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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/454: Iran-Report Nr. 12 - Dezember 2019


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 12 - Dezember 2019
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

INNENPOLITIK

• Eine Woche Rebellion im ganzen Land
• Versuch Rohani und Laridschani aus dem Amt zu jagen
• Kampf gegen Korruption
• Vizepräsidentin Jodeyni übt scharfe Kritik an der Justiz
• Außenminister Sarif spricht von Milliarden Geldwäsche
• Parlament will Geständnisse im Fernsehen verbieten
• Laridschani will nicht mehr kandidieren
• Umweltschützer zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt
• Jahrestag der Geiselnahme gefeiert


EINE WOCHE REBELLION IM GANZEN LAND

Die Rationierung von Benzin und die Erhöhung der Spritpreise haben in Iran zu landesweiten Protesten geführt, die eine ganze Woche fortdauerten. Offizielle Zahlen seitens iranischer Behörden über Tote, Verletzte und Festnahmen gibt es bislang nicht. Amnesty International spricht nach bisherigen Ermittlungen über mehr als 163 Tote. Oppositionelle schätzen, dass es mehr als 200 Tote gegeben habe. Ein Abgeordneter sprach gegenüber dem iranischen Staatsfernsehen von 7.000 Festnahmen. Sowohl Chamenei als auch Rohani sprachen von einer Verschwörung ausländischer Mächte und bezeichneten die Demonstrantinnen und Demonstranten als Randalierende und "wilde Horden."

Die anhaltende Wirtschaftskrise, die infolge von Sanktionen, Korruption und Misswirtschaft seit geraumer Zeit die Menschen in Iran plagt, hat die Staatsführung dazu veranlasst, das Benzin zu rationieren und die Preise für Kraftstoffe zu erhöhen. Laut der Verordnung vom 15. November erhält jedes Fahrzeug eine staatliche Benzinkarte, mit der höchstens 60 Liter Benzin zum Preis von umgerechnet 12 Cent pro Liter im Monat gekauft werden kann. Wer mehr Benzin haben möchte, muss für einen Liter Benzin 24 Cent zahlen. Bis zu diesem Datum betrug der Preis für einen Liter Benzin 10 Cent.

Der Benzinpreis spielt in der iranischen Wirtschaft eine zentrale Rolle. Schon eine geringe Erhöhung hat den Anstieg von Preisen anderer Gütern zufolge und treibt die Inflationsrate somit in die Höhe. Der Plan, das Benzin zu rationieren und den Kraftstoffpreis zu erhöhen, wird im Iran schon seit Monaten kontrovers diskutiert. Doch aus Furcht, diese Maßnahmen könnten zu sozialen Unruhen führen, zögerte die Regierung bisher, diesen Schritt zu wagen.

Doch die sich vertiefende Wirtschaftskrise zwang die Führung zu handeln. Präsident Hassan Rohani sagte mit Blick auf den "Wirtschaftskrieg der USA gegen Iran", das Land befinde sich im Ausnahmezustand. Die Lage sei äußerst kompliziert, der Ölboykott habe das Regieren schwer gemacht.

Nun trat genau das ein, wovor die Gegner der Preiserhöhung gewarnt hatten. Laut iranischen Agenturen kam es bereits am 15. November zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Protestierenden riefen Parolen gegen die Regierung und gegen den Islamischen Staat, sie setzten Autos, Banken und Treibstofflager, Tankstellen, Polizeiwachen und andere öffentliche Gebäude in Brand. Der Stadtkommandant der im Süden gelegenen Stadt Sirdschan, Mohammad Mahmudabadi, bestätigte am 16. November, dass bei den Unruhen ein Demonstrant getötet worden sei. Er bestätigte auch, dass Sicherheitsbeamte ihre Waffen eingesetzt hätten, betonte jedoch, sie hätten die strikte Anweisung, nur Warnschüsse abzugeben. Es habe auch zahlreiche Verletzte gegeben, sagte er.

Irans Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli warnte die Demonstranten, öffentliches Eigentum zu zerstören. "Die Sicherheitskräfte haben bisher Zurückhaltung geübt und die Proteste geduldet", sagte er am 16. November. Sollten jedoch die Unruhen und Zerstörungen fortgesetzt werden, werde die Polizei für Ordnung sorgen. Die Aufstände dauerten fort und Ordnungs- und Sicherheitskräfte, Revolutionsgarden und Basidsch-Milizen griffen wie angekündigt brutal ein.

Revolutionsführer Ali Chamenei unterstützte die Entscheidung der Regierung. Er sei zwar kein Wirtschaftsexperte und wisse auch, dass es zu dem Thema unterschiedliche Meinungen gebe, aber er trage die Entscheidung mit, sagte er im staatlichen Fernsehen. Zugleich verurteilte er die Proteste. Beschädigungen und Brandstiftungen seien das Werk von Handlangern ausländischer Geheimdienste, sagte er.

Indes wurde im ganzen Land der Zugang zum Internet stark eingeschränkt. Laut Angaben der regierungsunabhängige Organisation NetBlocks, eine Organisation, die Blockaden des Internets aufzeichnet, wurde die Internetnutzung innerhalb einer Stunde auf nur noch sieben Prozent des normalen Umfangs eingeschränkt.

Präsident Rohani versuchte die Bevölkerung zu beruhigen. Die durch die Erhöhung der Benzinpreise erzielten Einnahmen würden auf die 60 Millionen Menschen im Land verteilt. "Kein Cent der Einnahmen wird in die Staatskasse wandern," sagte er. Obwohl die Regierung finanzielle Probleme habe, sollte niemand glauben, dass sie deswegen die Entscheidung getroffen habe, den Benzinpreis zu erhöhen. Seit langem schon überlege die Regierung, wie sie den Teilen der Bevölkerung mit niedrigen Einkommen helfen könne. Die Erhöhung des Benzinpreises biete nun die Möglichkeit, Menschen zu helfen, die unter der anhaltenden Wirtschaftskrise leiden, sagte der Präsident.

Die Entscheidung, den Benzinpreis zu erhöhen, war selbst unter den Verantwortlichen umstritten. Die Gegner argumentierten damit, dass die Preiserhöhung die Teuerung der Lebensmittel und Konsumgüter zufolge haben werde, was der Bevölkerung, die ohnehin stark unter der Wirtschaftskatastrophe leide, nicht zugemutet werden könne. Auffallend war, dass die Entscheidung nicht von den zuständigen Gremien, wie dem Parlament oder der Regierung getroffen wurde, sondern vom "Obersten Rat der wirtschaftlichen Koordinierung." Dieser war vom Revolutionsführer, ungeachtet der Verfassung, wenige Wochen nach dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen eingesetzt worden. Dem Rat stehen der Präsident, der Parlamentspräsident und der Justizchef vor. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem der erste Vizepräsident, Bürochef des Präsidenten, Chef der Planorganisation, Minister für Wirtschaft und Finanzen, Außenminister, Energieminister, Chef der Zentralbank, der Oberste Staatsanwalt. Der Rat war mit der Begründung gebildet worden, rasch Entscheidungen treffen zu können. Nirgends sind Rechte und Befugnisse des Rats gesetzlich festgelegt. Es ist auch nicht klar, wie seine Beschlüsse umgesetzt werden sollen. Aus der Sicht der Verfassung betrachtet, können die Beschlüsse des Rats nur dann legitim sein, wenn der Revolutionsführer die Verantwortung dafür übernimmt. Daher wird auch für die Benzinpreiserhöhung Chamenei verantwortlich gemacht.

Zahlreiche Abgeordnete haben gegen die Bildung dieses Rates protestiert, mit dem Hinweis, dass die Existenz des Parlaments durch den Rat praktisch überflüssig werde. Sie hatten eine Beschlussvorlage vorbereitet, in dem die Regierung aufgefordert wurde, die Preiserhöhung zurückzunehmen. Doch als Chamenei die Entscheidung unterstützte, zogen sie ihre Vorlage zurück.

Die Proteste eskalierten von Tag zu Tag, es waren die gewaltsamsten seit dreißig Jahren. Die Gewalt ging dieses Mal von beiden Seiten aus. Das Regime schien entschlossen zu sein, den Rebellierenden eine Lektion zu erteilen. Der Einsatz von scharfen Waffen und die Brutalität, mit der gegen die Protestierenden vorgegangen wurde, zeigte, wie schwer es den Ordnungs- und Sicherheitskräften fiel, die Lage unter Kontrolle zu halten. Ein weiteres Indiz dafür war die totale Nachrichtensperre und die Sperrung des Zugangs zum Internet. Es sollte alles, was im Land geschah, vor den Augen der Außenwelt verborgen bleiben.

Aber auch der Widerstand gegen die Staatsgewalt war beachtlich. Doch wie bei den vorhergegangenen Protesten der Massen existierte keine Führung, kein Plan, es gab keine klaren Forderungen. Daher war es von vornherein klar, welche Seite in dieser Phase den Sieg davontragen würde.

Es gibt zahlreiche Spekulationen über die Hintergründe, Drahtzieher und Aktivisten dieser Protestbewegung. Wie erwartet, macht das Regime ausländische Geheimdienste und deren einheimische Mitarbeiter für den Aufstand verantwortlich. Andere Kommentatoren sehen die Ursachen in dem inneren Machtkampf. Ihrer Ansicht nach wurden die Brandanschläge auf die Banken, Tankstellen, Autos von Ultras durchgeführt, um die Lage zu eskalieren und vorzuführen, dass die Reformer und Gemäßigten um Präsident Rohani nicht in der Lage seien, dass Land unter Kontrolle zu halten.

Doch diese und ähnliche Spekulationen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung von Monat zu Monat, ja von Tag zu Tag steigt und die Wut der Menschen und deren Not immer weiter zunimmt. Es bleibt auch niemandem verborgen, dass die Islamische Republik kaum noch in der Lage ist, auch nur einen Teil der Forderungen der Menschen zu erfüllen. Daher werden die Abstände zwischen den Rebellionen immer kürzer und die Reaktion des Regimes immer brutaler. Die Frage, die bleibt ist, ob die Islamische Republik in der Lage sein wird, sich strukturell, politisch, ideologisch und kulturell so zu wandeln, dass sie die reichen Quellen des Landes zum Wohl der Bevölkerung einzusetzen vermag, oder ob sie letztendlich in dem Sumpf der Korruption und Machtgier weiter versinken wird. Mag sein, dass Rohani zum Rücktritt gezwungen wird, und die Revolutionsgarden die Macht übernehmen und versuchen, mit noch mehr Gewalt und noch mehr Zensur das Land zu regieren. Das mag für die Herrschenden eine blutige Atempause bringen, die Probleme des Landes werden damit jedoch nicht gelöst.

Wie üblich nach Protesten wurden auch dieses Mal im ganzen Land staatlich organisierte Demonstrationen veranstaltet, bei denen die Versammelten ihre Loyalität dem Regime gegenüber bekundeten. Das ist ein Trumpf, den das Regime seit vierzig Jahren in Krisensituation einsetzt. Die Staatsführung ist immer noch in der Lage, Hunderttausende, gar Millionen, auf die Straßen zu bringen. Das sind teilweise Menschen, deren Existenz mit der des Regimes verbunden ist, teilweise solche, die ideologisch und politisch an die Islamische Republik glauben und schließlich solche, die aus Angst oder Opportunismus der Demonstrationsaufforderung des Regimes folgen.

Präsident Rohani verkündete den Sieg des Landes über die Feinde. "Unser Volk war siegreich gegen die Verschwörungen der Feinde," sagte er am 20. November. "Die Anarchisten auf den Straßen waren eine geringe Zahl." Das iranische Volk stehe, wie "die spontanen" Kundgebungen zeigten, geschlossen hinter der Staatsführung.

Das Justizministerium verkündete am 22. November, die Revolutionsgarden hätten bislang etwa hundert Anführer festgenommen. Eine noch höhere Zahl von Rebellen sei bereits durch das Informationsministerium identifiziert worden, sagte Justizsprecher Gholamhossein Esmaili. Es sollen weitere Festnahmen folgen. Die Basidsch-Milizen sprachen von einem "Weltkrieg" gegen die Islamische Republik. "Ein ganzer Weltkrieg gegen das System und die Revolution wurde geboren, und glücklicherweise starb das Kind im Moment der Geburt," zitierte AFP General Salar Abnoosch. Freitagsprediger Ahmad Chatami sagte beim Freitagsgebet in Teheran am 22. November: "Einige dieser Anführer bei den Unruhen waren Gesetzlose, die die Todesstrafe verdienen." Andere, die als "Marionetten" fungierten, sollten so bestraft werden, dass sie "ihre Aktionen bis auf Ewigkeit bereuen," sagte der geistliche Würdenträger.


VERSUCH ROHANI UND LARIDSCHANI AUS DEM AMT ZU JAGEN

Iranischen Medien zufolge sind einige Abgeordnete im Parlament dabei, Unterschriften für einen Misstrauensantrag gegen Präsident Hassan Rohani zu sammeln. Ebenso scheinen sie bemüht zu sein, genug Stimmen zu sammeln, um eine Abwahl von Parlamentspräsident Ali Laridschani durchzusetzen.

Die Agentur Fars berichtete, die Initiatoren des Misstrauensantrags gegen Rohani werfen dem Präsidenten vor, mit seinen "spalterischen Äußerungen" die Sicherheit des Landes gefährdet und sich geweigert zu haben, die vom Revolutionsführer verordnete "Wirtschaft des Widerstands" umzusetzen und überhaupt unfähig zu sein, das Land zu regieren. Dem Bericht vom 17. November zufolge haben bis dahin 50 Abgeordnete den Antrag unterzeichnet.

Der Abgeordnete Dschalal Mahmudsadeh aus Mahabad, Mitglied der Fraktion "Omid" sagte der Internetseite "Alef", der Antrag basiere auf sechs Hauptpunkten, die vorwiegend wirtschaftlicher Natur seien. Um den Antrag dem Präsidium vorlegen zu können, muss er mindestens von einem Drittel der Abgeordneten unterzeichnet sein.

Auch gegen Laridschani erheben sich Stimmen. Der Abgeordnete Ghassim Osmani aus Bukan kritisierte, dass das Parlament bei der Erhöhung des Benzinpreises und Rationierung des Treibstoffs kaum eine Rolle gespielt habe. Er reichte aus Protest beim Präsidium einen Antrag zur Niederlegung seines Mandats ein.

Einige Abgeordnete zeigten sich in der Sitzung vom 17. November unzufrieden mit der Entscheidung, den Benzinpreis zu erhöhen. Zudem kritisierten sie Laridschani, dass er zuvor nicht das Parlament über den Plan informiert habe. Ali Solnuri, Abgeordneter der heiligen Stadt Ghom und Vorsitzender des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, der den Antrag gegen Rohani aktiv unterstützt, hat den Medien zufolge auch den Antrag gegen Laridschani verfasst und dafür Unterschriften gesammelt. In dem Antrag steht: "Mit Hinweis auf Paragraph 24 der Satzung des Parlaments protestieren wir gegen das Verhalten des Parlamentspräsidenten und beantragen seinen Rücktritt."


KAMPF GEGEN KORRUPTION

Die Korruption in der Islamischen Republik hat ein solches Ausmaß angenommen, dass die sich anhäufenden Fälle kaum noch vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden können. Während die Mehrheit des Volkes infolge der anhaltenden Wirtschaftskrise unter Armut leidet, lebt eine korrupte Elite in Saus und Braus. Der Raub an Volkseigentum kennt inzwischen keine Grenzen und keine Tabus mehr. Zwar beteuern die führenden Köpfe des Landes immer wieder, wie wichtig der Kampf gegen die Korruption sei, und es kommt gelegentlich auch zur Verfolgung und Bestrafung von kleinen Fischen, aber die großen Haie werden nicht zur Verantwortung gezogen. Die rivalisierenden Fraktionen werfen sich gegenseitig Nachlässigkeit vor, aber, vermutlich weil die meisten von ihnen am großen Raub beteiligt sind, ändert sich die Lage nicht. Im Gegenteil: die Sanktionen gegen das Land haben die Schmuggelwirtschaft zur neuen Blüte gebracht und damit der Korruption weitere Toren und Türen geöffnet.

Die Korruption war das Thema, das Rohani in seiner Rede am 10. November in der Stadt Yasd behandelte. Er forderte die Justiz auf, nicht nur die Fälle zu verfolgen, bei denen es um Millionen Tuman geht, sondern auch jene, bei denen es um "Milliarden Dollar" geht. "Wo sind die großen Haie, wieso werden die nicht verfolgt?", fragte er. Er appellierte an die Richter und Staatsanwälte, "sich nicht einschüchtern zu lassen, nicht auf die Interessen einzelner Fraktionen zu achten, sie sollen ohne Furcht ernsthaft ihren Pflichten nachgehen."

Rohani verwies, ohne konkrete Angaben, auf einen Fall, bei dem es um 947 Millionen Dollar geht. "Eine andere Institution hat 947 Millionen Dollar kassiert, ohne darüber Rechenschaft abzulegen. Sie muss zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt Institutionen, die mehr als 700 Millionen Dollar kassiert haben. Die müssen zur Rechenschaft gezwungen werden," sagte Rohani. Er drohte, sollten die Korruptionsfälle nicht öffentlich bekannt gegeben werden, werde er sie bei seinen Reisen durch Provinzen der Bevölkerung mitteilen.

Rohani verwies auch auf einen Beschluss des nationalen Sicherheitsrats, der vor einigen Jahren gefasst wurde. Darin wurde die Justiz angewiesen, einen Korruptionsfall, bei dem es um zwei Milliarden Dollar ging, rasch zu behandeln. "Aber bis heute ist von einer Untersuchung nichts zu hören," sagte er. Er betonte: "Alle Menschen in unserem Land und alle Fraktionen verlangen einen ernsthaften Kampf gegen die Korruption, alle verlangen Transparenz, aber es geschieht nichts."

Während Rohani redete, versuchte eine Gruppe von Gegnern zu stören. "Kümmere dich um die Wirtschaft," rief die Menge. "Tod den Gegnern der Herrschaft der Geistlichkeit." Rohani sagte: "Diese Rufe einiger Jugendlicher ist nicht die Stimme des Volkes."

Der Vorsitzende des mächtigen Wächterrats, Ahmad Dschannati, warf Rohani indirekt "Schaumschlägerei" vor. Bei einer Rede in der Stadt Maschad am 11. November sagte er, die Regierung dürfe im Vorfeld der Parlamentswahlen (im Februar nächsten Jahres) keinen "Nebenkampfplatz" öffnen. "Das beutet Einschränkung des Wahlrechts. Sicherlich ist das Volk wachsam und wird solche Taktiken und Schaumschlägereien, die von wichtigen Problemen ablenken sollen, durchschauen." "Die Menschen werden es nicht hinnehmen, dass ein führender Verantwortlicher täglich Unruhe und Unsicherheit in der Bevölkerung erzeugt."

Auch Justizsprecher Gholamhossein Esmaili meldete sich wenige Stunden nach Rohanis Rede zu Wort. Rohani mache Wahlkampf, sagte er. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Präsident nach sechsjähriger Amtszeit einige alte Akten aus der Mottenkiste heraushole.

Die bevorstehenden Parlamentswahlen haben die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Fraktionen, insbesondere zwischen dem Lager der Radikalen und Konservativen einerseits und dem der Reformer und Gemäßigten andererseits, spürbar verschärft. Für die Durchführung der Wahl ist das Innenministerium verantwortlich. Aber noch wichtiger und umstrittener ist die Rolle des Wächterrats, der entscheidet, wer sich um ein Mandat bewerben darf, was praktisch eine Vorwahl bedeutet und eigentlich die Wahlen zur Farce macht.


VIZEPRÄSIDENTIN JODEYNI ÜBT SCHARFE KRITIK AN DER JUSTIZ

Die für juristische Fragen zuständige Vizepräsidentin Laya Jodeyni setzte die Kritik wenige Tage nach einer Rede von Hassan Rohani fort, bei der der Präsident der Justiz Nachlässigkeit bei der Verfolgung von Korruptionsfällen vorgeworfen hatte (s. Bericht oben, S. 5/6). Die Regierung habe vor Jahren einen mutmaßlichen Korruptionsfall an die Justiz weitergeleitet, bei dem es um 2,7 Milliarden Dollar ging. Doch bislang habe die Justiz diesen Fall kaum verfolgt, sagte sie am 15. November.

Offenbar geht es bei diesem Fall um den Großunternehmer Babak Sandschani, der mit Erfolg versucht hatte, trotz bestehender Sanktionen gegen den iranischen Ölexport, das Öl zu verkaufen und sich dabei um Milliarden bereicherte. Er wurde festgenommen und zum Tode verurteilt, aber bis heute wurde das Urteil nicht vollstreckt. Dazu hatte Rohani gesagt: "Wir wissen nicht, was mit dem Herrn geschehen ist, der die Gelder kassiert hat und zum Tode verurteilt wurde. Es geht nicht um die Hinrichtung eines Straftäters, es geht um das Geld. Wo ist das Geld geblieben?"

Auch Jodeyni verlangte Aufklärung. Die Akte sei vor drei Jahren an die Justiz übergeben worden, "aber es ist kaum etwas damit passiert," sagte sie. "Wir werden sicherlich eine Untersuchungsgruppe bilden, um festzustellen, was aus dem Fall geworden ist."

Auch Regierungssprecher Ali Rabii kritisierte die Justiz. "Das Vorgehen der Justiz zeugt nicht davon, dass die Bekundungen zum Kampf gegen die Korruption, von allen Organen des Staates ernst genommen wird," sagte er.


AUßENMINISTER SARIF SPRICHT VON MILLIARDEN GELDWÄSCHE

"Es gib einige Gruppen, die durch Geldwäsche Milliarden Dollar Gewinne erzielen," sagte Außenminister Mohammad Dschawad Sarif am 5. November im Parlament. Zwar sei der Staat "makellos," es gebe aber Gruppen und Schmugglerbanden, die im Land frei agierten. Sarif hatte bereits früher von einer weit verbreiteten Korruption und Geldwäsche im Land gesprochen und damit bei den Konservativen und Radikalen heftige Kritik und Empörung ausgelöst. Sie warfen ihm Nestbeschmutzung vor. Als Außenminister habe er die Aufgabe, das Land von seiner besten Seite im Ausland zu präsentieren. Doch er liefere den Feinden der Islamischen Republik und der Auslandsopposition Argumente, die gegen das Land verwendet würden.

Sarif wies die Kritik entschieden zurück. Seine Aufgabe sei, die Islamische Republik im Ausland zu verteidigen. Der Kampf gegen die Geldwäsche bringe große Vorteile für das Land. "Man wirft doch unserem Land vor, dem "FATF" (internationaler Arbeitskreis Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorfinanzierung) nicht beitreten zu wollen, weil wir nicht gegen Geldwäsche und Terrorismus kämpfen wollen," sagte der Minister. "Der Revolutionsführer hat gesagt, wenn wir gegen Korruption kämpfen, wird es bei vielen einen Aufschrei geben. Wir fragen, wer sind diese Leute, die aufschreien? Die Menschen in unserem Land sollten genau wissen, um welche Leute es sich handelt, die der Revolutionsführer im Auge hat."


PARLAMENT WILL GESTÄNDNISSE IM FERNSEHEN VERBIETEN

Eine Gruppe von Abgeordneten hat am 4. November im islamischen Parlament einen Antrag zu einem Gesetz vorgelegt, mit dem öffentliche Geständnisse verboten werden sollen. Der Antrag wird zunächst in den zuständigen Ausschüssen behandelt und dann dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt.

Anlass zu diesem Antrag war ein Interview mit Masiar Ebrahimi im persischsprachigen Programm der BBC. Ebrahimi gehörte zu jenen Personen, die beschuldigt wurden, Terroranschläge gegen iranische Atomwissenschaftler verübt zu haben. Erst nach Jahren stellte es sich heraus, dass die Verurteilten unschuldig waren. Sie wurden freigelassen. Ebrahimi erzählte im Detail, wie brutal er im Gefängnis gefoltert worden und zu Geständnissen gezwungen worden war. Seine Geständnisse wurden per Video aufgezeichnet und im Fernsehen gezeigt. Ebrahimi war nicht der einzige, der für seine "gestandenen Verbrechen" im Fernsehen Reue übte. Öffentliches Geständnis ist eine gängige Methode in der Islamische Republik, die angewendet wird, um Angst zu verbreiten.

Mahmud Sadeghi, einer der Unterzeichner des Antrags, hatte bereits vor einem Monat auf Telegram mitgeteilt, dass die "falsche Dokumentation des Klubs des Terrors" (Titel der Sendung mit Ebrahimi) im Fernsehen den Anlass zu dem Antrag geliefert habe. "Die Videoaufnahmen stammten aus der Zeit der Verhöre vor den Gerichtsverhandlungen," schrieb er. Die Beschuldigten seien auf Grundlage falscher Geständnisse verurteilt worden. "Nun zeigt es sich, dass die Verurteilten unschuldig waren und die Geständnisse unwahr."

Der Antrag lautet: "Aufzeichnung von Geständnissen in allen Phasen der Beweisaufnahme und deren Ausstrahlung vom staatlichen Fernsehen oder anderen Medien ist verboten. Aufzeichner und Sender von Geständnissen werden mit sechs Monaten bis drei Jahren Gefängnis bestraft. Sollte die Aufzeichnung auf Anordnung von Behörden erfolgt sein, werden die zuständigen Verantwortlichen, abgesehen von der oben genannten Strafe, aus dem Amt entlassen und es wird ihnen fünf Jahre lang eine Einstellung bei staatlichen Ämtern untersagt."

Die Antragsteller berufen sich auf Paragraph 39 der Verfassung der Islamischen Republik über die "Achtung der Würde des Menschen.". Dieser Grundsatz gelte auch für Angeklagte, schreiben die Autoren. "Bedauerlicherweise werden im staatlichen Fernsehen gelegentlich Geständnisse der Angeklagten gezeigt, bei denen es sich später herausstellt, dass sie unschuldig waren."

Ebrahimi war von den Folterern gezwungen worden zu gestehen, dass er mit Israel zusammengearbeitet habe und an den Terroranschlägen auf die Atomphysiker beteiligt gewesen sei. Was er unter Folter gestanden habe, sei nichts anderes gewesen, als Geschichten, die die Folterer sich ausgedacht hätten, sagte er im BBC-Interview.


LARIDSCHANI WILL NICHT MEHR KANDIDIEREN

Während die Frist für die Anmeldung der Bewerber um die Teilnahme an den Parlamentswahlen im Februar nächsten Jahres Anfang Dezember zu Ende geht, meldeten die Agentur Ilna und das Nachrichtenportal Aftab am 9. November, dass Ali Laridschani, langjähriger Präsident des Parlaments, nicht mehr an den Wahlen teilnehmen werde. Den Berichten zufolge habe Laridschani seine Entscheidung damit begründet, dass er bisher "alle seine Kraft zum Wohle des Landes" eingesetzt habe.

Die Begründung ist nicht überzeugend. Daher wird vermutet, dass andere Gründe den einflusseichen, langjährigen Parlamentsabgeordneten und Präsidenten zu seiner Entscheidung bewogen haben. Einen Tag vor der Ankündigung des Verzichts Laridschanis veröffentlichte die Fraktion der "Prinziptreuen" der Provinz Ghom, in der der Wahlkreis Laridschanis sich befindet, eine Kandidatenliste, in der der Name Laridschani fehlt.

Laridschani, der zu den Konservativen gehört, hatte in der vergangenen Wahlperiode einen ungeschriebenen Pakt mit den Gemäßigten und Reformern geschlossen, so dass er bei den vergangenen Wahlen sowohl auf der Liste der Konservativen stand, als auch auf der der Reformer und Gemäßigten. Das führte dazu, dass etwa vor einem Jahr eine Gruppe von Abgeordneten einen Antrag vorlegte, wonach ein Abgeordneter nicht öfter als dreimal gewählt werden dürfte. Politische Beobachter vermuteten, dass mit diesem Antrag die Teilnahme Laridschanis an den nächsten Wahlen verhindert werden sollte. Laridschani selbst sagte dazu, er habe gegen den Antrag nichts einzuwenden. Denn er habe den Vorteil, dass die, "die über längere Jahre im Parlaments sitzen, sich endlich ausruhen" könnten.

Der Antrag wurde aber abgelehnt, weil er im Widerspruch zur Verfassung stand.


UMWELTSCHÜTZER ZU HOHEN GEFÄNGNISSTRAFEN VERURTEILT

Sechs Umweltschützerinnen und Umweltschützer, denen Spionagetätigkeit vorgeworfen wird, wurden nun nach zweijähriger Untersuchungshaft vom islamischen Revolutionsgericht unter dem Vorsitz des Richters Abolghassen Salawati zu sechs bis 10 Jahren Gefängnis verurteilt.

Nilufar Beisaii und Morad Tahbas wurden jeweils zu zehn, Taher Ghadirian und Human Dschokar zu jeweils acht Jahren und Amirhossein Khaleghi und Sepideh Kaschani zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen die Urteile kann Einspruch eingelegt werden.

Der Sprecher der Justiz sagte, die Verurteilten hätten den Umweltschutz als Deckmantel benutz, um militärische Geheimnisse an ausländische Staaten weiterzugeben.

Kawus Seidemami gehörte ebenfalls zu den Umweltschützern. Wenige Tage nach seiner Festnahme starb er auf einer mysteriösen Weise in der Untersuchungshaft. Die Justiz behauptet, er habe Selbstmord begangen. Seine Angehörigen und viele Außenstehende bezweifeln diese Darstellung.

Der Prozess gegen die Umweltschützerinnen und Umweltschützer begann fast vor einem Jahr. Sowohl das Informationsministerium als auch das Umweltamt und Mitglieder der Regierung halten die Beschuldigungen der Justiz für abwegig. Sie sind von der Unschuld der Gefangenen überzeugt. Präsident Rohani hatte eine Kommission, bestehend aus dem Justizminister, Innenminister, Informationsminister und dem für juristische Fragen zuständigen Vizepräsidenten, mit der Untersuchung des Falls beauftragt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es keinerlei Beweise gebe, die die Vorwürfe bestätigen könnten und forderte die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Aber die Justiz blieb hart. Die Angehörigen forderten Revolutionsführer Ali Chamenei auf, sich mit dem Fall zu befassen. Doch dessen Büro teilte mit, dass er sich in diese Angelegenheit nicht einmischen werde.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Bärbel Kofler zeigte sich am 22. November über das Urteil entsetzt. "Ich bin bestürzt," sagte sie. "Sie (die Umweltschützer) haben sich mit großem Engagement für den Tierschutz und Artenschutz in Iran eingesetzt." Sie forderte die iranische Justiz auf, die Verurteilten sofort freizulassen und appellierte an die Regierung, die Menschenrechte zu achten.

Auch die Grünen-Politiker Omid Nouripour und Oliver Krischer sprachen von einem "weiteren herben Schlag für die Lage der Bürger- und Menschenrechte in Iran." Die Außenwelt dürfe die unrechtmäßige Verhaftung der Umweltschützer und deren "grausame und unmenschliche Behandlung in Einzelhaft und die Verweigerung ihrer Rechte auf ein ordentliches Verfahren" nicht schweigend hinnehmen. "Die repressive Kampagne gegen wissenschaftliche Forschung dämmt Bemühungen, die wachsenden Umweltkrisen Irans anzugehen massiv ein." "Neben der Sorge um das Verschwinden von Arten sieht sich Iran aufgrund der raschen Urbanisierung und des übermäßigen Dammbaus mit verschwindenden Wasserressourcen konfrontiert," erklärten die Bundestagsabgeordneten.


JAHRESTAG DER GEISELNAHME GEFEIERT

Am 4. November jährte sich zum vierzigsten Mal die Geiselnahme von 52 amerikanischen Diplomaten und Angehörigen der US- Botschaft in Teheran. Sie dauerte 444 Tag. Das einschneidende Ereignis war der Beginn einer Feindschaft zwischen Teheran und Washington, die in unseren Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

Nach offizieller Darstellung griff eine Gruppe, die angeblich aus Studenten bestand, "spontan" die US-Botschaft in Teheran an, drang in das Botschaftsgebäude ein und nahm die 52 anwesenden Mitarbeitenden in Geiselhaft. Seitdem wird die Botschaft "Spionagenest" genannt. Die Demonstranten forderten die Auslieferung des gestürzten Monarchen Mohammad Resa Pahlavi, der ins Ausland geflüchtet war. Die USA reagierten auf die Geiselnahme mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Teheran und verhängten Sanktionen gegen das Land. Nach der Freilassung der Geiseln wurde die Botschaft in ein Museum umgebaut.

Die Geiselnahme, die Ayatollah Chomeini als die "zweite Revolution, wichtiger als die erste" bezeichnete, wurde zum Symbol des entschiedenen Kampfes gegen den US-Imperialismus. Daran wird jedes Jahr durch Massenkundgebungen erinnert. Einige der teilnehmenden "Studenten," haben inzwischen Selbstkritik geübt und die Aktion als einen schweren Fehler bezeichnet, der schließlich zur Isolation des Landes geführt habe, erklärten sie.

In der, auf der diesjährigen Kundgebung in Teheran verabschiedeten, Resolution, wird betont, dass die USA nie mehr in Iran Fuß fassen werden. Das iranische Volk werde den Kampf gegen die Machenschaften der USA fortsetzen, seine Freiheit und Unabhängigkeit weiterhin verteidigen und der Islamischen Republik Treue erweisen. Wie bei solchen Versammlungen üblich, wurden amerikanische und israelische Fahnen verbrannt und beiden Staaten den Tod gewünscht.

Das Weiße Haus in Washington verurteilte in einer Erklärung die staatlich organisierten Demonstrationen und Kundgebungen, ebenso die Geiselnahme, die es als eine dreiste Tat bezeichnete. Iran solle seine Politik ändern und damit aufhören, unschuldige Zivilisten für politische Zwecke zu instrumentalisieren, hieß es. Solange dies nicht geschehe, werde Washington den "maximalen Druck" gegen das Land fortsetzen.

"Das iranische Regime hat eine Wahl," zitiert dpa aus der Erklärung. Es könne wählen, "anstelle von Geiselnahmen, Ermordungen, Sabotagen, Schiffsentführungen und Angriffen auf den international Öl Handel" den Weg des Friedens zu gehen. "Die Vereinigten Staaten bemühen sich um Frieden, und wir unterstützen das iranische Volk. Es ist an der Zeit für das iranische Regime, dasselbe zu tun."

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KULTUR

• Islamische Feministin Taleghani gestorben
• Deutsche Kulturwoche in Schiras
• Mehr als 200 Filmemacher protestieren gegen die Zensur
• Die deutsche Band Schiller trat erneut in Teheran auf
• Jegliche Zusammenarbeit mit dem British Council verboten


ISLAMISCHE FEMINISTIN TALEGHANI GESTORBEN

Die landesweit bekannteste islamische Feministin Irans, Aazam Taleghani, starb am 30. Oktober nach längerem Aufenthalt in der Intensivstation infolge eines Hirnschadens im Alter von 76 Jahren in einem Teheraner Krankenhaus. Sie war die landesweit bekannteste islamische Feministin und die erste Frau, die in das islamische Parlament gewählt wurde.

Taleghani war die Tochter von Ayatollah Mahmud Taleghani, der zu Beginn der Revolution eine herausragende Rolle spielte. In Gegensatz zu Ayatollah Chomeini vertrat er einen liberalen, der Moderne angepassten Islam. Unter anderem sprach er sich gegen die Kleidungsvorschriften für Frauen. Wenige Monate nach dem Sieg der Revolution starb er überraschend bei bester Gesundheit, was Anlass zu Spekulationen gab, er sei als Alternative zu Chomeini "beseitigt" worden, glaubten viele in Iran.

Aasam Taleghani war, wie ihr Vater, bereits vor der Revolution politisch engagiert. Sie wurde einmal sogar zu lebenslänglich verurteilt, kam aber nach zwei Jahren frei und setzte trotz Verbots ihre politischen Aktivitäten fort. Vor ihrem Gefängnisaufenthalt arbeitete sie im Bereich Pädagogik und gründete mit ihren beiden Schwestern die "Stiftung Alai." Nach ihrer Freilassung bemühte sie sich um die Gründung einer regierungsunabhängigen Frauenorganisation.

Nach der Revolution konnte sie ihre Ideen bezüglich der Frauenrechte mit der Gründung des "Frauenvereins des Revolutionären Islams" verwirklichen. Besonders während der Regierungszeit des Reformers Mohammad Chatami (1997-2005) konnte der Verein seine Aktivitäten entfalten. Doch danach musste er, wie viele andere regierungsunabhängige Organisationen, wegen starker Einschränkungen und Repressionen, seine Arbeit einstellen.

Als Parlamentsabgeordnete versuchte Taleghani, zum Teil mit Erfolg, frauenfeindliche Gesetze zu verhindern. 1997 war sie die erste Frau in der Islamischen Republik, die für das Amt des Staatspräsidenten kandidierte. Zwar lehnt der Wächterrat ihre Kandidatur ab, aber mit ihrer Bewerbung löste sie eine lang andauernde Diskussion darüber aus, ob nach der Verfassung der Islamischen Republik eine Frau die Führung der Regierung übernehmen könne. Sie kandidierte bei den nächsten Wahlen erneut und wurde immer wieder vom Wächterrat abgelehnt. Und jedes Mal aktualisierte sie das Thema, schrieb Artikel und offene Briefe an die Verantwortlichen, wobei sie mit harten Äußerungen nicht sparte. Die Klarheit der Argumentation, ihr Mut und ihre Ernsthaftigkeit zeichneten sie aus. Bis zu ihrem Tod kämpfte sie für die Rechte der Frauen, selbst dann, wenn niemand sie unterstützte. Als die iranisch-kanadische Journalistin im Gefängnis unter Folter getötet wurde, führte sie einen Sitzstreik vor dem Teheraner Evin Gefängnis, mit den Forderungen: Willkürliche Festnahmen zu beenden, Einzelhaft und geheime Prozesse zu verbieten.

Zusammen mit anderen Weggefährtinnen und Weggefährten veröffentlichten Taleghani eine kritische Zeitschrift unter dem Titel "Hadschar," die sich mit Frauenrecht, Politik und Gesellschaft auseinandersetzte. Bei allen Themen ging es darum, ein friedliches Nebeneinander zwischen Islam und Tradition einerseits und Freiheit und Demokratie andererseits anzustreben. Die Zeitschrift wurde 1997 verboten. Einige Jahre später gab Taleghani eine neue Zeitschrift mitdem Titel "Pajam-e Ebrahim" heraus.

Taleghani vertrat schon wenige Jahre nach der Revolution, wie viele Aktivistinnen und Aktivisten der ersten Stunde, die Meinung, dass die Revolution auf Abwege geraten sei. Doch im Gegensatz zu vielen, die ihre Meinung nur unter vorgehaltener Hand äußerten, sparte sie nicht mit öffentlicher Kritik. Dabei unterließ sie auch nicht, den Revolutionsführer persönlich scharf zu kritisieren.

Taleghani wurde nicht nur von den Machthabern als Störenfried betrachtet, sie wurde auch von Oppositionellen kritisiert, die ihr vorwarfen, ein Teil des Systems zu sein und aus ihrer Kritik nicht die logischen Konsequenzen zu ziehen.


DEUTSCHE KULTURWOCHE IN SCHIRAS

Die Deutsche Botschaft in Teheran organisierte Anfang November in der im Süden Irans gelegenen Stadt Schiras eine Kulturwoche. Anlass war das Erscheinen von Goethes Gedichtsband "West-Östlicher Diwan" vor 200 Jahren. Zahlreiche literarische, kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen standen auf dem Programm. Aus Deutschland hatten unter anderem der Filmemacher und Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck, die Schriftstellerin Doris Dörrie, die Goethe-Expertin Anke Bosse sowie der Orientalist Stefan Weidner an der Kulturwoche teilgenommen.

Schiras ist die Geburtsstadt des großen iranischen Dichters Mohammad Schams ed-Din Hafes, der Goethe zu seinem Diwan inspiriert hatte. Obwohl Hafis im 14. Jahrhundert lebte, ist er immer noch in Iran präsent. Es wird kaum eine Iranerin oder einen Iraner geben, die oder der nicht wenigstens ein paar Gedicht von Hafis auswendig kennt. Sein Diwan ist neben dem Koran das Buch, das man am häufigsten bei iranischen Familien vorfindet.


MEHR ALS 200 FILMEMACHER PROTESTIEREN GEGEN DIE ZENSUR

Mehr als 200 Filmemacher haben laut iranischen Medien am 2. November gegen die Filmzensur in Iran protestiert. "Die Zensur und die Stufen, die zu erklimmen sind, um die Erlaubnis zur Vorführung zu erhalten, bilden eine Mauer, die dem iranischen Film den Tod beschert," erklärten die Filmemacher in einem offenen Brief an Justizchef Ali Raissi. Unter den Unterzeichnern waren auch international bekannte Regisseure wie der zweifache Oscarpreisträger Asghar Farhadi und der mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Djafar Panahi. "Das iranische Kino ist zum Angriffsziel von Zensoren geworden," schreiben die Autoren. Sie werfen dem Ministerium für Kultur und Islamische Führung vor, oberflächliche und propagandistische Filme zu unterstützen und gesellschaftskritische und künstlerisch wertvolle Filme zu benachteiligen. Kritische Regisseure werden entweder zu Gefängnisstrafen verurteilt, oder sie erhalten Berufs- und Ausreiseverbot.

In der Erklärung ist auch die Rede von "dubiöse Investitionen" in der Filmindustrie. "Seit Geraumer Zeit gibt es in den Medien immer wieder Berichte über weit verbreitete Geldwäsche in der Filmindustrie," heißt es in der Erklärung.

"Wir bekunden unser Unmut und Entsetzen über die Zensur von Form und Inhalt der Filme und fordern freie Meinungsäußerung," heißt es weiter.

In Iran leiden die Bereiche Soziales, Kunst und Kultur unter permanenter, autoritärer Einmischung der Behörden und Einschränkungen der Freiheit der Aktivisten, Künstler und Kulturschaffenden. Der iranische Film, der sich noch vor einigen Jahren wegen seines besonderen Stils international behaupten konnte, hat inzwischen wegen des starken Drucks der Zensur und staatlicher Einmischung sein Ansehen verloren. Einige international bekannte Filmemacher sind ins Exil gegangen, andere haben ihre Tätigkeit aufgegeben, weil sie offenbar nicht mehr gewillt sind, sich dem Willen der Zensoren zu beugen.

Der letzte Fall der Zensur, über den auch in den Medien berichtet wurde, war der Film "Khaneh-e Pedari" (Das Haus des Vaters) von Kianoush Ayari. Der Film lag zehn Jahre lang bei der Zensurbehörde. Als er endlich freigegeben wurde und gezeigt werden konnte, schrieb eine rechte Zeitung eine vernichtende Kritik, was der Behörde Anlass gab, den Film zu verbieten. Der Grund für diese Maßnahme war die darin dargestellte Gewalt gegen Frauen. Der Film erzählt die fast einhundertjährige Geschichte einer Familie, die in einem alten Haus in Teheran wohnt. In einigen Episoden wird gezeigt, wie Frauen Opfer von Fanatismus und Gewalt werden.


DIE DEUTSCHE BAND SCHILLER TRAT ERNEUT IN TEHERAN AUF

Die deutsche Band Schiller, die in Iran sehr beliebt ist, führte im November mehrere Konzerte in der Hauptstadt Teheran in der Musikhalle des Innenministeriums auf. Dabei präsentierte sie ihr neues Album "Morgenstund."

Die von Christopher Deylen ins Leben gerufene Band war bereits 2017 und 2018 Gast in Iran. Sie war die erste Musikgruppe, die mit einem Popkonzert in der Islamischen Republik auftreten durfte. Alle ihre Konzerte waren stets total ausverkauft, so dass jedes Mal unplanmäßig zusätzlich Auftritte organisiert werden mussten.


JEGLICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BRITISH COUNCIL VERBOTEN

Das Teheraner Informationsministerium hat iranischen Medienberichten zufolge, jegliche Zusammenarbeit mit dem British Council verboten. In der Erklärung des Ministeriums wird der Kulturorganisation vorgeworfen, ein "Kulturnetz" zu kultureller Einflussnahme in Iran aufgebaut zu haben. Das Ministerium drohte mit Strafe gegen jeden, der mit der Organisation zusammenarbeitet.

Der British Council, eine Einrichtung für Sprache und Kultur, ist in mehr als einhundert Staaten vertreten. Er ist eine gemeinnützige Einrichtung, die von der britischen Regierung mitfinanziert wird. Doch nach eigenen Angaben ist er regierungsunabhängig.

Das Verbot der Zusammenarbeit mit dem Britisch Council erfolgte, nachdem der Kulturaktivist Aras Amiri, der mit der Einrichtung zusammenarbeitete, kürzlich zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Gholamhossein Esmaili, Sprecher der Justiz, sagte bei der Bekanntgabe des Urteils: "Amiri wurde wegen seiner Verbindung zum British Council und kultureller Einflussnahme, insbesondere durch künstlerische Aktivitäten und Umsturzversuche vom Revolutionsgericht verurteilt."

Auch in der Erklärung des Informationsministeriums heißt es: "Wie bereits von der Justiz bekannt gegeben wurde, ist jegliche Zusammenarbeit mit dem Britische Council verboten, sie wird gerichtlich verfolgt." Weiter heißt es in der Erklärung, die britischen Versuche, in anderen Ländern kulturell Einfluss zu nehmen, hätten eine lange Tradition. Die Aktivitäten des British Counsils seien in diesem Rahmen zu sehen.

Das Ministerium behauptete, das "Projekt Netzaufbau" durch den British Council hatte bereits einige herausragende Personen im Bereich Bildung und Kultur eingebunden. Diese Aktivitäten hätten jedoch von vornherein unter Beobachtung der "Soldaten des Verborgenen Imam" (damit sind die Mitarbeiter des Geheimdienstes gemeint) gestanden und konnten rechtzeitig unterbunden werden.

Der British Council hatte vor zehn Jahren, nach eigenen Angaben wegen Einschüchterung seiner Mitarbeitenden durch die iranischen Behörden seine Aktivitäten in Iran eingestellt. Damals hieß es, die britischen Mitarbeiter hätten kein Visum bekommen und die einheimischen Mitarbeiter hätten nach einem Gespräch in der Kanzlei des Staatspräsidenten ihre Mitarbeit gekündigt.

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WIRTSCHAFT

• Rohani: das Land befindet sich im Ausnahmezustand
• Rohani wirbt für Verbleib im Atomabkommen
• Vierter Schritt in Irans Atomkonflikt
• Neues Ölfeld entdeckt


ROHANI: DAS LAND BEFINDET SICH IM AUSNAHMEZUSTAND

Irans Präsident Hassan Rohani sagte während einer Rede in der Stadt Kerman am 12. November mit Blick auf die Sanktionen, das Land befinde sich im Ausnahmezustand. "Wie sollen wir unser Land verwalten, wenn wir beim Verkauf unseres Öls Probleme haben. Seit der Gründung der Islamischen Republik haben wir beim Verkauf unseres Öls und der Abfahrt eines Öltankers noch nie so viele Probleme gehabt wie heute."

Bislang versuchte die iranische Führung, auch Rohani, das Ausmaß der Wirkung der Sanktionen auf die iranische Wirtschaft herunterzuspielen. Nun sagt der Präsident, die Lage sei äußerst kompliziert, der Ölboykott habe das Regieren schwer gemacht. "Für den Staatshaushalt benötigen wir jährlich ein Budget in Höhe von 450.000 Milliarden Tuman.

Die höchsten Steuereinnahmen, die wir erzielen könnten, liegen bei 150.000 Milliarden Tuman. Woher sollen wir die fehlenden 300.000 Milliarden Tuman nehmen? Unser Staatshaushalt wird hauptsächlich durch Öleinnahmen gedeckt," sagte der Präsident.

Vor den Sanktionen lag der iranische Ölexport bei täglich 2,8 Millionen Barrel. Nun schätzen Sachverständige, dass er bei 800.000 Barrel pro Tag liegt. Das ist weniger als Iran während des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) exportierte. Damit scheint die Drohung der USA, den iranischen Ölexport auf Null zu reduzieren, allmählich wahr zu werden. Der Parlamentsabgeordnete Heschmatollah Falahatpischeh sagte kürzlich, der Ölexport sei auf ein Zwanzigstel der Menge, die vor den US-Sanktionen exportiert wurde, gefallen. Das hieße, dass der Ölexport derzeit bei 560.000 Barrel pro Tag liegt.


ROHANI WIRBT FÜR VERBLEIB IM ATOMABKOMMEN

Iran Präsident Hassan Rohani sagte bei einer Rede vor einer Massenversammlung in der Stadt Rafsandschan: "Unsere nationalen Interessen verlangen, dass wir am Atomabkommen festhalten." Seit Jahren sei Iran durch eine Resolution der Vereinten Nationen untersagt, Waffen zu kaufen. Auch sei Iran verboten worden, Waffen zu verkaufen. "Wenn wir aber das Atomabkommen nicht verlassen, wird das Verbot im nächsten Jahr aufgehoben, und wir können sowohl Waffen kaufen als auch verkaufen."

Tatsächlich sieht die UN-Resolution 2231, die Anfang 2015 verabschiedet wurde, ein fünfjähriges Waffenhandelsverbot für Iran vor. Rohani hatte bereits bei einer anderen Gelegenheit im August dieses Jahres von der Aufhebung des Verbots im nächsten Jahr gesprochen. Unmittelbar danach warnte US-Außenminister Mike Pompeo, das Verbot des Waffenhandels für Iran und das Reiseverbot für General Ghassem Soleimani (Oberbefehlshaber der Al-Kuds-Brigade) werde bald zu Ende sein. "Wir fordern alle unseren Verbündeten auf, den Druck auf Iran zu erhöhen, damit es seine destabilisierenden Aktivitäten in der Region unterlässt," sagte der Außenminister.

Der Hinweis von Rohani war an jene Kräfte in Iran gerichtet, die einen Ausstieg aus dem Abkommen fordern. "In einem Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern sind Meinungsunterschiede nicht ungewöhnlich. Aber in diesem Fall machen uns die Radikalen Probleme," sagte er. "Natürlich können wir aus dem Abkommen aussteigen, doch dann werden die UN-Sanktionen gegen uns wieder aufgenommen werden. Es ist also zu unserem Vorteil, wenn wir das Abkommen nicht verlassen, zugleich aber schrittweise unsere eingegangenen Verpflichtungen aussetzen." Sollte das Abkommen erhalten bleiben und das Handelsverbot mit Waffen im nächsten Jahr aufgehoben werden, "werden wir die Möglichkeit haben, unser Raketenarsenal, unsere Luftwaffe und Marine erheblich zu stärken."


VIERTER SCHRITT IN IRANS ATOMKONFLIKT

Am 4. November hat Präsident Hassan Rohani den vierten Schritt Irans im Atomkonflikt angekündigt. Damit setzte Iran einen weiteren Teil seiner im Atomabkommen eingegangenen Verpflichtung aus. Bei diesem Schritt handele es sich um den Einsatz von moderneren und schnelleren Zentrifugen zur Anreicherung von Uran in der Atomanlage Ferdo. In der Atomanlage Ferdo gibt es 1.024 Zentrifugen, die gemäß dem Abkommen nicht eingesetzt werden dürfen. Fordo gehörte bei den Verhandlungen zu den Hauptpunkten, über die lange debattiert und gestritten wurde. Schließlich einigte man sich, dass Fordo nicht mehr zur Anreicherung von Uran, sondern nur noch zu Forschungszwecken benutzt wird. "Es kann sein, dass es auf dieser Maßnahme ein Geschrei geben wird," sagte Rohani. "Wir werden aber diesen Schritt nur dann zurücknehmen, wenn die andere Seite ihre Pflichten erfüllt."

Jetzt seien mit 60 IR-6-Zenrifugen doppelt so viele Zentrifugen im Einsatz als bisher bekannt, sagte der Chef der iranischen Atombehörde Ali Akbar Salehi am 4. November. Zudem besitze Iran ein Prototyp einer Zentrifuge, die 50 Mal schneller arbeite als im Atomvertrag erlaubt. Inzwischen besitze Iran mehr als 500 Kilogramm niedrig angereichertes Uran. Im Abkommen war die Menge auf 300 Kilogramm begrenzt.

Die EU legte dagegen Protest ein. Maria Kocijanicic, eine Sprecherin der EU, forderte Teheran auf "solche Schritte ohne Verzögerung umzukehren und weitere Maßnahmen zu unterlassen, die das Abkommen unterminieren würden." Der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas warnte Iran, das Ende des Abkommens zu riskieren. Derartige Schritte seien inakzeptabel, sagte er.

Frankreich bezeichnete den Schritt als "Bruch des Abkommens" und forderte Teheran auf, diesen Beschluss zurückzunehmen. In einer am 4. November veröffentlichten Erklärung des Pariser Außenministeriums heißt es weiter, man wolle den Bericht der Internationalen Atombehörde (IAEA) abwarten. "Wir haben gemeinsam mit Deutschland. Großbritannien und der EU-Außenbeauftragten unsere tiefe Sorge über die jüngsten Maßnahmen Irans, die im Gegensatz zu dem Atomabkommen stehen, zum Ausdruck gebracht," erklärte das Ministerium.

Auch Russland zeigte sich besorgt. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am 5. November in Moskau die Zeichen aus Teheran seien nicht gut. "Wir beobachten deshalb mit Besorgnis, wie sich die Lage aktuell entwickelt."

Ein Vorfall sorgte am 7. November für weitere Kritik. Iranische Sicherheitsbeamte verweigerten einer IAEA-Inspekteurin den Zutritt zu der Atomanlage in Natans. "Wir rufen Iran auf, sicherzustellen, dass es in Zukunft nicht mehr zu solchen Vorfällen kommt," erklärten die Vertreter der EU vor dem Gouverneursrat der IAEA in Wien, der zu einer Sondersitzung zusammengekommen war. Das sei eine "ungeheuerliche Provokation," sagte die US-Botschafterin Kackie Wolcott.

Auf der Sondersitzung wurde über den Vorwurf debattiert, Iran habe seine atomaren Aktivitäten nicht vollständig deklariert. Inspektoren der IAEA waren einem Hinweis des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahus auf einen geheimen Standort nachgegangen und hatten dort undeklariertes Nuklearmaterial gefunden. "Iran muss seinen Kontrollpflichten vollständig nachkommen und mit Blick auf dieses Nuklearmaterial sofort und vollständig mit der IAEA kooperieren," sagte Wolcott.

Jetzt habe auch IAEA bestätigt, "dass Iran lügt," sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Alles, was ich vor einem Jahr erzählt habe, ist jetzt von der IAEA bestätigt worden." Er forderte Europa auf, endlich aufzuhören, "die Dinge zu verzögern." "Es muss jetzt gegen die iranische Aggression vorgehen."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich über die Lage besorgt. "Mit jedem Schritt wird aber die Situation schwieriger," sagte sie am 7. November nach einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin. Ausdrücklich sagte sie zugleich, man führe weiterhin Gespräche mit Iran.

Indes drohte Iran mit weiteren Schritten. "Wir haben der Diplomatie ausreichend Zeit gegeben," sagte Vizeaußenminister Abbas Araghchi am 8. November. "Falls seitens der Vertragspartner keine konkreten Ergebnisse vorgelegt werden, werden wir unsere Verpflichtungen im Atomdeal noch weiter reduzieren. Schließlich sind für uns unsere nationalen Interessen mehr wert als ein Abkommen."

"Wir sind über den Mangel an Kooperation Irans mit der Internationalen Atombehörde besorgt," sagte US-Außenminister Mike Pompeo am 9. November. Den Umgang Irans mit der Inspektorin bezeichnete er als "hässlich." Iran müsse der Behörde gestatten, frei ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen. Es dürfe keinerlei Einschränkungen geben.

Russlands Vizeaußenminister Segej Rjabkow plädierte für diplomatische Verhandlungen. "Wir müssen der Diplomatie eine Chance geben," sagte er am 9. November in Moskau im Gespräch mit Araghchi. "Es gibt viele Ideen, und wenn es einen politischen Willen gibt, können sie auch umgesetzt werden."

Am 11. November Drohte Heiko Maas bei einem Treffen mit französischen und britischen Vertreterinnen und Vertretern in Paris, alle im Atomabkommen vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten anzuwenden. "Wir wollen weiter an dem Abkommen festhalten, weil wir glauben, es ist besser eines zu haben als keines zu haben. Allerdings beunruhigt uns das, was Iran macht, außerordentlich." Daher werde man sich vorbehalten, alle im Abkommen vorgesehenen Mechanismen einzusetzen. Gemeint sind Sanktionen, die vor dem Abkommen bestanden.

Auch US-Präsident Donalds Trump bezeichnete auf Twitter die Berichte über die Urananreicherung Irans als "sehr schlechten Schritt." Demgegenüber wäre die Aushändigung des vermissten FBI-Agenten Robert Levinson ein "sehr positiver Schritt." (s. Bericht auf Seiten 23/24)

Einen Tag nach der Veröffentlichung des IAEA-Berichts über die Entdeckung von neuen atomaren Spuren verurteilte Saudi-Arabien, "das listige Verhalten Irans" bei der Informierung der IAEA über sein Atomprogramm.

Iran hat die Kritik der EU zurückgewiesen. "Wir haben uns stets an das Abkommen gehalten. Ihr (EU) auch?" schrieb Außenminister Mohammad Dschawad Sarif auf Twitter. Den europäischen Vertragspartnern warf er vor, während der letzten 18 Monate "nicht ein einziges Mal" ihre Pflichten eingehalten zu haben.


NEUES ÖLFELD ENTDECKT

Am 10. November gab Präsident Rohani in einer vom staatlichen Fernsehen übertragenen Rede die Entdeckung eines neuen, riesigen Ölfelds bekannt. In einem von mehr als 2.000 Quadratkilometer großen Gebiet im Südwesten des Landes, in der Provinz Chusestan, nahe der irakischen Grenze, sollen mehr als 53 Milliarden Barrel Öl lagen. Das wäre ein Drittel des gesamten bisher bekannten Ölvorkommens in Iran. "Dies ist ein kleines Geschenk der Regierung an das iranische Volk," sagte Rohani. An die Gegner des Imports moderner Technologie und Engagement ausländischer Unternehmen in Iran gerichtet, sagte Rohani: "Jene, die in den letzten zwei, drei Jahren das Engagement ausländischer Unternehmen kritisiert haben, sollten jetzt zu dieser Entdeckung Stellung nehmen." Er betonte: "Wir sind bei der Entwicklung unseres Landes auf moderne Technologie und Wissenschaft angewiesen."

Einen Tag nach Rohanis Rede korrigierte die Regierung die Angaben des Präsidenten. Ölminister Bijan Sangeneh sagte am 11. November vor Journalisten, das Gebiet verfüge über 22,2 Milliarden Barrel Öl. Doch die Bohrungen in diesem Gebiet seien aufgrund des steinigen Bodens technisch schwierig, so dass vermutlich nur ein Zehntel der Menge, also schätzungsweise 2,2 Milliarden Barrel Öl, gefördert werden könne. Das nun entdeckte Gebiet, das er "Namawaran" nannte, verfüge über das zweitgrößte Ölfeld Irans. Die Entdeckung sei durch den Einsatz von modernsten Geräten und fortschrittlichsten Forschungsmethoden möglich geworden, sagte Sangeneh weiter. Es sei durchaus möglich, dass westlich sowie östlich dieses Gebietes weitere Entdeckungen gemacht würden. Je nachdem, wie viel Öl gefördert werde, werde die Position Irans auf der Rangliste der ölproduzierenden Staaten steigen.

Unter den 14 ölexportierenden Ländern (OPEC) stand Iran bislang nach Saudi-Arabien und Venezuela an dritter Stelle. Den Statistiken zufolge verfügt das Land über 155.500 Milliarden Barrel Ölreserven. Weltweit steht Iran nach Kanada an vierter Stelle. Unter den gasproduzierenden Ländern steht Iran nach Katar an zweiter Stelle.

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AUSSENPOLITIK

• IISS über Irans Einfluss in der Region
• USA verstärken den Druck auf Iran
• Rohani: "Ich konnte beschließen, die US-Sanktionen zu brechen"
• Iranisches Konsulat im Irak angegriffen
• Netanjahu: Iran will von Jemen aus Israel angreifen
• Saudis lehnen Irans Friedensangebot ab
• UN verurteilt Verletzung der Menschenrechte in Iran
• Fast eine halbe Million Afghanen in die Heimat zurückgekehrt
• 20 Millionen Dollar Belohnung für Hinweise, die zu Levinson führen
• Menschenrechtsorganisation kritisiert US-Sanktionen
• Spionage für Iran


IISS ÜBER IRANS EINFLUSS IN DER REGION

Das Internationale Institut für Strategische Studien in London (International Institute for Strategic Studies IISS) hat am 7. November einen Bericht über den Einfluss Irans in der Region veröffentlicht. Dort heißt es, Iran sei es trotz harter Sanktionen gelungen, seinen Einfluss in der Region auszubauen und in der Konkurrenz mit Saudi-Arabien den Sieg davon zu tragen. In Syrien, Libanon, Irak und Jemen sei Irans Einfluss teilweise so stark, dass er für das Schicksal des jeweiligen Landes entscheidend geworden sei.

Die Tatsache, dass Iran im Geheimen ein Netz von regierungsunabhängigen Verbündeten aufgebaut hat, die oft als "paramilitärische Stellvertretergruppen" bezeichnet werden, ist bekannt. Dieser Netzaufbau habe mit der Gründung der Hisbollah in Libanon begonnen. Bereits Ayatollah Chomeini habe sich nach seiner Rückkehr aus dem Exil (Februar 1979) stets bemüht, seine revolutionäre Ideologie und den Einfluss der von ihm gegründeten Islamischen Republik in den Ländern der Region zu verbreiten.

In dem 217-seitigen Bericht heißt es weiter, der Islamischen Republik sei es gelungen, das Gleichgewicht der Macht in der Region zu seinen Gunsten zu verändern. Bei dieser Entwicklung spiele die Al-Kuds-Brigade (eine Abteilung der Revolutionsgarden für Auslandseinsätze) eine Hauptrolle. Sowohl die Brigade als auch ihr Befehlshaber Ghassem Soleimani stehen in direkter Verbindung zum Revolutionsführer Ali Chamenei. Damit operiere die Brigade zunehmend unabhängig von den Revolutionsgarden und den Streitkräften sowie von der Regierung.

Die Al-Kuds-Brigade habe seit dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein (2003) ihre Aktivitäten in der Region erheblich verstärkt. Sie bilde ihre Verbündeten militärisch aus, unterstütze sie finanziell und liefere ihnen Waffen und militärische Ausrüstung. Zugleich habe sie einen asymmetrischen Krieg eingeführt, der aus punktuellen Angriffen gegen zentralisierte Kräfte und Raketen- und Cyber-Angriffen bestehe. Mit diesem asymmetrischen Krieg sei sie imstande, gegen ungleich stärkere und moderner ausgerüstete reguläre Streitkräfte vorzugehen, heißt es in dem Bericht.

Anfang des laufenden Jahres hat US-Präsident Donald Trump die Al-Kuds-Brigade auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt. Es war das erste Mal, dass die USA einen Teil des Militärs eines Staates auf die schwarze Liste gesetzt haben. Iran reagierte auf diese Maßnahme, indem er die US-Streitkräfte in der Region auf die Liste terroristischer Organisationen setzte, was als symbolischer Akt betrachtet werden muss.

Jac Sraw, ehemaliger britischer Außenminister, der mehrmals Iran besucht hat, ist laut BBC der Meinung, dass die Rolle, die Soleimani spielt, größer ist, als die eines Befehlshabers. Er bestimme mit Hilfe von verbündeten Gruppen praktisch die iranische Außenpolitik in der gesamten Region.

Ein Sprecher der iranischen Botschaft in London sagte in einem Interview mit der BBC: "Wenn der IISS-Bericht zeigen will, dass man die Rolle Irans in der Region würdigen muss, dann ist es ein gutes Zeichen. Die Politik, Irans Rolle zu ignorieren, war nutzlos. Iran hat Widerstand geleistet und die Schäden, die die US-Sanktionen verursacht haben, unter Kontrolle gebracht. Ja, Iran ist ein mächtiges Land, das weitreichende Beziehungen zu anderen Staaten und viele Ideen hat, um mit diesen Staaten zu kooperieren."

Dem IISS-Bericht zufolge hat die libanesische Hisbollah, die sowohl eine politische Partei als auch eine paramilitärische Organisation ist, unter den Verbündeten Irans "eine herausragende Position." Das Institut beschreibt detailliert die Wege über Irak und Syrien, die Iran benutzt, um die Hisbollah finanziell und militärisch zu unterstützen. Die Hisbollah hat bei den Kämpfen im Irak und Syrien eine wichtige Rolle gespielt. In Syrien unterstützt sie Präsident Assad und seine Truppen und im Irak die paramilitärischen schiitischen Organisationen.

Einen wichtigen Grund für die Erfolge Irans als regionale Macht, sieht der Bericht in dem Krieg der USA gegen Irak, der den irakischen Diktator zum Sturz brachte, was die Lage im Nahen Osten völlig veränderte. Für Iran hätten sich dadurch neue Möglichkeiten ergeben, um seinen Einfluss in der Region erheblich zu stärken. Zuvor hätte Irak, aus der Sicht arabischer Staaten, als ein von Sunniten beherrschtes Land gegolten, das in der Lage gewesen sei, etwaigen expansiven Plänen Irans, entgegen zu wirken. Doch mit dem Sturz Saddam Husseins habe Iran in dem Nachbarland, das mehrheitlich aus Schiiten besteht, wirtschaftlich, religiös und kulturell Einfluss genommen. Zugleich bildete Iran schiitische Milizen aus und bewaffnete sie. Sie sind unter dem Namen "Haschd al Schaabi" bekannt. Sie spielten beim Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak eine wichtige Rolle. Dennoch betrachteten viele Iraker den Nachbarstaat Iran als Aggressor und Ausbeuter. Die jüngsten Unruhen zeitgen, dass vor allem Jugendliche mit der Rolle Irans in ihrem Land nicht zufrieden seien. Auch Haschd al Schaabi habe inzwischen die Sympathie der Bevölkerung verloren, die ihr beim Kampf gegen den Islamischen Staat zuteil geworden war, schreiben die Autoren des Berichts.

Jac Straw meint, möglicherweise habe sich Iran, mehr als er sich leisten kann, in die inneren Angelegenheiten Iraks eingemischt. "Was derzeit im Irak geschieht, ist für Iran eine ernste Warnung. Denn die Lage könnte außer Kontrolle geraten," sagte Straw laut BBC.

In Syrien, einem Land, das schon seit geraumer Zeit zu den Verbündeten Irans gehört, hat sich Iran stark engagiert. Iranische Kräfte kämpften im syrischen Bürgerkrieg gemeinsam mit syrischen Streitkräften, der Hisbollah und anderen schiitischen Organisationen, unterstützt von der russischen Luftwaffe gegen die Gegner Assads. In dem IISS-Bericht heißt es, Iran habe sich mit der syrischen Regierung und Sicherheitsorganen zusammengetan und setze seine Drohungen gegen Israel fort.

Ziel Irans sei, die USA aus der Region zu vertreiben und als dominante Militärmacht deren Rolle zu übernehmen. Demgegenüber wollen Saudi-Arabien, Bahrain und die Arabischen Emirate eine solche Entwicklung unter allen Umständen verhindern. Im Zuge des "arabischen Frühlings" (2011) habe Iran versucht, durch die Unterstützung der Schiiten in Bahrain und Bewaffnung bestimmter Gruppen, auch in Saudi-Arabien und Kuwait, Unruhe zu stiften und eine Wendung zu seinen Gunsten herbeizuführen. Solche Aktivitäten seien aber aus der Sicht Saudi-Arabiens noch kontrollierbar, nicht aber die Drohnen- und Raketenangriffe. Solche Angriffe, wie die gegen saudische Ölanlagen im September dieses Jahres, machten deutlich, wie verletzlich die Staaten am Persischen Golf seien.

Zwar habe Saudi-Arabien teure Antiraketensysteme aus den USA gekauft. Diese seien jedoch offenbar nicht in der Lage gewesen, die Angriffe zu verhindern.

Auch Jemen bietet Iran, dem Bericht zufolge, eine Gelegenheit, seine strategischen Ziele zu verfolgen. Als 2014 der Bürgerkrieg in Jemen begann, habe Iran keinen nennenswerten Einfluss auf das Land gehabt. Doch als 2015 die Saudis, in Koalition mit anderen Ländern, ihre Angriffe gegen die Aufständischen in Jemen begannen, begann auch Teheran, die Huthis zu unterstützen. Mit dieser militärischen, logistischen und politischen Unterstützung der Huthis verfolge Iran erstens das Ziel, Saudi-Arabien und dessen Verbündeten eine Niederlage zuzufügen und zweitens seine Präsenz in dem strategisch wichtigen Gebiet am Roten Meer und der Meerstraße von Bab al-Mandab vorzubereiten.

Nach Einschätzung des IISS wird Iran, solang Donald Trump in den USA regiert, seine Strategie und Taktik nicht ändern. Während die Regierung in Teheran den Druck der USA zur Wiederaufnahme der Verhandlungen spürt, drängen die radikalen Kräfte im Land, den Weg des Widerstands fortzusetzen. Iran sei in der Lage, mit Hilfe seiner in der gesamten Region verstreuten Verbündeten, Drohnen- und Raketenangriffe gegen US-Streitkräfte im Irak, gegen Israel, gegen die Schifffahrt im Persischen Golf ebenso wie Cyber-Angriffe gegen alle Staaten der Region durchzuführen und zugleich die eigene Beteiligung zu bestreiten. Iran habe die Kapazitäten, über die das Land heute verfügt, im Laufe der vergangenen 40 Jahren aufgebaut und damit eine Position erlangt, die weit stärker sei, als bislang angenommen, heißt es in dem Bericht. Iran habe eine Stärke erreicht, die nicht mehr zu ignorieren sei.


USA VERSTÄRKEN DEN DRUCK AUF IRAN

Die USA versuchen den Druck auf Iran weiter zu verstärken. Am 1. November beschlossen sie Strafmaßnahmen gegen den Bausektor, der nach Angaben des Außenministeriums in Verbindung zu den Revolutionsgarden stehe. Sprecherin Morgan Ortagus sagte laut AFP, es würden "vier strategische Materialien" ins Visier genommen, welche für die Atom-, Militär- oder Raketenprogramme des Landes eingesetzt würden. Außerdem werden Materialien, die zum Bau von Waffen benutzt würden, wie Stahlröhren und Lötmetalle, sanktioniert.

Verärgert über den zunehmenden Druck aus den USA, sagte Revolutionsführer Ali Chamenei am Jahrestag der Geiselnahme amerikanischer Botschaftsangehörige (1979), "die USA sind seit dem Putsch gegen Mossadegh (1953) schwächer, aber wilder und dreister geworden." Er lehnte abermals jede Art von Verhandlungen mit Washington ab und sagte, "jene, die meinen, die Probleme ließen sich durch Verhandlungen mit den USA lösen, irren sich hundertprozentig." Die Feindschaft zwischen den USA und Iran hätte nicht mit der Botschaftsbesetzung begonnen, sondern mit dem Putsch gegen Mossadegh.

"Wäre Iran zu Verhandlungen mit den USA bereit gewesen, hätte Washington zum Beispiel gefordert, die Reichweite unserer Raketen auf 150 Kilometer zu begrenzen. Wenn wir zugestimmt hätten, hätten sie neue Forderungen gestellt, zum Beispiel Rückzug aus der Region, bis hin zu der Forderung, wir sollten auf islamische Gesetze und islamische Kleidungsvorschriften verzichten," sagte Chamenei weiter. Es mache also keinen Sinn, sich auf die Amerikaner einzulassen.

Am 4. November haben die USA gegen einige Personen, die Chamenei nahestehen, Sanktionen verhängt, zum Beispiel gegen dessen Sohn Modschtaba Chamenei, den Bürochef Mohammad Glpayegani und dessen Stellvertreter Wahid Haghanian und Gholamali Hadad Adel. Auch der außenpolitische Berater des Revolutionsführers, Ali Akbar Welayati, Justizchef Ebrahim Raissi und Mohammad Bagheri, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, gehören zu den Personen, die auf die schwarze Liste gesetzt wurden.

Am 6. November erklärte der Iran-Beauftragte der US-Regierung, Brain Hook, die USA werden die Sanktionen gegen Iran niemals mildern, solange es kein neues Abkommen zwischen Teheran und Washington gebe, ein Abkommen das sicherstellt, dass Iran die Sicherheit und Stabilität der Region nicht mehr bedroht. Es sei ein Irrtum, zu glauben, dass die USA bei Verhandlungen mit China bereit wären, dem Land eine Ausnahmegenehmigung zum Import des Öls aus Iran zu erteilen, betonte Hook. "Uns ist bewusst, dass wir solange Druck ausüben müssen, bis Iran bereit ist, zum Verhandlungstisch zurückzukehren. Ohne diese Strategie werden wir unsere Forderungen niemals durchsetzen können."


ROHANI: "ICH KONNTE BESCHLIEßEN, DIE US-SANKTIONEN ZU BRECHEN"

Bei einer Rede in der Stadt Kerman sagte Präsident Hassan Rohani, er habe während seines Aufenthalts in New York entscheiden können, die US-Sanktionen zu brechen. "Die Vorschläge, die uns gemacht wurden, waren gut, aber wir haben sie abgelehnt." Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, "ich musste den Worten des US-Präsidenten vertrauen. Vielleicht, wenn statt Trump ein anderer Präsident mein Verhandlungspartner gewesen wäre, hätte ich den ganzen Konflikt beendet."

Es war das erste Mal, dass ein hochrangiger Politiker Irans von der Möglichkeit sprach, während der Regierungszeit von Trump die Sanktionen beenden zu können. Zuvor waren in Iran inoffizielle Berichte über einen Vorschlag zur Beilegung des Konflikts verbreitet worden. Demnach sollten die Vereinigten Staaten die Sanktionen zurücknehmen, vorausgesetzt, Iran würde seine Verpflichtungen voll erfüllen und akzeptieren, dass einige Vereinbarungen des Abkommen für dauerhaft gelten. Es gibt auch ein Videofilm, auf dem Frankreichs Präsident Emmanuelle Macron und der britische Premier Boris Johnson im Gespräch mit Rohani zu sehen sind. Dabei sagt Macron zu Rohani: "Wenn Sie New York verlassen, ohne Trump zu sehen, verpassen Sie eine wichtige Chance."

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei sagte kürzlich, Macron ist entweder naiv oder ein Komplize von Trump. Chamenei ist strikt gegen Verhandlungen mit den USA. Beim genauen Hinhören ist zu merken, dass Rohani gerne mit den USA verhandelt hätte, aber den Zorn des Revolutionsführers gefürchtet und das Angebot abgelehnt hat. Seinen Worten ist auch zu entnehmen, dass er klarstellen will, wer für diese wichtige Entscheidung, die das Land weiter in die Katastrophe führt, verantwortlich ist.


IRANISCHES KONSULAT IM IRAK ANGEGRIFFEN

Im Zuge der Unruhen im Irak Anfang November haben Demonstranten in der Stadt Kerbela das iranische Konsulat angegriffen. Sie holten die iranische Flagge herunter und hissten stattdessen die irakische. Sie bauten Barrieren, bewarfen das Gebäude mit Steinen und Molotow-Cocktails, schlugen die Fensterscheiben ein. Erst der Einsatz von Sicherheitskräften, die Warnschüsse abgaben, konnte den Angriff beenden. Den Berichten einiger Zeitungen in Iran zufolge, war es den Demonstranten gelungen, für eine kurze Zeit das Konsulat zu umzingeln. Laut dpa vom 4. November wurden bei den Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten drei Personen getötet. Die Agentur beruft sich auf Angaben der irakischen Polizei.

In Kerbela fand im Oktober 680 eine Schlacht statt, bei der der Enkel des Propheten, Hussein, auf grausame Weise getötet wurde. Die Schlacht gilt für die Schiiten als tragischster Vorfall in der Geschichte. Jährliche pilgern Millionen Iranerinnen und Iraner nach Kerbela.

Irans Generalkonsul Mir Masud Hosseinian erklärte anschließend, die Lage sei zwar "im Moment" normal, doch er möchte die Pilger bitten, vorerst die Region zu meiden. Bei den Unruhen im Irak, die seit Anfang Oktober andauern, richten sich die Proteste gegen Arbeitslosigkeit, schlechte Dienstleistungen, häufige Stromausfälle und dergleichen mehr. Aber die Demonstranten äußern auch ihre Wut gegen die Islamische Republik, die im Irak über großen Einfluss verfügt, vor allem aber auch gegen die schiitischen Milizen, die von Iran unterstützt werden.

Ende Oktober beschuldigte Irans Revolutionsführer Ali Chamenei die USA und die arabischen Staaten in der Region, die Unruhen im Iran und in Libanon initiiert zu haben. In Anwesenheit angehender Offiziere sagte Chamenei, das Schlimmste, was Feinde einem Land zufügen können, sei seine innere Sicherheit zu gefährden, "genau das, was die Feinde in einigen Ländern der Region getan haben." Es seien allen voran die USA und die westlichen Geheimdienste, die mit Geldern reaktionärer Staaten der Region, in einigen Staaten Unruhen stifteten. "Das ist die schlimmste Feindschaft und gefährlichste Rachsucht gegen diese Länder. Ich empfehle den Patrioten im Irak und Libanon, alles daran zu setzen, um in ihren Ländern wieder Ruhe herzustellen," sagte Chamenei.

Zugleich forderte Chamenei, die Forderungen der Demonstranten ernst zu nehmen. "Die Menschen haben Forderungen, dazu haben sie auch ein Recht. Aber sie sollten wissen, dass diese Forderungen nur im Rahmen der Gesetze ihres Landes erfüllt werden können. Wenn in einem Land Chaos herrscht, kann die Regierung nichts unternehmen. Da lässt sich nichts Positives durchsetzen," sagte der Revolutionsführer. Er verwies auf die Unruhen im Januar in Iran und sagte: "Auch für unser geliebtes Land wurden solche Pläne geschmiedet. Zum Glück waren die Menschen wachsam und konnten die Pläne vereiteln."

Auch Mahmud Waesi, Bürochef des Präsidenten, sagte, manche Länder versuchten die Unzufriedenheit der Menschen im Irak und Libanon für ihre Zwecke zu nutzen. "In der heutigen Lage versuchen die USA, einige arabische Staaten und Israel auf den Zug der Protestbewegung zu steigen, sie kontrollieren das Internet, zeigen, wo es lang gehen soll und geben der Bewegung finanzielle Unterstützung. Das alles schadet den Völkern Libanons und Iraks." Iran habe immer die Ansicht vertreten, dass auf der einen Seite die Regierungen die Forderungen der unzufriedenen Menschen ernst nehmen müssen, auf der anderen Seite, die Forderungen so gestellt werden müssten, dass die Sicherheit des Landes gewahrt bliebe und das Land nicht in Chaos stürtze. "Unsere Empfehlung ist: Ruhe herzustellen und ausländischen Mächten zu verbieten, sich einzumischen." Zu den iranfeindlichen Aktivitäten im Irak sagte Waesi, das seien gesteuerte Versuche, zwischen den befreundeten Nachbarn Irak und Iran Zwietracht zu säen. Die Demonstranten sollten diese Machenschaften durchschauen und sie abweisen.

Auch der türkische Präsident, Tayyip R. Erdogan sagte auf einer Pressekonferenz am 8. November mit Blick auf die Unruhen im Irak: "Lasst mich klar und deutlich sagen, wir haben Vermutungen, welche Kräfte hinter den Unruhen im Irak stecken. Auch vermuten wir, dass diese Unruhen möglicherweise auf Iran übergreifen." Es gehe darum, die islamische Welt zu spalten und zerstückeln, damit "wir einander bekämpfen." "Stellt euch vor, Irak hat gegen uns Stellung genommen, sogar Iran hat uns kritisiert." Ein Journalist fragte, ob er über die Stellungnahme Irans zum Einmarsch der Türken in Nordsyrien verärgert sei. "Wieso sollte ich nicht verärgert sein?" antwortete Erdogan. "Terroristen töten unsere Bürger, sie machen keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten. Wir können nicht untätig bleiben."

Erdogan verteidigte die Präsenz türkischer Streitkräfte im Irak und in Syrien und fügte hinzu: "Wir werden unsere Aktivitäten in diesen Ländern fortsetzen."


NETANJAHU: IRAN WILL VON JEMEN AUS ISRAEL ANGREIFEN

Israels Präsident Benjamin Netanjahu sagte bei einem Treffen mit dem amerikanischen Finanzminister Steven Mnuchin am 28. Oktober in Jerusalem, Iran plane, mit treffsicheren Präzisionsraketen, die jedes Ziel im Nahen Osten mit einer Genauigkeit von fünf bis zehn Metern treffen könnten, von Jemen aus, Israel anzugreifen.

Solche Raketen seien bereits in Jemen aufgestellt. Sie würden auf Israel zielen. Solche Waffen würden auch in Syrien und Irak aufgestellt werden. Das Raketenarsenal in Libanon solle auf 120.000 Raketen aufgestockt werden. Netanjahu forderte die Vereinigten Staaten dazu auf, den Druck auf Iran zu verstärken.

Mnuchin sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, er stimme dem israelischen Präsidenten zu, dass Iran eine Gefahr für die gesamte Region bilde. Ziel der amerikanischen Sanktionen sei nicht, dem iranischen Volk zu schaden, sondern die Gefahr, die von Iran ausgehe, abzuwenden. Die Kampagne "maximaler Druck" von US-Präsident Donald Trump zur Zurückweisung der iranischen Aggression zeige Wirkung. Die Trump-Regierung werde den Druck "mehr und mehr verstärken," sagte der Finanzminister.

Mnuchin wurde bei seinem Besuch in Israel von dem Sonderbeauftragten der Regierung für Iran, Brain Hook, und dem Schwiegersohn und erster Berater Trumps Kushner begleitet.


SAUDIS LEHNEN IRANS FRIEDENSANGEBOT AB

Während Iran immer wieder Saudi-Arabien und andere arabische Staaten zur Beilegung der Konflikte und Herstellung des Friedens einlädt, droht Saudi-Arabien mit Vergeltung.

Ali Rabii, Sprecher der Regierung, bestätigte am 4. November der Presse gegenüber, Präsident Rohani habe dem Saudischen König Salman einen Brief geschrieben. "Die Regierung hat immer wieder betont, dass sie bestrebt ist, Frieden und Stabilität in der Region herzustellen," sagte er. "Das genau ist die Quintessenz des Schreibens an den saudischen König." "Wir haben mit unseren Nachbarstaaten viele gemeinsame wirtschaftliche Interessen. Der Druck der USA sollte uns nicht spalten und trennen."

Zu den Sanktionen der USA und deren Folgen sagte Rabii: "Ich muss zur Verteidigung der Regierung sagen, bei diesem Anstieg der Inflation und dem drastischen Fall der Öleinnahmen infolge der Sanktionen, wäre die Lage unter einer anderen Regierung wesentlich schlechter als sie heute ist."

König Salman drohte Iran am 20. November mit Gegenwehr, sollte Iran das Land angreifen. Zwar wolle er keinen Krieg, aber sein Land sei entschlossen, jede Aggression mit aller Härte zurückzuschlagen. Mit Blick auf die Unruhen in Iran sagte der König, Iran solle endlich mit seiner "expansionistischen" Politik aufhören, einer Politik, die dem Volk schade. "Wir wollen hoffen, dass das Regime sich für die Vernunft entscheidet und begreift, dass es keinen Weg gibt, um die Weltgemeinschaft, die das Verhalten dieses Landes verurteilt, zu bezwingen, es sei denn, Iran würde seine vernichtende und expansionistische Denkweise aufgeben," sagte er vor dem "Beratenden Rat" des Landes.

Salman forderte wieder einmal die Weltgemeinschaft auf, der Entwicklung des iranischen Atom- und Raketenprogramms Einhalt zu gebieten. Es sei an der Zeit "dem Chaos und der Zerstörung, die Iran verursacht hat, ein Ende zu setzen."

König Salman sagte weiter, 286 Angriffe mit ballistischen Raketen und 289 Angriffe mit Drohnen gegen sein Land, was keinem anderen Land widerfahren sei, würden Saudi Arabien nicht davon abhalten, seine Entwicklung fortzusetzen. Auch auf die Bürger des Landes werden diese Angriffe keine Wirkung haben.


UN VERURTEILT VERLETZUNG DER MENSCHENRECHTE IN IRAN

Das dritte Komitee der UN-Vollversammlung hat am 15. November in einer Resolution die Verletzung der Menschenrechte in Iran verurteilt. Mit Hinweis auf Berichte des UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte in Iran, Javaid Rehman, forderte das Komitee Iran auf, Aktivistinnen und Aktivisten der Frauenrechte in Iran, die sich in Haft befinden, sofort freizulassen, die Ungleichbehandlung von Frauen und religiösen und ethnischen Minderheiten zu beenden, die Lage in den Gefängnissen zu bessern und das Recht der freien Meinungsäußerung zu achten.

Vorgeschlagen wurde die Resolution von Kanada. 82 Delegierte stimmten dem Vorschlag zu, 30 lehnten ihn ab, 66 enthielten sich. Zu den Staaten, die der Resolution zustimmten, gehörten die meisten arabischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate. Abgelehnt haben sie unter anderem Venezuela, Kuba, Afghanistan, Irak, Pakistan, Oman und Russland.

Das Komitee lobte die Aufnahme von Flüchtlingen in Iran und begrüße die Abnahme der Hinrichtungen von Drogenschmugglern.

Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Abbas Mussawi, lehnte die Resolution ab, bezeichnete sie als "Zeichen der Verlogenheit jener, die Zwietracht schüren." Die Resolution sei ohne Legitimation und ohne Wert, sagte er.


FAST EINE HALBE MILLION AFGHANEN IN DIE HEIMAT ZURÜCKGEKEHRT

Einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind seit Beginn des laufenden Jahres mehr als 400.000 Menschen aus Iran und Pakistan in ihre Heimat zurückgekehrt. 385.000 von ihnen waren Afghanen, die als Geflüchtete in Iran lebten, die jedoch nicht als Geflüchtete anerkannt und auch nicht von UNHCR offiziell registriert waren. Ein Teil von ihnen waren aus Iran abgeschoben worden, etwa die Hälfte hat das Land freiwillig verlassen. Im vergangenen Jahr waren 773.000 Geflüchtete in ihre Heimat zurückgekehrt.

Die wirtschaftliche Krise in Iran und der drastische Fall der Landeswährung trieben viele Afghanen, die zumeist als billige Arbeitskräfte vorwiegend in der Schattenwirtschaft beschäftigt waren, aus dem Land. Doch Afghanistan hat den Rückkehrern kaum Arbeit anzubieten. Zu der schlechten wirtschaftlichen Lage kommt die unsichere politische Lage. Die Menschen sind permanent der Gefahr ausgesetzt, überfallen, entführt oder getötet zu werden. Die Täter sind nicht nur die Taliban, der Islamische Staat (IS), sonstige Terrorgruppen oder die afghanischen Geheimdienste oder Ordnungskräfte, sondern auch, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch laut dpa vom 31.Oktober berichtet, vom amerikanischen Geheimdienst CIA organisierte afghanische Sondereinheiten. Die Organisation wirft dem CIA schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Laut dpa berichtet HRW, dass die Killerkommandos Zivilisten unrechtmäßig töten, Festgenommene verschwinden lassen, sogar Kliniken angreifen. Diese Aktionen seien teilweise als "Kriegsverbrechen" einzustufen, schreibt die Organisation.


20 MILLIONEN DOLLAR BELOHNUNG FÜR HINWEISE, DIE ZU LEVINSON FÜHREN

Ein hochrangiger Abgeordneter des US-Außenministeriums erklärte, jeder Hinweis, der zum Aufenthaltsort des früheren FBI-Mitarbeiters Robert Levinson führe, werde mit 20 Millionen Dollar belohnt. Levinson war vor 12 Jahren während eines Besuchs in Iran auf mysteriöse Weise verschwunden. Iranische Behörden erklären immer wieder, dass sie damit nichts zu tun hätten und weder über die Art und Weise seines Verschwindens noch über seinen Aufenthaltsort informiert seien. Die Familie von Levinson forderte am 4. November die US-Regierung auf, "die Geiselnahme" zu beenden.

Bereits im März 2012 hatte das FBI eine Belohnung von einer Million Dollar ausgesetzt und diese drei Jahre später auf fünf Millionen Dollar erhöht.

Levinson wurde zuletzt im März 2007 auf der Insel Kisch im Persischen Golf gesehen. Damals hieß es, er habe im Auftrag des CIA Spuren von Zigarettenschmugglern im Nahen und Mittleren Osten verfolgt. In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Hinweise, die jedoch nicht zu ihm führten. Die Familie Levinsons erhielt im August 2011 Fotos, auf denen Levinson wie die Guatanamo-Häftlinge orangefarbige Anzüge trug und in Ketten gelegt zu sehen war. Während der letzten Jahre forderte Washington Teheran immer wieder auf, die Suche nach Levinson zu unterstützen. Doch die iranische Justiz betonte jedes Mal, dass er sich nicht in iranischer Haft befindet. 2013 veröffentlicht die Agentur AP einen Bericht, in dem es hieß, die Nachforschungen hätten ergeben, dass Robinson als Spion tätig gewesen sei. Die damalige US-Regierung unter Barack Obama bezeichnete den Bericht als "verantwortungslos."

Am 9. November berichtete AP, die Korrespondenz zwischen Teheran und der UNO über Levinson gesichtet zu haben. Daraus gehe hervor, dass die iranische Staatsanwaltschaft dabei sei, eine Akte über Levinson zu bearbeiten. In der Korrespondenz gebe es aber keinen Hinweis darauf, dass Robinson sich in Iran befinde, berichtete die Agentur. Auch die iranische Botschaft bei der UNO gab keine weiteren Informationen zum Fall Levinson.


MENSCHENRECHTSORGANISATION KRITISIERT US-SANKTIONEN

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf in ihrem jüngsten Bericht den Vereinigten Staaten vor, mit ihren Sanktionen gegen Iran die Möglichkeit des Imports von lebenswichtigen Gütern wie Medikamenten stark einzuschränken. Damit hätten sie gegen die Rechte der Menschen auf gesundheitliche Versorgung verstoßen. HRW forderte Präsident Donald Trump auf, offen zu erklären, dass Unternehmen und Banken in den USA und anderen Staaten keine Sanktionen zu befürchten haben, wenn sie Waren exportieren beziehungsweise den Handel mit Waren finanzieren, die für die Menschen in Iran existenziell wichtig sind. Der am 29. Oktober unter dem Titel "maximaler Druck der US-Sanktionen gegen das Recht der Iraner auf Gesundheit" veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die im Sanktionsregime vorgesehenen Ausnahmen nicht dazu geführt hätten, dass die amerikanischen und europäischen Banken ihre Abneigung, einen Handel mit Iran zu riskieren, überwunden hätten.

Der Leiter der Nahost-Abteilung der Organisation sagte, die Mitglieder der Regierung Trump behaupteten, auf der Seite des iranischen Volkes zu stehen, doch in Wirklichkeit fügten sie dem Volk Schaden zu. Die Sanktionen hätten dazu geführt, dass Iranerinnen und Iraner mit schweren Krankheiten keine Medikamente bekämen, die für ihre Heilung notwendig wären.

Die Organisation habe zur Erstellung ihres Berichts zwischen November 2018 und Oktober 2019 mit 31 Personen Interviews geführt, Personen, die in Iran im medizinischen Bereich beschäftigt sind oder jenen, die im In- und Ausland an dem Export von Medikamenten nach Iran beteiligt waren.


SPIONAGE FÜR IRAN

In Schweden wurde ein Iraker beschuldigt, als Agent für den iranischen Geheimdienst tätig zu sein. Er soll beauftragt worden sein, Geflüchtete aus Iran, die sich in Schweden, Belgien und Niederlanden befinden, auszuhorchen und persönliche Informationen über sie zu sammeln, berichtete dpa am 6. November. Der schwedische Staatsanwalt Hans-Jörgen Hanström sagte, der 46-jährige Iraker mit schwedischer Staatsbürgerschaft habe den Anschein erweckt, eine arabische Online-Zeitung zu betreiben. Vier Jahre lang sei er aktiv gewesen, bis er am 27. Februar 2019 festgenommen und am 1. März in Haft gesteckt wurde. Er habe Online-Foren der iranischen Opposition infiltriert und Log-in-Informationen von Routern gesammelt und diese über das Internet oder bei persönlichen Treffen an iranische Agenten übermittelt.

Die Ermittlungen wurden von der Sicherheitsabteilung der Staatsanwaltschaft und dem schwedischen Sicherheitsdienst Sapo durchgeführt. Geflüchtete auszuhorchen bezeichnete Sapo als "schweres Verbrechen." Denn die Folge sei, dass "Leute, die ohnehin verletzlich sind, sich nicht trauen, ihre von der Verfassung geschützten Freiheiten in Schweden auszuüben," zitiert die Agentur den Staatsanwalt.

Auch in Deutschland wurde Mitte Januar ein Afghane mit deutscher Staatsangehörigkeit festgenommen, dem vorgeworfen wird, Staatsgeheimnisse an den iranischen Geheimdienst weitergeleitet zu haben. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Der Mann sei Zivilangestellter der Bundeswehr und als Übersetzer tätig gewesen.

Am 31. Oktober ließ der Strafsenat in Koblenz die Anklage der Bundesstaatsanwaltschaft gegen ihn zu, teilte das Oberlandesgericht Koblenz mit. Der Angeklagte muss sich wegen Landesverrat vor Gericht verantworten. Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest. Da es bei der Verhandlung um Staatsgeheimnisse geht, wird der Prozess vermutlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
https://themen.boell.de.

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Florian Kommer
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
18. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 12/2019 - Dezember 2019 / 18. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2019

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