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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/445: Iran-Report Nr. 8 - August 2019


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 8 - August 2019
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

Zu dieser Ausgabe: Angesichts der dramatischen Entwicklung im Konflikt zwischen Iran und den USA widmet sich diese Ausgabe ausschließlich der Außenpolitik. Dabei geht es vor allem um das Atomabkommen, die US-Sanktionen, um die Reaktionen Irans und die Rolle der Europäischen Union.


AUSSENPOLITIK

• Treffen in Wien zur Rettung des Atomabkommens ohne Durchbruch
• USA fordern Nato-Staaten auf, ihre Iran-Politik zu unterstützen
• Trump: Möglicher Krieg mit Iran werde "nicht lange dauern"
• Johnson mit Trumps Iran-Strategie einig
• Hook: Entweder mit Iran oder mit USA
• Iran fordert Ende der Sanktionen und Aufnahme von Verhandlungen
• Iran erhöht seine Vorräte an angereichertem Uran
• Israel beschuldigt Iran, hinter den Tankerangriffen gesteckt zu haben
• Trump: "Sie spielen mit dem Feuer"
• Warnung aus Europa
• Attacken gegen Öltanker verschärfen die Krise
• Erdogan will im Konflikt zwischen Iran und USA vermitteln
• Iran steigert die Urananreicherung
• Reaktionen auf den neuen Verstoß Irans
• USA verzichten vorerst auf Sanktionen gegen Sarif
• Irak will trotz Sanktionen Handel mit Iran fortsetzen
• Der Druck auf Iran soll verstärkt werden
• Vorerst nur Anreicherung bis 5 Prozent
• IAEA bestätigt die erhöhte Anreicherung
• Iran bedingt zu Verhandlungen mit den USA bereit
• EU hält trotz Irans Verstößen am Atomabkommen fest
• Trump spricht von "großen Fortschritten"
• Drohne in der Straße von Hormus abgeschossen
• Ende der Krise ist kaum in Sicht


TREFFEN IN WIEN ZUR RETTUNG DES ATOMABKOMMENS OHNE DURCHBRUCH

Am 28. Juni haben sich die verbliebenen Partner des Atomabkommens, China, Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Iran in Wien getroffen. Ziel war es, Wege zu finden, um trotz des Ausstiegs der USA das Abkommen fortsetzen zu können. Iran hatte zuvor gedroht, die im Abkommen festgelegte Obergrenze von 300 Kilogramm angereichertem Uran am 25. Juli zu überschreiten. Doch offenbar mit Blick auf das Treffen in Wien wurde die Frist nicht eingehalten. Präsident Hassan Rohani begründete etwaige Verstöße gegen das Abkommen mit dem Argument, Iran habe ein ganzes Jahr lang seine Pflichten korrekt erfüllt, während die Gegenseite, nicht nur die USA, sondern auch die anderen Partner, ihre Pflichten Iran gegenüber vernachlässigt hätten. Die USA hätten ihre Teilnahme völkerrechtswidrig gekündigt und die anderen Partner es nicht vermocht, Irans Vorteile aus dem Abkommen zu sichern. Es sei also legitim, wenn Iran nun seinerseits Teile seiner Pflichten ruhen lasse, sagte Rohani. Zugleich betonte er, dass Iran jederzeit bereit sei, seine Pflichten wahrzunehmen, wenn dies auch die anderen Partner täten.

Die Sitzung in Wien, die unter der Leitung der Generalsekretärin des Europäischen Außendienstes, der deutschen Diplomatin Helga Schmidt, stattfand, brachte keinen Durchbruch. Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi zeigte sich enttäuscht. Zwar zeige das Treffen die guten Absichten der verbliebenen Vertragspartner, diese lägen aber weit hinter den Erwartungen Irans. Die von Deutschland, Frankreich und Großbritannien zur Abwicklung des Handels mit Iran eingerichtete "Zweckgesellschaft" Instex sei zwar "institutionalisiert, sie genüge jedoch den Ansprüchen Irans nicht. Wenn die Europäer Iran tatsächlich helfen wollten, müssten sie dafür sorgen, dass Iran sein Öl exportieren kann," sagte Araghtschi. Daher habe Teheran beschlossen, seine Pflichten im Atomabkommen "schrittweise" ruhen zu lassen. Dieser Prozess werde solange fortgesetzt, bis Irans Vorteile garantiert würden. Araghtschi betonte zugleich, Teheran könne jedoch "in einer halben Stunde" zu den Bestimmungen des Abkommens zurückkehren, wenn seine Bedingungen erfüllt würden.

Araghtschi sagte weiter, Instex sei laut Angaben der Europäer bereits in Betrieb. Die "ersten Transaktionen" seien schon erfolgt. Damit diese Einrichtung aber wirklich Nutzen bringe, müssten die Europäer auch Öl aus Iran kaufen "oder Kreditlinien für diesen Mechanismus in Betracht ziehen."

Der Vertreter Chinas, Generalsdirektor der chinesischen Behörde für Rüstungskontrolle Fu Cong, erklärte bei dem Treffen in Wien, sein Land werde trotz der US-Sanktionen weiterhin Öl aus Iran importieren. "Für uns ist Energiesicherheit wichtig und der Import von Öl ist wichtig für Chinas Energiesicherheit." China lehne einseitige Sanktionen und dem "maximale Druck" der USA ab.

Vor dem Treffen in Wien hatte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif erklärt, Iran werde sich von den Europäern nicht unter Druck setzen lassen. "Der einzige Weg, den Atomdeal zu retten, ist, sich an ihn zu halten," sagte er. Mit dieser Äußerung hatte Sarif auf die Warnung der Europäer reagiert, die im Abkommen festgelegte Obergrenze von 3,67 Prozent bei der Urananreicherung nicht zu überschreiten.

Nach dem Treffen in Wien gab die EU bekannt, dass die Ersatzgesellschaft Instex zur Abwicklung des Handels mit Iran betriebsbereit sei. Die Einrichtung soll Unternehmen unterstützen, die ungeachtet der US-Sanktionen mit Iran Geschäfte machen. Sitz von Instex ist Paris. Geleitet wird er von einem Deutschen, dem früheren Commerzbank-Manager Per Fischer. Für eine erste Phase ist der Handel mit humanitären Gütern vorgesehen. Doch humanitäre Güter sind ohnehin zumindest formal von den Sanktionen ausgenommen. Damit wird Instex das Problem Irans beim Ölexport, von dem die iranische Wirtschaft stark abhängig ist, nicht lösen.


USA FORDERN NATO-STAATEN AUF, IHRE IRAN-POLITIK ZU UNTERSTÜTZEN

Bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel am 27. Juni forderte US-Verteidigungsminister Mark Esper die Mitgliedstaaten der Nato auf, die Iran-Strategie der USA aktiv zu unterstützen. Sie sollten "öffentliche Erklärungen in Betracht ziehen, die Irans schlechtes Verhalten verurteilen." Teheran müsse deutlich gemacht werden, dass die Straße von Hormus für die internationale Schifffahrt frei beleiben und der Transport von Öl und anderen Waren gesichert sein müsse. Die Nato-Staaten sollten an einer Koalition zum Schutz der internationalen Wasserwege teilnehmen. Ziel der USA sei, Konflikte zu vermeiden und zu diplomatischen Verhandlungen zurückzukehren, sagte Esper.

Der Konflikt zwischen den USA und Iran müsse "internationalisiert" werden, sagte der Minister weiter. Dazu seien die Verbündeten aufgefordert, die Überwachung der See- und Luftwege in der Region zu verstärken und nötigenfalls die Schiffe durch Begleitkonvois zu schützen.

"Wir sprechen mit einer gewissen Anzahl von Ländern, um herauszufinden, ob wir eine Koalition zusammenbekommen, die die Freiheit der Schifffahrt in der Meerenge von Hormus und der Meerstraße Bab al-Mandab sichern würde," sagte US-Generalstabchef Joseph Dunford am 10. Juli den Journalistinnen und Journalisten. Es solle in der kommenden Woche herausgefunden werden, welche Staaten politisch bereit seien, mitzumachen. Die USA würde ihren Anteil durch ihre Überwachungsmöglichkeiten und Wissen zu der gemeinsamen Aktion beisteuern. Präsident Trump sei es daran gelegen, dass die USA nicht alleine die Verantwortung und die Kosten für die Sicherung der Seefahrt übernehmen, sagte Dunford.

Die Bundesregierung Deutschland hat bislang zu der Anfrage der USA noch keine Entscheidung getroffen. "Es gibt dort keinerlei Entscheidung bis jetzt," sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 10. Juli in Berlin. Deutschland nehme an den laufenden Diskussionen teil. Die SPD und Grüne lehnten laut Reuters vom 11. Juli eine Beteiligung Deutschlands ab. "Wir sollten unsere diplomatischen und politischen Anstrengungen verstärken und nicht über den Einsatz der Deutschen Marine im Persischen Golf spekulieren," sagte SPD-Außenpolitiker Nils Schmid. Omid Nouripour von den Grünen bezeichnete die Aktivitäten als "Säbelrasseln." Demgegenüber meinte der außenpolitische Sprecher der CDU, Jürgen Hardt, es gebe gegen eine Beteiligung der Deutschen Marine nichts einzuwenden. "Flaggenstaaten, die den Seeweg durch die Straße von Hormus nutzen, sollten im Einklang mit dem Völkerrecht ein gemeinsames Schutzkonzept entwickeln." In diesem Rahmen könne Deutschland auch Gleitschutz leisten und Überwachungsaufgaben übernehmen.

Am 12. Juli erklärte laut dpa eine ranghohe EU-Beamtin, die Europäische Union werde sich vorläufig nicht an der von den USA vorgeschlagenen Koalition beteiligen. Es liege keine Anfrage aus den USA an die EU vor. So müsse jeder Mitgliedsstaat die Entscheidung über eine Teilnahme alleine treffen.


TRUMP: MÖGLICHER KRIEG MIT IRAN WERDE "NICHT LANGE DAUERN"

US-Präsident Donald Trump sagte am Rande der Tagung des G-20 in Japan am 27. Juni, ein Krieg mit Iran wäre für sein Land kein großes Problem. Er habe nicht die Absicht, Krieg zu führen. Sollte es aber doch dazu kommen, wären die USA in einer "sehr starken Position." Daher würde ein Krieg gegen Iran "nicht lange dauern." Dafür sei der Einsatz von Bodentruppen nicht nötig.

Er habe es nicht eilig, den Konflikt mit Iran zu lösen, sagte der Präsident weiter. "Wir haben viel Zeit. Es gibt keine Eile. Sie (die Iraner) können sich Zeit lassen. Für uns gibt es absolut keinen Zeitdruck. Ich hoffe, am Ende wird es eine Lösung geben. Wenn nicht, werden Sie (die Journalisten) davon erfahren."

Dazu twitterte Irans Außenminister Sarif, die Vorstellung eines "kurzen Krieges mit Iran ist eine Illusion." Im Übrigen fügte er hinzu, die Sanktionen seien keine "Alternative zum Krieg, sie sind ein Krieg." Weiter schrieb er: "Der, der einen Krieg beginnt, wird nicht unbedingt derselbe sein, der ihn beendet."

Auch Revolutionsführer Ali Chamenei nahm zu den US-Sanktionen Stellung. "Die Amerikaner wagen aus Angst vor der Macht des iranischen Volkes keinen Angriff. Daher wollen sie uns durch Verhandlungen entwaffnen und dann mit uns tun, was sie wollen."

Auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping forderte am Rand des G-20-Gipfels alle Beteiligten dazu auf, sich in Bezug auf die Krise am Persischen Golf zurückzuhalten. "Die Lage ist sehr heikel," sagte er bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Die Region stehe "am Scheideweg zwischen Krieg und Frieden." China lehne einen Krieg ab, stehe immer auf der Seite des Friedens.


JOHNSON MIT TRUMPS IRAN-STRATEGIE EINIG

Boris Johnson, ehemaliger britischer Außenminister und möglicherweise der nächste britische Premierminister, erklärte bei einer Veranstaltung der Konservativen am 1. Juli in London, er sei mit US-Präsident Trump einig, dass Iran in Schranken gewiesen werden müsse. Iran erlaube sich jede "Schurkerei" in der Region. Trump habe Recht, wenn er meine, dass die Amerikaner und Europäer zusammenarbeiten müssen, um Irans Aktivitäten einzuschränken. "Wir müssen in Bezug auf Iran und dessen Führung äußerst wachsam sein," sagte er. Er lobte das iranische Volk, insbesondere die iranische Jugend, und fuhr fort: "Sie wollen mit uns kooperieren. Wir müssen einen Weg finden, um gegen die Herrschaft der Mullahs vorzugehen."


HOOK: ENTWEDER MIT IRAN ODER MIT USA

Der Sonderbeauftragte der US-Regierung, Brian Hook, der zu Gesprächen mit dem Leiter der Internationalen Seefahrt nach London gereist war, sagte am 28. Juni, Ziel der Iran-Politik der Regierung in Washington sei eine Änderung des Verhaltens Irans, kein Regimewechsel. Bisher habe Teheran eine diplomatische Lösung des Konflikts abgelehnt.

Zugleich warnte Hook andere Staaten, mit Iran Handel zu treiben. "Die europäischen Unternehmen haben die Wahl: Macht entweder mit Iran Geschäfte oder mit Amerika," sagte er. Er warf Iran vor, seine Macht in der Region ausweiten zu wollen.

Zu den Berichten über die Absicht Chinas, trotz US-Sanktionen Öl aus Iran zu importieren, sagte Hook, die Vereinigten Staaten würden die Entwicklung genau beobachten. "Wer die US-Sanktionen ignoriert und illegal von Iran Öl kauft, wird sich der Gefahr von Sanktionen aussetzen. Derzeit habe Washington für niemanden eine Sondergenehmigung erteilt."

Ein Tag zuvor berichtete eine japanische Zeitung, Iran sei es gelungen, über Malaysia Öl nach China zu transportieren. Hook sagte, die Iran-Strategie der USA entwickle sich planmäßig. Ziel sei es, die 50 Milliarden Dollar Einnahmen, die Iran allein aus dem Ölimport erziele, zu verhindern. Die Sanktionen gegen Iran würden solange fortgesetzt, bis Iran sich in einen normalen Staat verwandelt habe. Es sei unbedingt notwendig, den destabilisierenden Aktivitäten Irans in der Region Einhalt zu gebieten. Wenn Iran zum Beispiel nicht daran gehindert werde, seinen Einfluss in Jemen auszubauen, werde er bald in der Lage sein, die Straße von Hormus zu schließen. Iran müsse unbedingt daran gehindert werden, eine schiitische Achse im Nahen und Mittleren Osten zu bilden, betonte Hook.

Am 10. Juli drohte Hook laut Reuters im arabischen Sender Al Jazeera, die USA könnten weitere Sanktionen gegen Iran verhängen. Auch die arabischen Staaten könnten effektiver gegen Iran auftreten, wenn sie geeint wären.

Auch Präsident Trump drohte mit zusätzlichen Sanktionen. "Iran ist seit längerer Zeit dabei, im Geheimen die Urananreicherung voranzutreiben, was ein vollständiger Bruch des 150-Milliarden-Abkommens bedeutet, das Obama und Kerry vereinbart haben," twitterte er am 10. Juli. "Die Geschichte dieses Abkommens wird bald zu Ende gehen. Die Sanktionen werden bald verschärft, und zwar in beachtlichem Maße."


IRAN FORDERT ENDE DER SANKTIONEN UND AUFNAHME VON VERHANDLUNGEN

Irans Botschaft bei den Vereinten Nationen, Madschid Tachtrawantschi, forderte am 30. Juni die USA auf, die Drohungen gegen sein Land zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Gespräche und Drohungen schließen sich gegenseitig aus," sagte er dem US-Sender CNN. "Solange Drohungen da sind, solange Einschüchterungen und Zwang da sind, denke ich, dass wir keinen Dialog, kein Dialogangebot als aufrichtig und konstruktiv ansehen."

Mit Hinweis auf die für den 7. Juli von Teheran ultimativ angekündigte Erhöhung der Urananreicherung, sagte Tachtrawantschi gerichtete an die europäischen Vertragspartner: "Unsere europäischen Partner, mit denen wir jetzt sprechen, müssen sich beeilen, weil uns die Zeit davonläuft." Die Europäer müssten, falls sie trotz Ausstieg der USA das Atomabkommen retten wollten, für die Sicherung der Vorteile Irans aus dem Abkommen sorgen.


IRAN ERHÖHT SEINE VORRÄTE AN ANGEREICHERTEM URAN

Am 1. Juli gab die Internationale Atombehörde (IAEA) bekannt, dass Iran zum ersten Mal mehr an angereichertem Uran gelagert habe, als im Atomabkommen vorgesehen ist. Dies habe IAEA-Chef Yukia Amano dem Gouverneursrat bereits mitgeteilt. Die Obergrenze liegt bei 300 Kilogramm. Über diese Überschreitung zeigten sich die EU und UN-Generalsekretär Antonio Guterres höchst besorgt. Der Sprecher des Generalsekretärs, Stephane Dujarric, sagte, Teheran solle die Vereinbarungen einhalten. Ein Verstoß dagegen bringe für das Land keine wirtschaftliche Besserung. Auch die EU riet Iran, seine Verpflichtungen einzuhalten. Maja Kocijancic, Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, sagte, die EU werde am dem Abkommen festhalten, solange Iran seine Pflichten erfülle.

Es war das erste Mal, dass die Atombehörde Iran vorwarf, gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Zuvor hatte die Behörde, die das iranische Atomprogramm streng kontrolliert, dem Land 14 Mal bescheinigt, alle Auflagen eingehalten zu haben.

Teheran schien sich entschlossen zu haben, nach dem einjährigen erdulden der Sanktionen, in die Offensive zu gehen und schrittweise seine Pflichten ruhen zu lassen. Irans Außenminister Sarif erklärte am 1. Juli, der Versuch der USA, eine internationale Allianz gegen Iran zu bilden und Iran im UN-Sicherheitsrat zu verurteilen, sei gescheitert. "Sogar die Allliierten wenden sich immer mehr von den USA ab." Sein Land werde dem amerikanischen Druck Widerstand leisten. "Wir erwidern Druck mit Gegendruck und Widerstand, genauso wie wir Respekt mit Respekt beantworten."


ISRAEL BESCHULDIGT IRAN, HINTER DEN TANKERANGRIFFEN GESTECKT ZU HABEN

"Ich kann Ihnen mit Gewissheit von den besten Quellen israelischer und westlicher Geheimdienste sagen, dass Iran hinter den Angriffen steckt," sagte Mossad-Chef Jossi Cohen laut dpa vom 1. Juli. Er machte Iran auch für die Attacken auf Ölfelder in Saudi-Arabien und in Bagdad verantwortlich. Diese seien zumeist von den Revolutionsgarden oder ihren regionalen Stellvertretern ausgeführt worden.

Cohen gab auch bekannt, dass zwei Frauen und drei Männer, die die Raub-Aktion von geheimen Informationen aus dem iranischen Nukleararchiv geleitet hätte, mit Preisen ausgezeichnet wurden. Die Preise wurden laut BBC am 2. Juli im Palast des israelischen Präsidenten ausgehändigt. Bei einem Vortrag, den die Zeitung Jerusalem Post als "ungewöhnlich" bezeichnete, sagte Cohen: "In den James Bond Filmen rettet ein Agent die ganze Welt. In der realen Welt haben Aktivisten von Mossad, Techniker, Cyber-Spezialisten und Agenten zusammengearbeitet, um die Führung der Islamischen Republik zu entlarven und zu beweisen, dass Iran nach wie vor den Bau der Atombombe plant." Gemeint ist die Spionage-Aktion, bei der nach israelischer Darstellung ein Teil der geheimen Dokumente aus Irans Nukleararchiv gestohlen wurden. Zu dieser Aktion sagte Ministerpräsident Netanjahu, er habe vor der Aktion Präsident Trump darüber informiert. Die Aktion sei gefährlich, der mögliche Erfolg rechtfertige das Risiko, habe er dem Präsidenten gesagt, so Netanjahu bei einer Rede vor Reservisten am 3. Juli. Die Aktion habe schließlich für die Entscheidung der USA, aus dem Atomabkommen mit Iran auszusteigen und maximalen Druck auf Iran auszuüben, eine wichtige Rolle gespielt, sagte Netanjahu.

Cohen erklärte auch, dass Iran seine Kräfte in Syrien weiter weg von der Grenze zu Israel verlegen werde, berichtete dpa. Grund dafür sei die Entschlossenheit Israels, iranische Truppen zurückzudrängen. Der israelische Geheimdienst stelle "einen Richtungswechsel" fest, sagte er auf einer Sicherheitskonferenz in Tel Aviv. Sowohl Iran als auch die Hisbollah planten offenbar eine Verlegung ihrer Kräfte nach Nordsyrien.

Die Iraner seien der irrigen Meinung, dass "wir ein Problem haben, dort hinzukommen. Und zur gleichen Zeit werden Stellungen und hoch entwickelte Waffen in Stützpunkten im Osten stationiert," sagte Cohen weiter. "Israel hat in den vergangenen vier Jahren offen und geheim (...) daran gearbeitet, eine weitere Etablierung von iranischen Kräften und Präzisionswaffen in Syrien zu verhindern. Dank dieser entschlossenen Schritte glaube ich, dass die Iraner letztlich zu dem Ergebnis kommen werden, dass sich die Mühe nicht lohnt."

Indes forderte Netanjahu die EU auf, auf Irans Verstoß gegen das Abkommen, die von dem UN-Sicherheitsrat für diesen Fall beschlossenen Sanktionen in Kraft zu setzen. "Halten Sie sich an Ihre Verpflichtung. Sie haben sich verpflichtet, in dem Moment zu reagieren, wenn Iran gegen das Abkommen verstößt. Also sage ich Ihnen: Tun Sie es einfach," sagte Netanjahu laut seiner Kanzlei.


TRUMP: "SIE SPIELEN MIT DEM FEUER"

Nach der Ankündigung Irans, mehr angereichertes Uran zu lagern, warnten die USA, die iranische Führung solle Verstöße gegen das Atomabkommen nicht riskieren. "Sie wissen, womit sie spielen, sie spielen mit dem Feuer,", sagte Präsident Trump am 2. Juli. Auch Außenminister Mike Pompeo forderte Iran auf, die Anreicherung zu unterlassen. Er bezeichnete die Maßnahme als "Erpressung" und meinte, jedes mögliche Abkommen müsse Iran untersagen, Uran anzureichern. Was die USA wollten, sei ein umfassendes Abkommen, um Irans "Bedrohung für internationalen Frieden und Sicherheit zu beseitigen." "Solange Iran Diplomatie weiterhin ablehnt und sein Atomprogramm ausbaut, werden wirtschaftlicher Druck und diplomatische Isolation stärker werden," sagte der Außenminister. Und Sicherheitsberater John Bolton bemerkte auf Twitter, die erhöhte Anreicherung diene dem Plan, schneller in den Besitz der Atombombe zu kommen.


WARNUNG AUS EUROPA

Auch die Europäer warnten Iran, die Auflagen der Atomvereinbarung zu ignorieren. Der britische Außenminister Jeremy Hunt zeigte sich "tief besorgt." "Wir wollen dieses Abkommen erhalten, weil wir nicht wollen, dass Iran Kernwaffen bekommt. Aber wenn Iran das Abkommen bricht, dann sind wir auch draußen,", sagte der Minister am 1. Juli, laut dpa. Auch das Auswärtige Amt in Berlin forderte Iran auf, die Urananreicherung wieder zurückzufahren. Man werde gemeinsam mit anderen Partnern die nächsten Schritte genau prüfen.

Irans Außenminister Sarif bestritt, dass Iran gegen das Abkommen verstoßen habe. Es habe lediglich auf das Vorgehen der USA reagiert. Dennoch werde Iran wieder die Auflagen einhalten, sobald die anderen Partner dies auch tun. Wörtlich twitterte er am 2. Juli: "Iran fühlt sich verpflichtet, das Abkommen voll und ganz umzusetzen, sobald auch das EU-Trio (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) zusagt, seine wirtschaftlichen Verpflichtungen zu erfüllen."

Trotz des Verstoßes seitens Iran hat ein EU-Diplomat laut Reuters vom 2. Juli erklärt, die EU-Staaten hätten beschlossen, die vom Sicherheitsrat vorgesehenen Sanktionen "vorläufig" nicht in Gang zu setzen. "Wir wollen die Krise lösen," sagte er. Ein anderer Diplomat habe gemeint, die EU wolle mehr Zeit für einen Dialog gewinnen, um Iran umstimmen zu können.

Auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow forderte am 2. Juli Iran auf, seine Pflichten einzuhalten, "Zurückhaltung zu üben und sich nicht Emotionen hingeben." Gleichzeitig forderte er die EU auf, ihr Versprechen einzuhalten und endlich einen funktionierenden Handel mit Iran zu organisieren.


ATTACKEN GEGEN ÖLTANKER VERSCHÄRFEN DIE KRISE

Irans Ölminister Bijan Sangeneh zeigte sich besorgt um das Schicksal des iranischen Öltankers, der sich seit mehr als zwei Monaten in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda am Roten Meer befindet. Der Verbleib des Tankers im saudischen Hafen "ist mit hohen Kosten verbunden. Doch größere Sorgen bereitet uns die Gefahr einer Umweltkatastrophe in der Region," sagte der Minister am 3. Juli der Presse.

Der Öltanker mit dem Namen "Happiness" bekam vor mehr als zwei Monaten auf der Durchfahrt im Roten Meer in Richtung Suezkanal, 70 Kilometer südwestlich von Dschiddeh einen technischen Schaden und bat Saudi-Arabien deshalb offiziell um Hilfe. Weil zwischen Teheran und Riad seit geraumer Zeit keine diplomatischen Beziehungen bestehen, wurde die Bitte durch die iranische UN-Vertretung an die Vertretung Saudi-Arabiens in New York gerichtet. Danach wurde der Tanker mitsamt der 26-köpfigen Besatzung nach Dschiddeh geschleppt. Wie die iranische Agentur "Mehr" berichtete, wurde der Tanker repariert und die Reparaturkosten bezahlt, dennoch wurde dem Tanker nicht erlaubt, den Hafen wieder zu verlassen. Die Saudis verlangten für den Aufenthalt des Tankers 200.000 Dollar pro Tag und für den Schlepper 20.000 Dollar pro Tag. Mohammad Dschawad Dschamali, Vizeleiter des Ausschusses für Sicherheit und Außenpolitik im iranischen Parlament, bezeichnete die Maßnahme Saudi-Arabiens als "Erpressung und Geiselnahme."

Ein noch wichtigeres Ereignis bildete die Beschlagnahme eines 330 Meter langen iranischen Supertankers in den Gewässern von Gibraltar, einem britischen Überseegebiet, das auf einer Landzunge an der Südküste Spaniens liegt. Regierungschef von Gibraltar, Fabian Picardo, veröffentlichte am 4. Juli eine Erklärung, in der es hieß, die britische Marine habe einen Tanker, der mit Öl beladen auf dem Weg nach Syrien war, in den frühen Morgenstunden an der Südspitze der iberischen Halbinsel beschlagnahmt. "Es gab genügend Indizien, dass die "Grace 1" ihre Rohöllieferung zur Banjas-Raffinerie in Syrien bringen wollte." Die EU habe gegen den Betreiber der Raffinerie Sanktionen verhängt. "Ich versichere, dass Gibraltar stets ein sicherer Ort und ein Garant für die Umsetzung des internationalen Rechtssystems bleiben wird," betonte Picardo. Er bedankte sich bei den Einsatzkräften und der Polizei.

Spaniens Außenminister Josep Borell erklärte laut APF vom 5. Juli, die Beschlagnahmung sei auf Gesuch der USA an Großbritannien hin erfolgt. Ein Sprecher des britischen Außenministeriums bestätigte in London die Äußerungen des britischen Botschafters in Teheran, der gesagt hatte, er unterstütze die Beschlagnahme, weil der Tanker gegen die Sanktionen der EU verstoßen habe. Das Teheraner Außenministerium bestellte den Botschafter wegen "illegalen Abfangens eines iranischen Öltankers" ein.

Die USA begrüßten die Beschlagnahme. Sicherheitsberater Bolton twitterte: "Amerika und unsere Alliierten werden die Regimes in Teheran und Damaskus weiter daran hindern, von diesem illegalen Handel zu profitieren."

Der Tanker hatte statt des kürzeren Wegs durch den Suezkanal, einen langen Umweg gewählt. Über den Grund kann nur spekuliert werden. In einem Interview mit der BBC sagte Samir Madani, der Fachmann für Seefahrt ist und den Schiffsverkehr beobachtet, der Tanker sei nicht durch den Suezkanal gefahren, weil der Kanal nicht tief genug sei. Daher musste er um Afrika herumfahren. Doch sein Ziel könne nicht der Hafen von Banias gewesen sein, denn auch dort könne der Tanker nicht anlegen. Madani äußerte die Vermutung, der Tanker wollte in den syrischen Gewässern das Öl in ein europäisches Schiff umladen, das dann legal das Öl nach Europa bringt.

Indes hat ein Gericht in Gibraltar entschieden, dass der Tanker vorerst zwei Wochen lang, bis zum 19. Juli, festgehalten werden solle. Die Besatzung, bestehend aus Inder und Pakistanis, werde weiterhin auf dem Tanker bleiben. Der Kapitän und der erste Offizier des Öltankers wurden am 11. Juli von der Polizei festgenommen.

General Mohssen Resai, ehemaliger Oberbefehlshaber der iranischen Revolutionsgarden, der gegenwärtig Generalsekretär des Schlichtungsrats ist, twitterte, sollte der Tanker nicht freigegeben werden, müsse Iran einen britischen Tanker beschlagnahmen.

Russland verurteilte die Beschlagnahme des iranischen Tankers. In einer Erklärung des Außenministeriums vom 5. Juli heißt es, die Beschlagnahme sei "ein bewusster Akt, um die Lage in Bezug auf Iran und Syrien noch problematischer zu machen, als es ist. (...) Das bestätigen die offiziellen Stellungnahmen der USA und Großbritanniens." Moskau warnte, die Beschlagnahme könne "schwere Folgen" haben. Die Verantwortung liege bei jenen, die den "maximalen Druck" auf Iran und Syrien vorantrieben. Die Beschlagnahme stehe im "krassen Widerspruch" zu der von Großbritannien erklärten Politik zur Lösung der Krise in Syrien auf der Grundlage des internationalen Rechts.

Erstaunen erweckte auch, dass gerade Großbritannien einen iranischen Öltanker beschlagnahmt, während das Land sich nach eigenen Angaben gemeinsam mit Deutschland und Frankreich bemüht, die wirtschaftlichen Probleme Irans zu lösen. Politische Beobachter in Iran vermuten, dass Großbritannien, nicht zuletzt aufgrund des bevorstehenden Austritts aus der EU, sich schrittweise der Position der USA Iran gegenüber nähert.

Indes drohte Präsident Rohani London mit Vergeltung. Die Konsequenzen würden die Briten später zu spüren bekommen, sagte er am 10. Juli bei einer Kabinettsitzung. Nicht die Iraner, sondern die Briten seien "der Grund der Unsicherheit auf den Meeren." Die Beschlagnahme des iranischen Tankers sei "kindisch, zynisch und falsch" gewesen. Das werde den Briten schaden.

Am selben Tag bestätigte die britische Marine, dass sie sich angesichts der Lage in der Region, gezwungen sehe, Öltanker und Handelsschiffe schützend zu begleiten. Zuvor hatten britische Medien berichtet, das Kriegsschiff HMS Montrose sei zum Schutz von einem britischen Tanker bei der Durchfahrt durch die Straße von Hormus unterwegs.

Am 11. Juli meldeten die amerikanischen Sender CNN und Fox News, fünf bewaffnete Boote der iranischen Revolutionsgarden hätten versucht, einen britischen Tanker nahe der Straße von Hormus zu kapern. Der Tanker sei aufgefordert worden, seinen Kurs zu ändern und iranisches Gewässer anzusteuern. Doch die Boote seien durch ein britisches Kriegsschiff zurückgedrängt worden. Unmittelbar danach bestätigte die britische Regierung den Zwischenfall. Ein Sprecher der Regierung sagte: "Entgegen internationalem Recht versuchten drei iranische Schiffe, die Durchfahrt eines Handelsschiffes, die 'Britisch Heritage' in der Straße von Hormus zu behindern." Und in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums hieß es: "Die 'HMS Montrose' war gezwungen, sich zwischen die iranischen Boote und die 'British Heritage' zu positionieren und verbale Warnungen an die Boote abzugeben." Daraufhin hätten die iranischen Boote sich gezwungen gesehen, zurückzuweichen. "Wir sind über diese Aktion beunruhigt und fordern die iranischen Behörden weiterhin dringend auf, die Situation in der Region zu deeskalieren."

Die iranischen Revolutionsgarden dementierten die Berichte am selben Tag. In der Mitteilung, die von dem Nachrichtendienst der Garden, "Sepah News" veröffentlicht wurde, hieß es, "die Patrouillenboote der Marine, die im Persischen Golf genau und mit größter Aufmerksamkeit ihren Dienst leisten, haben in den vergangenen 24 Stunden keinen Zwischenfall mit fremden Schiffen beobachtet, auch nicht mit einem britischen Schiff."

Am 12. Juli verlangte die iranische Regierung von Großbritannien die sofortige Freigabe des von den Briten beschlagnahmten Tankers. "Das ist ein gefährliches Spiel und hat Konsequenzen, "sagte der Sprecher des Außenministeriums Abbas Mussawi. "Die Freigabe des Tankers ist im Interesse aller Länder."

Am selben Tag erhöhte London seine Militärpräsenz in der Region. Ein zweites Kriegsschiff, der Zerstörer "HMS Duncan" steuerte in die Meerenge von Hormus, um wie es hieß, die Seewege für die Schifffahrt zu sichern.

Am 13. Juli wurden nach Angaben der Polizei von Gibraltar die Besatzungsmitglieder des beschlagnahmten Tankers gegen Kaution freigelassen.

Indes erklärte Iran abermals, dass Syrien nicht das Ziel des Tankers gewesen sei. Außenamtssprecher Mussawi sagte am 12. Juli: "Falls die Briten sich von den USA beeinflussen und sich auf gefährliche Spielchen einlassen wollen, raten wir ihnen, dies lieber nicht zu tun." Das Außenministerium hatte den britischen Botschafter in Teheran bereits viermal einbestellt. "Die Briten sollten den Tanker umgehend wieder auslaufen lassen. Das wäre für beide Seiten gut," sagte Mussawi.

Am 14. Juli erklärte der britische Außenminister Jeremy Hunt, er habe ein konstruktives Gespräch mit seinen iranischen Kollegen Sarif geführt. Wenn Iran garantiere, dass der Tanker nicht gegen EU-Sanktionen verstoße und kein Öl nach Syrien bringen werde, wäre London bereit, den Tanker freizugeben. Nicht das Öl sei der Grund für die Beschlagnahme gewesen, sondern das Ziel (Syrien), habe er Sarif gesagt.


ERDOGAN WILL IM KONFLIKT ZWISCHEN IRAN UND USA VERMITTELN

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat laut einem Bericht der türkischen Zeitung "Sabah" vom 4. Juli während des G-20-Gipfels im japanischen Osaka bei einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe ihm angeboten, im Konflikt zwischen Iran und den USA zu vermitteln. Abe habe ihm vorgeschlagen, gemeinsam zu vermitteln. Er sei bereit, sich mit der iranischen Führung zu treffen, antwortete Erdogan.

Bei dem Gespräch mit Präsident Trump habe er seinen Vorschlag nicht erwähnt, sagte Erdogan danach der Presse. Er betonte, dass der Vermittlungsversuch, in dieser Angelegenheit "sehr sensibel" sei. Die Frage bestehe darin, wie und womit man anfangen könnte. "Wohin soll man gehen und wie könnte man Erfolge erzielen? Das sind grundsätzliche Fragen." Sollten Gespräche geführt werden, müsste dies mit dem Ziel passieren, Erfolge zu erzielen. Er habe sich bei Abe über die Gespräche erkundigt, die dieser in Teheran geführt habe. Abe habe geantwortet, er habe keine Erfolge erzielen können. "Wir müssen zunächst die ersten Schritte planen und anstehende Fragen beantworten, und erst danach können wir mit der Arbeit beginnen." Auf die Frage, ob es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen könnte, sagte Erdogan: "Niemand denkt an Krieg, niemand will den Krieg. Niemand will sich sogar darüber Gedanken machen."

Abe war bei seinem Vermittlungsversuch in Teheran auf harten Widerstand gestoßen. Er hatte eine Botschaft von Trump an Chamenei im Gepäck. Chamenei reagierte darauf mit den Worten: "Ich halte Tramp nicht für Wert genug, um Botschaften mit ihm auszutauschen. Und ich habe auch keine Antwort für ihn und werde auch nie eine haben." Bisher hat Chamenei jedwede Art von Verhandlungen mit den USA verboten. Doch andere Verantwortliche in Iran, wie Präsident Rohani oder Außenminister Sarif, lehnen Verhandlungen mit Washington nicht grundsätzlich ab. Sie stellen aber Bedingungen, unter anderem die Rückkehr der USA zum Atomabkommen.


IRAN STEIGERT DIE URANANREICHERUNG

Am 3. Juli kündigte Präsident Rohani an, Iran werde ab dem 7. Juli die Obergrenze der Urananreicherung von 3,67 Prozent überschreiten. "Wir werden diese Verpflichtung (der begrenzten Anreicherung) ruhen lassen und je nach unserem Bedarf die Anreicherung hochfahren," sagte Rohani auf einer Kabinettssitzung. Gerichtet an die beteiligten Staaten sagte er: "Wenn ihr wollt, könnt ihr jetzt schon euer Bedauern äußern und jetzt schon dazu Stellung nehmen." Auch die Reserven von Schwerwasser werde Iran erhöhen, also über die vorgeschriebenen 120 Tonnen, betonte Rohani.

Am 6. Juli bekundete Rohani bei einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron noch ein Mal Irans Interesse am Erhalt des Atomabkommens. Iran sei bereit zu verhandeln, auch mit den USA. Voraussetzung dafür sei allerdings die Rücknahme der Sanktionen. Macron warnte Rohani, eine Schwächung des Abkommens zu riskieren. Er habe dem iranischen Präsidenten seine "starke Beunruhigung" vor weiteren Verstößen und deren Folgen mitgeteilt. Bei dem Telefongespräch, das mehr als eine Stunde dauerte, versprach Macron, sich bis zum 15. Juli für eine Wiederaufnahme der Gespräche mit allen Beteiligten einzusetzen.

Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte Iran auf, die Ankündigung der Erhöhung der Anreicherung zurückzunehmen. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" vom 6. Juli sagte er: "Iran muss sich weiterhin an die Vereinbarungen halten - andernfalls werden sich die Beziehungen zwischen Iran und den Europäern verschlechtern." Das wäre für beide Seiten schädlich. Asselborn wies auch auf die Gefahr einer weiteren Eskalation des Konflikts zwischen Teheran und Washington hin, die Millionen afghanische Flüchtlinge, die in Iran leben, nach Europa treiben könnte. "Es besteht das Risiko einer riesigen Flüchtlingswelle, die Europa vor große Herausforderungen stellt," sagte der Minister. Den USA warf er Vertragsbruch vor. Trump habe einen "totalen Fehltritt" getan, aus dem Vertrag auszusteigen. Das Abkommen habe für Europa und für die ganze Welt mehr Sicherheit gebracht.

Trotz aller Appelle begann Iran am 7. Juli, die Anreicherung zu erhöhen. Vizeaußenminister Abbas Araghtschi sagte auf einer Pressekonferenz am 7. Juli in Teheran, Iran fühle sich von diesem Tag an nicht mehr an die Auflage zur Begrenzung der Urananreicherung gebunden. "Wir wollen das Abkommen erhalten, sehen uns aber gezwungen, Teile des Abkommens ruhen zu lassen, weil die anderen Partner ihre Pflichten nicht erfüllt haben."

Regierungssprecher Ali Rabii sagte auf derselben Pressekonferenz: "Ab heute halten wir uns nicht mehr an die 3,67 Prozent und unsere Urananreicherung wird je nach Bedarf erhöht." Auch der Sprecher der iranischen Atomorganisation, Behrus Kamalwandi, sagte, dass Iran je nach technischem Bedarf die Anreicherung auf 5 bis 20 Prozent erhöhen würde. Es gebe jedoch derzeit keinen Plan für eine Anreicherung auf 20 Prozent.

Die Begrenzung der Urananreicherung gehört zu den zentralen Punkten des Atomabkommens. Es stellte sich nun die Frage, wie die anderen Partner, vor allem die Europäer, auf diesen Verstoß Irans reagieren werden. Araghtschi sagte, sollten die Forderungen Irans innerhalb der nächsten 60 Tage nicht erfüllt werden, "werden wir die dritte Phase eröffnen." Der drastische Rückgang des iranischen Ölexports sei eines der Hauptprobleme, die gelöst werden müssten.

Das erste Ultimatum Irans hat die EU verstreichen lassen. Zwar wurde die Ersatzgesellschaft Instex gegründet und in Betrieb genommen, doch das genügte Iran nicht. Denn mit dem Instex sollte der Handel mit Iran auf humanitäre Waren beschränkt bleiben, gegen die ohnehin keine Sanktionen bestehen. Iran geht es in erster Linie um den Verkauf des Öls, das für die iranische Wirtschaft eine enorm wichtige Rolle spielt, und dann ebenfalls um Finanztransaktionen durch die die Geschäfte abgewickelt werden. Nun hat Iran gegen zwei zentrale Punkte des Abkommen verstoßen und weitere Verstöße angekündigt.

Die Maßnahmen Irans seien legitim, hieß es aus Teheran. "Der Westen sollte nicht die legitimen Entscheidungen Irans kritisieren, sondern versuchen, uns mit praktischen Lösungen davon zu überzeugen, an dem Abkommen festzuhalten," sagte Außenamtssprecher Mussawi am 8. Juli. Er betonte, dass das Land nach wie vor an dem Erhalt des Abkommens interessiert sei. "Das Fenster der Diplomatie bleibt offen," sagte er. Er gab bekannt, dass demnächst ein Berater des französischen Präsidenten in Teheran erwartet werde. Geplant sei auch ein Treffen der Außenminister der an dem Abkommen beteiligten Staaten, mit Ausnahme der USA. Es solle Ende Juli stattfinden.

Am 8. Juli erklärte Mussavi, sollten vor allem die Europäer ihr Versprechen nicht halten, werde Iran im nächsten Schritt "stärker, entschlossener und ein wenig überraschend" neue Maßnahme beschließen. Wie diese dritte Stufe aussehen würde, sagte Mussawi nicht. Eine Möglichkeit wäre die Urananreicherung bis 20 Prozent zu erhöhen, sagte der Sprecher der iranischen Atomorganisation, Kamalwandi. (Für den Bau einer Atombombe ist angereichertes Uran auf 90 Prozent nötig.) Er betonte, dass Iran nur bereit sei über das bestehende Atomabkommen zu verhandeln. Teheran werde alle 60 Tage neue Verpflichtungen aussetzen.

Vizeaußenminister Araghtschi legte Wert darauf zu betonen, dass alle Maßnahmen Teherans "politisch" seien, um das gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen. Iran wolle das Abkommen erhalten, sagte er.


REAKTIONEN AUF DEN NEUEN VERSTOß IRANS

"Wir sind extrem besorgt über Irans Mitteilung, dass es mit der Urananreicherung über dem Limit von 3,67 Prozent begonnen hat, "sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am 7. Juli. Und aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es: "Wir rufen Iran mit Nachdruck dazu auf, alle Schritte einzustellen, und rückgängig zu machen." Ähnliche Äußerungen waren aus London zu vernehmen.

US-Außenminister Pompeo stellte Iran negative Konsequenzen in Aussicht. "Die jüngste Ausweitung des iranischen Atomprogramms wird zu weiterer Isolation und Sanktionen führen," twitterte er am 7. Juli. Er appellierte an andere Länder, die Urananreicherung Irans nicht zu dulden. "Ein iranisches Regime, das mit Atomwaffen ausgerüstet ist, würde eine noch größere Gefahr für die Welt darstellen," schrieb der Minister.

Russland zeigte für das Vorgehen Irans Verständnis. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kosatschow, sagte, der Verstoß Irans sei zwar bedauerlich, doch Teheran habe sich an die juristischen Grundsätze des Vertrags gehalten. Es sei nicht Iran gewesen, der zuerst gegen die Auflagen verstoßen habe. Zuerst seien die USA aus dem Abkommen ausgestiegen und danach habe die EU zögerliche Versuche unternommen, die unzulänglich gewesen seien.

Japans Regierung äußerte ernsthafte Bedenken. Laut dpa vom 8. Juli sagte der japanische Chefkabinettssekretär Yasutoshi Nishimura, die Regierung beobachte die Lage im Nahen Osten mit größter Aufmerksamkeit. Er forderte Teheran auf, "sofort zu seiner Verpflichtung unter dem Abkommen zurückzukehren und jede weiteren Schritte zu vermeiden, die das Abkommen untergraben würden."

Ein Sprecher des chinesischen Außenamts sagte laut dpa vom 8. Juli, die Wurzel der iranischen Atomkrise sei der von den USA ausgeübte Druck auf das Land. Das "einseitige Mobbing" habe sich zu einem "Tumor" entwickelt und verursache nun Probleme und größere Krisen von globalem Ausmaß.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte bei einer Kabinettssitzung am 7. Juli, Iran habe mit der Erhöhung der Anreicherung kein anderes Ziel als die Atombombe zu bauen. Er wiederholte seine Forderung an die EU, die in der UN-Resolution für den Fall eines Verstoßes vorgesehenen Strafmaßnahmen gegen Iran einzusetzen. Er bezeichnete die Erhöhung der Anreicherung als "sehr gefährlichen Schritt" und sagte: "Ich wende mich an meine Freunde, die Oberhäupter von Frankreich, Großbritannien und Deutschland: Ihr habt dieses Abkommen unterzeichnet und gesagt, dass es scharfe Sanktionen geben wird, sobald sie (die Iraner) diesen Schritt unternehmen."

Das Weiße Haus in Washington gab am 11. Juli bekannt, dass Präsident Trump mit Netanjahu ein Telefongespräch geführt hat. Thema des Gesprächs seien die Lage im Nahen Osten und der Konflikt mit Iran gewesen, hieß es. Sie hätten eine engere Zusammenarbeit zur Eindämmung der destabilisierenden und "bösartigen" Aktivitäten Irans in der Region vereinbart. In einem Tweet schrieb Netanjahu, er habe sich bei Trump wegen der Verschärfung der Sanktionen gegen Iran bedankt.


USA VERZICHTEN VORERST AUF SANKTIONEN GEGEN SARIF

Die Agentur Reuters hat berichtet am 12. Juli, dass die USA, vorläufig darauf verzichten wollten, Irans Außenminister Sarif auf die Schwarze Liste zu setzen. Sie beriefen sich auf zwei Insidern., . US-Finanzminister Steven Mnuchin hatte am 24. Juni angekündigt, dass er, neben dem iranischen Revolutionsführer und einigen hohen Militärs, "in den nächsten Tagen" auch gegen Sarif Sanktionen verhängen werde. Eine Begründung für die Aussetzung hätten die beiden Insider nicht genannt, schreibt die Agentur.

Die Maßnahme, gegen den Außenminister eines Landes Sanktionen zu verhängen, hätte als endgültige Ablehnung von diplomatischen Verhandlungen aufgefasst werden können. Dass man diesen Schritt doch nicht gegangen sei, deute auf die Absicht Washingtons, der Diplomatie doch eine Chance geben zu wollen. "Wir haben kühlen Kopf bewahrt, "sagte einer der Insider laut Reuters.


IRAK WILL TROTZ SANKTIONEN HANDEL MIT IRAN FORTSETZEN

Irak will, trotz der Sanktionen, seinen für das Land existenziell wichtigen Handel mit dem Nachbarstaat Iran fortsetzen. Dabei will Irak jedoch möglichst jede Brüskierung der USA, die für Irak genauso wichtig sind, vermeiden.

Wie die Nachrichtenagentur AFP am 7. Juli berichtete, soll der Handel mit der irakischen Währung Dinar abgewickelt werden. Mit dem Erlös könne Iran im Irak humanitäre Güter kaufen. Dieser Mechanismus sei auch mit den USA abgestimmt worden, berichteten Regierungsvertreter der Agentur.

"Die irakische Regierung wird Iran weiter für sein Gas bezahlen und das Geld in irakischen Dinar auf ein spezielles Bankkonto im Irak überweisen," sagte ein Regierungsvertreter. "Iran wird das Geld nicht abheben können, aber damit Waren außerhalb Iraks kaufen können." Das sei der einzige Weg, um Waren aus Iran zu bezahlen. Nach Angaben des iranische Ölministers Bijan Sangeneh schulde Irak Iran bereits 1,7 Milliarden Euro für Gas- und Stromlieferungen.

Ein irakischer Wissenschaftler, den die Agentur zitiert, äußerte Zweifel an der Funktionsfähigkeit dieses Systems. Vor allem sei nicht klar, wie Iran das Geld ausgeben könne. "Iran würde Kredite ansammeln, doch wie würde er sie einlösen," fragte er. Iran importiere kaum Waren aus dem Irak. Zwar bestehe theoretisch die Möglichkeit für Iran, mit den angesammelten Summen auch im Ausland einzukaufen. Doch es sei fraglich, welche Länder bereit wären, trotz der Sanktionen, mit Iran Geschäfte zu machen.


DER DRUCK AUF IRAN SOLL VERSTÄRKT WERDEN

US-Sicherheitsberater John Bolton sagte laut Reuters vom 9. Juli, die USA würden den Druck auf Iran solange verstärken, bis das Land alle Pläne zum Bau von Nuklearwaffen aufgebe und seine aggressiven Aktivitäten in der Region beende. Auch US-Vizepräsident Mike Pence sagte, die USA würden den Druck auf Iran aufrechterhalten. Teheran sollte nicht dem Irrtum verfallen, Washingtons Zurückhaltung sei eine Folge der Unentschlossenheit der Regierung. Die USA würden unter keinen Umständen zulassen, dass Iran in den Besitz von Nuklearwaffen gelange, sagte Pence in einer Rede vor proisraelischen Christen.

Die Furcht vor einem Krieg veranlasste die Demokraten im US-Repräsentantenhaus zur Vorlage eines Gesetzes, mit dem ein möglicher Angriff der USA erschwert werden soll. Das mehrheitlich von Demokraten besetzte Repräsentantenhaus beschloss, dass der Präsident für einen Militäreinsatz die Zustimmung des Kongresses einholen müsse - mit Ausnahme des Falles, dass die USA angegriffen würden. Das Gesetz muss noch vom Senat, wo die Republikaner die Mehrheit haben, verabschiedet werden. Der Republikaner Michael McCaul sprach sich gegen das Gesetz aus. "Damit werden unserer Armee in einer gefährlichen Zeit die Hände gebunden. Wir müssen sicherstellen, dass Iran und seine terroristischen Handlanger gut darüber nachdenken, bevor sie Amerikaner, unsere Freunde oder unsere Interessen angreifen, "sagte er. 27 republikanische Abgeordnete unterstützten das Gesetz.

Indes werben die USA weiterhin für die Unterstützung ihrer Iran-Politik, vor allem bei den Europäern. Aus diesem Grund führte Präsident Trump am 9. Juli ein Telefongespräch mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron. Sie sprachen über die zunehmende Bedrohung, die durch die höhere Urananreicherung von Iran ausgehe. Das US-Präsidialamt berichtete, dass die beiden Politiker über die laufenden Aktivitäten gesprochen hätten, die darauf ausgerichtet seien, eine mögliche nukleare Bewaffnung Irans zu verhindern. Außerdem solle den destabilisierenden Aktivitäten Irans Einhalt geboten werden.

Frankreich hatte bereits am 8. Juli den Chefberater des Präsidenten, Emmanuel Bonne, laut einer Mitteilung des Elysée-Palasts zu Gesprächen mit der iranischen Führung nach Teheran geschickt.


VORERST NUR ANREICHERUNG BIS 5 PROZENT

Iran hat bekannt gegeben, dass die vorläufig beschossene Anreicherung von geringem Ausmaß sei. Ziel ist es wohl, die Weltgemeinschaft zu beruhigen und zu betonen, dass die von Iran getroffenen Maßnahmen politisch sind.,. "Unsere Anlagen brauchen einen Anreicherungsgrad von 1,1 bis 4.5 Prozent, daher wird ein Wert unter 5 Prozent vorerst ausreichen," sagte der Sprecher der iranischen Atomorganisation Kamalwandi am 8. Juli. Die Internationale Atombehörde stuft 5 Prozent nicht als gefährlich ein. Allerdings ließ Kamalwandi nicht unerwähnt, dass die Anreicherung je nach Bedarf bis auf 20 Prozent gesteigert werden könne.

Während die Mitglieder der Regierung in Iran versuchen, moderat aufzutreten und immer wieder zu betonen, dass das Land auf eine diplomatische Lösung hoffe, beheizen die Radikalen, die schon immer gegen das Abkommen und Verhandlungen mit den USA waren, das Feuer. Der Einflussreiche Ayatollah Ali Mowaheddi Kermani drohte am 5. Juli beim Freitagsgebet, sollten die USA Iran angreifen, werde Iran den Persischen Golf in ein "rotes Meer" verwandeln. "Wenn ihr uns angreifen wollt, bitte, dann werden wir die Farbe des Persischen Golfs von blau in rot umwandeln," sagte der Geistliche. Offenbar reagierte er auf eine Äußerung Präsident Trumps, der vor Journalisten am 5. Juli sagte: "Wir werden sehen, was mit Iran passiert. Iran muss sehr, sehr, vorsichtig sein."

Am 9. Juli warnte Hossein Nedschat, ein Kommandeur der Revolutionsgarden, die USA, sie sollten sich darüber bewusst sein, dass ihre Stützpunkte und Kriegsschiffe in Reichweite iranischer Raketen liegen. "Unsere Raketen werden Ihre Flugzeugträger zerstören, wenn sie einen Fehler machen, "sagte er. "Den Amerikanern ist sehr wohl bewusst, welche Konsequenzen eine militärische Konfrontation mit Iran hätte."


IAEA BESTÄTIGT DIE ERHÖHTE ANREICHERUNG

Die Internationale Atombehörde gab am 8. Juli bekannt, dass Iran die Obergrenze der Urananreicherung von 3,67 Prozent überschritten habe. Unmittelbar danach forderte Russland auf der Webseite des Außenministeriums die internationale Gemeinschaft auf, "Ruhe zu bewahren" und auf schnelle und unbedachte Reaktionen zu verzichten.

US-Vizepräsident Mike Pence sagte, der wuchtige Druck werde das Verhalten Irans ändern und die iranische Führung für ihre zerstörerischen Aktivitäten zur Verantwortung ziehen. Die USA forderten eine Sondersitzung des Gouverneursrats der Atombehörde, die am 10. Juli stattfand. Zu Beginn der Sitzung warfen die Amerikaner Iran "listige Taktik und Erpressung vor." Der Weg, den Iran gewählt habe, werde das Land noch mehr in die Isolation treiben und noch größeren Gefahren aussetzen, hieß es in der Erklärung. US-Botschafterin Jackie Wolcott sagte: "Irans aktuelle Position in Atomfragen zielt klar auf eine Eskalation der Spannungen statt auf deren Entschärfung." Iran solle sofort seine Verpflichtungen wieder einhalten, forderte sie. "Wir sind weiterhin bereit und warten auf entsprechende diplomatische Bemühungen," fügte sie hinzu. "Wir sprechen mit niemanden, der uns die Pistole auf die Brust setzt," sagte Irans IAEA-Botschafter in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Iran lehnte Nachverhandlungen über das Abkommen ab. Außenamtssprecher Mussawi sagte: "Wir reden nur über das, was im Atomdeal steht ... kein Wort mehr, aber auch kein Wort weniger."

Präsident Rohani bezeichnete die Forderung der USA nach einer Sondersitzung als "eine lachhafte Geschichte." "Sie werfen Iran vor, einige Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben. So eine Absurdität hat es selten in der Geschichte gegeben." Auch Außenminister Sarif sagte: "Es ist interessant, dass ein Land, das selbst das Abkommen verlassen hat, einem Mitglied des Abkommen Verstoß gegen Auflagen vorwirft."

Die drei europäischen Mitglieder des Atomabkommens, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, verurteilten am 9. Juli den Verstoß Irans gegen das Abkommen, erklärten aber zugleich, dass sie weiterhin daran festhalten wollen. Sie seien "tief besorgt, dass die Handlungen Irans nicht in Einklang mit dem Abkommen" stünden, hieß es in der Erklärung. Sie forderten eine dringende Einberufung einer Sitzung des im Abkommen vorgesehenen Gremiums, das sich mit Streitfällen befasst.

Israels Ministerpräsident Netanjahu sagte am 14. Juli auf einem Luftwaffenstutzpunkt: "Iran hat kürzlich mit der Vernichtung Israels gedroht." Teheran solle sich darüber bewusst sein, dass die israelischen Kampfflugzeuge "jeden Ort im Nahen Osten erreichen können, Iran eingeschlossen, und ganz gewiss Syrien."

Am 14. Juli forderten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, einer weiteren Eskalation des Atomstreits Einhalt zu gebieten, "verantwortungsvoll" zu handeln und den "Dialog wieder aufzunehmen." Sie zeigten sich besorgt darüber, dass das Abkommen "infolge der Entscheidung Irans, mehrere zentrale Bestimmungen nicht länger umzusetzen, noch weiter in Auflösung geraten könnte". Sie betonten, dass sie weiterhin an dem Abkommen festhalten wollten, vorausgesetzt, Iran würde "uneingeschränkt" "seine Verpflichtungen" einhalten würde.


IRAN BEDINGT ZU VERHANDLUNGEN MIT DEN USA BEREIT

Präsident Rohani hat erklärt, zu Verhandlungen mit den USA bereit zu sein. Im Gegensatz zu Revolutionsführer Ali Chamenei erklärte der Präsident jederzeit bereit zu sein, mit den USA zu reden, vorausgesetzt, Washington wäre bereit, die Sanktionen einzustellen. "Wir haben immer an Gespräche geglaubt. Wenn sie (die USA) die Sanktionen beenden, den wirtschaftlichen Druck aufgeben und zum Abkommen zurückkehren, sind wir bereit, heute, sofort und an jedem Ort Gespräch mit Amerika zu führen."

Am gleichen Tag traf Außenminister Sarif in New York ein. Einem Bericht der Agentur Reuters zufolge war er mit Zustimmung von Außenminister Pompeo eingereist. Allerdings war die Einreiseerlaubnis mit ungewöhnlich strengen Einschränkungen verbunden. Sarif durfte sich nur in den Bereichen der UNO und des Sitzes der iranischen UN-Vertretung bewegen. Dazu sagte Pompeo der Washington Post am 16. Juli: "US-Diplomaten ziehen nicht in Teheran umher, also sehen wir keinen Grund, warum iranische Diplomaten frei in New York City umherziehen sollten." Wenn er (Pompeo) mit iranischen Medien so frei sprechen könnte, wie Sarif mit den amerikanischen, "würde ich sagen, dass ich das iranische Volk hoch achte und es unterstütze und dass die in Iran herrschende revolutionäre Theokratie nicht im Interesse des Volkes handelt. "Das UN-Sekretariat zeigte sich besorgt über derart strenge Auflagen für den iranischen Chefdiplomaten.

Die Reise Sarifs in die USA gab Anlass zu Spekulationen. Eigentlich sollte Sarif laut US-Finanzminister auf die schwarze Liste gesetzt werden. Dies wurde aber am 12. Juli "vorläufig" vertagt. Das lässt die Vermutung zu, dass der eigentliche Zweck der Reise Sarifs möglicherweise die Vorbereitung von Gesprächen sein könnte, die am Rande der UN-Vollversammlung im September zwischen Teheran und Washington stattfinden könnten. Als offiziellen Grund seiner Reise gab Sarif die Teilnahme an dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen an, bei dem er eine Rede halten werde. Mögliche Vorbereitungsgespräche wurden von Sarif weder bestätigt noch dementiert. "Derzeit sind nur Treffen im Rahmen der UN geplant," sagte der Minister den Journalisten nach seiner Ankunft in New York.

In einem Interview mit NBC News warnte Sarif die USA, den Konflikt mit Iran nicht weiter anzuheizen. Mit Blick auf eine Äußerung von Präsiden Trump sagte er: "Ich denke, die Vereinigten Staaten spielen mit dem Feuer." Iran wolle keine Atomwaffen entwickeln, betonte er. "Wenn wir Atomwaffen hätten entwickeln wollen, hätten wir das schon vor langer Zeit tun können." Das Überschreiten der Grenzen der Menge und Grad der Uran-Anreicherung könne innerhalb von wenigen Stunden zurückgenommen werden.


EU HÄLT TROTZ IRANS VERSTÖßEN AM ATOMABKOMMEN FEST

Die Außenminister der Europäischen Union stimmten am 14. Juli bei ihrem Treffen in Brüssel darin überein, dass die Verstöße Irans nicht tragisch und das Abkommen zu retten sei. Laut dpa sagte der spanische Außenminister Josep Borrel: "Die Abweichungen sind nicht signifikant genug, um zu denken, dass Iran die Vereinbarung definitiv gebrochen hat." Auch Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte: "Wir stellen fest, dass technisch alle Schritte, die unternommen wurden - und von denen wir bedauern, dass sie unternommen wurden - umkehrbar sind. So hoffen wir und laden Iran ein, die Schritte umzukehren."

Das Abkommen sei "noch nicht tot und wir sind voll engagiert, "sagte der britische Außenminister Jeremy Hunt.

Am 16. Juli kündigte Frankreichs Präsident Macron bei einem Besuch in Serbien an, dass er sich nach seiner Reise in dem Konflikt zwischen Iran und den US als Vermittler anbieten wolle. Dazu werde er unter anderem mit Trump, Putin und Rohani Gespräche führen. "Ich denke, wir haben das Schlimmste verhindert," sagte Macron. Durch diplomatische Bemühungen in den vergangenen Wochen sei es gelungen, mögliche "Überreaktionen der Iraner" zu verhindern und "einen konstanten Dialog mit den Amerikanern" zu ermöglichen.


TRUMP SPRICHT VON "GROßEN FORTSCHRITTEN"

Laut Reuters sagte Präsident Trump bei einer Kabinettssitzung am 16. Juli, bei Gesprächen mit Iran, seien "große Fortschritte" erzielt worden. "Wir werden sehen, was passiert." Und Außenminister Pompeo sagte: "Die Iraner haben, glaube ich gestern, vielleicht war es am Vortag, erstmals erklärt, dass sie bereit sind, über ihr Raketenprogramm zu verhandeln." Sollte es so sein, gebe es wohl "die Chance auf ein Abkommen, "das Iran an dem Bau von Nuklearwaffen hindert.

Den Anlass zu diesen optimistischen Äußerungen lieferte Irans Außenminister Sarif in einem Interview mit dem Sender NBC am 16. Juli. Auf die Frage, ob Iran bereit sei, mit den USA über sein Raketenprogramm zu verhandeln, sagte der Minister, wenn Washington nach der Aufhebung der Sanktionen zum Verhandlungstisch zurückkehren würde, könnte man über Themen reden, die von beiden Seiten von Interesse seien. Zugleich betonte er, wenn die USA über Raketen mit Iran reden wollten, müssten sie zunächst bereit sein, über Waffenlieferungen in die Golfstaaten zu reden. Er fügte hinzu: "Iran hat im vergangenen Jahr 16 Milliarden Dollar für militärische Ausrüstung und Waffen ausgegeben. Wir haben rund 82 Millionen Einwohner. Die Arabischen Emirate haben eine Million Einwohner, ihre Militärausgaben betrugen aber in vergangenen Jahr 22 Milliarden. Und Saudi-Arabien hat halb so viel Einwohner wie Iran, ihre Ausgaben für das Militär lagen bei 68 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr. Die meisten Waffen haben die beiden Staaten aus den USA importiert. Wenn also Washington mit uns über unser Raketenprogramm reden möchte, muss es diese Waffenlieferungen beenden, "sagte Sarif.

Als die Äußerungen Sarifs in Washington als Bereitschaft Irans zur Verhandlungen über sein Raketenprogramm gedeutet wurden, hagelte es aus Teheran Dementis. Der Sprecher des Außenministeriums, Mussawi, twitterte, die Position Irans sei klar. Teheran werde niemals über sein Raketenprogramm verhandeln. Sarif habe sehr klug geantwortet und den "Ball auf die Seite der Amerikaner geworfen. "Auch die Vertretung Iran bei der UNO erklärte, das Raketenprogramm sei "unverhandelbar." Iran werde "unter keinen Umständen und mit keinem Land" jemals über sein Raketenprogramm verhandeln. Zuvor hatte bereits Revolutionsführer Ali Chamenei Verhandlungen mit den USA grundsätzlich ausgeschlossen.


DROHNE IN DER STRAßE VON HORMUS ABGESCHOSSEN

Am 18. Juli erklärte US-Präsident Trump, die "USS Boxer" habe in der Straße von Hormus eine iranische Drohne abgeschossen, weil die Drohne sich dem Kriegsschiff bis auf 1.000 Meter genährt und trotz mehrfacher Warnungen nicht abgedreht habe. Teheran dementierte umgehend. Vize-Außenminister Abbas Araghtschi twitterte: "Wir haben weder in der Straße von Hormus noch anderswo eine Drohne verloren." Vielleicht habe das Kriegsschiff irrtümlich eine eigene Drohne abgeschossen. Im Juni hatte Iran eine US-Drohne abgeschossen, weil sie in den iranischen Luftraum eingedrungen sein soll. Die USA erklärten hingegen, die Drohne habe sich im internationalem Luftraum befunden.


ENDE DER KRISE IST KAUM IN SICHT

Sollte Iran die Verstöße gegen das Abkommen fortsetzen, stellt sich die Frage, wie die anderen Partner beziehungsweise die UNO darauf reagieren würden. Dazu gibt es verschiedene Szenarien. Die für alle Beteiligten beste Lösung wäre die Wiederaufnahme von Verhandlungen. Dazu wäre Iran jedoch nicht ohne Rücknahme der US-Sanktionen bereit - eine Bedingung, deren Erfüllung kaum denkbar ist, zumindest solange Trump in Washington regiert.

Die zweite Möglichkeit wäre der Austritt der EU-Staaten aus dem Abkommen und die Wiederaufnahme der EU-Sanktionen gegen Iran. In diesem Fall würde sich die EU der Iran-Politik der USA anschließen, was Iran dazu zwingen würde sich, weit mehr als bereits geschehen, in Abhängigkeit von Russland und China zu begeben. Käme es dann zu einer militärischen Konfrontation, wären die Folgen verheerend. Schlimmstenfalls würde der Konflikt zu einem neuen Weltkrieg eskalieren.

Ein drittes Szenario könnte darin bestehen, dass der UN-Sicherheitsrat sich erneut mit dem Konflikt befasst. Das müsste er ohnehin tun, wenn die Internationale Atombehörde die Verstöße Irans offiziell meldet. Der Rat könnte dann die Sanktionen gegen Iran wieder aufnehmen. Allerdings ist anzunehmen, dass Russland und China dagegen votieren würden.

Schließlich gebe es die Möglichkeit, die die EU seit dem Austritt der USA aus dem Abkommen benutzt hat: eine Art Hinhaltetaktik, die sich bis zu einem möglichen Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten hinziehen könnte. Aber in Anbetracht der Länge der Zeit (eineinhalb Jahre) und der Brisanz, die die Entwicklung des Konflikts bereits erreicht hat, scheint ein solcher Ausweg kaum möglich.

Die Lage scheint insgesamt höchst verworren, vor allem, weil auf keiner Seite eine klare Strategie vorhanden ist. Die USA hoffen scheinbar, durch zunehmenden wirtschaftlichen Druck auf Iran, diesen zur Kapitulation zwingen zu können, oder sie hoffen, dass die schwer erträgliche wirtschaftliche Lage in Iran zu einem Aufstand und schließlich zu einem Regimewechsel führen wird. Doch die erste Möglichkeit ist kaum denkbar. Die Führer der Islamischen Republik würden eher die ganze Region in Brand stecken, als vor den USA zu kapitulieren. Auch die zweite Möglichkeit ist äußerst unwahrscheinlich. Sanktionen allein haben noch nie ein Regime zu Fall gebracht, nicht einmal das von Saddam Hussein. Bliebe also nur eine militärische Intervention, was die Bereitschaft zu einem langjährigen Krieg und einem Flächenbrand mit verheerenden Folgen voraussetzt. Es ist höchst fraglich, ob die USA, selbst unter Präsident Trump, ein solches Risiko eingehen würden.

Auch in Iran ist keine klare Strategie sichtbar. Zwar ist nachvollziehbar, dass Iran nicht die Hände in den Schoß legen und die immer härter werdenden Sanktionen über sich ergehen lassen kann. Aber der Druck, den Teheran mit den Ultimaten auf die EU ausübt, wird wohl kaum zum Erfolg führen. Denn die Europäer sind nicht in der Lage, Mechanismen zu schaffen, die Iran den Verkauf von Öl und den Handel mit anderen Gütern ermöglicht. Und selbst wenn die EU diese Möglichkeit hätte und sie einsetzen wollte, müsste sie eine harte Auseinandersetzung mit den USA riskieren. Es ist also kaum denkbar, dass die EU sich bei einer Wahl zwischen Iran und den USA sich für Iran entscheiden würde. So wird Iran mit den Verstößen eher die EU in die Arme der USA treiben, als sie für die eigenen Belange zu gewinnen.

Vielleicht könnte die EU, unterstützt von Russland, China und Japan, versuchen, in dem Konflikt zu vermitteln. Aber auch dafür scheinen die Aussichten auf Erfolg sehr gering. Frankreich hat nun neue Vermittlungsversuche angekündigt. Auch die Reise von Sarif nach New York könnte vielleicht dazu führen, dass die Diplomatie bei der UN-Vollversammlung im September, eine Chance zur Beilegung des Konflikts erhält.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Florian Kommer
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
18. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 8/2019 - August 2019 / 18. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2019

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