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DILJA/103: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 20 (SB)


Das "Massaker von Srebrenica" - nachgelieferte Letztbegründung für die gewaltsame Zerschlagung Jugoslawiens und Präzedenzfall der humanitär bemäntelten Kriegführung westlicher Hegemonialmächte

Teil 20: 1999 - das entscheidende Kriegsjahr. Die Srebrenica-Legende wird durch die Massaker-Inszenierung von Racak aktualisiert, um die Scheinverhandlungen von Rambouillet und damit den Krieg gegen Jugoslawien zu erzwingen


Die spätere Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien wäre ohne die vorherigen sogenannten Bosnischen Bürgerkriege schwerlich durchzuführen gewesen. Wie in Teil 3 [1] dieser kleinen Reihe dargelegt, hatte die frühere deutsche Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl 1991 maßgeblichen, um nicht zu sagen entscheidenden Anteil am Entflammen innerjugoslawischer Kriegshandlungen durch die Anerkennung der sezessionswilligen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien. Viele Jahre und zigtausende Kriegstote später war die Bundesrepublik Deutschland mit allen übrigen NATO-Staaten im Bunde, als es galt, zum letzten militärischen Schlag gegen das territorial bereits erheblich dezimierte Jugoslawien auszuholen. Um den NATO-Krieg, der vom 24. März bis zum 10. Juni 1999 als Bombardierungskrieg gegen ganz Jugoslawien geführt wurde, führbar zu machen, obwohl keinerlei Mandatierung durch die Vereinten Nationen vorlag, mußte ganz tief in die propagandistische Trickkiste gegriffen werden.

Zur Disposition gestellt und, mehr noch, auf den Müllhaufen endgültig wertlos gewordener internationaler Vereinbarungen geworfen wurde die gesamte Nachkriegsordnung inklusive ihrer völkerrechtlichen, in der UN-Charta niedergelegten Grundlagen, die die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines UN-Mitgliedstaates ebenso ausschlossen wie jedes, von streng begrenzten Ausnahmen der Selbstverteidigung abgesehen, militärische Vorgehen gegen einen anderen Staat. Etwaige Ausnahmen von diesen der Friedenssicherung geltenden Regeln hätten ggf. eines Mandats des Weltsicherheitsrats bedurft. Daß die NATO im Frühjahr 1999 inmitten Europas einen Krieg gegen ein Land zu führen begann, das für keinen seiner Nachbarn eine militärische Bedrohung darstellte oder auch nur die geringfügigsten Absichten hätte erkennen lassen, den völkerrechtlich gebotenen Respekt gegenüber anderen Staaten missen lassen zu wollen, hätte eigentlich einen Sturm der Entrüstung, um nicht zu sagen massivsten Widerstand in all ihren Mitgliedstaaten hervorrufen müssen und hätte dies womöglich auch getan, hätten die Kriegsplaner nicht systematisch und langfristig Vorsorge getroffen.

Insbesondere im Nachkriegsdeutschland hatten pazifistische und antifaschistische Positionen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen recht hohen Stellenwert gehabt. Die Wiedereinführung eines deutschen Militärs, sprich der Bundeswehr, war nur gegen erhebliche innenpolitische Widerstände möglich gewesen; sie konnte erst nach dem Verbot der KPD durchgedrückt werden. "Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz" - diese Worte brachten im Nachkriegsdeutschland bzw. der jungen Bundesrepublik die Haltung sehr vieler Menschen auf den Punkt, freilich ohne daß die Frage, ob nach dem Neuanfang tatsächlich die gesellschaftlichen Kräfte, die zur Durchsetzung ihrer spezifischen Interessen zu Krieg und Faschismus gegriffen hatten, von den entsprechenden Schaltstellen entfernt worden waren, öffentlich aufgeworfen, diskutiert und zu einem greifbaren Abschluß gebracht worden war. Dies war definitiv nicht geschehen, weshalb die weitverbreitete Antikriegsstimmung Gefahr lief, eines Tages durch andere Stimmungen ersetzt zu werden zu dem Zweck, zu der nach 1945 verschmähten Kriegführung zurückkehren zu können.

Dies geschah in der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1998 in einer, wenn man so will, inoffiziellen, ganz großen Koalition aller im Bundestag vertretenen Parteien. Am 8. Oktober hatten Gerhard Schröder als designierter Bundeskanzler und Joseph Fischer als künftiger Außenminister in Washington ihre Aufwartung gemacht und gegenüber dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, der bis heute unter dem Verdacht steht, bei einer Absprache mit den bosnischen Muslimen das 5000-Tote-Massaker von Srebrenica quasi bestellt zu haben, um eine Intervention der NATO in den bosnischen Bürgerkrieg zu ermöglichen, deutlich gemacht, daß es in der Jugoslawien-Politik keinen Bruch in der Haltung Deutschlands geben würde. Mit anderen Worten: Die neue rot-grüne Bundesregierung stellte gegenüber den USA noch vor ihrem Amtsantritt klar, daß sie willens sei, die Kumpanei des Schreckens aus der Zeit der Kohl-Kinkel-Regierung fortzusetzen, und so ließen Schröder und Fischer ihren Gesprächspartner wissen, daß militärische Maßnahmen der NATO in Jugoslawien für sie auch ohne UN-Mandat machbar seien.

Am 12. Oktober 1998 erteilte die Kohl-Regierung in Übereinstimmung mit ihren Amtsnachfolgern der NATO die Autorisierung für einen Krieg gegen Jugoslawien. Dabei hatte sich, wie der spätere Bundesaußenminister Fischer später zum besten geben sollte, noch folgendes zugetragen: US-Präsident Clinton war trotz der Zusicherungen Schröders und Fischers ungeduldig geworden und hatte an diesem Tag den künftigen Kanzler angerufen und diesem ein Ultimatum von fünf Minuten gestellt, innerhalb derer er seine definitive Zustimmung geben sollte. Da die SPD längst mit im Kriegsboot saß, gab es für Schröder keine Veranlassung, sich dem Druck aus Washington zu widersetzen. Doch Schröder und mehr noch Fischer sollten sich in der Folgezeit nicht nur als willige Kriegspartner der USA erweisen. Fischer warb geradezu für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien und warf das politische Erbe eines pazifistischen und antifaschistischen Nachkriegsdeutschlands in die Waagschale, an das seine Partei mehr noch als die SPD stets anzuknüpfen versucht hatte.

Fischer machte aus "Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz" ein "Nie wieder Srebrenica", der SPD-Politiker Freimut Duve sprach von der "Rampe von Srebrenica". Die Stoßrichtung war ein und dieselbe: Aus einer ablehnenden Haltung gleichermaßen gegenüber Krieg und Faschismus sollte ein "antifaschistischer" Krieg geformt werden. Im Handumdrehen wurde die NATO zur größten antifaschistischen Friedenstruppe, die sich um der Menschenrechte willen nicht vor dem Einsatz letzter, und das hieß militärischer Mittel scheute ... Der mediale Nährboden für eine derart hochkomprimierte bellizistische Positionierung war schon während der Kriegsereignisse vom Juli 1995 in und um Srebrenica gelegt und über die seitdem vergangenen Jahre erhalten und verfestigt worden mit dem Ergebnis, daß in den kriegsvorentscheidenden Jahren 1998 bzw. 1999 die Bevölkerungen der führenden NATO-Staaten mehrheitlich zu der Auffassung gebracht worden waren, daß die Serben in Srebrenica einen Völkermord an den bosnischen Muslimen verübt hätten, dem Tausende Menschen zum Opfer gefallen seien.

Ohne diesen Nährboden hätte das, was in den Monaten nach dem vom NATO-Rat am 13. Oktober 1998 erlassenen Aktivierungsbefehl bis zum Kriegsbeginn noch geschah, schwerlich bis an die Schwelle eines Bombenkrieges und schließlich darüber hinweg geführt werden können. Auf der letzten Wegstrecke lagen zwei miteinander aufs Engste verzahnte Ereignisse, die es angesichts der katastrophalen Folgen, die diese mit Erfolg betriebene Eskalationsstrategie namentlich für die Bürger Jugoslawiens zeitigen sollte, wert sind, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Es sind dies die angeblichen, ebenfalls von serbischer bzw. jugoslawischer Hand verübten Massaker von Racak sowie die sogenannten Friedensverhandlungen von Rambouillet. All dies kulminierte ab Januar 1999 unaufhaltsam in den Krieg, wobei das vorgebliche Massaker von Racak eine finale und die Srebrenica-Legende von der serbischen Alleinschuld am Völkermord aktualisierende Wirkung entfaltete.

In seinen Memoiren sollte der damalige Bundesaußenminister Fischer später fragen [2]: "Warum, so fragte ich mich, mußte ausgerechnet die erste Bundesregierung, die von der politischen Linken gebildet worden war, mit Deutschland wieder in den Krieg ziehen? (...) Die Welt kann sehr ungerecht sein, warum wir?" Die Frage wäre leicht zu beantworten gewesen; schließlich lag auf der Hand, daß eine konservativ-liberale Bundesregierung, hätte sie das Verbrechen Beteiligung an einem Angriffskrieg im Alleingang begangen, politische Proteste und einen womöglich rasch anwachsenden Widerstand gegen diesen Krieg nicht nur von seiten der wo auch immer zu verortenden Linken sowie der Friedensbewegung, sondern auch aus der Wähler- und Anhängerschaft der rot-grünen Parteien zu gewärtigen gehabt hätte. Was also lag näher, als das Spektrum der "politischen Linken", von der Fischer behauptet, daß sie die 1998 neugewählte Bundesregierung gebildet hätte, vollständig zu besetzen und in die längst beschlossene Kriegführung einzubinden?

Fischer allerdings gab im Januar 1999 eine andere Antwort. Daß ausgerechnet Rot-grün den ersten Krieg, der von deutschem Boden entgegen aller vorherigen Bekundungen ausging, führen mußte, begründete der Grünen-Minister so: "weil wir gewählt worden waren und weil es im Kosovo um unsere Grundwerte ging." Und Fischer stützte seinen Bellizismus explizit auf Srebrenica. Er ließ den Spiegel wissen [3]: "Srebrenica war die Wende" und "Seit Srebrenica habe ich meine Position verändert". Mitte Januar 1999 ereignete sich im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen der kosovo-albanischen Guerilla UCK und den serbischen bzw. jugoslawischen Sicherheitskräften ein Feuergefecht, dessen Tote am darauffolgenden Tod der Medienöffentlichkeit als Massakeropfer präsentiert wurden. Diese Deutung hat gegenüber der offiziellen Theorie bzw. Darstellung eine weitaus höhere Plausibilität. Doch was war geschehen?

William Walker, der Chef der von der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) auf der Basis des Holbrooke-Plans in der serbischen Provinz Kosovo eingesetzten Beobachterkommission "Kosovo Verification Force" (KVM), hatte am 16. Januar 1999 schwerste Anschuldigungen gegen die serbische Polizei erhoben. Demnach hätte diese am Tag zuvor in dem im Kosovo gelegenen Dorf Racak ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt und 45 Menschen kaltblütig ermordet. Tatsächlich war es in Racak am 15. Januar zu einer Operation der serbischen Sicherheitskräfte gegen bewaffnete UCK-Kämpfer gekommen, die serbischerseits zuvor öffentlich angekündigt und sowohl von einem Kamerateam der Nachrichtenagentur ap sowie von Mitarbeitern der OSZE beobachtet worden war. Im Verlauf der Gefechte gelang es den serbischen Kräften, den Ort zu erstürmen, woraufhin sich die UCK-Kämpfer auf die umliegenden Hügel zurückzogen, um von dort aus ihre Gegner unter Feuer zu nehmen. Die serbische Polizei folgte ihnen. Bei einem anschließenden Gefecht sollen 15 UCK-Kämpfer gefallen sein, während es den übrigen abermals gelang zu fliehen. Die Serben kehrten in das Dorf zurück, stellten die dort befindlichen Waffen der UCK sicher und verließen Racak noch vor Anbruch der Dunkelheit.

In den verlassenen Ort kehrten die überlebenden UCK-Angehörigen noch am selben Abend zurück. Am Morgen des darauffolgenden Tag zeigten sie der Weltöffentlichkeit 45 Leichname, die, nebeneinander gelegt, zunächst tatsächlich aussahen wie die Opfer einer systematischen und zielgerichteten Hinrichtungsaktion. Erste Widersprüche taten sich auf. Wenn es ein Massaker an der Dorfbevölkerung, wie der eilig hinzugekommene OSZE-Chef Walker behauptete, gewesen war, warum befanden sich dann unter den Opfern 42 Männer im wehrfähigen Alter und nur zwei Frauen und ein zwölfjähriges Kind? Walker allerdings schürte das Kriegsfeuer und befeuerte die ohnehin massiven Spannungen in der Krisenregion durch ausschließlich gegen die Serben gerichtete Anschuldigungen. Ihnen attestierte er eine "unaussprechliche Grausamkeit". Für sie besäße "das menschliche Leben keinen Wert", erklärte er der entsetzten Weltöffentlichkeit. Und noch bevor eine offizielle Untersuchung eingeleitet oder zum Abschluß gebracht werden konnte, stand das Urteil fest, denn Walker erklärte, die Serben hätten in Racak ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen.

Worauf also noch warten oder gar den Unstimmigkeiten zwischen der von Walker verbreiteten Version und einer Darstellung der Ereignisse, wie sie von der konservativen französischen Tageszeitung "Le Figaro" geleistet worden war, nachspüren? Der Figaro war durch einen eigenen Korrespondenten in der fraglichen Massaker-Zeit vor Ort gewesen, was William Walker, der erst am darauffolgenden Tag in Racak erschien, nicht von sich behaupten kann. Laut Figaro hatten die in zwei OSZE-Fahrzeugen mit US-amerikanischen Kennzeichen angereisten Beobachter am 15. Januar stundenlang das Gefecht von einem nahegelegenen Hügel aus observiert. Gegen 15 Uhr hätten die serbischen Polizeikräfte dem internationalen Pressezentrum in Pristina den Tod von 15 UCK-Kämpfern sowie die Beschlagnahmung umfangreicher Waffenfunde gemeldet. Gegen 16.40 Uhr sei ein französischer Journalist durch das Dorf gegangen und habe dabei beobachtet, wie OSZE-Beobachter in aller Ruhe mit Dorfbewohnern sprachen, wobei es um die Suche nach möglichen zivilen Opfern gegangen sei. Gegen 18 Uhr habe der französische Journalist gesehen, wie OSZE-Beobachter mehrere ältere, leicht verletzte Dorfbewohner weggebracht hätten. Die OSZE-Mitarbeiter hätten ihm nichts Ungewöhnliches berichtet und ihm lediglich mitgeteilt, daß sie "die Zahl der Gefallenen" noch nicht festgestellt hätten. Am 20. Januar 1999 hieß es dann im Figaro [4] zu dem weiteren Verlauf der Ereignisse:

Die Szene mit den im Graben liegenden, zivil gekleideten albanischen Leichen, die die ganze Welt schockieren sollte, wurde erst am nächsten Vormittag gegen neun Uhr entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Dorf wieder in der Hand der bewaffneten (UCK)-Soldaten, die die ausländischen Besucher, sobald diese eintrafen, zum vermeintlichen Ort des Massakers führten. Gegen Mittag erschien William Walker persönlich und brachte seine Empörung zum Ausdruck.

Erschwerend für die von OSZE-Chef Walker verbreitete Version kam hinzu, daß, wie der Figaro desweiteren berichtete, die von dem ap-Kamerateam während der fraglichen Zeit am 15. Januar aufgenommenen Bilder

... ein völlig anderes Bild aufzeigen. In der Tat war das Dorf leer, als die Polizei am Morgen einrückte ... Der Schußwechsel war sehr heftig, da sie von KLA-Gräben oben an den Berghängen beschossen wurde. Die anschließenden Kämpfe an den Berghängen tobten noch heftiger.

Die ungeschnittene ap-Videoaufnahme dokumentiert ein intensives Feuergefecht zwischen der serbischen Polizei und den von ihr eingekreisten UCK-Kämpfern, nicht jedoch das in der Weltpresse so vielfach bezeugte Massaker an wehrlosen Dorfbewohnern. Die Schlußfolgerung, daß die Massakerlegende von Srebrenica, die nach Auffassung der dominierenden und auch die Konzernmedien kontrollierenden westlichen Führungselite die Letztbegründung für die Völkermordabsichten der Serben geliefert hatte, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits fast vier Jahre alt war, für den unmittelbar bevorstehenden Krieg der NATO aktualisiert werden sollte durch ein neues "Massaker", drängt sich nicht nur auf, sondern konnte bis heute nicht entkräftet werden. Wenn es ein solches Kriegsverbrechen in Racak tatsächlich gegeben hätte, wie könnte dann zum Beispiel erklärt werden, daß westliche Journalisten nur wenige Patronenhülsen an dem Graben fanden, an dem angeblich 23 der 45 Opfer hingerichtet worden sein sollen?

Am Tag nach dem Feuergefecht, aus dem mit weltweit durchschlagender Wirkung innerhalb weniger Stunden eine antiserbische bzw. antijugoslawische "Stimmung" erzeugt werden konnte, die das Potential in sich trug, die Eskalationsschrauben bis in den Krieg anzuziehen, reisten weitere Journalisten und OSZE-Beobachter an den Ort des Geschehens, um sich bereitwillig von nicht minder bereitwilligen (albanischen) Dorfbewohnern schildern zu lassen, wie sich serbische Polizisten mit Gewalt Zutritt zu ihren Häusern verschafft und die Männer von den Frauen getrennt hätten, um sie anschließend in die Berge zu treiben und dort zu töten.

Christophe Chatelot, Kosovo-Korrespondent der französischen Zeitung "Le Monde", bekundete Zweifel an dieser Massakerdarstellung, die er mit Augenzeugenaussagen begründete, denen zufolge es stundenlange Kämpfe zwischen der Polizei und den gut verschanzten UCK-Schützen gegeben hatte um das weitgehend verlassen daliegende Dorf Racak. Chatelot stellte Fragen [4], die von den internationalen Medien ebensowenig aufgegriffen wurden wie von den Verantwortlichen bei der OSZE oder auch der Balkan-Kontaktgruppe, die sich, bestehend aus Repräsentanten der führenden Staaten der Vereinten Nationen, der NATO und der EU (USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien und Rußland), seit Mai 1998 um die Beilegung des Kosovo-Konflikt zu kümmern vorgegeben hatte:

Wie hätte die serbische Polizei eine Gruppe von Männern zusammentreiben und zur Hinrichtungsstätte führen können, während sie durchgehend unter UCK-Beschuß stand? Wie konnte der Graben am Rande Racaks - wo die Massakeropfer später aufgefunden wurden - der Aufmerksamkeit der Dorfbewohner, die schon vor Einbruch der Dunkelheit zurückgekehrt waren, entgehen? Das gleiche gilt für die OSZE-Beobachter, die sich mehr als zwei Stunden lang in diesem winzigen Dorf aufgehalten haben. Warum hat man so wenige Patronenhülsen um die Leichen herum und so wenig Blut an jenem Ort gefunden, wo 23 Menschen aus nächster Nähe mit mehreren Kopfschüssen getötet worden sein sollen? Kann es nicht eher sein, daß die Leichen der durch die serbische Polizei im Kampf getöteten Albaner in einem Graben gesammelt wurden, um ein Bild des Horrors zu erzeugen, das verheerende Wirkung auf die öffentliche Meinung haben sollte?

Es fehlten unabhängige Ermittler und Sachverständige, die diesen Fragen unbeeinflußt von dem durch OSZE-Chef Walker verhängten und durch die westliche Presse nahezu vollständig kolportierten Schuldspruch hätten nachgehen können und dürfen. Die Leichname wurden einem Forensikerteam unter Leitung der finnischen Expertin Helena Ranta überstellt. Diese hatte sich zunächst positiv über ihre Zusammenarbeit mit den jugoslawischen Behörden geäußert. Am 17. März 1999, zwei Monate nach dem vermeintlichen Massaker von Racak, wurde sie bei der Präsentation ihres Abschlußberichts massiv unter Druck gesetzt, sich der Walker-Version anzuschließen. Die Präsentation fand im Hauptquartier der OSZE in Pristina statt. Ranta verwahrte sich zunächst gegen die an sie gerichtete Erwartung, die Täter der mutmaßlichen Massaker zu benennen und erklärte, dies könne nur die Angelegenheit eines kompetenten Gerichts sein.

Das finnische Team hatte den Ort, an dem die Leichname aufgefunden worden waren, jedoch nicht inspiziert und die Toten erst fünf Tage später obduziert. Die Angaben eines aus serbischen und ukrainischen Pathologen gebildeten Teams, das zuvor Untersuchungen vorgenommen hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, es habe sich um Gefechtstote gehandelt, suchte Ranta zu entkräften mit der Begründung, daß der von diesen Experten verwendete Paraffin-Test in Finnland schon seit 20 Jahren nicht mehr verwendet werde, da er auch auf andere Substanzen als auf Pulverrückstände positiv reagiere. Gleichwohl widersetzte sich die finnische Expertin jeglichen Versuchen der anwesenden Journalisten, ihr das Wort "Massaker", das, wie sie anmerkte, nicht in den Wortschatz von Gerichtsmedizinern gehöre, zu entlocken. Schließlich ließ sie sich die Formulierung abringen, es habe sich um ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gehandelt, erklärte auf Nachfrage jedoch, daß erst weitere Untersuchungen die Frage klären könnten, ob die Opfer in einem Gefecht zweier feindlicher Parteien ums Leben gekommen oder von einer Tätergruppe hingerichtet worden seien.

Der Weg in den Krieg war von seiten der NATO zu diesem Zeitpunkt längst unumkehrbar beschritten worden; einzig eine Kapitulation, mit der der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic die Souveränität seines Landes preisgegeben und der Stationierung ausländischer Truppen zugestimmt hätte, hätte den Bombenkrieg wohl noch verhindern können. Die Massaker-Legende von Racak hatte, völlig unabhängig von der Frage, was forensische Untersuchungen tatsächlich zu welchem Zeitpunkt ergeben hatten, ihre Schuldigkeit längst getan. Vier Tage "nach Racak" hatte der NATO-Verteidigungsrat eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Aus Brüssel verlautbarte, man sei "zum Eingreifen bereit". Am 31. Januar 1999 wurde NATO-Generalsekretär Javier Solana ermächtigt, militärische Maßnahmen gegen serbische Ziele einzuleiten. Schon zu diesem Zeitpunkt signalisierte der deutsche Bundeskanzler Schröder seine Bereitschaft, auch deutsche Bodentruppen in den Kosovo zu entsenden.

Drei Tage zuvor hatte die Washington Post die Meldung lanciert, Belgrad habe den im Kosovo stationierten serbischen Polizeikräften befohlen, in Racak "hart zuzuschlagen". Begründet wurde dies mit von westlichen Diensten angeblich mitgeschnittenen Telefonaten, wozu die Londoner Times seinerzeit die Frage aufwarf, ob die von William Walker, der über umfangreiche geheimdienstliche Erfahrungen verfügt, geleitete Beobachterkommision (KVM) nicht in der Lage gewesen sein könnte, derartige Beweise für ihre Massaker-Theorie aus Telefonatsmitschnitten mit den jugoslawischen Stellen selbst zu produzieren? Für die Klärung dieser und vieler weiterer Fragen bestanden im Frühjahr 1999 auf westlicher Seite weder Zeit noch Interesse. Zeitgleich zu der am 31. Januar 1999, zwei Wochen "nach Racak" erfolgten Kriegsermächtigung an NATO-Generalsekretär Solana wurden die beteiligten Parteien des Kosovo-Konflikts, die Serben und die Kosovo-Albaner, zu einer Konferenz nach Rambouillet, einem Schloß in der Nähe von Paris, eingeladen, die offiziell als "Friedensverhandlung" deklariert wurde, um zu kaschieren, daß hier einzig an die serbische Seite auf dem Weg in den von der NATO längst beschlossenen Krieg unannehmbare Forderungen gestellt werden sollten.

(Fortsetzung folgt)

Anmerkungen:

[1] Schattenblick, GEISTESWISSENSCHAFTEN\MEINUNGEN, DILJA/086:
Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 3 (SB)
1991 - Der erste Schlag gegen Jugoslawien: Die Anerkennung der Abspaltung Sloweniens und Kroatiens durch Deutschland. Die Lunte für den Bürgerkrieg ist gelegt, der Ausbau der EU zur Hegemonialmacht schreitet voran

[2] "Kriegermemoiren ausgewertet. Clinton, Albright, Fischer und der Kosovo", von Rüdiger Göbel, junge Welt, 12.01.2008, S. 13; darin zitiert aus: "Kriegslügen. Der NATO-Angriff auf Jugoslawien", von Jürgen Elsässer, vollständig aktualisierte Fassung, Verlag Kai Homilius, Berlin 2008

[3] "Der Mythos Srebrenica und Massaker. Legendenbildung und - verschwiegene - Wahrheit", von Dr. Hans-Georg Ruf, 21.9.2005
PDF-Download siehe forum solidarisches und friedliches augsburg,
www.forumaugsburg.de/s_3themen/Internationales/051010_srebrenica/index.htm

[4] Schattenblick, POLITIK\REDAKTION, HISTORIE/102: Kriegschronik Jugoslawien - Initialzündung Racak. Wie der Stein ins Rollen gebracht wurde, 31.12.1999

22. Oktober 2009