ideal von Generationen, vor allem reformorientierter Muslime, die zwischen Islam, der kulturell eine wichtige Rolle spielt, und Republik, die sich nach dem Willen des Volkes richtet und Gleichberechtigung fordert, keinen Widerspruch sahen.

Was haben wir nun nach vierzig Jahren erreicht? Allgemein betrachtet befindet sich das Land gegenwärtig in einer tiefen, großen Krise und ist mit wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Problemen konfrontiert. Die eigentliche Wurzel wirtschaftlicher und sozialer Probleme ist politisch und die Wurzeln politischer Probleme sind kulturell und ideologisch. Es geht also um die Auffassung vom Glauben, um eine traditionelle oder moderne Lesart des Glaubens.

Konkret geht es bei den Auseinandersetzungen um das Verhältnis von Islam und Politik, um die Konkurrenz zwischen ernannten oder gewählten Instanzen, um Zwang und Freiwilligkeit, um Gerechtigkeit und Freiheit. Dieses Nebeneinander von Gegensätzen im System der Islamischen Republik hat Unfähigkeit, Korruption, Betrug und dergleichen mehr erzeugt, das Ansehen des Staates beschädigt und seine Legitimität in Frage gestellt. Die Folge ist, dass der Staat um Machterhalt Gewalt anwendet und auf Kritik aggressiv reagiert.

Die Krise hat die Unabhängigkeit des Staates, insbesondere die der Justiz, beeinträchtigt. Harte, langfristige Urteile, Kontrollen, Verfolgungen, Einbestellungen, Festnahmen ... gegen unabhängige Journalisten, Umweltschützer, Frauenrechtlerinnen ... haben jede Hoffnung auf eine gerechte Justiz zunichtegemacht. Die Krise der Wirtschaft hat zu einer sozialen Krise geführt. Die Folgen sind hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Verzweiflung, Kriminalität, Drogensucht, Prostitution. (...)

Das Festhalten an einer ölabhängigen Wirtschaft der vergangenen vierzig Jahre hat eine produktive, sich weiter entwickelnde Wirtschaft verhindert. Das vorliegende Zeugnis der Revolution, die einst mit dem Anspruch auftrat, die Kultur zu pflegen und dem Volk Frieden und Freiheit zu bringen, lässt sich durch nichts rechtfertigen. Wir sind nach vierzig Jahren mit einer Gesellschaft konfrontiert, die krank, ängstlich, hoffnungslos und voller Sorge ist.

Es bedarf viel Zeit und Geduld und einer grundlegenden Reform der gesamten Staatsordnung, um zu einer gesunden Gesellschaft und zur Herrschaft des Rechts und der Gesetze zu gelangen. Die Gerechtigkeit muss hergestellt und Ungleichheiten müssen beseitigt, sämtliche Privilegien abgeschafft und einige Grundgesetze gemäß dem Votum des Volkes revidiert werden. Zu diesem Votum gehören auch freie Wahlen, die mit der Fortdauer der Kontrolle durch den Wächterrat und Ausgrenzung politisch unliebsamer Bewerber ad absurdum geführt werden und das Prinzip der Herrschaft des Volkes in Frage stellen. Solche Machenschaften haben den Staat in eine Legitimationskrise geführt.

Im Falle der Fortsetzung der bisherigen Strategie werden sich die Proteste häufen und den Verfallsprozess des Staates beschleunigen. Die allgemeine Sicherheit wird darunter leiden, die Krise sich immer weiter vertiefen und die territoriale Integrität und nationale Souveränität unseres Landes sowie der Frieden in der gesamten Region werden in Gefahr geraten. In Anbetracht dieser Lage scheint nichts dringlicher als der Einsatz aller Mittel und Möglichkeiten, um den Übergang zu einem demokratischen Staat und einer demokratischen Gesellschaft zu ermöglichen. Die Verantwortlichen des Staates sollten, ausgehend von den Erfahrungen der Revolution von 1979, wohl wissen, dass die Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen über das Schicksal des Landes Vertrauen voraussetzt. Die Revolution von 1979 hat gezeigt, dass es weitaus leichter ist, den Willen des Volkes und das Recht zu akzeptieren - solange es nicht zu spät ist - als die Unterdrückung und Gewalt fortzusetzen und gegenüber den Außenmächten zu kapitulieren.


CORONAVIRUS - IRAN NACH CHINA AM ZWEITSTÄRKSTEN BETROFFEN

Iran hat nach China derzeit die meisten Opfer durch Coronavirus zu beklagen. Laut neuesten Angaben des Teheraner Gesundheitsministeriums (3. März) sind bislang 66 Menschen an dem neuen Virus gestorben. 1.501 Personen seien positiv getestet worden. Gemessen an der Zahl der Bevölkerung liegt Iran damit sogar vor China. Zu den Erkrankten gehören auch die Vizepräsidentin Massumeh Ebtekar, zuständig für Frauen und Familie und der stellvertretende Gesundheitsminister Iradsch Harirtschi, der für den Kampf gegen den Virus zuständig ist. Das Ministerium fügte den Berichten zugleich hinzu, dass bislang 175 Coronavirus-Patienten geheilt seien und bereits das Krankenhaus verlassen hätten.

Die Zweifel an Angaben der Regierung sind in der iranischen Bevölkerung sehr groß. Nach den Ereignissen der letzten Monate, vor allem nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine, bei der das Volk drei Tage lang belogen und betrogen wurde, ist das Vertrauen zwischen der Bevölkerung und der Staatsführung stark gestört. Das öffnet Gerüchten und Verschwörungstheorien Tor und Tür. Dem versucht der Staat mit Strafdrohung entgegenzutreten. Wer Gerüchte und Unwahrheiten verbreite, wird mit drei Jahren Gefängnis bestraft, hieß es aus der Justiz. 24 Personen seien deswegen bereits festgenommen worden.

Auch Experten schätzen die Zahl der Toten und infizierten weit höher als die von der Regierung angegebenen. Der Abgeordnete Gholamali Dschafarsadeh Imanabadi bat die Verantwortlichen inständig, die Wahrheit zu sagen. "Die angegebenen Zahlen sind nicht korrekt. Sagt dem Volk die Wahrheit. Man kann doch die Gräber nicht verstecken," sagte er.

Das persischsprachige TV-Programm der BBC mit Millionen Zuschauern in Iran sprach am 28. Februar unter Berufung auf Angaben der Krankenhäuser von mindestens 210 Toten in Iran, mehr als hundert allein in Teheran.

Aber selbst wenn die Angaben der Regierung stimmen sollten, bleibt die Frage, warum gerade Iran so stark von der Lungenkrankheit heimgesucht wurde. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zunächst steht es fest, dass die Regierung die Krankheit viel zu spät ernst genommen und erforderliche Maßnahmen dagegen eingeleitet hat. Trotz Proteste, wurde der Luftverkehr zwischen China und Iran bis vor kurzem nicht eingestellt. China ist derzeit der größte Handelspartner der Islamischen Republik, die Märkte in Iran sind überfüllt von chinesischen Waren. Ein User schrieb im Internet: "nun könnte sogar mein Tod made in China sein."

Auch andere Vorbeugemaßnahmen, wie Isolierung von Infizierten oder Absage von größeren Veranstaltungen und Versammlungen, wurden viel zu spät und dann auch nur zögerlich getroffen. Sie sind aber immer noch nicht ausreichend. Die Heilige Stadt Ghom, von der aus sich die Krankheit verbreitete, wird täglich von Tausenden Pilgern besucht, die sich in den Moscheen versammeln. Doch bis heute wird darüber gestritten, ob man den Moscheebesuch verbieten dürfte. Dasselbe gilt für die Teilnahme am Freitagsgebet. Der Freitagsprediger von Ghom, Mohammad Saidi, meinte, die Feinde Irans wollten Ghom als eine unsichere Stadt darstellen. "Wir betrachten die Moscheen als Orte, die körperlich und psychisch Kranke gesundmachen. Gerade jetzt müssen die Menschen in die Moschee kommen," sagte er. Längst hätte die Stadt Ghom, die als Epizentrum der Krankheit gilt, isoliert werden müssen. Doch offenbar hindert der Widerstand der Kleriker die Regierung daran, diesen notwendigen Schritt zu vollziehen.

Bislang hat keine wichtige religiöse Instanz den Gang zu den Moscheen untersagt. Als Ayatollah Hossein Wahid Chorasani gebeten wurde, den Gläubigen zu empfehlen, hygienische und medizinische Vorbeugemaßnahmen zu befolgen, sagte er: "Legt die Hände auf die Brust, sprecht morgens und abends siebenmal die Sure Hamd aus dem Koran, dann wird euch Gott helfen."

Erst am 28. Februar beschlossen 22 der 31 Provinzen, das Freitagsgebet abzusagen. Laut Beschluss der Regierung sollen Schulen und Universitäten möglicherweise bis nach den Neujahrsferien geschlossen bleiben. Das neue Jahr (Noruz) beginnt in Iran am 21. März. Dann schließen die Lehranstalten ohnehin für 13 Tage. Zudem sollen öffentliche Veranstaltungen sowie Hochzeits- und Trauerfeiern abgesagt werden.

Die Staatsführung versuchte zunächst, wie bei allen unangenehmen Ereignissen, ausländische Feinde für die Verbreitung der Krankheit in Iran verantwortlich zu machen. Nach der Teilnahme an der ersten Sitzung des Krisenstabs am 25. Februar erklärte Präsident Hassan Rohani auf einer Pressekonferenz, die live im Fernsehen übertragen wurde: "Es handelt sich um eine Verschwörung unserer Feinde, die mit der Verbreitung der Angst unser Land zum Erliegen bringen wollen." Die Verbreitung der Krankheit habe ihren Gipfel erreicht, in wenigen Wochen werde es mit dem Spuk vorbei sein.

Mittlerweile haben alle Nachbarstaaten Flüge aus Iran gestrichen. Auch diese Maßnahme erfolgt zu spät. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bislang 970 Personen in elf verschiedenen Ländern durch Reisende aus Iran infiziert worden.

(Auszüge aus diesem Bericht erschienen zuerst in der taz, 29. Februar 2020)


IMMER NOCH KEINE ZAHLEN ÜBER TOTE BEI DEN UNRUHEN IM NOVEMBER

Obwohl bereits mehr als drei Monate seit den landesweiten Protesten im November verstrichen sind, gibt es immer noch keine offiziellen Zahlen über die Toten, Verletzten und Verhafteten. Die Agentur Reuters hatte über 1.500 Tote berichtet, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von mindestens 304 Toten.

Dazu erklärte der Provinzgouverneur von Teheran, Anuschirawan Mohsseni, auf einer Pressekonferenz am 2. Februar, es habe "sicherlich weniger als 1.500 Tote gegeben." Er werde die Zahl der Menschen, die bei den Unruhen in der Hauptstadt Teheran getötet worden sein, demnächst bekannt geben. Auf die Frage eines Journalisten, warum niemand die Verantwortung für die Bekanntgabe der Zahlen übernehme, sagte Mohsseni: "Es liegt nicht in unserer Zuständigkeit, Angaben zu den Toten, Verletzten und Verhafteten zu machen. Das müssen schon jene Organe tun, die die Ereignisse unter Kontrolle hatten."

Welche Organe Mohsseni meinte, ist nicht klar. Vermutlich hat er die Justiz oder die Revolutionsgarden im Blick. Wie auch immer, seit den Protesten im November versucht jede Instanz, sich als unzuständig darzustellen und die Verantwortung auf andere Organe zu schieben.

Präsident Rohani sagte am 17. Februar der Presse, die Informationen über die Zahl der Toten lägen bei der Gerichtsmedizin. Die Behörde müsste inzwischen darüber genaue Kenntnis haben. Sie könne sie problemlos veröffentlichen. Sofort kam von der Gerichtsmedizin ein Dementi. Für solche Informationen sei die Regierung zuständig, konterte die Behörde. Abbas Masdschedarai, Chef der Gerichtsmedizin, sagte, laut Beschluss des Nationalen Sicherheitsrats sei für solche Informationen die Regierung verantwortlich. Seine Behörde sei nicht verpflichtet, die Öffentlichkeit über die Zahl der Toten bei Demonstrationen zu informieren. "Alle Informationen liegen beim Rat der Nationalen Sicherheit. Der Innenminister kann darüber Auskunft geben," sagte er. Gemeint ist offenbar der "Landessicherheitsrat," der dem Innenminister untersteht.


ALLE INSTANZEN IN IRAN WAREN VOM ANFANG AN ÜBER FLUGZEUGABSCHUSS INFORMIERT

Eine Videoaufzeichnung, die an die Öffentlichkeit gelangt ist, hat die Diskussion über den Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine in Iran neu belebt. Die Aufzeichnung legt nahe, dass sämtliche Instanzen der Islamischen Republik von Anfang an die Wahrheit über den Absturz kannten und diese drei Tage lang zu vertuschen versuchten. Bei der Aufzeichnung handelt es sich um einen Wortwechsel zwischen einem Piloten der iranischen Fluggesellschaft "Aseman" und einem iranischen Fluglotsen. Der Pilot befand sich genau zu der Zeit als die ukrainische Maschine abgeschossen wurde, auf dem Flug von Schiras nach Teheran. Er konnte die Rakete sehen, die auf das Flugzeug zusteuert, er rief dem Lotzen zu: "Eine Serie von Lichtern ... ja, es ist eine Rakete, ist da etwas?" "Nein," sagte der Lotze, "wie viele Meilen? Wo? " Ihm sei nichts dergleichen bekannt, sagte er. Doch der Pilot besteht darauf. "Es ist das Licht einer Rakete," sagte er. Der Lotze fragte ihn, ob er noch etwas sehe. "Lieber Ingenieur, es war eine Explosion," sagte der Pilot. "Wir haben dort ein sehr großes Licht gesehen, ich weiß nicht wirklich, was es war." Der Lotze versucht vergeblich das ukrainische Flugzeug zu kontaktieren.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi erklärte am 3. Februar, die Aufnahme sei authentisch. Auch der Leiter des iranischen Ermittlungsteams, Hassan Resaifar, bestätigte die Echtheit der Aufnahme, kritisierte jedoch die Veröffentlichung. Es sei unprofessionell, einen Teil des vertraulichen Berichts zu veröffentlichen. Iran werde von nun an der Ukraine keine weiteren Dokumente zur Verfügung stellen, sagte er.

Über den Vorfall wurde in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert. Die meisten User argumentierten wie folgt: Wenn der Kontrollturm tatsächlich über den Abschuss informiert war, waren auch alle Verantwortlichen bei den Politikern und Militärs von Anfang an darüber in Kenntnis. Alle haben also gelogen und den Vorfall zu vertuschen versucht. Das sei verwerflich und nicht hinnehmbar. Die Proteste richteten sich in erster Linie gegen Präsident Rohani, der behauptete, er habe erst drei Tage nach dem Ereignis die Wahrheit erfahren.

Ein User schrieb: "Seit dem Abschuss der ukrainischen Maschine sind 20 Tage vergangenen. Aber die Details sind immer noch nicht bekannt. Ist nur eine Person festgenommen worden oder mehrere Personen? Was macht die Blackbox? Wer war für den Abschuss verantwortlich? Können wir darauf hoffen, die Wahrheit zu erfahren oder wird auch dieser Vorfall bald vergessen werden?"

Am 16. Februar gab Rohani eine Pressekonferenz, die vom Fernsehen direkt übertragen wurde. Dabei lobte er die Revolutionsgarden und sagte: "Dieselbe militärische Kraft, die uns zu höchsten Ehren verhalf, hat einen Fehler begangen. Ich verehre die Revolutionsgarden, die sich bei der ersten Gelegenheit bei der Bevölkerung entschuldigt haben. Daher dürfen wir nicht zulassen, dass solche Ereignisse unsere Einheit schädigen," sagte der Präsident.


SPITZENSPORTLERINNEN UND SPITZENSPORTLER VERLASSEN DAS LAND

Eine ganze Reihe von Spitzensportlern hat in den letzten Monaten das Land verlassen. Ein Fall, der auch unternational Aufsehen erregte, war der des iranischen Judo-Weltmeisters Said Molaii. Ihm war im Halbfinale der Judo-WM 2019 von der Teamleitung befohlen worden, den Kampf im Halbfinale zu verlieren, um im Finale nicht gegen einen israelischen Judoka antreten zu müssen. Iranischen Sportlern ist untersagt, bei welcher Gelegenheit auch immer, gegen israelische Sportler zu kämpfen. Das gilt sowohl für Einzelsportler als auch für Mannschaften. Dieser "Grundsatz"" wird jedoch von nationalen und internationalen Gremien, die für die Durchführung der Wettkämpfe verantwortlich sind, nicht akzeptiert.

Ein zweiter Fall betrifft die 21-jährige Taekwondo-Kämpferin Kimia Alisadeh, der es 2016 gelang, bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die Bronzemedaille zu gewinnen. Sie kam im vergangenen Monat über Dänemark nach Deutschland und erklärte, sie wolle nicht mehr nach Iran zurückkehren, weil sie die dort herrschende Unterdrückung gegen Frauen nicht mehr erdulden wolle und könne. Sie äußerte den Wunsch, im deutschen Team zu den Olympischen Spielen in Tokio mitgenommen zu werden.

Auch die iranische Schach-Schiedsrichterin, Schohreh Bayat, entschied sich dafür im Ausland zu bleiben. Sie befürchte, sagte sie, dass sie in Iran bestraft werden würde, weil sie bei der WM der Frauen in Shaghai ihr Kopftuch nicht vorschriftgemäß getragen habe.

Die iranische Regierung bestreitet, dass die Weigerung der Sportlerinnen und Sportler, ins Land zurückzukehren, politische Gründe habe. "Die meisten von ihnen hatten private Probleme mit ihren Trainern und die Angelegenheit ist nicht politisch und auch nicht als eine gesellschaftspolitische Krise einzustufen," sagte Sportminister Masud Soltanifar am 3. Februar der Presse.


ENDGÜLTIGE URTEILE GEGEN UMWELTAKTIVISTINNEN UND UMWELTAKTIVISTEN

Die iranische Justiz gab am 18. Februar bekannt, dass die Urteile gegen die Umweltaktivisten, die sich bereits seit zwei Jahren in Haft befinden, vom Revisionsgericht gefällt worden seien. Diese Urteile seien endgültig und nicht mehr anfechtbar. Justizsprecher Gholamhossein Esmaili sagte, Morad Tahbas und Nilufar Bayani seien wegen Kooperation mit den USA zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt worden. Aus einem ähnlichen Grund seien Human Dschokar und Taher Ghadirian zu jeweils acht Jahren und Sam Radschabi und Sepideh Kaschan zu je sechs Jahren Haft verurteilt worden. Amirhossein Chaleghi sei wegen Spionage mit sechs Jahren Haft und Abdolresa Kuhpayeh wegen Gruppenbildung zu Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit mit vier Jahren Haft bestraft worden.

Esmaili sagte: "Aus unserer Sicht ging es bei diesem Prozess gegen die Umweltaktivisten um Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit Irans."

Zu den Umweltaktivisten gehörte auch der renommierte Umweltwissenschaftler Kawuss Seydemami, der zwei Wochen nach seiner Festnahme starb. Die Justiz erklärte, er habe Selbstmord begangen. Doch seine Angehörigen sowie Anwälte ziehen diese Darstellung stark in Zweifel. Sie nehmen an, dass er unter Folter getötet wurde.

Der Prozess gegen die Umweltaktivisten gehört zu den umstrittensten Fällen der letzten Jahre. Sowohl die Regierung als auch das Informationsministerium (Geheimdienstministerium) erklärten mehrmals, dass die Aktivisten völlig unschuldig seien und es keinerlei Beweise für angebliche Spionagetätigkeit oder Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit gebe. Doch, aus welchem Grund auch immer, beharrten der Geheimdienst der Revolutionsgarden und mit ihm die Justiz darauf, dass die Angeklagten für die USA gearbeitet hätten.

Allgemeines Entsetzen riefen die Berichte von Nilufar Bayani über Folterungen im Gefängnis hervor. In einigen Briefen an Verantwortliche der Staatsführung schreibt sie, dass sie während der Haft 1.200 Stunden lang vom Geheimdienst der Revolutionsgarden verhört, "schlimmsten psychischen Folterungen" unterzogen und mit physischen und sexistischen Quälereien bedroht wurde, schrieb sie an Revolutionsführer Chamenei. Man habe sie gezwungen Tierlaute nachzuahmen, habe ihr ein Foto von der Leiche ihres Kollegen Seydemami gezeigt und gesagt, "genauso wirst du und werden deine Kollegen enden," es sei denn, "sie tun, was von ihnen verlangt werde." Sie drohten, ihr Luft in die Venen einzuspritzen, sie mit Peitschenschlägen zu bestrafen. "Sieben bewaffnete Männer haben mich in eine Privatvilla gebracht und mich gezwungen, ihnen bei unmoralischen, unislamischen, sexistischen Handlungen in einem Schwimmbecken zuzuschauen," schreibt sie. "Bei lang andauernden Verhören, an denen mehrere Männer beteiligt waren, wurde ich mit üblen, schmutzigen, sexistischen Ausdrücken beschimpft. Sie schilderten ihre sexistischen Phantasien und forderten mich auf, diese zu erfüllen." Sie sollte unter Drohung der Vergewaltigung Geständnisse ablegen, aufschreiben, was die Folterer ihr diktierten. Monate lang musste sie in Einzelhaft verbringen. Immer wieder seien in den dunklen Gängen die Folterer aufgetaucht, um ihr Schrecken einzujagen. "Nirgends fühlte ich mich sicher, ich lebte unter ständiger unerträglicher Angst," schreibt die Umweltaktivistin.

Im persischsprachigen Programm der BBC wurden Auszüge aus den Briefen zitiert, was in den sozialen Netzwerken Entsetzen, Empörung und Wut ausgelöst hat. Weder die Revolutionsgarden noch die Justiz haben sich bislang zu den Vorwürfen geäußert.


DREI FRAUENRECHTLERINNEN ZU HOHEN GEFÄNGNISSTRAFEN VERURTEILT

Drei Frauen, die gegen den Kopftuchzwang protestiert hatten, wurden am 5. Februar zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Das Revisionsgericht verurteilte die drei Frauen, Yasaman Ariaii, Manijeh Arabschahi und Mojgan Keschawars wegen "Werbung für Unzucht und Prostitution" zu je fünfeinhalb Jahren Gefängnis. Sie hatten ein Video veröffentlicht, auf dem sie zu sehen waren, wie sie ohne Kopftuch in der U-Bahn Blumen verteilten.

Ariaii und Arabschahi waren bereits im März vergangenen Jahres festgenommen worden. Einen Monat später wurde auch Keschawars verhaftet. Der Anwalt der Frauen, Amir Raisian, sagte, er sei weder zu den Verhören noch zu der Gerichtverhandlung zugelassen worden.

Viele Frauen haben in den letzten zwei Jahren aus Protest gegen den Kopftuchzwang in der Öffentlichkeit demonstrativ ihr Kopftuch abgenommen. Allein im März 2019 wurden aus diesem Grund 29 Frauen festgenommen. Wida Mowahed war die erste Frau, die im Zentrum der Hauptstadt Teheran ihr weißes Kopftuch abnahm, es an einen Stock hängte und damit solange wedelte, bis sie festgenommen wurde. Diese mutige Aktion fand landesweit Nachahmerinnen.


TODESURTEIL WEGEN SPIONAGE FÜR DIE USA

Justizsprecher Gholamhossein Esmaili gab am 4. Februar bekannt, dass der oberste Gerichtshof das Todesurteil gegen den Iraner Amir Rahimpur bestätigt habe. Rahimpur wurde wegen Spionage für den US-Geheimdienst CIA zum Tode verurteilt. Er habe Informationen über das iranische Atomprogramm an den Geheimdienst verkauft und dafür hohe Summen erhalten. Das Gericht habe Beweise, die die Spionagetätigkeit eindeutig belegen, betonte der Sprecher. Rahimpur sei einer der drei zum Tode verurteilten Spione gewesen, dessen Urteil nun mit der Bestätigung durch den obersten Gerichtshof endgültig sei. "Er wird hoffentlich demnächst seine Untaten büßen," sagte Esmaili.

"Die Spionage in Iran sei eines der Mittel, mit denen die USA der Islamischen Republik Schaden zufügen wollten," sagte der Justizsprecher. Das Urteil zeige, dass die Islamische Republik insbesondere gegen Lakaien ausländischer Staaten entschieden vorgehe und zu keinem Zugeständnis bereit sei. "Unsere Maßnahmen und unsere Logik gegen Feinde richten sich nach der Logik der Macht, unsere Antwort auf Feindseligkeiten ist kompromisslos."

Wie und wann Rahimpur festgenommen und was ihm konkret vorgeworfen wurde, sagte der Sprecher nicht. Er sprach über weitere Personen, die für die CIA spioniert hätten und vor kurzem vor Gericht gestellt worden seien. Sie seien zu jeweils 10 Jahren Haft wegen Spionage plus fünf Jahren wegen Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit verurteilt worden. Da die Urteile noch nicht endgültig seien, könne er ihre Namen nicht nennen.

*


KULTUR

• Buch eines Mörders als "Buch des Jahres" gefeiert
• Neue Welle der Repression gegen Journalistinnen und Journalisten
• Der Sänger Tetlo wieder freigelassen
• Haftstrafen für Schriftsteller, die Chameneis Rücktritt gefordert hatten
• Prozess gegen den Journalisten Sam hat begonnen


BUCH EINES MÖRDERS ALS "BUCH DES JAHRES" GEFEIERT

Beim 37. Tag des Buches, an dem das "Buch des Jahres" gekürt wird, gewannen die Memoiren eines Mörders den ersten Preis. Die Feier fand im Beisein von Präsident Rohani statt. Der Autor heißt Kazem Darabi. Er gehört zu den vier Männern, die ein Berliner Gericht wegen eines Mordanschlags zu lebenslanger Haft verurteilt hat. Der Mordanschlag ereignete sich am 17. September 1992 im Berliner Lokal Mykonos. Dabei wurden vier iranische Oppositionelle mit einem Maschinengewehr und einem Colt niedergeschossen. Bei den Ermordeten handelte es sich um den Generalsekretär der Demokratischen Partei des Iranischen Kurdistan Scharafkandi, dem Vertreter der Partei in Europa, Fattah Abdi, dem Vertreter der Partei in Deutschland Homayun Ardalan und Nuri Dehkordi, der als Übersetzer die Gruppe begleitete.

Das Buch trägt den Titel "Das Gemälde des Lokals". Es schildert das Leben Darabis, der 1997 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Der Anschlag sowie das Urteil hatten weitreichende Folgen. Deutschland zog, gefolgt von sämtlichen europäischen Staaten, seinen Botschafter aus Teheran zurück, über Jahre waren die Beziehungen zwischen Iran und den europäischen Staaten schwer belastet.

Der Autor schildert seine Kindheit, seine Übersiedlung nach Deutschland und seine politischen Aktivitäten als gläubiger Muslim. Ausführlich beschreibt er die Zeit, die er im Gefängnis verbracht hat und versucht dabei, sich als Opfer der deutschen Justiz darzustellen.

Vor dem Attentat war Darabi als Verfechter der Islamischen Republik in Deutschland tätig. Er gehörte zu den Organisatoren einer Moschee in Berlin. Er organisierte Veranstaltungen, unter anderem eine große Trauerfeier zum Todestag von Ayatollah Chomeini oder Feiern zum Jahrestag der Gründung der Islamischen Republik. Er arbeitete mit der iranischen Botschaft in Berlin zusammen und begleitete iranische Politiker bei ihren Besuchen in Deutschland. Seinen Unterhalt verdiente er nach eigenen Angaben zuerst mit einem kleinen Laden und danach mit Handel zwischen Iran und Deutschland.

Über das Attentat schreibt er, er habe ein völlig normales Leben geführt: "Ich habe mit meiner Familie in Deutschland gelebt, hatte Kontakt zu Freunden und Kollegen. Ich verkaufte und Kaufte, importierte, exportierte, schloss Verträge, zahlte Geld, kassierte Geld, nahm Einladungen an, lud Freunde und Bekannte ein." Von dem Attentat habe er durch eine Faxsendung erfahren. Er leugnet jede Beteiligung an dem Mordanschlag.

Neun Tage nach dem Attentat reiste Darabi nach Iran, kehrte nach einer Woche zurück und wurde am 8. Oktober verhaftet. Seinen Angaben zufolge hatte er keine Ahnung über die Vorgänge gehabt. Doch das Gericht legte eindeutige Beweise vor, wonach er eine Wohnung gemietet hatte, in der das Attentat geplant und vorbereitet worden war. Er selbst schreibt in dem Buch, er habe die Wohnung für die Gäste und Mitarbeiter gemietet, die aus Iran zu Besuch nach Berlin kamen.

Darabi wurde nach 15 Jahren aus der Haft entlassen. Bei seiner Ankunft in Teheran wurde er offiziell empfangen, unter anderem vom Staatssekretär im Außenministerium, Ali Bagheri. Darüber habe er sich nicht gefreut, schreibt er. Denn die Regierung in Teheran hätte sich nicht um seine Freilassung bemüht. Das Buch hat mehr als 900 Seiten. Man fragt sich, wozu er dieses Buch überhaupt geschrieben hat. Noch wichtiger ist aber zu wissen, warum dieses Buch zum Buch des Jahres gekürt wurde.


NEUE WELLE DER REPRESSION GEGEN JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN

Die jüngsten Ereignisse in Iran haben zu einer verstärkten Repression gegen Journalisten geführt. Anfang Februar fanden bei mindestens vier Journalisten Hausdurchsuchungen statt. Dabei wurden ihre Computer, Mobiltelefone und persönliche Unterlagen beschlagnahmt. Zugleich häufen sich Nachrichten über neue Urteile gegen Journalisten beziehungsweise über Vollstreckung der bereits gefällten Gefängnisstrafen.

Am 3. Februar durchsuchten Sicherheitsbeamte des Geheimdienstes der Revolutionsgarden die Wohnung der Redakteurin der Zeitung "Taadol", Molud Hadschizadeh, wobei sie ihren Laptop, ihr Mobiltelefon, ihren Personalausweis und einige ihrer Bücher beschlagnahmten. Anschließend wurde sie zu ihrem Arbeitsplatz gebracht. Auch dort wurden einige Unterlagen beschlagnahmt.

Hadschizadeh war bereits im Juni vergangenen Jahres wegen "Aufwiegelung der öffentlichen Meinung" in Haft genommen worden, wurde jedoch nach wenigen Tagen gegen eine hohe Kaution wieder freigelassen. Ähnliche Maßnahmen wurden bei den Journalisten Jaghma Faschkhami, Masiar Chosrawi und Yasaman Chaleghian durchgeführt.

Die Journalistin Marsiyeh Amiri, Redakteurin der Zeitung Schargh, die im vergangenen Jahr während der Berichterstattung über Demonstration am 1. Mai festgenommen und in erster Instanz vom Revolutionsgericht zu zehn Jahren Gefängnis und 148 Peitschenschlägen verurteilt wurde, wurde nun vom Revisionsgericht wegen "Propaganda gegen die islamische Staatsordnung und Aufruhranstiftung" zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Ein Sprecher der Iran-Abteilung der Internationalen Föderation der Journalisten sagte in einem Interview mit der BBC am 5. Februar, die neue Repressionswelle stehe im Zusammenhang mit der nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine entstandenen politischen Atmosphäre in Iran, was mit Blick auf die Parlamentswahlen das Regime dazu veranlasste, Härte zu zeigen und unter den Journalisten eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit zu erzeugen. Damit sollten kritische Berichte verhindert werden.


DER SÄNGER TETLO WIEDER FREIGELASSEN

Der bekannte iranische Sänger Amir Hossein Moghsudlu, bekannt als "Tetlo" wurde am 3. Februar aus türkischer Haft entlassen. Er war am 28. Januar festgenommen worden. Laut Polizei hatte es Probleme wegen seiner Aufenthaltserlaubnis gegeben. Seine Freilassung wurde zuerst von der Musikgesellschaft Awang bekannt gegeben. Wenige Stunden später erschien ein Foto von ihm, umgeben von Freunden, auf seiner Hompage, die von 2,7 Millionen seiner Anhänger besucht wird. "Ich habe wegen diesen Leuten viel gelitten!! Jetzt bin ich zufrieden ... habe die Prüfung bestanden", schrieb er. Die genauen Umstände seiner Freilassung sind nicht bekannt, auch nicht, ob mit seiner Entlassung der Fall abgeschlossen ist.

Am 28. Januar veröffentlichte Tetlo auf Instagram ein Foto, auf dem er mit Handschellen zu sehen war. Er schrieb, er sei in Istanbul festgenommen worden. Wenige Stunden danach erklärte Hadi Schirsad, Chef der Interpol in Iran, in einem Interview mit der Agentur Isna, die iranische Justiz habe die Festnahme Teltos bei Interpol beantragt. Es gehe um den Kampf gegen Drogenkonsum, insbesondere bei Jugendlichen, sagte er. Zugleich erklärte ein Vertreter der türkischen Polizei in einem Interview mit der BBC, es gehe um die Aufenthaltserlaubnis für Telto. Auch er erwähnte den Haftantrag der iranischen Justiz.

Indes wurde ein in London geplantes Konzert von Tetlo abgesagt und die bereits erteilte Einreiseerlaubnis für ihn und zwei seiner Kollegen wieder zurückgenommen. In einem Schreiben des britischen Innenministeriums heißt es, da sich die Umstände inzwischen geändert hätten, werde die Erlaubnis zurückgezogen.

Tetlo lebt seit einem Jahr in der Türkei. Während dieser Zeit hat er oft gegen die Islamische Republik, gegen die iranische Geistlichkeit und gegen den Islam Stellung bezogen.


HAFTSTRAFEN FÜR SCHRIFTSTELLER, DIE CHAMENEIS RÜCKTRITT GEFORDERT HATTEN

Sieben Schriftsteller, die in einem offenen Brief Revolutionsführer zum Rücktritt aufgefordert hatten, sind wegen "illegaler Gruppenbildung" und "Propaganda gegen die Staatsordnung" zu insgesamt 72 Jahren Gefängnis, sechs Jahren Ausreiseverbot und sechs Jahre Verbannung verurteilt worden. Die Urteile wurden in der zweiten Kammer des Revolutionsgerichts der Stadt Maschad gefällt. Haschem Chastar wurde zu 16 Jahren Haft und zwei Jahren Verbannung verurteilt, Mohammad Nurisad zu 15 Jahren Haft, zwei Jahren Verbannung und drei Jahren Ausreiseverbot, Abdolrasul Mortasawi zu 16 Jahren Haft, Mohammad Hossein Sepehri zu 6 Jahren Haft, Fatemeh Sepehri zu sechs Jahren Haft und Haschen Redschai, Mohammad Mohsenpur und Mortesa Ghassemi zu jeweils einem Jahr Haft verurteilt.

Die sozial und politisch engagierten Schriftsteller hatten im Sommer vergangenen Jahres den Staat der Islamischen Republik als "als Diktatur ohne Verantwortung" bezeichnet, die "die eigentliche Ursache für alle Probleme bilde und jede Chance zur Reformierung des Systems ausschließt." Daher forderten sie den Rücktritt des Revolutionsführers und eine grundlegende Reform der Verfassung der Islamischen Republik. "Verhandlungen, bitten und betteln um Reformen" seien vergebliche Mühe. Das Land benötige eine grundlegende Zäsur, erklärten sie.

Nach der Veröffentlichung des Briefs wurden einige der Unterzeichner festgenommen. Mirhossein Sayyah, Chef des Sicherheitsdienstes der Provinz Chorasan, sagte in einem Interview mit der Agentur "Junger Journalisten": "Einige Personen, die mit Ausland in Verbindung stehen, sind aus verschiedenen Gegenden des Landes nach Maschad gekommen, um Unruhe zu stiften und gegen den Staat zu propagieren. Sie wurden, während sie sich vor dem Justizgebäude versammelt hatten, festgenommen."


PROZESS GEGEN DEN JOURNALISTEN SAM HAT BEGONNEN

Am 10. Februar begann der Prozess gegen den Journalisten Ruhollah Sam, der in Paris den regimekritischen Nachrichtenkanal Amad News auf dem Kurznachrichtendienst Telegram betrieb. Er wurde, wie wir bereits im November berichtet haben, im Oktober aus Paris nach Bagdad gelockt und von dort aus nach Teheran entführt. Die Revolutionsgarden erklärten, Sam sei im Zuge einer "komplexen und professionellen Operation" verhaftet worden. Das Besondere an dem Kanal war, dass er auch über ganz interne Informationen verfügte und sie veröffentlichte. Demnach bestand der Verdacht, innerhalb des Staatsapparats gebe es Personen, die Informationen an Sam weiterleiteten.

Der Prozess wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Nach Angaben der Justizbehörde verlas zunächst ein Vertreter der Staatsanwaltschaft die Anklageschrift, in der Sam wegen 17 Anklagepunkten für schuldig befunden wurde, darunter wegen Spionage für israelische und französische Geheimdienste und Zusammenarbeit mit der amerikanischen Regierung gegen die Islamische Republik. Sam wurde als "Verderber auf Erden" bezeichnet, worauf gewöhnlich die Todesstrafe steht. Justizsprecher Gholamhossein Esmaili sagte in einem Interview mit dem Teheraner Rundfunk, der Prozess werde im Rahmen bestehender Gesetze geführt.

Der 41-jährige Sam, Sohn eines Geistlichen, wurde bei den Protestdemonstrationen 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Haft genommen. Nach seiner Entlassung flüchtete er zunächst nach Malaysia und danach nach Frankreich. Dort gründete er den Nachrichtenkanal Amad News, der zeitweise mehr als zwei Millionen Mitglieder hatte.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen erklärte am 14. Februar, der Vorwurf, "Verderber auf Erden" und der Spionage könnten zu einem Todesurteil führen. Resa Moini, Leiter der Abteilung für Iran und Afghanistan, erklärte, der Prozess gegen Sam sei "illegal," er verstoße sowohl gegen Gesetze der Islamischen Republik als auch gegen internationale Konventionen. Er forderte den UN-Hochkommissar für Menschenrechte sowie Menschenrechtsorganisationen auf, "sofort bei der iranischen Justiz zu intervenieren." Sam wurde empfohlen, den von der Justiz ernannten Pflichtanwalt zu akzeptieren, damit seine Lage nicht noch schlimmer werde. Iranische Revolutionsgerichte erlauben Angeklagten nicht, ihren Anwalt selbst zu bestimmen. Der Richter Abolghassem Salawati ist für seine harten Urteile, auch Todesstrafen, bekannt.

Am 24. Februar, dem dritten Prozesstag, warf der Staatsanwalt dem Angeklagten Sam vor, ausländische Geheimdienst über die militärischen Operationen Irans in Syrien und den Aktivitäten der Befehlshaber informiert zu haben. Dabei habe er besonders Ghassem Soleimani, der am 8. Januar auf Befehl von US-Präsident Donald Trump in Bagdad gezielt getötet wurde, im Visier gehabt und dessen jeweiligen Aufenthaltsorte bekannt gegeben. Sam lehnte den Vorwurf ein "Verderber auf Erden" zu sein ab. Er habe nicht versucht, die Menschen für Straßenproteste zu mobilisieren. "Man kann doch nicht mit einem Nachrichtenkanal so viele Menschen auf die Straße locken," sagte er.

*


WIRTSCHAFT

• EU bemüht sich weiter um Rettung des Atomabkommens
• FATF setzt Iran auf die schwarze Liste
• Iran - Ziel eines neuen schweren Cyber-Angriffs
• Ölminister: "Wir haben kein Geld mehr"
• Iran bezeichnet neue US-Sanktionen als wirkungslos
• Chef der Zentralbank: Maßnahmen zum Import von Medikamenten nicht ausreichend
• Irak darf weiterhin aus Iran Gas und Strom importieren
• Samsung und LG verlassen Iran


EU BEMÜHT SICH WEITER UM RETTUNG DES ATOMABKOMMENS

Sowohl die europäischen Mitunterzeichner des Atomabkommens mit Iran, Deutschland, Frankreich und Großbritannien, als auch die EU insgesamt versuchen das Abkommen, das auch der Kippe steht, zu retten. Zu diesen Bemühungen gehört auch der Besuch der EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am 3. Februar in Teheran. Borrell führte in der iranischen Hauptstadt Gespräche mit Außenminister Mohammad Dschawad Sarif und Präsident Hassan Rohani, der der EU vorwarf, ihre Verpflichtungen versäumt zu haben. "Wir hatten ja unseren teil der Verpflichtungen im Atomabkommen erfüllt, die Gegenseite jedoch nicht," sagte Rohani. Teheran sei jederzeit bereit, wieder alle seine Verpflichtungen zu erfüllen. "Nur müssen dann auch die anderen Vertragspartner ihre Verpflichtungen erfüllen," zitierte ihn dpa in einem Bericht vom 3. Februar.

Zudem erklärte Rohani, Teheran werde weiterhin mit der Internationalen Atombehörde zusammenarbeiten und ihr wie bisher gestatten, das iranische Atomprogramm zu kontrollieren, solange "wir nicht mit einer neuen Situation konfrontiert werden." Mit dieser Bemerkung wollte Rohani offenbar auf den Beschluss der drei europäischen Vertragspartner vom 14. Januar hinweisen, den im Abkommen vorgesehenen Mechanismus zur Streitschlichtung auszulösen, was möglicherweise zur Wiederaufnahme der UN-Sanktionen gegen Iran führen könnte. Teheran hatte gedroht, sollte dies geschehen, werde Iran nicht nur das Atomabkommen kündigen, sondern auch seine Mitgliedschaft im Atomwaffensperrvertrag.

Borrell traf auch Außenminister Sarif. Über den Inhalt seiner Gespräche wurde die Öffentlichkeit nicht informiert. Vor seiner Reise nach Iran teilte die EU am 2. Februar in Brüssel mit, Borrell werde sich beim Treffen mit der iranischen Führung um Entspannung im Nahen und Mittleren Osten bemühen. Er habe "ein starkes Mandat der EU-Außenminister erhalten, um sich im diplomatischen Dialog mit den regionalen Partnern zu engagieren." Der Besuch in Teheran sollte auch das Festhalten der EU an dem Abkommen bekräftigen.


FATF SETZT IRAN AUF DIE SCHWARZE LISTE

Das Internationale Gremium zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung (FATF) hat nach langen Verhandlungen und Fristverlängerungen Iran auf die schwarze Liste gesetzt. Die Financial Action Task Force gab am 21. Februar bekannt, dass Iran sowohl im Bereich der Geldwäsche als auch in Bezug auf Terrorfinanzierung die Auflagen des Gremiums nicht erfüllt und gegen die Konvention von Palermo verstoßen habe, die die UNO zum Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität beschlossen habe. Sobald Iran die Auflagen erfülle, werde das Land von der schwarzen Liste gestrichen. Auf dieser Liste steht nun neben Iran nur noch Nordkorea. Die FATF, die eine Unterorganisation der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit ist, erschwert mit dieser Entscheidung den Handel mit Iran, der ohnehin durch den "maximalen Druck" der USA schwer belastet ist.

Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Abbas Mussawi, bezeichnete die Entscheidung als "politische Machenschaften" gegen Iran, die nun auch von internationalen Wirtschaftsorganisationen übernommen worden seien. Sie sei auf Initiative der iranfeindlichen Länder wie den USA, Israel und Saudi-Arabien zustande gekommen. Mussawi bestritt jeden Vorwurf der Geldwäsche und Terrorfinanzierung. So etwas gebe es in Iran nicht, sagte er.

Iran hatte 2016 mit Versprechungen, seine Defizite zu beheben, die FATF davon überzeugen können, dass das Land von der schwarzen Liste genommen wird. Die Frist für die Einlösung dieser Versprechen wurde immer wieder verlängert. Doch Iran konnte zu keiner Entscheidung kommen. Denn während die Regierung mit allem Nachdruck für die Erfüllung der Auflagen stimmte, sprach sich der Wächterrat dagegen aus, mit der Begründung, Iran würde sich durch den Beitritt in die Organisation deren Kontrollen unterwerfen, was vor allem für die iranische Außenpolitik schädlich sein könnte. Zum Beispiel wäre die Unterstützung der libanesischen Hisbollah, die von der FATF als terroristisch eingestuft wird, nicht mehr möglich. Zudem würde die Umgehung der US-Sanktionen beim Ölexport problematisch werden. Bei dem Streit zwischen Regierung und Wächterrat, konnte der Schlichtungsrat, der für solche Fälle zuständig ist, keine Lösung anbieten.

Was die FTAF von Iran verlangt, ist der Beitritt in die von der UN verabschiedete Palermo-Konvention und in die CFT-Konvention (Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung). Die Regierung in Teheran legte dem Parlament dazu einen Antrag vor, der nach langen und heftigen Auseinandersetzungen vor mehr als einem Jahr verabschiedet wurde. Das Gesetz wurde aber vom Wächterrat abgelehnt. Wie schädlich nun die Aufnahme in die schwarze Liste für Iran sein wird, wird die Zukunft zeigen.


IRAN - ZIEL EINES NEUEN SCHWEREN CYBER-ANGRIFFS

Hamid Fattahi, Chef der infrastrukturellen Kommunikationsmittel, sagte am 9. Februar der Presse, "eine zweite Welle von Cyber-Angriffen, die gestern abgewehrt wurde, hat erneut begonnen." Dieser neue Angriff sei "gigantisch". "Die Hacker richten sich auf Millionen Ziele und drohen, das gesamte Internetnetzwerk zu zerstören." Der Angriff am Vortag habe fast 25 Prozent des Verkehrs im Internet zum Erliegen gebracht. Die Quelle des Angriffs befinde sich in Nordamerika, aber der Initiator wurde nicht identifiziert.

In den iranischen Medien wird berichtet, dass sich der Angriff nicht gegen Grundstrukturen des Internets richtet. Ein Reporter der BBC meinte, der Angriff sei so als würden tausende Menschen gleichzeitig die Feuerwehr anrufen. "Damit blieben die Leitungen ständig besetzt. Folglich könnten Menschen, bei denen es tatsächlich brennt, die Feuerwehr nicht erreichen." Ähnlich verhalte es sich mit dem neuen Cyber-Angriff. In jeder Sekunde versuchten mehrere Millionen Viren ins Netz zu gelangen. Damit werde das Netz außerstande sein, seine tatsächliche Funktion auszuüben.

Im Januar hatte Mohammad Dschawad Asari Dschahromi, Minister für Kommunikation und Technologie, von zwei Cyber-Angriffen innerhalb einer Woche gesprochen. Ziel dieser Angriffe sei Spionage gewesen.


ÖLMINISTER: "WIR HABEN KEIN GELD MEHR"

Ölminister Bijan Sangeneh zeichnete bei seinem Besuch am 18. Februar in der Provinz Chusesten, in der sich die meisten iranischen Ölanlagen befinden, ein düsteres Bild von der Lage der Ölindustrie. Sein Ministerium habe kein Geld mehr und könne die an sie gerichteten Erwartungen nicht mehr erfüllen, sagte er vor Journalisten. "Alle Angriffe richten sich gegen uns, und wir versuchen unser Gesicht zu wahren." Zahlreiche Projekte seien stillgelegt worden, weil es dafür kein Geld gebe. Das gelte auch für Zusatzprojekte, die längst eingestellt worden seien.

Die USA hatten mehrmals erklärt, dass sie die Absicht hätten, den iranischen Ölexport auf null zu reduzieren. Tatsächlich ist seit dem Beginn der Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie der Ölexport drastisch zurückgegangen. Das meiste Öl, das Iran exportiert, wird auf dem Schwarzmarkt verkauft.

Das Ministerium veröffentlicht seit längerer Zeit keine Daten mehr über den Ölexport. Dazu sagte der Minister: "Wir haben zwar Vertrauen zu unserer Bevölkerung, aber auch die Feinde hören mit." Vor zwei Monaten hatte der 1. Vizepräsident, Eshagh Dschahangiri, erklärt, aus Furcht vor US-Sanktionen seien nicht einmal befreundete Staaten bereit, das iranische Öl zu kaufen. Zwar übten die USA den maximalen Druck gegen die iranische Wirtschaft aus, aber sie hätten es nicht geschafft, den iranischen Ölexport auf null zu reduzieren. "Wir verkaufen unser Öl auf anderen Wegen."

Sangeneh hatte am 10. Februar im staatlichen Fernsehen zur Erhöhung der Benzinpreise, die im November zu landesweiten Demonstrationen geführt hatte, Stellung genommen. Er sagte, zwar sei durch die Preiserhöhung der Verbrauch von Benzin zurückgegangen, aber er werde wieder steigen, sobald sich die Menschen an die neuen Preise gewöhnen würden. Der Verbrauch war nach der Preiserhöhung um 40 Millionen Liter pro Tag zurückgegangen. Laut Sangeneh liegt der Benzinverbrauch bei 75 bis 76 Millionen pro Tag. Das Positive an der Preiserhöhung sei, dass die Zunahme des Benzinverbrauchs um zwei Jahre verschoben worden sei, sagte Sangeneh. "Sonst hätten wir schon im nächsten Jahr wieder Benzin aus dem Ausland einführen müssen."


IRAN BEZEICHNET NEUE US-SANKTIONEN ALS WIRKUNGSLOS

Iran hat die am 30. Januar gegen das iranische Atomprogramm verhängten Sanktionen als wirkungslos bezeichnet. Das Teheraner Außenministerium erklärte am 31. Januar, der von den Sanktionen betroffene Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, sei ein hervorragender Wissenschaftler und Politiker. Die US-Maßnahmen gegen ihn seien nichts anderes als ein Akt der Verzweifelung. Das "friedliche Atomprogramm" Irans werde sicherlich nicht unter den Sanktionen der USA leiden. Außenamtssprecher Abbas Mussawi sprach von einer "irrationalen Entscheidung."

Die Sanktionen gegen die iranische Atomorganisation und deren Leiter seien eine Reaktion auf die Verstöße Irans gegen das Atomabkommen, sagte der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Iran Brian Hook. Iran betreibe eine "kontinuierliche nukleare Eskalation." Die USA hatten im Mai 2018 ihre Teilnahme an dem Atomabkommen gekündigt.


CHEF DER ZENTRALBANK: MAßNAHMEN ZUM IMPORT VON MEDIKAMENTEN NICHT AUSREICHEND

Nasser Hemmati, Chef der iranischen Zentralbank hat die gemeinsamen Initiativen der USA und der Schweiz zur Erleichterung des Exports von Medikamenten und landwirtschaftlichen Gütern als "nicht ausreichend" bezeichnet.

Ende Januar hatten Vertreter der USA und der Schweiz erklärt, sie hätten zur Erleichterung des Exports von Medikamenten und landwirtschaftlichen Gütern nach Iran einen "Finanzkanal" eingerichtet. Zudem gab die Schweizer Botschaft in Teheran bekannt, die Schweiz habe im Rahmen des Projekts "humanistischer Austausch" versuchsweise Medikamente gegen Krebs und Mittel für Implantierung im Wert von 205 Millionen Dollar nach Iran geschickt.

Hemmati sagte, die Medikamente seien durch Guthaben der Zentralbank bei einer Schweizer Bank beglichen worden. Dieser Mechanismus sei nicht ausreichend, um den Bedarf Irans an eingeführten Medikamenten zu decken.

Die von den USA gegen Iran verhängten Sanktionen haben nicht nur den iranischen Ölexport und den Export anderer Güter drastisch eingeschränkt, sondern Iran auch daran gehindert, über die aus dem Export erzielten Devisen zu verfügen. Hemmati erinnerte an die Bekenntnisse der USA zu den Menschenrechten und forderte sie auf, Iran zu ermöglichen, die benötigten medizinischen und landwirtschaftlichen Produkte im Ausland zu kaufen.

Nach internationalem Recht ist der Boykott von Medikamenten und Nahrungsmittel, selbst gegen einen Aggressor, verboten. Auch die USA erkennen dieses Recht an. Demnach wird dem Präsidenten ausdrücklich untersagt, Sanktionsmaßnahmen auf Medikamente und Nahrungsmittel auszuweiten. Zwar haben die USA diese Produkte aus ihrem Sanktionsregime ausgenommen. Doch ausländische Unternehmen nehmen trotzdem von Geschäften mit Iran Abstand, weil sie befürchten, dafür von den USA bestraft zu werden. Dasselbe gilt für die Banken.

Nun hat die Schweiz, die die Interessen der USA in Iran vertritt, mit Hilfe einiger ausgesuchter Banken und Unternehmen und mit Unterstützung der USA einen Mechanismus eingerichtet, um Medikamente und Nahrungsmittel nach Iran exportieren zu können. Noch ist nicht klar, ob dieses Projekt tatsächlich funktionieren wird.

Der Iran-Beauftragte der US-Regierung, Brian Hook, bedankte sich bei der Schweizer Regierung und äußerte die Hoffnung, dass das Projekt erfolgreich sein wird. Zugleich kritisierte er das Einfuhrsystem Irans für Medikamente und verwies auf Fälle, bei denen mit der Einfuhrerlaubnis für Medikamente, Stromkabel importiert worden seien. Das hatte Irans Gesundheitsminister Said Namaki bereits im Sommer vergangenen Jahres beanstandet. Er hatte gesagt, einige Personen hätten mit Devisen, die für den Kauf von Medikamenten bestimmt waren, unter anderem Stromkabel oder Medikamente importiert, deren Haltbarkeitsdatum bereits abgelaufen war.

Hook betonte abermals, dass seiner Ansicht nach die Strategie des "maximalen Drucks" richtig sei und sie Iran von seinen "destabilisierenden Aktivitäten" in der Region abhalten werde. Er forderte die EU-Staaten auf, sich dieser Strategie anzuschließen, das Atomabkommen mit Iran zu kündigen, um damit den Plan der USA zu neuen Verhandlungen mit Iran zu unterstützen.


IRAK DARF WEITERHIN AUS IRAN GAS UND STROM IMPORTIEREN

Einem Bericht der dpa vom 12. Februar zufolge, der sich auf Angaben aus irakischen Regierungskreisen bezieht, haben die USA Irak erlaubt, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, 45 Tage lang Gas und Strom aus Iran zu importieren. Bagdad solle während dieser Frist seine Einfuhren aus Iran reduzieren. Die 45 Tage bilden eine Verlängerung der im Oktober gewährten Frist von 120 Tagen. Eine Stellungnahme des US-Außenministeriums lag der Agentur nach eigenen Angaben nicht vor. Einem hohen irakischen Beamten zufolge könnte die Frist abermals verlängert werde, wenn Bagdad einen Plan zu Reduzierung des Gas- und Stromimports aus Iran vorlegen würde.

Ein hochrangiger US-Politiker, der anonym bleiben wollte, sagte dem Wall Street Journal: "Wir möchten maximalen Druck auf Iran ausüben. Doch das darf nicht zur wirtschaftlichen Destabilität der Nachbarn Irans führen."


SAMSUNG UND LG VERLASSEN IRAN

Vizeaußenminister Abbas Araghtschi reagierte verärgert über den Beschluss der südkoreanischen Unternehmen Samsung und LG, den iranischen Markt zu verlassen. "Die Unternehmen, die den iranischen Markt verlassen haben, werden nicht mehr so leicht zurückkehren können," sagte er am 16. Februar. "Das iranische Volk wird dieses Verhalten nicht so leicht vergessen. Wenn neue Geschäfte anstehen, werden wir jene Unternehmen bevorzugen, die in Iran geblieben sind."

Seit April vergangenen Jahres waren Gerüchte über den Weggang der beiden südkoreanischen Firmen im Umlauf. Hier und dort wurden die Reklametafeln entfernt. Doch das Ministerium für Industrie und Bergbau dementierte die Gerüchte stets.

Samsung nahm zu der Kritik Teherans Stellung. Die Firma werde trotz bestehender Schwierigkeiten, alle notwendigen Dienstleistungen für ihre in Iran verkauften Produkte zur Verfügung stellen. Es gebe keinen Grund, sich darüber Sorgen zu machen. Zudem werde Samsung trotz Probleme, die beim Handel und Verkauf bestehen, weiterhin ihre neuesten Produkte und Ersatzteile nach Iran liefern. Wie die Firma den Handel mit Iran trotz US-Sanktionen bewerkstelligen will, wird in der Stellungnahme nicht erläutert.

Morteza Miri, Chef des Verbands der Haushaltswarenlieferer, sagte, die Entfernung der Reklametafeln von Samsung und LG erfolgte auf Vorschlag seines Verbandes, nachdem die "feigen" südkoreanischen Firmen sich geweigert hätten, ihre Produkte und Ersatzteile nach Iran zu liefern.

*


AUSSENPOLITIK

• Trump verteidigt die Tötung von General Soleimani
• Wächterrat mit Sanktionen belegt
• Soleimani soll Bote einer Botschaft für Saudi-Arabien gewesen sein
• Iran konnte nicht an der Tagung der Islamischen Kooperationsorganisation teilnehmen
• Neue Waffen für die Huthis in Jemen stammen vermutlich aus Iran
• Dänemark und Niederlande nehmen mehrere Iraner fest
• Gefangenenaustausch zwischen Iran und Deutschland


TRUMP VERTEIDIGT DIE TÖTUNG VON GENERAL SOLEIMANI

US-Präsident Donald Trump hat bei seiner Rede an die Nation im Kongress am 5. Februar abermals die gezielte Tötung des iranischen Generals Ghassen Soleimani verteidigt. Soleimani sei der "brutalste Schlächter" im iranischen Regime gewesen, ein Monster, der tausende amerikanische Soldaten im Irak getötet habe, sagte er. Er sei der "größte Terrorist" in der Welt gewesen, der den Mord an unzähligen Frauen, Männern und Kindern organisiert habe. "Er hat den Angriff auf amerikanische Kräfte im Dezember geleitet und plante neue Angriffe." Die USA hätten ihn gezielt getötet, um seine "teuflischen Aktivitäten" zu beenden.

Nach iranischer Darstellung hat der Tod Soleimanis den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) geschwächt. Ali Akbar Salehi, Chef der iranischen Atombehörde, sagte bei einem Treffen in der internationalen Atombehörde in Wien laut dpa vom 10. Februar, die Attacke auf Soleimani mache deutlich, dass "die US-Regierung beim Erkennen der Realitäten auf dem Boden noch nicht zur Räson gekommen," seien.

Trump nahm auch zu den Protesten der letzten Monate in Iran Stellung. "Wir waren in den letzten Monaten Zeuge, wie das stolze iranische Volk seine Stimme gegen die herrschenden Unterdrücker erhob. Das iranische Regime muss seine Aktivitäten zum Bau von Nuklearwaffen beenden, mit der Verbreitung von Terrorismus, Tod und Zerstörung aufhören und endlich damit beginnen, für das Wohl des eigenen Volkes zu sorgen. "Die iranische Wirtschaft befindet sich aufgrund unserer Sanktion in keinem guten Zustand. Wir können ihnen helfen und innerhalb kurzer Zeit ihre Wirtschaft wiederbeleben. Vielleicht ist das Regime zu stolz oder zu dumm, um unsere Hilfe anzunehmen. Wir müssen sehen, welchen Weg sie wählen werden. Es wird ihre Wahl sein."

Trump glaubt offenbar, der wirtschaftliche Druck werde Iran letztendlich doch an den Verhandlungstisch zwingen. Bislang deutet jedenfalls alles darauf hin, dass er einen militärischen Angriff gegen das Land nicht in Erwägung zieht. Das erklärt auch seine Reaktion auf den Raketenangriff Irans gegen amerikanische Stützpunkte im Irak am 8. Januar, der, wie jetzt nach und nach bekannt wird, nicht so harmlos gewesen war, wie die USA zunächst darzustellen versuchten. Wie das Pentagon am 10. Februar bekannt gab, wurden bei dem Angriff 109 amerikanische Soldaten verletzt. Es sei möglich, dass die Zahl sich erhöhen werde, denn bestimmte Verletzungen würden erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit feststellbar, erklärte das Verteidigungsministerium.

Indes hat der US-Senat Trumps Befugnisse zu einem militärischen Angriff gegen Iran eingeschränkt. Der demokratische Senator Tim Kaine legte dem Senat einen entsprechenden Entwurf vor, der die Zustimmung von 55 Senatoren fand. 45 Senatoren stimmten dagegen. Auch acht Republikaner stimmten für den Antrag. Kaine und andere Senatoren betonten, dass sie nicht die Absicht hätten, das Recht des Präsidenten, das Land gegen Bedrohungen von außen zu verteidigen, einzuschränken. Sinn des Antrags sei, festzuhalten, dass das Recht, Krieg zu erklären beim Kongress liege. Der republikanische Senator Mike Lee sagte, er stehe voll und ganz hinter Trumps Iran-Politik. Doch die Verfassung gebiete, dass für die Entscheidung, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, der Kongress verantwortlich sei.

Trump und mit ihm viele Republikaner kritisierten den Beschluss, der ihrer Meinung nach ein Zeichen der Schwäche gegenüber Iran darstellt.


WÄCHTERRAT MIT SANKTIONEN BELEGT

Die USA haben am Vortag vor den Parlamentswahlen in Iran gegen den Vorsitzenden des Wächterrats, Ahmad Dschannati, und vier andere Mitglieder des Rats Strafmaßnahmen beschlossen. Demnach wurden deren Guthaben in den USA eingefroren und Geschäfte mit ihnen verboten.

Bei Wahlen ist der Wächterrat zuständig für die Zulassung der Kandidaten. Er ist mehrheitlich mit Konservativen und Ultras besetzt. Dem Rat werfen die USA vor, eine freie und faire Wahl in Iran durch Ausgrenzung vom Andersdenkenden verhindert zu haben. Was die USA mit der Sanktionierung des Wächterrats erreichen wollten, teilten sie nicht mit. Der Sonderbeauftragte der Regierung für Iran, Brian Hook, sagte auf die Frage eines Journalisten, ob diese neue Strafmaßnahme darauf hindeute, dass der "maximale Druck" erreicht worden sei und es keine Instanzen mehr zur Sanktionierung gebe, "Ziele gibt es genug."

Der Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadchodai, reagierte auf die Maßnahme mit den Worten: "Wir sind sehr glücklich über die Sanktionen und für uns ist es eine große Ehre, denn sie zeigen ja, wie wütend die Amerikaner auf uns sind." Das sei der beste Beweis dafür, dass die iranische Politik gegenüber den USA richtig sei und es sei nachvollziehbar, dass die Amerikaner darüber nicht glücklich seien, sagte er der Agentur Isna am 21. Februar.


SOLEIMANI SOLL BOTE EINER BOTSCHAFT FÜR SAUDI-ARABIEN GEWESEN SEIN

Irans Botschafter im Irak, Iradsch Sadschadi, sagte am 4. Februar der staatlichen Nachrichtenagentur Iraks, General Soleimani, der gezielt von den USA in der Nähe des Bagdader Flughafens getötet wurde, sei Bote einer Botschaft zur Beilegung des Konflikts zwischen Iran und Saudi-Arabien gewesen. Sadschadi war nach eigenen Angaben über längere Jahre unter Ghassen Soleimani in der Al-Kuds-Brigade tätig. Er sagte, Soleimani sei auf dem Weg zu einem Treffen mit der irakischen Führung gewesen. Dabei habe er eine Botschaft Irans an Saudi-Arabien erläutern wollen, in der Teheran seine Ansichten über den Kampf gegen den Terrorismus und zur Herstellung der Sicherheit und Stabilität in der Region dargelegt habe.

Bereits zuvor hatten Teheran und Bagdad erklärt, Soleimani sei auf dem Weg zu einem Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten gewesen, um ihm eine Botschaft zu übergeben, obwohl Saudi-Arabien die Nachricht über den Austausch von diplomatischen Botschaften zwischen Teheran und Riad über Bagdad dementierte.

Nun erklärte Sadschadi, Teheran habe "großes Interesse" an der raschen Beilegung der Konflikte mit Saudi-Arabien und begrüße die Vermittlungsbemühungen der irakischen Regierung.


IRAN KONNTE NICHT AN DER TAGUNG DER ISLAMISCHEN KOOPERATIONSORGANISATION TEILNEHMEN

Irans Außenamtssprecher Abbas Mussawi protestierte am 3. Februar auf Twitter, Saudi-Arabien habe nicht rechtzeitig zur Teilnahme an der Tagung der Islamischen Kooperationsorganisation in Dschiddah für die iranische Delegation Einreiseerlaubnis erteilt. Riad habe sich erst einen Tag vor Beginn der Tagung zur Ausstellung des Visums bereit erklärt. Da habe die Delegation keine Möglichkeit mehr gehabt, an der Tagung teilzunehmen.

Bereits zuvor hatte das Teheraner Außenministerium mitgeteilt, dass Saudi-Arabien kein Visum für die iranische Delegation ausgestellt habe. Das wichtigste Thema der Tagung war der Plan von US-Präsident Donald Trump zur Lösung des Konflikts zwischen Palästina und Israel, den er als "Jahrhundertdeal" bezeichnete.

Das Außenministerium in Teheran legte offiziell beim Sekretariat de islamischen Kooperationsorganisation Protest ein und warf Saudi-Arabien vor, seine Position als Gastgeber der Tagung missbraucht zu haben. Es sei zu bezweifeln, ob das Regime in Riad dafür "würdig" sei, die Rolle des Gastgebers zu spielen, hieß es in dem Protestschreiben.

Den Plan zur Lösung des Nahost-Konflikts hatte Trump am 28. Januar im Beisein des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vorgelegt. Es handele sich um einen Win-Win-Plan, in dem auch ein unabhängiger Staat Palästina vorgesehen sei, sagte Trump. Er gewährleiste beiden Staaten Sicherheit und Souveränität. Er sei ein großer Schritt in Richtung Frieden im Nahen Osten.


NEUE WAFFEN FÜR DIE HUTHIS IN JEMEN STAMMEN VERMUTLICH AUS IRAN

UN-Experten haben bei den Huthis in Jemen neue Waffen entdeckt, die möglicherweise aus Iran stammen. Dies berichtete die Nachrichtenagentur AFP, die nach eigenen Angaben einen entsprechenden Bericht der Vereinten Nationen einsehen konnte. Dem Bericht zufolge erwiesen die Waffen eine Ähnlichkeit mit denen, die in Iran gebaut werden. Ob nun die Waffen, die seit dem vergangenen Jahr sich im Besitz der Huthis befinden, tatsächlich direkt aus Iran stammen, sei nicht einwandfrei nachzuweisen. Bei den Waffen, deren "technische Eigenschaften, die den in der Islamischen Republik Iran produzierten Waffen ähneln," handele es sich vor allem um eine neue Drohne und um Marschflugkörper eines neuen Typs.

Iran hat immer wieder bestritten, Waffen nach Jemen geliefert zu haben. Doch im vergangenen Jahr erklärte General Ali Ghadawi, Vizebefehlshaber der Revolutionsgarden, Iran werde, die Huthis in Jemen so viel wie möglich unterstützen. "Aber in Anbetracht des Waffenboykotts, der über Jemen verhängt worden sei, "sind uns die Hände gebunden."

Die Experten stellten auch die Behauptung der Huthis in Frage, sie seien für den Angriff auf zwei saudische Ölanlagen im September vergangenen Jahres verantwortlich gewesen. Unmittelbar nach dem Anschlag hatten die USA erklärt, die Huthis seien technisch nicht in der Lage, einen solchen Anschlag durchzuführen. Sie machten dafür Iran verantwortlich. Dieser Meinung schlossen sich später auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie einige andere Länder der EU an.

Die UN-Experten hatten Iran im vergangenen Jahr vorgeworfen, illegal Waffen nach Jemen geliefert zu haben. Damit habe Iran gegen die UN-Resolution verstoßen, mit der ein Waffenlieferungsboykott gegen Jemen beschlossen worden war.

Indes erklärte die Kommandozentrale des US-Militärs im Nahen Osten (Centcom) laut einem Bericht der dpa vom 13. Februar, an Bord eines Segelschiffs im Arabischen Meer unter anderem 150 Panzerabwehrlenkwaffen und drei Boden-Luft-Raketen entdeckt und beschlagnahmt zu haben, die in Iran hergestellt worden seien. Die Waffen seien identisch gewesen, mit denen, die bei der Kontrolle eines Frachters gefunden worden seien. Jene wie diese Waffen seien für die jemenitischen Huthis bestimmt gewesen, was ein Verstoß gegen das von der UNO beschlossene Waffenembargo bilde, teilte Centcom mit.


DÄNEMARK UND NIEDERLANDE NEHMEN MEHRERE IRANER FEST

Einer Meldung der dpa vom 3. Februar zufolge wurden mehrere iranische Separatisten in Dänemark und den Niederlanden festgenommen. Ihnen werden Terrorismus und Spionage vorgeworfen. Die Festgenommenen gehören der ASML.A an, einer Organisation, die das Ziel hat, die im Südwesten Irans gelegene Provinz Chusestan, deren Bewohner zumeist Arabisch sprechen, in einen unabhängigen arabischen Staat zu verwandeln. Die Organisation wird von Saudi-Arabien unterstützt.

Der Leiter des dänischen Inlandsgeheimdienstes (PET), Finn Borch Anderson, sagte am 3. Februar vor Journalisten in Kopenhagen, drei führende Mitglieder der ASML.A stünden unter dem Verdacht, in Dänemark in den Jahren zwischen 2012 und 2018 für einen saudischen Geheimdienst spioniert zu haben. Die Männer hätten seit geraumer Zeit unter dem Schutz des dänischen Geheimdienstes gestanden, weil ein iranischer Anschlag auf sie befürchtet wurde.

Ein weiterer Iraner wurde am selben Tag in den Niederlanden festgenommen. Auch er soll nach Angaben des niederländischen Nachrichtendienstes AIVD der Organisation ASML.A angehören. Er soll einen Terroranschlag in Iran geplant haben. Die dänische Staatsanwaltschaft wirft ihm die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vor. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Delft seien Telefone und Datenträger beschlagnahmt worden, berichtete die Nachrichtenagentur ANP, die sich auf Abgabe der Staatsanwaltschat beruft.

Wie die dpa weiter berichtet, hat das dänische Außenministerium den saudischen Botschafter einbestellt, weil eine Verbindung Saudi-Arabiens zu ASML.A vermutet wird. Außenminister Stef Block teilte dem Botschafter laut einem Sprecher mit, "dass unerwünschte Aktivitäten, wie sie ASML.A in Dänemark vorgeworfen werden, nicht akzeptabel sind."

Iran bezeichnet die ASML.A als eine terroristische Organisation, die nach eigenen Bekundungen mehrere Anschläge auf Infrastruktureinrichtungen und das Militär in Iran verübt hat.


GEFANGENENAUSTAUSCH ZWISCHEN IRAN UND DEUTSCHLAND

Abbas Mussawi, Sprecher des Teheraner Außenministeriums, gab am 17. Februar bekannt, dass ein iranischer, in Deutschland inhaftierter Staatsbürger freigelassen worden sei. Er sei in Begleitung von Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, der an der Münchener Sicherheitskonferenz teilgenommen hatte, nach Iran geflogen.

Bei dem Gefangenen handelt es sich um Ahmad Chalili. Er war wegen Verstoßes gegen US-Sanktionen festgenommen worden und sollte bald an die USA ausgeliefert werden. Seine Freilassung sei durch zähe diplomatische Verhandlungen, unterstützt von der iranischen Justiz und dem Geheimdienst der Revolutionsgarden, erreicht worden. Mussawi machte keine weiteren Angaben zu Person Chalilis, auch nicht zu der Rolle, die der Geheimdienst der Garden bei seiner Freilassung gespielt habe. Chalili war vor Jahren für die zivile Luftfahrt in Iran verantwortlich.

Laut einem Bericht der Agentur AFP vom 18. Februar erklärte Irans Justizsprecher Gholamhossein Esmaili, Chalili sei gegen einen deutschen Gefangenen in Iran ausgetauscht worden. Dieser sei am 17. Februar freigelassen worden und unmittelbar danach nach Deutschland zurückgekehrt. Demnach war der Deutsche, dessen Namen er nicht nannte, wegen Film- und Videoaufnahmen von militärischen Sperrgebieten zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
https://themen.boell.de.

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
19. Jahrgang

*

Quelle:
Iran-Report Nr. 3/2020 - März 2020 / 19. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Telefon: 030-285 34 - 0, Fax: 030-285 34 - 109
Email: info@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang