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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/283: Iran-Report Nr. 9 - September 2012


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 9 - September 2012
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• Vier Todesurteile im größten Finanzskandal
• Ahmadinedschads Verbündeter entlassen
• Mussavis Gesundheitszustand kritisch
• Zeitung warnt vor Untergang der Islamischen Republik
• Bericht über eine nichtöffentliche Versammlung des Schlichtungsrats
• Diskriminierung afghanischer Flüchtlinge


VIER TODESURTEILE IM GRÖßTEN FINANZSKANDAL

Justizsprecher Gholam Hossein Mohseni Ejehi gab am 30. Juli vor der Presse bekannt, dass vier Personen im größten Finanzskandal in der Geschichte der Islamischen Republik zum Tode verurteilt worden seien. Das Urteil werde den Angeklagten und ihren Anwälten schriftlich ausgehändigt werden, sagte Ejehi.

Ejehi, der zugleich Oberster Staatsanwalt Irans ist, sagte, von 39 Angeklagten seien vier zum Tode, zwei zu lebenslanger Haft und der Rest zu Gefängnisstrafen zwischen 25 Jahren und zehn Jahren und darunter verurteilt worden. Die Betreffenden seien außerdem mit hohen Geldstrafen, Peitschenschlägen und dauerhaftem Berufsverbot bestraft worden.

Die Angeklagten seien auch wegen Geldwäsche verurteilt worden. Auch die angeklagten Staatssekretäre und Generaldirektoren seien zu Peitschenschlägen, Geldstrafen und sowie zu lebenslangem Ausschluss aus dem Staatsdienst verurteilt worden.

Die Urteilsbegründung umfasse mehrere hundert handgeschriebene Seiten und müsse noch getippt werden. Dann könne sie veröffentlicht werden.

Die Angeklagten sind zum größten Teil im Bereich Wirtschaft und Banken tätig gewesen. In den seit Februar andauernden Prozess um Unterschlagung von 2,6 Milliarden Dollar waren einige der wichtigsten Finanzinstitute des Landes verwickelt. Der weitgehend geheim gehaltene Fall warf zudem Fragen zur Korruption in den höchsten Kreisen der iranischen Wirtschaftswelt auf.

Die Verurteilten, deren Namen nicht bekannt gegeben wurden, können Berufung einlegen. Bei dem Skandal, der im vergangenen September bekannt geworden war, handelte es sich laut Parlament um den größten Finanzskandal seit Gründung der Islamischen Republik 1979.

In dem Fall geht es um eine groß angelegten Betrug eines kleinen Konsortiums mit gefälschten Kreditunterlagen. Laut Anklage soll sich das Konsortium mit den durch Bestechung erlangten Unterlagen von staatlichen Banken Kredite verschafft haben, um zur Privatisierung ausgeschriebene Staatskonzerne zu kaufen. Von dem Betrug sind ein halbes Dutzend Banken des Landes betroffen.

Der Skandal hatte über mehreren Wochen zu heftigem Streit zwischen der Parlamentsmehrheit und der Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad geführt. Wirtschaftsminister Schamseddin Hosseini entging im November nur knapp einer Amtsenthebung durch das Parlament. Zudem wurde Ahmadinedschads wichtigstem Berater Rahim Esfandiar Maschai vorgeworfen, in den Skandal verwickelt zu sein. Erst eine Intervention des Revolutionsführers Ali Chamenei verhinderte eine weitere Eskalation. Chamenei befürchtete, das Ansehen des Staates im In- und Ausland völlig zu verlieren.


AHMADINEDSCHADS VERBÜNDETER ENTLASSEN

Irans Präsident Ahmadinedschad hat im Machtkampf mit seinen politischen Gegnern eine weitere große Schlappe einstecken müssen. Der von ihm ernannte Leiter der Sozialversicherungsbehörde Said Mortasawi wurde auf Anordnung des Obersten Verwaltungsgerichts des Landes entlassen, wie die Nachrichtenagentur ISNA am 30. Juli meldete. Mortasawi ist ein als Hardliner bekannter Ex-Staatsanwalt, der unter anderem mit dem mysteriösen Tod der iranisch-kanadischen Fotojournalistin Zahra Kazemi 2003 in Verbindung gebracht wird.

Die Entscheidung Ahmadinedschads, ihn im vergangenen Jahr zum Chef der Sozialversicherungsbehörde im Arbeitsministerium zu machen, war im Parlament auf heftige Kritik gestoßen. Konservative Abgeordnete hatten das Oberste Verwaltungsgericht daraufhin ersucht, Mortasawi abzusetzen. Der umstrittene Jurist hatte als Staatsanwalt den Ruf, besonders unnachgiebig und regimeergeben zu sein. Er hatte als Gegner der Reformbewegung Oppositionelle strafrechtlich verfolgt und immer wieder reformorientierte Tageszeitungen schließen lassen. Nach den Unruhen bei den Präsidentschaftswahlen 2009 wird ihm vorgeworfen, für die Ermordung von drei Oppositionellen verantwortlich gewesen zu sein.

Die Journalistin Kazemi hatte laut einer offiziellen Untersuchung bei einem offensichtlich von Mortasawi geführten Verhör einen Schlag auf den Kopf bekommen und war dann an einer Hirnblutung gestorben. Die Frau war festgenommen worden, weil sie Aufnahmen vom berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran gemacht hatte. Mortasawi war im August 2009 als Staatsanwalt entlassen worden.


MUSSAVIS GESUNDHEITSZUSTAND KRITISCH

Am 23. August wurde Mir Hossein Mussavi, einer der führenden Oppositionellen in Iran, der seit 18 Monaten unter Hausarrest steht, wegen eines Herzleidens ins Krankenhaus gebracht, berichtete die Webseite Nedaj-e sabs-e Asadi. Nach einer dreistündigen Operation sei er auf die Intensivstation gebracht worden. In seiner Begleitung befand sich seine Frau, Sahra Rahnaward, die sich ebenfalls im Hausarrest befindet. Dem Bericht nach wurde das Krankenhaus von zahlreichen Sicherheitsbeamten und Polizisten überwacht. Im gesamten Krankenhaus seien Beobachtungskameras installiert worden. Das Ehepaar dürfte absolut keine Besucher empfangen. Nach Aussagen der Ärzte sei der Zustand Mussavis nach der Operation "befriedigend". Man rechne jedoch mit einem längeren Krankenhausaufenthalt.

Mussavi war neben Mehdi Karrubi und Mahmud Ahmadinedschad Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2009. Wegen des eklatanten Wahlbetrugs kam es nach den Wahlen zu landesweiten Protesten, die neun Monate lang dauerten. Eine Reihe iranischer Oppositionspolitiker habe in einem Schreiben UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gebeten, Mussavi sowie Karrubi, der ebenfalls unter Hausarrest steht, zu besuchen.

Zwei Tage nach der Einlieferung Mussavis ins Krankenhaus veröffentlichte der Koordinationsrat der Grünen Bewegung eine Erklärung, in der es hieß, Sicherheitskräfte hätten die Krankheit Mussavis vier Monate lang geheim gehalten. Auch jetzt sei Mussavi wohl aus Rücksicht auf den bevorstehenden Gipfel der Blockfreien in Teheran und aus Sicherheitsgründen nach 24 Stunden wieder aus dem Krankenhaus entlassen und in seinen Hausarrest zurückgebracht worden, obwohl nach Meinung der Ärzte ein längerer Aufenthalt erforderlich gewesen sei.

Auch die Menschenrechtsorganisation Reporter Ohne Grenzen äußerte sich über das Befinden Mussavis "besorgt". Das Herzleiden sei Folge des Hausarrests, hieß es in der Erklärung. Dafür sei in erster Linie Revolutionsführer Ali Chamenei verantwortlich.

Am 1. August hatte der Sprecher der Justiz, Mohseni Ejehi, bekannt gegeben, dass sowohl Mussavi als auch Karrubi weiterhin im Hausarrest bleiben werden und ihre Lage sich nicht ändern werde. "Die beiden sind keine Gefangenen, aber da sie in ihren eigenen Häusern leben, wird sich ihre Lage nicht ändern", sagte Ejehi. "Wir werden keine Versuche dulden, an dieser Lage etwas zu ändern." Auf die Frage, warum Karrubis Internetseite gefiltert wurde, sagte Ejehi, viele Internetseiten seien gefiltert worden. "Sobald die Probleme beseitigt sind, werden sie freigegeben."

Einige Tage zuvor hatte Karrubis Sohn die Verlegung seines Vaters in das Eviner Gefängnis beantragt. Denn in Evin herrschten bessere Zustände als an dem Aufenthaltsort seines Vaters.


ZEITUNG WARNT VOR UNTERGANG DER ISLAMISCHEN REPUBLIK

Die Tageszeitung "Mellat-e ma" (Unser Volk) warnte in ihrer Ausgabe vom 1. August vor einem nahenden Untergang der Islamischen Republik. Der Artikel steht im krassen Gegensatz zu den Äußerungen des Revolutionsführers Ali Chamenei, der, iranischen Medien zufolge, einen Tag zuvor gesagt hatte, Iran sei auf dem Weg der Entwicklung, es gebe keine "Sackgasse und kein unlösbares Problem, das das Land aufhalten könnte".

Mellat-e ma schrieb, Iran gehe es in diesen Tagen nicht gut. Zwar seien "die inneren wirtschaftlichen Probleme und die Sanktionen von außen für die Regierung und das Volk große Probleme", aber was die Islamische Republik bedrohe und die Gefahr eines Untergangs verstärke, sei "der Krieg um die Macht und die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung".

Die Zeitung verweist auf die "giftige und kränkende politische Atmosphäre", in der "dieser jenen beschimpft und jener einen anderen niedermacht". Statt Einheit herrsche Zersplitterung. Die Appelle des Revolutionsführers, sich zu einigen, blieben ungehört. Die Zeitung, die Mohssen Resai, einem ehemaligen Kommandanten der Revolutionsgarden, nahe steht, beschreibt die Zeit unter Chamenei im Vergleich zu der Ära des Ayatollah Chomeini mit den Worten "Beginn der Auseinandersetzungen und Feindschaften", "Beginn der politischen Gegnerschaft zwischen den verschiedenen Parteien und Strömungen", "Beginn des politischen Chaos", "Stillstand der Entwicklung der Wirtschaft", "Angst vor Zukunft", "Vertrauensverlust bei der Bevölkerung". Alle diese Erscheinungen gehörten zu den Plänen der "Feinde der Islamischen Republik" zum Untergang des islamischen Staates.

Die Zeitung behauptet, dieser Zustand entspreche genau den Plänen der "USA", die davon ausgehen, dass der zunehmende Druck von oben die Unzufriedenheit unter der Bevölkerung steigern werde. Dieser Prozess solle bis zu der Präsidentenwahl 2013 fortgesetzt werden, um danach durch ein äußeres oder auch inneres Ereignis den Widerstand des Volkes brechen zu können. Damit werde die Spaltung zwischen dem Volk und der Staatsführung immer größer, bis es dann zum endgültigen Sturz der Islamisc hen Republik käme.

Sollte die Regierung in der nächsten Runde nicht aus einer starken und fähigen Person oder einem Team bestehen, das in der Lage wäre, das Land zu führen und die komplizierte Außenpolitik zu leiten, wäre dies zugunsten der Feinde der Islamischen Republik, warnte die Zeitung. Sie empfahl der jetzigen Regierung, sofort und rasch alle fähigen Kräfte des Landes, ob Konservative oder Reformer, zu bündeln, um den Prozess des Niedergangs aufzuhalten. Dazu gehörten nach Meinung des Leitartiklers die Durchführung von liegen gebliebenen Entwicklungsprojekten, die rasche Reduzierung der Arbeitslosigkeit, die gerechte und gleiche Behandlung der Bürger und die Rücksichtnahme auf deren Bedürfnisse.


BERICHT ÜBER EINE NICHTÖFFENTLICHE VERSAMMLUNG DES SCHLICHTUNGSRATS

Eine Versammlung des Schlichtungsrats, dessen Hauptaufgabe es ist, in erforderlichen Fällen zwischen dem Parlament und dem Wächterrat zu schlichten, nahm einen merkwürdigen Verlauf. Eigentlich stand in der Sitzung am 30. Juli die allgemeine politische Strategie der Islamischen Republik auf der Tagesordnung. Doch aus aktuellem Anlass, insbesondere wegen der zunehmenden Schäden, die die gegen Iran verhängten Sanktionen in der iranischen Wirtschaft verursacht haben, wurde entschieden, über brennende aktuelle Probleme zu sprechen. Ungewöhnlich war auch, dass an dieser Sitzung sowohl Ahmadinedschad, der sonst kaum an den Sitzungen des Rats teilnimmt, weil er dem Ratsvorsitzenden Haschemi Rafsandschani feindlich gesinnt ist, als auch mehrere Minister und Staatssekretäre teilnahmen. Obwohl die Sitzung nicht öffentlich war, gelang es einem Reporter der Internetzeitung Dscharas, darüber Informationen zu bekommen, die er am 30. Juli in der Zeitung veröffentlichte.

Nach der Begrüßung ergriff sofort Ahmadinedschad das W ort. Ohne Umschweife kam er sogleich auf die wirtschaftliche Lage des Landes zu sprechen und sagte: "In Anbetracht der wirtschaftlichen Lage habe ich beschlossen, gemeinsam mit meinen Kollegen in der Regierung zu Ihnen zu kommen, damit Sie direkt aus dem Munde der Verantwortlichen einen Bericht über die Wirkung der Sanktionen auf die Wirtschaft vernehmen können". Er bat zunächst Ölminister Rostam Ghassemi, mit seinem Bericht zu beginnen.

Ghassemi präsentierte einige Daten über die Ölproduktion, die Chemisc he Industrie und über die Verarbeitung des Rohöls zu Benzin und sagte: "Nach den Boykottmaßnahmen der EU haben wir beim Verkauf des Öls große Probleme bekommen. Noch vor vier Monaten haben wir täglich 2,3 Millionen Barrel Öl verkauft. Doch je näher die Sanktionen rückten, desto rascher ging der Verkauf zurück. Heute liegt der Verkauf bei weniger als eine Million Barrel pro Tag und nach unserer Einschätzung wird er bald die Marke 800.000 Barrel erreichen."

Weiter sagte Ghassemi: "Wir gehen davon aus, dass die Amerikaner den Erfolg der Sanktionen verkünden werden, sobald der Verkauf auf 800.000 Barrel sinkt. Die Nachricht wird wahrscheinlich bei einem Fernsehduell von Obama bekannt gegeben werden, um für die Demokraten zu punkten." Zurzeit seien China und Indien die verlässlichsten Abnehmer des iranischen Öls. Aber leider wolle China das Öl nur zu einem sehr niedrigem Preis kaufen und statt Devisen zu zahlen im Iran in Aufbauprojekte investieren. "Das ist keine Finanzierung, das ist Betrug", sagte Ghassemi.

Auch in der petrochemischen Industrie hätten die Sanktionen dazu geführt, dass "unsere Fähigkeit zur Herstellung von Grundstoffen stark eingeschränkt worden ist". Dies hat auch Auswirkungen auf die Ölraffinerien, die nun nur noch zu 15 Prozent ihrer Kapazität Benzin produzieren könnten. "Zurzeit müssen wir auf unsere Benzinreserven zurückgreifen, um den Inlandsbedarf zu decken", sagte Ghassemi. "Ich habe bereits mit den Mitgliedern des Energieausschusses im Parlament gesprochen und sie gebeten, sich Gedank en zu machen, um den Benzin-Verbrauch soweit wie möglich zu reduzieren. Denn wie es aussieht, können wir Benzin nicht unter 2500 Tuman (etwa 1,50 Euro) pro Liter einführen."

Nach Ghassemi nahm Mahmud Bahmani, Direktor der Zentralbank, das Wort. Er erklärte, wie die Regierung versucht habe, die Sanktionen zu umgehen. "Bislang konnten wir den Devisentransfer zum Kauf von verbotenen Waren über unsere vertraulichen Mittelsmänner abwickeln. Doch leider haben wir zurzeit mehr als 47 Anklageakten über Personen, die mit den Devisen im Ausland verschwunden sind. Die Verluste liegen bei mehreren Milliarden Dollar", sagte Bahmani. "Nachdem die Zahl der Abtrünnigen immer weiter stieg, versuchten wir mit Hilfe von ausländischen Mittelsmännern entweder Banken oder Firmen zu gründen. Doch auch diese Methode, die zu Beginn ganz erfolgreich war, scheiterte, weil ausländische Geheimdienste uns auf die Schliche kamen und eine ganze Reihe dieser Personen oder Banken und Firmen als getarnt entdeckten, was uns erhebliche Verluste zugefügt hat. Ich bin sehr froh, dass ich hier in diesem Gremium mein Herz ausschütten konnte. Ich habe auch dem Herrn Ministerpräsidenten bereits gesagt, dass alle diese Vorgänge uns zwar bekannt sind, aber die Bevölkerung hat keine Ahnung davon. Daher hat niemand Verständnis für unsere Lage und die Lage der Wirtschaft im Land. Jetzt habe ich das Gefühl, endlich die bedrückende Last abgelegt zu haben, denn woanders kann ich ja darüber nicht reden, nicht einmal mit meiner Familie." In diesem Augenblick stiegen Bahmani Tränen in die Augen, berichtet die Internetzeitung Dscharas.

Nun wollte der Wirtschafts- und Finanzminister Samsaddin Hosseini zu sprechen beginnen. Doch das Mitglied des Schlichtungsrat Vaes Tabassi schnitt ihm das Wort ab. Wütend sagte er: "Herr Hosseini, täglich bekommen ich mehr als tausend Briefe in mein Büro in Maschad, in denen die Menschen sich über die Teuerung der Preise beklagen und ich bin nicht fähig, ihnen eine befriedigende Antwort zu geben. Die Regierung behauptet, die Inflationsrate liege bei 22 Prozent. Wie ist das möglich, wenn Hühnerfleisch inzwischen 7000 Tuman (etwa 5 Euro) pro Kilo kostet? Nach welchen Gesetzen rechnen Sie eigentlich?"

Hosseini antwortete: "Die tatsächliche Inflationsrate liegt weit über dem öffentlich angegebenen Prozentsatz. Das habe ich gestern Herrn Ahmadinedschad gesagt und ihm erklärt, dass sie in Wirklichkeit bei 126 Prozent liegt. Doch auch er gab den Rat, weiterhin einen niedrigen Prozentsatz unter 24 Prozent zu verkünden. Das bedeutet nicht, dass die Regierung die Tatsachen verheimlichen möchte. Doch auch der Revolutionsführer ist der Meinung, unter den gegenwärtigen Umständen sollten wir die korrekten Daten solange nicht bekannt geben, bis wir diesen Zustand überwunden haben."

Der Industrie- und Handelsminister Mehdi Ghasanfari begnügte sich unter Verweis auf die fortgeschrittene Zeit mit ein paar Daten über den Anstieg des Imports und der Kontrolle des Marktes.

Nach den Ausführungen der Minister ergriff Ratsmitglied Madid Ansari das Wort, kritisierte die für Wirtschaftsfragen zuständigen Minister und sagte dann zu Ahmadinedschad: "Ich habe genau am Neujahrestag vor fünf Jahren mit Ihnen ein Gespräch geführt und Sie vor dem möglichen Eintreffen einer solchen Situation gewarnt. Doch Sie haben mir nur zugehört, aber nichts unternommen."

Ahmadinedschad erwiderte: "Sie wissen doch genau, dass ich für die Sanktionen nicht verantwortlich bin. Ich habe all dies dem Revolutionsführer vorgetragen, doch zu meiner Überraschung wurde die Parole "Widerstandswirtschaft" verkündet. Ein Teil dessen, was wir heute zu erleiden haben, ist das Resultat falscher Entscheidungen in der Außenpolitik. Wenn die Entscheidungen woanders getroffen werden und jeder für sich entscheiden kann, kann dabei nichts Besseres herauskommen, als das, was wir heute erleben."

In diesem Augenblick schaltete General Hassan Firusabadi, Oberkommandierender der iranischen Streitkräfte, sein Mikrophon an und erwiderte Ahmadinedschad: "Sie können doch nicht erwarten, dass man Ihnen wichtige Entscheidungen überlässt, wenn doch feststeht, dass die 'Clique der Abtrünnigen' aus den Reihen Ihrer Regierung stammt."

Ahmadinedschad antwortet: Diese Clique haben Sie zu einem Knüppel gemacht, mit dem Sie ständig auf den Kopf der Regierung schlagen. Wozu gibt es denn überhaupt noch eine Regierung, wenn die Entscheidungen doch woanders getroffen werden. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Herr Firusabadi.

Zum Schluss der Debatte wies Haschemi Rafsandschani darauf hin, dass die Zeit der Debatte zu Ende sei und äußerte die Hoffnung: "Möge es den Verantwortlichen des Staates gelingen, in Solidarität miteinander, gemeinsam den Baum der Revolution zu pflegen."

Anmerkung Red. Iran-Report: Diese Debatte wurde zwar in Dscharas veröffentlicht. Wieweit jedoch der Bericht dem tatsächlichen Inhalt der Debatte entspricht, bleibt fraglich.


DISKRIMINIERUNG AFGHANISCHER FLÜCHTLINGE

Afghanische Staatsbürger, die infolge von Kriegen und Bürgerkriegen in den vergangenen Jahrzehnten nach Iran geflüchtet sind, werden zunehmend Schikanen ausgesetzt. Seit Ende des Taliban-Regimes 2001 mache die iranische Regierung den Menschen immer stärker das Leben schwer, damit sie in ihre Heimat zurückkehren, schrieb der afghanische Entwicklungsexperte Niamatollah Ibrahimi im Magazin "Welt-Sichten" (August-Ausgabe). So werde ihnen die medizinische Versorgung und den Kindern der Schulbesuch verweigert. Die von Afghanen selbst organisierten Schulen seien von den Behörden geschlossen worden.

Afghanen ohne Aufenthaltspapiere würden seit Jahren in großer Zahl festgenommen, deportiert und dabei oftmals misshandelt. In der südlichen Provinz Fars wiesen die Behörden laut iranischen Medien Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte an, keine Waren an "unbefugte Ausländer" zu verkaufen. Ibrahimi erläuterte, damit seien in der Regel Afghanen gemeint. Auch wurden die Iraner angewiesen, sich die Ausweise der Ausländer zeigen zu lassen und diejenigen ohne gültige Papiere der Polizei zu melden.

Seit Beginn des sowjetisch-afghanischen Krieges 1979 sind Millionen Menschen aus dem Land geflohen, die meisten in die Nachbarländer Pakistan und Iran. Zeitweilig lebten fast drei Millionen Afghanen im Iran, heute sind es etwa noch zwei Millionen. Etwa die Hälfte sind registriert und anerkannte Flüchtlinge. Die andere Hälfte hält sich illegal im Land auf, so der Autor in Welt-Sichten.

Die rapide ansteigende Arbeitslosigkeit in Iran hat das Problem der afghanischen Flüchtlinge in den letzten Jahren verstärkt. Häufig werden afghanische Flüchtlinge von Unternehmen mit äußerst niedrigem Lohn beschäftigt, was natürlich die Arbeitslosigkeit unter Iranern weiter verstärkt. Ohnehin kann es der schwachen iranischen Wirtschaft nicht gelingen, die zwei Millionen Afghanen zu integrieren und zu beschäftigen, was auch die Kriminalität unter den illegal im Iran lebenden Flüchtlingen verstärkt. Hier müsste der UN-Flüchtlingsrat (UNHCR) dringend Hilfe leisten.

Zahlreiche Iraner haben Erklärungen veröffentlich, in denen sie die Diskriminierung der Afghanen scharf verurteilen.

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WIRTSCHAFT

• IAEA-Spezialteam für Iran
• Iran setzt auf den Ölmarkt in Asien
• Britische und Deutsche Bank im Visier der US-Behörden
• Scharfe Kritik aus Russland an neuen US-Sanktionen gegen Iran


IAEA-SPEZIALTEAM FÜR IRAN

Diplomatenkreisen in Wien zufolge hat die IAEA ein Team von Spezialisten zur Untersuchung der iranischen Atomanlagen zusammengestellt. Darunter seien Experten für Waffen, Strahlung und die Auswertung von Geheimdienstinformationen. So solle gezielt ermittelt werden, ob Iran tatsächlich Atomwaffen baue, hieß es. Eine derartige Spezialeinheit, die nur auf ein Land angesetzt wird, ist ungewöhnlich und unterstreicht, welche Priorität die Atomenergiebehörde Iran und seinem mutmaßlichen Streben nach der Atombombe beimisst. Iran hält nach wie vor an seiner Aussage fest, nicht am Bau von Atomwaffen interessiert zu sein. Die insgesamt vier Diplomaten, die ihre Informationen der Nachrichtenagentur AP anvertrauten, wollten nicht namentlich genannt werden.

Indes wurde ebenfalls aus Diplomatenkreisen bekannt, dass die IAEA auf eine Durchsuchung der Militäranlage Parchin verzichten wolle, weil dort "Säuberungen" stattgefunden hätten. Die Bedeutung einer Inspektion sei damit "deutlich verringert", sagte ein Diplomat am 25. August der Nachrichtenagentur AFP. Ein weiterer Diplomat hatte der Agentur gesagt, die Forderung nach einem Besuch der Anlage könne im nächsten IAEA-Quartalsbericht fehlen, da ein solcher Besuch wenig Zweck habe.

Das in Washington ansässige Institute for Science and International Security (ISIS) hatte Anfang August Satellitenbilder veröffentlicht, auf denen zu sehen war, dass in Parchin offenbar "Säuberungen und Erdumwälzungen" stattfanden. Auf den neuen Satellitenaufnahmen war ein Gebäude der Anlage mit Plastikplanen verdeckt. Westlichen Diplomaten zufolge könnte dies dazu dienen, Aktivitäten vor Satelliten zu verstecken.

Westliche Länder hatten zuvor dem Iran vorgeworfen, Teile der Anlage bei Teheran planiert zu haben. Die IAEA erklärte im Mai, die von den Satelliten gezeigten Aktivitäten könnten die Möglichkeit der Behörde beeinträchtigen, die Anlage "effektiv zu überprüfen". Irans Botschafter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, bezeichnete die Anschuldigungen einer "Säuberung" als "kindisch" und "lächerlich".

Den Diplomaten zufolge könnten westliche Länder beim nächsten Treffen des IAEA-Gouverneursrats am 10. September eine neue Resolution gegen Iran einbringen, um den Druck auf das Land zu erhöhen. Es sei aber unklar, ob Russland und China einen solchen Schritt unterstützen würden.

Am 24. August ging eine neue Gesprächsrunde zwischen Vertretern Irans und der IAEA wieder einmal ohne greifbaren Erfolg zu Ende. "Wichtige Meinungsverschiedenheiten" hätten einer Einigung im Weg gestanden, vorerst gebe es keinen "Plan für ein weiteres Treffen", sagte der IAEA-Chefinspektor Herman Nackaerts in Wien. Irans Botschafter Soltanieh äußerte sich zuversichtlich.

Bei den Wiener Verhandlungen sei es darum gegangen, eine Einigung über eine "strukturierte Herangehensweise" zu erzielen, wie sie bereits seit Monaten im Gespräch sei, sagte Nackaerts. Dazu sei es aber leider nicht gekommen. Soltanieh hingegen sagte, Die Gespräche seien ein "Hinweis" darauf, dass "wir mit der Behörde eng zusammenarbeiten können". Die IAEA verlangt von Iran die Herausgabe bestimmter Dokumente und Gespräche mit Atomwissenschaftlern sowie den Zugang zu sämtlichen Atomanlagen.

Wenig zuversichtlich hatte sich bereits am Vortag IAEA-Chef Yukiya Amano bei einem Besuch in Finnland geäußert. "Ich kann zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, dass ich optimistisch hinsichtlich des Ergebnisses des nächsten Treffens bin", sagte Amano. Die Gespräche in der iranischen Botschaft in Wien waren die ersten seit Juni. Zuvor hatten mehrere hochrangig besetzte Treffen in Istanbul, Bagdad und Moskau in diesem Jahr keine Fortschritte gebracht.

Indes veröffentlichte die IAEA am 30. August einen neuen Bericht, wonach Iran seine Urananreicherung in der unterirdischen Atomanlage Fordo beträchtlich erweitert haben soll. Die Produktionskapazitäten der Anlage seien verdoppelt worden, hieß es in dem Bericht. Seit Mai sei die Zahl der Zentrifugen von 1000 auf 2000 erhöht worden. Allerdings seien nur etwa 700 der Zentrifugen, die zur Anreicherung von Uran benötigt werden, in Betrieb.

In dem Bericht wirft die IAEA Iran außerdem vor, auf der Militärbasis Parchin Maßnahmen getroffen zu haben, die künftig Kontrollen "erheblich behindern" würden. Die UN-Organisation spielte damit vermutlich auf die Beseitigung verdächtiger Spuren an.


IRAN SETZT AUF DEN ÖLMARKT IN ASIEN

Zurzeit muss Iran wegen Sanktionen seine Ölproduktion drastisch einschränken. Teheran ist bemüht, Auswege aus dieser prekären Lage zu suchen. Am meisten setzt das Land seine Hoffnungen auf die Märkte in Asien. Großabnehmer des iranischen Öls sind China, Indien, Japan und Südkorea. Doch der Export in diese Länder reicht nicht aus, um den durch den von der EU verhängten Ölboykott auszugleichen. Zuvor ging rund 18 Prozent des iranischen Öls, etwa 450.000 Barrel pro Tag, nach Europa.

Neben dem EU-Ölboykott versuchen die USA, die EU und Israel auch asiatische Staaten unter Druck zu setzen, ihre Ölimporte aus Iran erheblich zu reduzieren und sich an den Sanktionsmaßnahmen zu beteiligen. Viel Erfolg hatte sie jedoch bisher nicht. Zum Beispiel gab Südkorea bekannt, nach einem zweimonatigen Stopp wieder Öl aus Iran zu importieren. SK Energy und Hyundai Oil Bank könnten die Ölimporte frühestens im September wiederaufnehmen, teilte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Seoul am 21. August mit. Es handele sich um eine "industrielle Angelegenheit".

Nach Angaben von SK - der größten Raffinerie des Landes - wird erwartet, dass Iran eigene Öltanker im September beladen und auch den erforderlichen Versicherungsschutz für den Transport nach Südkorea stellen wird. Das Öl könne im Oktober eintreffen, sagte eine Unternehmenssprecherin in Seoul. Die Verhandlungen mit iranischen Unternehmen und der Regierung in Teheran seien noch nicht abgeschlossen.

Durch den Schritt könnten die südkoreanischen Firmen das Verbot der Europäischen Union umgehen, Tanker mit iranischem Öl zu versichern. Südkorea ist der weltweit fünftgrößte Ölimporteur. Zugleich war das Land vor dem Einfuhrstopp der viertgrößte Importeur von iranischem Rohöl. Südkorea und andere asiatische Länder wurden von Strafen der USA ausgenommen, nachdem sie den Import aus Iran deutlich reduziert hatten.

Um noch mehr Kunden zu gewinnen und alte Kunden nicht zu verlieren, muss Iran den Ölpreis unter dem Marktpreis anbieten. "China und Indien tun Iran keinen Gefallen - im Gegenteil", sagte etwa der in den USA arbeitende Ölhändler Stephen Schrok der Agentur AP. "Ich bin mir sicher, dass sie ein sehr gutes Geschäft aus Iran herausgepresst haben."

Einem Medienbericht zufolge hat Iran Milliarden-Kredite bereitgestellt, um seine Tankerflotte zu versichern. Die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars berichtete am 28. August, die Regierung habe dem staatlichen Versicherer Bimeh Markasi eine Kreditlinie von mehreren Milliarden Dollar gewährt, um die iranischen Öltanker zu versichern. Demnach werden bereits zehn Prozent des Geldes ausgezahlt. Die 47 iranischen Öltanker waren bisher zu 90 Prozent von europäischen Konzernen versichert worden, doch die geltenden EU-Sanktionen verbieten seit 1. Juli jede Kooperation.

Die Zeitung "Iran" zitierte Irans Vertreter bei der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC), Mohammad Ali Chatibi, mit der Aussage, Teheran sei bereit, eine vollständige Versicherung für den Transport seines Öls zu gewähren. Käufer iranischen Öls könnten entweder ihre eigenen Tanker oder iranische Tanker benutzen.

Die beiden größten Käufer Indien und China benutzen bereits iranische Schiffe für den Transport des Öls und auch Südkorea will dies tun. In Japan gilt ein Gesetz, wonach der japanische Staat Tanker mit iranischem Öl in Höhe von 7,6 Milliarden Dollar versichern kann.

China, das rund zehn Prozent seines Energiebedarfs durch Iran deckt, hat seine Importe leicht zurückgefahren. 510.000 Barrel täglich waren es im zweiten Quartal 2012, verglichen mit 560.000 Barrel im Vorjahreszeitraum. Ob China sich tatsächlich an den Sanktionen beteiligen will oder doch eher den Preis weiter drückt, bleibt offiziell offen. Insgesamt sind die iranischen Ölexporte an Großverbraucher nach Angaben der Internationalen Energieagentur im Juli auf eine Million Barrel täglich eingebrochen, nach noch 1,74 Millionen Barrel täglich im Juni.

Eigentlich könnten die USA asiatische Länder, die Sanktionen verweigern, mit Handelseinschränkungen bestrafen. Doch einen Handelskrieg will Washington wohl kaum riskieren. Die USA "brauchen Asien als einen entscheidenden Partner in ihrem Bestreben, Iran durch Sanktionen unter Druck zu setzen", sagte Sami al Faradsch, Direktor des Zentrums für strategische Studien in Kuwait. "Das ist ein delikater Prozess mit Diplomatie, Anreizen und Alternativen."

Indien als zweitgrößter Ölkunde Irans zum Beispiel hatte sich auf Druck aus den USA bereit erklärt, den Import seines Landes aus Iran um 11 Prozent zu reduzieren. Doch ein wachsendes Handelsdefizit und die schwache Rupie machen es Indien schwer, Öl aus anderen, teureren Quelle zu beziehen. So schloss sich das Land einer japanischen Initiative an, Tanker mit iranischem Öl von Regierungsseite zu versichern, um damit die Sanktionen der EU zu umgehen. Der erste auf diese Weise versicherte Transport soll in diesen Tagen in Indien eintreffen.

Natürlich versuchte Iran, bei dem Gipfel der Blockfreien Staaten, weitere Länder als Kunden zu gewinnen und die dort vertretenen Länder zur Bildung einer Front gegen die westlichen Sanktionen zu bewegen. Das Land bezieht 80 Prozent seiner Einnahmen aus dem Außenhandel aus dem Ölgeschäft, die Petrodollars sind für das Land überlebenswichtig.


BRITISCHE UND DEUTSCHE BANK IM VISIER DER US-BEHÖRDEN

Der britischen Großbank Standard Chartered wurde durch US-Behörden mit dem Entzug ihrer Banklizenz für die USA gedroht. Der Bank wird vorgeworfen, trotz bestehender Sanktionen fast zehn Jahre lang Geschäft mit Iran abgewickelt zu haben. Das Volumen der Transaktionen wird auf 250 Milliarden Dollar geschätzt.

Die Bank fühlte sich von den Vorwürfen offenbar völlig überrumpelt, denn in Europa hätten die Briten vermutlich nichts zu befürchten. Während die USA bis auf wenige Ausnahmen sämtliche Transaktionen mit Iran unterbinden, sind in der EU nur Geschäfte mit bestimmten Personen und Banken verboten. Diese stehen auf einer schwarzen Liste. Demzufolge müssen sich die in der EU ansässigen Banken eigentlich keine Sorgen machen, solange die Transaktionen nicht das US-Geschäft der Institute betreffen.

Die Standard Chartered wies die Vorwürfe der US-Behörde über unzulässigen Handel mit Iran zurück. Das Bankunternehmen erklärte am 7. August in Hongkong, die Vorwürfe der New Yorker Aufsichtsbehörde DFS ergäben kein "vollständiges und zutreffendes Bild der Sachlage". Sie weise die Darstellung der US-Aufsichtsbehörde über die Aktivitäten des Bankhauses zurück, erklärte die Unternehmenschefin Annemarie Durbin. Die Behörde hatte die Bank aufgefordert, die mutmaßlichen Geschäfte mit Iran bis zum 15. August aufzuklären. Ihr Unternehmen nehme seine Verantwortung "sehr ernst", betonte Durbin. Es sei darum bemüht, "jederzeit mit den geltenden Gesetzen und Bestimmungen in Einklang" zu sein.

Standard Chartered ist auf Geschäfte in den aufstrebenden Gebieten Asiens, des Nahen Ostens und Afrikas spezialisiert. Seit fünf Jahren seien keine Neugeschäfte mit iranischen Vertragspartnern abgeschlossen worden, teilte die Bank mit.

Am 9. August berichteten US-Medien, die US-Behörden wollten im Streit mit der britischen Bank wegen Geschäften mit Iran eine gütliche Einigung erreichen. Wie das Wall Street Journal in seiner Ausgabe vom 9. August berichtete, werde zu diesem Zweck derzeit eine Vermittlungsgruppe gebildet. An ihr sind dem Bericht zufolge die US-Ministerien für Finanzen und Justiz, die Notenbank Fed und das Büro der Staatsanwaltschaft von Manhattan beteiligt.

Der Vorstandsvorsitzende von Standard Chartered, Peter Sands, wies die Vorwürfe der Behörden zurück und erklärte, der Gewinn aus den Geschäften mit Iran betrage entgegen den Behauptungen der DFS (mehrere hundert Millionen Dollar) nur einige "dutzend Millionen Dollar".

Am 14. August erklärte sich die Bank zur Zahlung einer Geldbuße bereit. Das Kreditinstitut habe sich mit den Behörden von New York darauf geeinigt, 340 Millionen Dollar zu zahlen, teilte der US-Bundesstaat mit. Die Bank verhindere damit, dass ihre Lizenz aufgrund der Vorwürfe entzogen werde. Zudem erklärte sich die Bank bereit, ihre Transaktionen für die nächsten zwei Jahre von den US-Behörden überwachen zu lassen. Außerdem sollen zwei Prüfer die Einhaltung der US-Sanktionen kontrollieren. Die Einigung bezieht sich lediglich auf den Bundesstaat New York und umfasst nicht die Ermittlungen von US-Bundesbehörden wie dem Finanzministerium.

Auch gegen die Deutsche Bank und andere internationale Geldinstitute haben die US-Behörden Medienberichten vom 18. August zufolge wegen eines möglichen Verstoßes gegen Sanktionen gegen Iran und andere Staaten Ermittlungen eingeleitet. Die Untersuchung sei aber noch in der Anfangsphase, berichtete die New York Times unter Berufung auf Ermittler. Diese gingen zudem davon aus, dass die US-Filiale der Deutschen Bank nach 2008 keine Transaktionen mehr für iranische Kunden vorgenommen habe.

Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte der New York Times, das Institut habe 2007 beschlossen, keine neuen Geschäftsbeziehungen mit Kunden in Iran, Syrien, Sudan oder Nordkorea einzugehen und bestehende Geschäfte soweit rechtlich möglich aufzulösen. Nach Angaben der Zeitung sind die Ermittlungen Teil des Vorgehens der US-Behörden gegen eine Reihe von Finanzinstituten, die verdächtigt werden, bis 2008 eine US-Gesetzeslücke genutzt zu haben, um ihre Finanzgeschäfte mit Iran trotz bestehender Sanktionen fortzuführen.

Der Bericht der New York Times sorgte für große Nervosität unter den Anlegern der Deutschen Bank: Die Bankaktie büßte am 20. August bis zum Nachmittag über zwei Prozent ein und war mit 26,22 Euro zeitweise schwächster Wert im Leitindex Dax.

Wie Reuters aus Finanzkreisen erfuhr, haben praktisch alle großen internationalen Banken schon vor Jahren Fragebögen zum Thema Iran bekommen. Anschließend hätten sich die Behörden einige Institute vorgenommen - wie die britische Standard Chatered. Nun sind den Kreisen zufolge vier europäische Häuser übrig, die durchleuchtet würden, darunter die Deutsche Bank. Konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gebe es bislang aber nicht.

Einige Experten sind dennoch skeptisch. "Derzeit ist es zwar unmöglich abzuschätzen, ob die Deutsche Bank gegen US-Recht verstoßen hat", schrieb Silvia-Quandt-Analyst Christian Muschick in einer Kurzstudie. Er gehe aber davon aus, dass die Deutsche Bank versuchen werde, das Problem so schnell wie möglich vom Tisch zu bekommen - wahrscheinlich ebenfalls über einen Vergleich in dreistelliger Millionenhöhe. Summen in dieser Größenordnung hat die Bank schon in anderen Fällen gezahlt, um Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen.


SCHARFE KRITIK AUS RUSSLAND AN NEUEN US-SANKTIONEN GEGEN IRAN

Russland hat die neuerlichen US-Sanktionen gegen Iran scharf kritisiert. Bei den Maßnahmen handele es sich um eine "unverhohlene Erpressung" von Unternehmen und Banken anderer Länder, erklärte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, am 13. August in Moskau. Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau würden darunter leiden, falls russische Unternehmen beeinträchtigt würden.

Der US-Kongress hatte Anfang August Sanktionen gegen den iranischen Energie-, Schifffahrts- und Finanzsektor verhängt, um Teheran im Streit um sein mutmaßliches Atomprogramm zum Einlenken zu bewegen. Die neuen Maßnahmen würden auch ausländische Unternehmen treffen, die gemeinsam mit Iran Uran abbauen oder das Land mit Tankern, Versicherungen oder Finanzdienstleistungen bei Ölexporten unterstützen.

Auch China hat die USA aufgefordert, ihre Sanktionen gegen die chinesische Kunlun-Bank zu annullieren. Peking fordere eine "Aufhebung der Sanktionen und einen Stopp der Beschädigung chinesischer Interessen und der US-chinesischen Beziehungen", erklärte das Außenministerium in Peking am 1. August. China lehne den Schritt der USA entschieden ab und erwäge einen "offiziellen Protest", hieß es in der kurzen Erklärung weiter.

Washington hatte Sanktionen gegen die chinesische Kunlun-Bank verhängt, weil diese Millionengeschäfte mit iranischen Banken getätigt haben soll. Für die Bank gilt fortan ein umfassendes Handelsverbot auf dem US-Markt. Das chinesische Außenministerium erklärte dazu, China habe "normale Beziehungen zu Iran in den Bereichen Energie und Handel". Diese hätten aber nichts mit dem iranischen Atomprogramm zu tun.

Indes gab Iran bekannt, dass China sich aus einem milliardenschweren Gas-Projekt in der Islamischen Republik zurückgezogen hat. Teheran warf dem chinesischen Unternehmen China National Petroleum Corporation (CNPC) vor, die Entwicklung des Gasfelds South Pars verzögert zu haben, meldete die iranische Nachrichtenagentur Mehr am 29. Juli unter Berufung auf Informationen aus dem heimischen Ölministerium. CNPC sei bereits im vergangenen Jahr ein Ausschluss von dem Vorhaben angedroht worden, wenn es zu weiteren Verspätungen kommen sollte.

Iran verfügt über die weltweit zweitgrößten Reserven an Erdgas. Wegen internationaler Sanktionen aufgrund seines umstrittenen Atomprogramms gehört Iran jedoch nicht zu den großen Gas-Exportnationen. Auch an der Technologie zur Erschließung des Rohstoffs fehlt es dem Land. Westliche Firmen dürfen in den Iran nicht mehr investieren.

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AUßENPOLITIK

• Vorbereitung der Konferenz der Blockfreien
• Iranische Parlamentarier in Syrien
• Die Konferenz
• Drastische Sicherheitsmaßnahmen für den Gipfel der Blockfreien
• Iran und Israel - der Konflikt eskaliert
• Iranisches Schiff durfte Suezkanal passieren
• Syrien und Iran
• Indien vermutet Iraner hinter Attentat
• Uni Potsdam kooperiert weiterhin mit iranischer Hochschule


VORBEREITUNG DER KONFERENZ DER BLOCKFREIEN

Teheran bereitete sich auf den für Ende August geplanten Gipfel der Blockfreien vor. Erwartet wurden Staatsoberhäupter und ranghohe Politiker aus 120 Staaten. Die islamische Republik hoffte, durch dieses Treffen in der iranischen Hauptstadt ihr Ansehen international steigern zu können. Vizepräsident Ali Saedlu gab am 4. August bekannt, dass auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an dem Treffen teilnehmen werde. Es wäre der erste Besuch Bans im Iran seit seiner Ernennung 2007.

Der "Koordinationsrat der Grünen Bewegung" forderte in einem Aufruf, der im Online-Dienst Kalameh veröffentlicht wurde, alle an der Veranstaltung teilnehmenden Politiker auf, die "demokratischen und gerechten" Forderungen der Opposition, u.a. nach Freilassung aller politischen Gefangenen und der Oppositionsführer, die sich im Hausarrest befinden, zu unterstützen. Auch politische Häftlinge hatten die teilnehmenden Politiker aufgefordert, die Gefängnisse zu besuchen.

Das Regime in Teheran wollte alles versuchen, um die Veranstaltung so problemlos wie nur möglich zu gestalten. Der stellvertretende Kommandeur der Basidsch-Milizen sagte: "Die Veranstaltung hat im Hinblick auf das Wiedererwachen des Islam im Nahen Osten und Nordafrika, die Protestbewegung gegen das Kapital in den USA sowie ähnliche Proteste in den Staaten Europas einen sehr hohen Stellenwert." Demgegenüber sind politische Beobachter der Meinung, dass die Staaten der Blockfreien nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Funktion verloren und international keine Bedeutung mehr hätten.

Die USA zeigten sich verärgert, dass die Blockfreien Staaten in Teheran zu ihrem nächsten Gipfel zusammenkommen wollen. Die Wahl Irans als Ort des Gipfels sei eine "eigenartige Entscheidung" und "kein gutes Signal", sagte Victoria Nuland, Sprecherin im US-Außenministerium. Sie begründete dies mit zahlreichen UN-Resolutionen, die Iran im Zuge des Atomstreits verletzt habe.

Sichtlich irritiert äußerte sich die Sprecherin über die Pläne von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, zu dem Gipfel zu fahren. "Wir haben dies gegenüber Generalsekretär Ban Ki Moon klargemacht. Er wird seine eigene Entscheidung treffen", sagte Nuland am 16. August vor Journalisten in Washington. "Wir meinen, dies ist ein eigenartiger Ort und unangemessener Ort für dieses Treffen."

Zwischendurch hieß es aus New York, Ban werde an dem Treffen nicht teilnehmen. "Das ist kein Problem", sagte Parlamentspräsident Ali Laridschani am 20. August der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. Sein Fernbleiben werde jedoch die Rolle der UN bei solchen internationalen Veranstaltungen schwächen. Der Abgeordnete Hadi Schuschtari meinte, westliche Staaten übten auf den Generalsekretär Druck aus, und wollten seine Teilnahme an dem Treffen verhindern, um damit die Bedeutung der Veranstaltung herabzusetzen. "Der Generalsekretär der UNO muss selbständig handeln" fügte Schuschtari hinzu. Wenn er nicht nach Teheran käme, würde er gegen seine eigenen Ansichten handeln, er wolle stets unabhängig bleiben.

Doch ein UN-Sprecher sagte, Ban werde ungeachtet des Widerstands der USA und Israels an dem Gipfel teilnehmen und sich dabei auch zu bilateralen Gesprächen mit ranghohen iranischen Regierungsmitgliedern treffen. Er werde dabei die Sorgen der internationalen Gemeinschaft zur Sprache bringen - etwa über das iranische Atomprogramm sowie die Lage in Syrien.

Am 22. August forderten die USA Ban Ki Moon auf, bei seinem Besuch in Teheran mit der iranischen Führung Klartext zu reden. "Er hat eine Gelegenheit, den iranischen Führern direkt zu sagen, was die Sorgen der internationalen Gemeinschaft sind", sagte Nuland. "Er muss diese Gelegenheit wahrnehmen", fügte sie hinzu. Allerdings machte sie erneut klar, dass die USA Teheran für den falschen Ort für ein Blockfreien-Treffen halten. Iran werde versuchen, den Gipfel zu manipulieren und von seinen eigenen Versäumnissen abzulenken.

Ähnlich äußerte sich die Sprecherin des Außenministeriums in Jerusalem, Ilana Stein: "Zweifellos wird das iranische Regime die Konferenz dazu missbrauchen, von seinen Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung, dem illegalen Streben nach Atomwaffen sowie von Terrorismus und der Unterstützung für (Syriens Staatschef Baschar al-) Assad abzulenken." Sie fügte hinzu: "Dies sind sehr gute Gründe, nicht nach Teheran zu reisen. Aber wir erwarten, dass alle, die dennoch hinfahren, nicht der iranischen Propaganda auf den Leim gehen, sondern ihre Meinung über den Iran und das Ajatollah-Regime deutlich machen."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle verteidigte hingegen Bans Reisepläne. "Ich habe volles Vertrauen in die überzeugende Arbeit des Generalsekretärs der Vereinten Nationen", sagte Westerwelle am 23. August in der lettischen Hauptstadt Riga.

Zu den eingeladenen Gästen, die ihre Teilnahme zugesagt hatten, gehörte auch der neue ägyptische Präsident Mohammad Mursi. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Mena am 12. August. Sie berief sich auf Kreise der ägyptischen Präsidentschaft. Es wäre der erste Besuch eines ägyptischen Staatsoberhaupts in Teheran seit mehr als 30 Jahren. Die Anerkennung des Staates Israel durch Ägypten sowie die islamische Revolution von 1979 führten 1980 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Derzeit hat Ägypten den Vorsitz der Bewegung der Blockfreien Staaten inne. Er soll bei dem Treffen in Teheran an Iran übergeben werden. Die Organisation wurde während des Kalten Kriegs gegründet, um inmitten des Ost-West-Konflikts die Interessen der Entwicklungsländer zu vertreten. Iran nahm nach der Revolution die Mitgliedschaft der Blockfreien an. Das Treffen in Teheran war die erste große internationale Veranstaltung seit der Gründung der Islamischen Republik, die im Iran stattfand.

Wie viele der 120 Mitgliedsstaaten an dem Treffen teilnehmen würden, hatte Teheran bis zuletzt nicht bekannt gegeben. Eingeladen sei neben den Mitgliedsstaaten unter anderem der russische Präsident Wladimir Putin, sagte der Sprecher der Veranstaltung, Mohammad Resa Forghani. "Herr Putin gehört zu den besonderen Gästen, die Staatspräsident Ahmadinedschad persönlich eingeladen hat. Russland gehört nicht zu den Blockfreien Staaten und wir haben auch noch keine Zusage von ihm erhalten."

Erwartet werde auch der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un, sagte Forghani dem iranischen Nachrichtenportal Tabnak. Kim habe die Konferenz in der iranischen Hauptstadt für seinen ersten Staatsbesuch im Ausland ausgewählt. Am 23. August gab aber die amtliche koreanische Nachrichtenagentur KCNA bekannt, dass der ranghohe Regierungsvertreter Kim Yong Nam zum Gipfel kommen werde. Dabei werde der Präsident des Präsidiums der Obersten Volksversammlung auch mit dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad zusammentreffen. Forghani musste daraufhin seine Bekanntgabe dementieren. "Ich habe das nie gesagt und alle Berichte diesbezüglich sind falsch und haltlos" beteuerte er. Kim werde nicht bei dem Treffen dabei sein. Die Zusammensetzung der nordkoreanischen Delegation werde zu gegebener Zeit bekannt gegeben werden, fügte er hinzu.

Die Veranstalter des Treffens haben bekannt gegeben, dass sie für das Ende der Veranstaltung eine Resolution vorbereitet hätten, die zunächst von den Außenministern und danach von den Staatsoberhäuptern unterzeichnet werden soll. Über den Inhalt des Resolutionsentwurfs gaben sie keine Auskunft.

Am 23. August gab der Hauptorganisator des Treffens Ali Saidlu bekannt, neben den Mitgliedsstaaten seien auch einige internationale Organisationen sowie "besondere Persönlichkeiten" eingeladen. Insgesamt würden 145 bis 150 Delegationen an der Konferenz teilnehmen. Zum Beispiel bestehe die Delegation aus Indien neben Sachberatern aus fünf Personen.

Bereits im Vorfeld der Konferenz wäre es beinahe zu einem Eklat gekommen. Iran hatte überraschend neben dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas auch den Führer der Hamas, Ismail Hanija, eingeladen. Dieser nahm die Einladung nach Angaben seines Sprechers Taher al-Nunu an. Allerdings sollte er nur als Beobachter dabei sein. "Wenn Hanija und Abbas beide gemeinsam dorthin reisen würden, könnten sie die Aussöhnung (der Fatah und der Hamas) vorantreiben und gemeinsam die palästinensischen Anliegen vertreten", sagte ein anderer Sprecher Hanijas, Jusef Reskach, der Deutschen Presseagentur.

Das empfand Abbas als Brüskierung und drohte mit einer Absage. Ministerpräsident Salman Fajad bezeichnete die Einladung Hanijas als schweren Schlag für eine der größten Errungenschaften der Palästinenser, wonach die palästinensische Befreiungsorganisation PLO als die einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes anerkannt sei. Die Annahme der Einladung durch Hanija sei ein Dolchstoß in den Rücken der palästinensischen Bestrebungen nach Unabhängigkeit. Abbas ist zugleich PLO-Vorsitzender.

Iran machte rechtzeitig einen Rückzieher. Forghani erklärte laut iranischen Medien am 26. August, bislang habe Hanija keine Einladung Ahmadinedschads erhalten. Allein Präsident Abbas sei zu der Konferenz eingeladen worden. Danach erklärte auch al Nunu, Hanija habe zwar eine Einladung aus Teheran erhalten, er habe aber abgesagt, um die Spaltung der Palästinenser nicht noch zu vergrößern.


IRANISCHE PARLAMENTARIER IN SYRIEN

Im Vorfeld des Gipfels der Blockfreien in Teheran reiste eine Delegation des iranischen Parlaments nach Damaskus. Der Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik und Sicherheit, Alaeddin Borudscherdi, sagte, das Ziel dieser Reise sei der Ausbau der Zusammenarbeit und Intensivierung der Beziehungen beider Staaten. Die Nachrichtenagentur IRNA berichtete, dass die Parlamentarier-Delegation Gespräche mit hochrangigen syrischen Politikern, darunter auch dem syrischen Parlamentspräsidenten, führen werde. Es sei gerade im Blick auf die bevorstehende Konferenz der Blockfreien Staaten wichtig, dass die Mitgliedsstaaten über die tatsächliche Lage informiert würden, damit sie umso leichter gemeinsam Auswege aus der Krise finden könnten.

In den Wochen davor hatten ranghohe Politiker Syriens, wie der Parlamentspräsident, der Vizeministerpräsident sowie der Außenminister, Iran besucht.

Nach Angaben aus Teheran unterstützt Assad den iranischen Vorstoß für einen neuen Syrien-Friedensplan. Assad begrüßte die Bemühungen der Regierung in Teheran, sagte Borudscherdi der Nachrichtenagentur ISNA. Er war in Damaskus mit Assad zusammengekommen. Details über Irans Syrieninitiative sind noch nicht bekannt. Es heißt lediglich, es handele sich um einen umfassenden Plan. Syriens Ministerpräsident Wael al-Halki und dessen Außenminister Walid al Mualim nahmen an der Konferenz der Blockfreien in Teheran teil.

Einem hochrangigen iranischen Geheimdienstvertreter zufolge betrachte Iran die Unterstützung des syrischen Regimes als Ehrensache. "Wir stehen alle in der Pflicht, Syrien zu helfen und einen Zusammenbruch der Widerstandslinie zu verhindern", sagte der Geheimdienstchef der Revolutionsgarden, Hossein Taeb, einem Bericht der Nachrichtenagentur Fars vom 25. August zufolge. Iran betrachtet Syrien als Teil einer anti-westlichen Allianz, zu der auch die Hisbollah im Libanon zählt. Teheran wirft der Türkei und Katar vor, die Rebellen in ihrem Ziel eines Assad-Sturzes zu unterstützen.


DIE KONFERENZ

Die Konferenz der Blockfreien begann mit einer Sitzung der Vizeminister. Dort griff zum Auftakt der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi die Vereinten Nationen scharf an. Er warf dem Sicherheitsrat Machtzuwachs und der UN-Vollversammlung Schwäche vor. Der Sicherheitsrat müsse demokratisiert werden. Dies sei eine der wichtigsten Forderungen der Mitgliedsstaaten. Die jüngsten Bewegungen in der Region bezeichnete Salehi als demokratisch. Die aktive Teilnahme unabhängiger Staaten an den Entscheidungen in internationalen Fragen und ein umfassender Dialog zwischen ihnen, in einer sicheren und günstigen Atmosphäre, ohne Einmischung von außen bedürfen eines politischen Prozesses, bei dem jeder Staat seine spezielle Sichtweise einbringen könne.

Weiterhin erklärte Salehi, Iran unterstütze eine gerechte und gleichberechtigte Politik gegenüber Palästina. "Der Frieden im Nahen Osten kann niemals durch eine einseitige und blinde Unterstützung des israelischen Staatsterrorismus, der Besatzung, Folter, Zerstörung, Drohungen und Aggressionen gewährleistet werden", sagte der Minister. Er bezeichnete Israel als eine "Quelle des Terrorismus".

Salehi forderte auch die Blockfreien Staaten auf, gegen die im Atomkonflikt verhängten Sanktionen gegen Teheran Stellung zu beziehen. Teheran beharre auf sein Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie. "Wir akzeptieren kein zweierlei Maß bei der Internationalen Atombehörde und damit verbundenen UN-Einrichtungen."

Teheran kündigte für die Konferenz einen neuen Vorschlag zur Beilegung der Syrienkrise an. "Die NAM-Mitgliedstaaten sind gegen jede fremde Einmischung und terroristische Aktivitäten", sagte der Sprecher des Außenministeriums Ramin Mehmanparast. "Kein anderer Staat, sondern das syrische Volk sollte über sein politisches Schicksal entscheiden." Die Blockfreien würden auch über eine Syrien-Kontaktgruppe beraten. Mehmanparast äußerte die Hoffnung, dass die Teilnahme des ägyptischen Präsidenten Mursi am Gipfel zur Wiederaufnahme der 1979 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Iran führen werde.

Der wichtigste Tag der Konferenz, der 30. August, an dem die Staatsoberhäupter und hochrangige Politiker versammelt waren, wurde aber für das Teheraner Regime zu einem Schuss nach hinten. Eröffnet wurde die Sitzung durch Revolutionsführer Ali Chamenei. Er versicherte, dass Iran kein Atomwaffenprogramm verfolge. "Wir stellen keine Atomwaffen her und werden dies auch niemals tun", sagte er. Iran werde aber sein Recht auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie nicht aufgeben. "Unser Motto lautet Atomenergie für alle und Atomwaffen für niemanden".

Chamenei nutze das Forum zu einer harten Kritik an der UNO, die er als unlogisch und ungerecht bezeichnete. Sie sei ein Relikt der Vergangenheit, das die USA benutzten, um der Welt ihre Sichtweise aufzudrücken.

Mit dem Auftritt des ägyptischen Präsidenten Mursi kam es zu einem Eklat. Er brüskierte die iranische Führung, indem er die Unterstützung der Revolution in Syrien "eine moralische Pflicht sowie eine politische und strategische Notwendigkeit" nannte. Die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad bezeichnete er als Unterdrückungsregime, das jede Legitimität verloren habe. Dies widersprach vollkommen der Position Irans, der das Regime in Damaskus unterstützt und die Aufständischen als von den USA und Israel gelenkte Terroristen bezeichnet. Die iranischen Medien haben die Rede Mursis falsch übersetzt. Statt Syrien nannten sie Bahrain als Unterdrückungsstaat. Selbst bei der Direktübertragung durch das Fernsehen wurden Mursis Worte falsch wiedergegeben.

Auch die Rede des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon war für das Regime in Teheran nicht schmeichelhaft. Ban forderte Iran auf, sich "vollständig den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats unterzuordnen und mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammenzuarbeiten". Im Interesse "des Friedens und der Sicherheit in der Region und der Welt" müsse Iran das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in den ausschließlich friedlichen Charakter seines Atomprogramms wiederherstellen, sagte der Generalsekretär.

Zugleich forderte er "alle Seiten" auf, Abstand vom "provokanten Drohungen" zu nehmen. Diese könnten "rasch zu einer Spirale der Gewalt" führen. Ban bezog sich damit auf Israels Drohung mit einem Militärangriff auf iranische Atomanlagen ebenso wie auf Teherans Drohung, im Fall eines Angriffs Israel zu zerstören. Er verurteilte "entschieden" jede Drohung eines UN-Mitglieds, ein anderes zu zerstören, ebenso wie die "empörende" Leugnung der "historischen Tatsache des Holocaust". Ban hatte bereits am Vortag bei Gesprächen mit Irans Revolutionsführer Chamenei, Präsident Ahmadinedschad und Parlamentspräsident Ali Laridschani den Atomkonflikt, die Drohungen gegen Israel und die Lage der Menschenrechte in Iran angesprochen.

Die ganze Mühe der Führung in Teheran, die enormen Unkosten und die Hoffnung, durch die Konferenz der Blockfreien aus der internationalen Isolation herauszukommen und die eigene Position stärken zu können, waren umsonst. Der Gipfel hat dem Regime eher geschadet und es noch mehr als bisher isoliert.


DRASTISCHE SICHERHEITSMAßNAHMEN FÜR DEN GIPFEL DER BLOCKFREIEN

Für die Tage des Treffens waren drastische Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Erstaunen erregte die Ankündigung der Regierung, die Bevölkerung für die Dauer des Gipfels in Ferien schicken zu wollen. Alle Ämter sollten während dieser Zeit geschlossen bleiben. "Wir wollen, dass das Treffen in einer ruhigen Atmosphäre stattfindet" und auch die Bevölkerung nicht mit Problemen konfrontiert werde, sagte Saedlu, der für die internationalen Beziehungen zuständige Vizepräsident. Politische Beobachter führen dies e ungewöhnliche Maßnahme auf die Befürchtung der Staatsführung zurück, es könnte zu Demonstrationen und Unruhen kommen. Denn es sind entsprechende Flugblätter im Umlauf. Es gibt auch Petitionen der politischen Häftlinge an die versammelten Staatsmänner. Der Regierung wäre es am liebsten, wenn so viel Teheraner wie möglich die freien Tage nutzen würden, um eine kleine Reise zu machen. Der Stellvertreter des Teheraner Polizeichefs, Ahmad Reza Radan, sagte der Nachrichtenagentur Mehr, die Polizei kenne die Gesetze und werde auf allen Ebenen für die Sicherheit der Gäste sorgen. Sie werde über alle Vorgänge wachen und dulde keinen Spaß. Vermutlich hatte er zahlreiche Aufrufe im Internet im Blick, in denen die Bevölkerung aufgerufen wurde, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihren Protest gegen die herrschenden Zustände im Land kundzutun.

"Wir habe uns auf mehr als 7000 Gäste vorbereitet", sagte Saedlu. Alles sei perfekt organisiert, zum Beispiel Unterkünfte. Die Tage seien zwar frei, aber alle Dienstleistungsbetriebe würden aktiv sein, so dass Teheran normal wie immer sein wird. Selbst die Bazare hätten während der Feiertage geöffnet, denn manche Gäste möchten sie besuchen und einkaufen. Auch sämtliche Kultureinrichtungen seien zugänglich.

Die tatsächlichen Maßnahmen widersprechen dieser Darstellung. Wie der Chef der Teheraner Polizei, Hossein Sadschedinia, am 26. August bekannt gab, war der Verkehr in Teheran zwar für Personenwagen frei, nicht aber für "schwere Fahrzeuge". Ausnahme bildeten Tankwagen und LKW mit Nahrungsmitteln. Alle Fahrzeugführer sollten ihren Führerschein und Fahrzeugbrief mit sich führen, um sie bei Kontrollen sofort vorzuzeigen. Die gesamte Polizei befinde sich in den Tagen der Konferenz in Alarmbereitschaft, sagte Sadschedinia. Sein Stellvertreter Radan sagte, 850 Polizeieinheiten seien mit 2900 Fahrzeugen und 2500 Motorrädern im Einsatz. Insgesamt seien 110.000 Polizisten direkt in Sicherheitsmaßnahmen eingebunden.

Laut Aussagen der Bewohner wurde im Stadtbezirk, in dem die Konferenz stattfindet, der Verkehr für Personenwagen stark eingeschränkt. Die gesamte Stadt sei von der Polizei beherrscht, Hubschrauber seien ständig am Himmel zu sehen. Auf den Dächern der Hochhäuser seien Soldaten mit Maschinengewehren postiert. Einige Bewohner der Konferenzgegend hätten ihre Wohnungen gegen Bezahlung für Sicherheitsbeamte freimachen müssen. Auch einige Schulen wurden den Beamten zur Verfügung gestellt. Ladenbesitzer seien angewiesen worden, während der Konferenztage nicht zu arbeiten. Sie sollten ihre Läden schließen.


IRAN UND ISRAEL - DER KONFLIKT ESKALIERT

Der Konflikt zwischen Iran und Israel wird immer schärfer. Am 2. August sagte US-Verteidigungsminister Leon Panetta auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem israelischen Kollegen Ehud Barak im südisraelischen Aschkelon, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei ein Militärangriff gegen iranische Atomanlagen ausgeschlossen. Zunächst müssten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Den Einsatz der USA für Israels Sicherheit bezeichnete Panetta als "solide wie ein Felsen".

Barak nannte die Wahrscheinlichkeit, dass Iran auf sein Atomprogramm verzichten werde, "sehr gering". Die endgültige Entscheidung über einen möglichen Angriff Israels auf Iran liege "ausschließlich bei der israelischen Regierung". Auch Ministerpräsident Netanjahu sagte während einer Pressekonferenz mit Panetta in Jerusalem, Wirtschaftssanktionen und diplomatischer Druck hätten "leider keine Auswirkungen" auf das iranische Atomprogramm. Die Zeit für eine friedliche Lösung laufe ab.

Am 5. August wurde bekannt, dass Israel mit Blick auf Iran und die Krise in Syrien seine Luftabwehr verstärkt habe. Der neue Raketenschutzschirm "Arrow II" werde präziser einsetzbar sein und eine größere Reichweite abdecken, sagte ein hochrangiger Vertreter des israelischen Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur Reuters. Mit dem System sollen Raketen in großen Höhen zerstört werden können, damit diese am Boden keinen Schaden anrichten. "Das ist ein Teil eines Wettlaufs der Technologien in der Region", sagte der Ministeriumsvertreter. Das US-Verteidigungsministerium und der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing sind am Projekt beteiligt.

Iran hat klargemacht, jeden Angriff Israels kontern zu wollen. Israel wisse, "dass ein Angriff auf Iran ein unerreichbarer Traum ist - außer es will Selbstmord begehen", zitierte IRNA Verteidigungsminister Ahmad Wahidi.

Am 9. August sagte Ehud Barak, die USA und Israel näherten sich in der Einschätzung des iranischen Atomprogramms mehr denn je einander an. Im Vergleich zu früheren Bewertungen durch Washington sei die jetzige Beurteilung "viel, viel näher an unserer". Sie mache das Iran-Thema "ein wenig dringlicher", fügte Barak im israelischen Rundfunk hinzu. "Die Möglichkeit, dass Iran zur Atommacht wird, rückt näher, und diese Gefahr muss gebannt werden." Für Israel und die USA seien "alle Optionen" offen.

Indes wurde bekannt, dass die israelische Armee die Zivilbevölkerung künftig per Kurznachrichten auf Handys vor drohenden Raketenangriffen warnen will. Sie startete am 12. August einen mehrtägigen Test eines neuen Systems. Israelische Medien interpretierten diesen Schritt als eine weitere Vorbereitung für eine mögliche Eskalation im Atomstreit mit Iran. Bewohner verschiedener Regionen in Israel, darunter die Städte Jerusalem, Tel Aviv und Haifa, erhielten eine SMS-Nachricht in hebräischer, arabischer, englischer und russischer Sprache. "Die Führung der passiven Verteidigung, Test des mobilen Alarmsystems", hieß es in der Testbotschaft des israelischen Militärs. Vier Tage lang sollte das Handy-Warnsystem erprobt werden, bevor ein landesweiter Test folgen würde, erklärte die Armee.

Am selben Tag haben mehrere hundert Israelis in Tel Aviv demonstriert, um die Regierung von einem möglichen Angriff auf Iran abzuhalten. Sie versammelten sich dazu vor einem Gebäude, in dem auch Verteidigungsminister Barak wohnt. Die Demonstranten riefen Barak und Netanjahu auf, eher zurückzutreten, als das Leben israelischer Bürger zu gefährden. Ein Mann, der ein Bild mit Barak in SS-Uniform hochhielt, wurde von den Organisatoren der Kundgebung fortgeschickt. Auch mehrere prominente israelische Autoren haben am 14. August Netanjahu in der Frage eines möglichen Angriffs auf Iran vor einem Alleingang gewarnt. Sie behielten sich rechtliche Schritte vor, falls Netanjahu nicht "bis Ende der Woche" sein 30-köpfiges Kabinett darüber abstimmen lasse, drohten die Schriftsteller in einem offenen Brief. Zu den Unterzeichnern gehörte auch der renommierte Autor Amos Os.

Die israelischen Kriegspläne sind offenbar weiter gediehen, als bislang bekannt: Nach Einschätzung des scheidenden Zivilschutzministers Matan Vilnai ist das Land besser als jemals zuvor für einen bewaffneten Konflikt mit Iran gerüstet. Dennoch müsse sich Israel im Falle einer militärischen Auseinandersetzung auf zahlreiche Tote einstellen, sagte Vilnai in einem am 15. August veröffentlichten Interview der Zeitung "Maariv". Die Streitkräfte seien darauf vorbereitet, an mehreren Fronten Krieg zu führen. Die Regierung rechne damit, dass bei einem israelischen Angriff die Kämpfe rund einen Monat dauern dürften. Täglich würden hunderte Raketen in Israel einschlagen und etwa 500 Menschen ums Leben kommen, sagte Vilnai. Die Äußerungen des Ministers waren die bislang explizitesten zu den Planungen der Regierung für den Konfliktfall. "Wie die Bürger Japans sich damit abfinden müssen, dass es dort Erdbeben geben kann, so müssen die israelischen Bürger verstehen, dass sie mit Raketen an der Heimatfront rechnen müssen", sagte Vilnai. "Das ist nicht angenehm, aber es müssen Entscheidungen getroffen werden und wir müssen vorbereitet sein."

Der mögliche militärische Alleingang Israels gegen Iran raubt Präsident Schimon Peres den Schlaf. "Was im Falle eines einseitigen israelischen Abgriffs passieren könnte, beunruhigt mich so sehr, dass ich nicht mehr schlafen kann", zitierte ihn die Zeitung "Jediot Achronot" am 19. August. Sein Büro wollte zu den Aussagen keine Stellung nehmen.

Anders als die Regierung in Jerusalem und der Westen würde sich eine Mehrheit der jüdischen Israelis einer Umfrage zufolge mit einem atomar bewaffneten Iran abfinden. Insgesamt 60 Prozent der 516 Befragten hätte der Aussage zugestimmt, dass Israel sich daran gewöhnen müsse, nicht die einzige Atommacht im Nahen Osten zu sein und dass Israel seine Sicherheitsstrategie entsprechend ändern sollte, teilte das israelische Institut für Demokratie in Jerusalem am 16. August mit.

61 Prozent der Befragten seien der Überzeugung, dass die israelischen Streitkräfte das iranische Atomprogramm nicht allein, also ohne die Hilfe der USA, zerstören könnten. Zugleich hätten aber 70 Prozent auch kein Vertrauen in die Zusage des US-Verteidigungsministers Panetta, die USA würden eine atomare Bewaffnung Irans notfalls selbst militärisch verhindern. Ein atomar bewaffneter Iran scheine vielen daher als unvermeidlich.


IRANISCHES SCHIFF DURFTE SUEZKANAL PASSIEREN

Die Behörde des Suez-Kanals hat sich dem Druck Washingtons widersetzt und einem iranischen Schiff auf dem Weg nach Syrien die Durchfahrt erlaubt. Das berichteten ägyptische Medien am 26. August unter Berufung auf Vizeadmiral Mohab Mamisch, der von Präsident Mohammad Mursi erst vor einigen Tagen zum Präsidenten der Kanalbehörde ernannt worden war. Westliche Beobachter vermuten, dass sich an Bord des iranischen Schiffes Waffen für die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad befanden.

Mursi geht offenbar weniger auf Distanz zu Iran als sein Vorgänger Husni Mubarak. Auch, dass er die Einladung zu der Konferenz der Blockfreien in Teheran angenommen hat, wird allgemein als ein Schritt zur Annäherung zwischen Kairo und Teheran gedeutet.


SYRIEN UND IRAN

Die Geiselnahme von 48 iranischen Bürgern durch Aufständische in Syrien hat dazu geführt, dass Teheran mehr als bisher in den Konflikt hineingezogen wird. Aufständische behaupten, bei den Iranern handele es sich um Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde, Iran hingegen bezeichnet sie als Pilger.

Die Geiselnahme ereignete sich, als die Iraner am 5. August mit dem Bus von dem Ort Sajeda Seinab zum Flughafen fuhren, berichtete IRNA. Von dort wollten sie nach Hause fliegen. Am nächsten Tag zeigte der Fernsehsender Al Arabia Aufnahmen von den Geiseln und einen bewaffneten Geiselnehmer, der behauptete, bei den Festgenommenen habe man Papiere gefunden, aus denen eindeutig hervorgehe, dass die Besitzer Mitglieder der Revolutionsgarde seien. Die Ausweise wurden im Film gezeigt. Die Rebellen erklärten am nächsten Tag, drei der Geiseln seien bereits tot. Sie drohten, alle Entführten hinzurichten, sollte die syrische Armee den Beschuss nicht einstellen.

Das iranische Außenministerium dementierte den Bericht. "Wir weisen diese Berichte einiger arabischer Medien kategorisch zurück", sagte ein Ministeriumssprecher in Teheran. Zudem schickte das Ministerium über die Schweizer Botschaft, die die amerikanischen Interessen in Iran vertritt, an Washington eine Protestnote, in der es die Vereinigten Staaten für die Sicherheit der Geiseln verantwortlich machte. Begründet wurde der Vorwurf mit dem Hinweis auf die Unterstützung syrischer Rebellen durch die USA. Später gab Iran zu, dass sich unter den Entführten Mitglieder der Garden befinden, allerdings seien diese im Ruhestand und deshalb nur als Pilger auf Reisen gewesen!

Am 6. August gab Teheran bekannt, dass die Regierung für den 9. August einige Staaten zu einem internationalen Treffen über die Lage in Syrien nach T eheran eingeladen habe. An dem Treffen sollen Vertreter von Ländern teilnehmen, "die bezüglich Syrien eine realistische Einstellung haben", sagte der iranische Vizeaußenminister Hussein-Amir Abdollahian laut IRNA.

Der Leiter des iranischen Militärstabs, Hassan Firusabadi, sagte der Nachrichtenagentur Fars, für das Blutvergießen auf syrischem Territorium seien Saudi-Arabien, die Türkei und das Emirat Katar verantwortlich. Es könne nicht die Grundlage der Politik der Nachbarn Syriens sein, "dem großen Satan (USA) bei seinen Kriegsabsichten zu helfen, denn in dem Fall wären nach Syrien die Türkei und die anderen dran", so der General. Zugleich warnte Firusabadi die "Freunde in Saudi-Arabien, der Türkei und Katar", vor der Ausdehnung eines Al-Kaida-ähnlichen Terrorismus. Die Türkei wies die Anschuldigungen umgehend zurück.

Am 7. August flog der iranische Außenminister Ali Ajkbar Salehi zu Gesprächen über die Syrien-Krise in die Türkei. Teheran hatte die Türkei und Katar um Vermittlung in der Geiselnahme gebeten. Zugleich reiste der iranische Spitzenpolitiker Said Dschalili zu einem Treffen mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nach Damaskus. Nach dem Treffen sagte Dschalali dem arabischsprachigen iranischen Fernsehsender Al-Alam, Teheran werde "alle zu Gebot stehenden Mittel" einsetzen, um die Geiseln freizubekommen. "Wir werden es nicht zulassen, dass irgendjemand die Ac hse des Widerstands (gegen Israel) zerbricht", sagte er weiter. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA verbreitete ein Foto von dem Treffen. Er zeigte Assad zum ersten Mal seit fast drei Wochen in der Öffentlichkeit. Der syrische Machthaber ist in der Regel nicht häufig öffentlich zu sehen. Assad erklärte: "Das syrische Volk und seine Regierung sind entschlossen, das Land von den Terroristen zu säubern und sie ohne Unterlass zu bekämpfen." Dschalili begab sich anschließend nach Libanon und in den Irak.

In dem nun auch international ausufernden Syrien-Konflikt nimmt Teheran mehr und mehr eine Rolle ein, die es angeblich nicht spielen wollte. "Die USA und andere Länder, die die Rebellen unterstützen, versuchen, Iran in den syrischen Konflikt hineinz uziehen und ihn einer Konfrontation mit den arabischen Staaten näher zu bringen", erklärte der iranische Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast. Saudi-Arabien und die Türkei, die die Rebellen in Syrien unterstützen, rivalisieren mit Iran um die Vormachtstellung in der Region.

Am 8. August sagte Ahmadinedschad der Agentur ISNA zufolge, er sehe noch Chancen für einen Frieden in Syrien. Er hoffe, dass sowohl das Syrien-Treffen am 9. August in Teheran als auch das bevorstehende islamische Gipfeltreffen in der s audischen Stadt Mekka eine Chance seien, "doch noch eine friedliche und interne Lösung für Syrien zu finden". "Militärische Konfrontationen im Syrien-Konflikt machen die Lage jeden Tag nur komplizierter", sagte der Präsident. Wenn alle daran arbeiteten, dass sich Regierung und Opposition in Syrien an einen Tisch setzen, könne es zum Frieden und einem Ergebnis zugunsten des syrischen Volkes kommen. Er warnte die Führer von Saudi-Arabien, die die bewaffneten Aufständischen in Syrien unterstützen, vor einer Dominanz der USA. "Weil sie die Macht der islamischen Länder verhindern wollen, beinhalte der neue Plan der Amerikaner im Nahen Osten politische Veränderungen in vielen Ländern, darunter auch in Saudi-Arabien."

Am 9. August fand in Teheran die angekündigte Syrien-Konferenz statt, an der nur wenige Länder teilnahmen. Entsprechend war das Ergebnis. Außenminister Salehi sagte zum Abschluss, die syrische Opposition solle im Dialog mit der Führung in Damaskus den Reformprozess vorantreiben. Es sei ein Irrtum zu glauben, die syrische Führung werde unter anhaltendem Druck zusammenbrechen. Durch Einmischung von außen werde die Krise nur verschlimmert.

Nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens nahmen Russland, China, Indien, Jordanien und eine Reihe anderer Staaten an dem Treffen in Teheran teil. Die meisten Länder waren nur durch ihre Botschafter vertreten. Westliche Nationen und die Mehrzahl der arabischen Länder, die wie die Rebellen in Syrien Assads Sturz fordern, waren nicht vertreten. Die teilnehmenden Staaten hätten in einer gemeinsamen Erklärung die iranische Forderung nach einem dreimonatigen Waffenstillstand unterstützt, hieß es weiter.

Kurz vor dem Syrien-Gipfel islamischer Staaten rief Ahmadinedschad die muslimische Welt zur Geschlossenheit auf. Die Sonderkonferenz der Organisation Islamischer Staaten (OIC) in Mekka sei eine Chance zur Annäherung und zum Schutz der Interessen der islamischen Nationen, sagte er laut iranischen Medien. "Muslimische Regierungen und Organisationen verschwenden einen Großteil ihrer Energie darauf, interne Konflikte auszutragen und einander zu schädigen."

Am 14. August warnte US-Verteidigungsminister Leon Panetta vor der Einmischung Irans in den Syrien-Konflikt. Diese Einmischung mache die Lage in Syrien nur noch schlimmer. Die Iraner seien dabei, eine paramilitärische Truppe zusammenzustellen um die syrischen Streitkräfte zu unterstützen. "Unsere Hoffnung ist es, dass Iran sich besser überlegt, wie sehr er verwickelt sein will", warnte Panetta. Die USA würden dafür sorgen, dass Teheran "nicht versucht, die Zukunft Syriens zu bestimmen". Dies sei allein Sache des syrischen Volkes. "Wir sehen einen steigenden Einfluss Irans, und das gibt Anlass zu tiefer Besorgnis", fügte Panetta hinzu. Allerdings machte er keinerlei Andeutungen über die Rolle und mögliche Einmischung der USA in Syrien. Er betonte nur, dass es keine amerikanische Waffenhilfe für die Rebellen gebe. Auch die Frage zur Errichtung einer Flugverbotszone sei nicht akut. Keinesfalls wollten die USA alleine vorgehen.

Bei dem OIC-Gipfel in Mekka stimmten die Außenminister der 57 Mitgliedsstaaten mehrheitlich für die Suspendierung Syriens von der OIC. Laut OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu gab es einen "Konsens mit überwältigender Mehrheit". Iran kritisierte den Beschluss und bezeichnete ihn als "ungerecht". Diese Position wurde nur noch von Algerien unterstützt. Sie stehe im "völligen Widerspruch zur Charta der Organisation", sagte Außenminister Salehi. Und Ahmadinedschad nannte die Entscheidung politisch motiviert. Zusammenarbeit sei "zielführender" als das Aussetzen der Mitgliedschaft, sagte er.

Am 22. August warf der Leiter der politischen Abteilung der Vereinten Nationen, Jeffrey Feltman, Iran vor, mit der Waffenlieferung an Syrien gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats verstoßen zu haben. Das syrische Volk leide zunehmend unter der Militarisierung des Konflikts. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon habe wiederholt seine Besorgnis angesichts der Waffenlieferungen aus dem Iran geäußert, die gegen ein 2007 gegen die Regierung in Teheran verhängtes Waffenexportverbot verstoßen, sagte er.


INDIEN VERMUTET IRANER HINTER ATTENTAT

Die indische Polizei verdächtigt einem Pressebericht zufolge iranische Revolutionsgarden hinter einem Attentat auf eine israelische Diplomatin zu stecken. Wie die "Times of India" am 30. Juli unter Berufung auf den Ermittlungsbericht der Polizei berichtete, sollen fünf Mitglieder der Revolutionsgarden gemeinsam mit einem indischen Journalisten den Bombenanschlag in Neu Delhi organisiert haben, bei dem am 13. Februar eine israelische Diplomatin in ihrem Wagen schwer verletzt worden war.

Nach Angaben der Zeitung ist ein Mann namens Huschang Afsar Irani der Drahtzieher des Anschlags in Neu Delhi. Er soll auch hinter zwei weiteren Attentaten auf israelische Diplomaten in Georgien und Thailand stecken. Demnach reisten die Verdächtigen mit Touristenvisa nach Indien ein und verließen das Land einen Tag nach dem Anschlag. Im März war bereits der iranische Journalist Seyd Mohammad Kazemi, der auch für die iranische Nachrichtenagentur IRNA arbeitete, wegen Beteiligung an dem Anschlag festgenommen worden.

Indes hat die bulgarische Polizei am 1. August ein Phantombild des mutmaßlichen Selbstmordattentäters veröffentlicht, der sich in einem mit Israelis besetzten Bus in die Luft gesprengt hatte. Das Bild soll helfen, den Attentäter zu identifizieren. Die Ermittler hatten am Tatort nur noch einzelne Körperteile des Mannes gefunden, was auf ein am Körper befestigte Bombe hinweist. Der Abgleich von DNA-Spuren führte bislang nicht weiter.

Bei dem Anschlag im bulgarischen Ferienort Burgas waren Mitte Juli fünf israelische Touristen, der bulgarische Busfahrer und der Attentäter gestorben. Die zuständige Pathologin Gilena Milewa sagte, der Mann könnte aufgrund seiner dunklen Haut "arabischer Herkunft" sein. Die israelische Regierung hatte unmittelbar nach dem Anschlag die iranische Führung verantwortlich gemacht und Teheran "Staatsterrorismus" vorgeworfen.


UNI POTSDAM KOOPERIERT WEITERHIN MIT IRANISCHER
HOCHSCHULE

Die Zusammenarbeit ist umstritten, aber die Universität Potsdam möchte die Kooperation mit der iranischen theologischen Hochschule in der heiligen Stadt Ghom fortsetzen. Sie begrüßte die Stellungnahme des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) zu dem 2011 gestarteten Austauschprojekt, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (edp) am 24. August in Potsdam. "Die Kooperation wird weitergehen."

Der deutsch-iranische Soziologe Wahid Wahdat-Hagh hatte das Projekt zuvor in mehreren Medien, darunter der "Jerusalem Post", kritisiert, berichtet edp. Die Universität Potsdam kooperiere mit einer Hochschule, die die totalitäre und antisemitische Staatsdoktrin Irans unterstütze, hieß es. Das Studium anderer Religionen diene in Ghom vor allem der Verbreitung der iranischen Staatsdoktrin. Wahdat-Hagh gehört auch dem Antisemitismus-Experten-Gremium des Bundestags an.

Der DAAD hatte am 23. August in Bonn erklärt, deutsche Hochschulen beim wissenschaftlichen Austausch auch mit Iran zu unterstützen. Zwar sei die offizielle Politik Irans "hochproblematisch", erklärte DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. Gerade deshalb sei es jedoch notwendig, "die wenigen noch vorhandenen Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen".

Zu dem Austauschprojekt der Universität Potsdam erklärte Wintermantel: "Wir empfehlen, die Zusammenarbeit fortzusetzen, solange sie wissenschaftlich seriös möglich ist." Wer sich auf deutscher Seite "für diesen notwendigen Dialog" engagiere, müsse ermutigt und nicht diskriminiert werden.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
11. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 9/2012 - September 2012 / 11. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2012