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DILJA/065: Südafrika - Statthalterstaat des Imperiums - Teil 4 (SB)


Statthalter westlicher Hegemonialmächte auf dem schwarzen Kontinent - Südafrika vor, während und nach der Apartheid


Teil 4: Die Zäsur von 1960 - der Apartheidwiderstand vollzieht den Schritt zum bewaffneten Kampf - Interventionen der CIA können nicht ausgeschlossen werden

"Die Beweise lassen keinen Zweifel, daß die Vereinigten Staaten in mehrere Mordkomplotte verwickelt waren." Mit diesen Worten wurde 1975 der Mordreport eingeleitet, eine nach mehrmonatigen Untersuchungen erstellte Analyse der Machenschaften des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, der unter Leitung des demokratischen US-Senators Frank Church von einem von regierenden Republikanern wie oppositionellen Demokraten gemeinsam gebildeten Senatsausschuß erstellt worden war. Am 4. Dezember 1975 hatte der 1984 verstorbene Senator Church die Ergebnisse des unter dem Titel "Sumpf der amerikanischen Außenpolitik" veröffentlichten CIA-Berichts einer ob des damit einhergehenden Ansehensverlustes der USA unangenehm berührten amerikanischen Öffentlichkeit vorgestellt. In dem 350 Buchseiten umfassenden Report wurde die in die Amtszeiten von vier Präsidenten - Dwight D. Eisenhower (1952-1961), John F. Kennedy (1961-1963), Lyndon B. Johnson (1963-1968) und Richard M. Nixon (1968-1974) - fallende Praxis politischer Morde, Mordversuche und weiterer geheimdienstlicher Interventionen akribisch aufgeführt.

Diese Enthüllungen führten 1976 zu dem von Präsident Gerald Ford verhängten formalen Verbot politischer Morde der CIA oder anderer US-Dienste im Ausland, das im Zuge Nine-Elevens 2001 durch den gegenwärtigen Kriegspräsidenten Bush Junior ohne viel Federlesens wieder aufgehoben wurde. Es versteht sich nahezu von selbst, daß aus diesem Verbot keineswegs abgeleitet werden kann, daß die CIA im Zeitraum zwischen 1976 und 2001 ernsthaft daran gehindert worden wäre, die "schmutzigen Dinge" zu tun, die nach der damals wie heute innerhalb der US-Eliten einhellig vertretenen Auffassung, der "Antikommunismus" bzw. "Antiterrorismus" rechtfertige jede Mordtat, getan werden müssen. Schon im Mordreport von 1975 war dieser Versuch, eine Rechtfertigungsargumentation aufzubauen, enthalten gewesen. So warb er für Verständnis für die Mordpolitik der CIA mit dem Hinweis, diese müsse "in Zusammenhang mit der Politik und den Aktionen der Vereinigten Staaten gesehen werden, die darauf gerichtet waren, die Drohung eines sich ausbreitenden Kommunismus zu bekämpfen."

Dies war nicht nur die einhellige Auffassung des Senatsausschusses, dies entsprach voll und ganz den damals für die CIA maßgeblichen Richtlinien. Die Direktive NSC 5412/2 der "National Security Councils" (NSC, Nationaler Sicherheitsrat der USA) galt von 1955 und 1970. In ihr waren auch die Richtlinien für die Tätigkeit der CIA festgelegt worden. Im Untersuchungsberichts des US-Senatsausschusses von 1975 hieß es dazu:

Diese Direktive gab der CIA den Auftrag, den 'internationalen Kommunismus' in der Welt in einer Weise zu bekämpfen, zu reduzieren und zu diskreditieren, die mit der Außen- und Militärpolitik der Vereinigten Staaten übereinstimmt. Sie wies die CIA außerdem an, geheime Operationen zu unternehmen, um dieses Ziel zu erreichen, und definierte geheime Operationen als jede Art verdeckter Aktivitäten, die sich auf Propaganda, wirtschaftliche Kriegführung, politische Aktionen (einschließlich Sabotage, Zerstörung und Unterstützung für Widerstands-Bewegungen) und alle Aktivitäten bezogen, die mit der Direktive vereinbar sind.


(zit. nach: "Mord-Report - Der Staatsterrorismus der USA", Sonderdruck der Zweiwochenschrift "Ossietzky" im Dezember 2001)

In einer Rede, die Senator Church vor nunmehr über 30 Jahren anläßlich der damaligen Enthüllungen in Washington gehalten hatte, hatte dieser klargestellt, daß all diese "Einsätze" ohne Wissen und Einverständnis des Kongresses begonnen worden seien. "Kein Land war zu klein, kein ausländischer Staatsmann zu unbedeutend, um unserer Aufmerksamkeit zu entgehen", so Church. Es darf und muß daher angenommen werden, daß die CIA diese Aufmerksamkeit auch der Entwicklung am Südzipfel Afrikas angedeihen ließ. Nachweislich war der Ministerpräsident der im Juni 1960 unabhängig gewordenen Republik Kongo, Patrice Lumumba, vom langen oder verlängerten Arm der CIA ermordet worden. Dabei waren diesem bei einem Besuch in Washington am 27. Juli 1960 US-Hilfen für den jungen Staat zugesichert worden.

Tatsächlich jedoch hatte Lumumba in der US-Metropole einen denkbar schlechten Eindruck hinterlassen, wie der damalige stellvertretende US-Außenminister Douglas Dillon am 2. September 1975 vor dem Senatsausschuß zur Untersuchung der Mordkomplotte der CIA mit den Worten bestätigte: "Das war eine Persönlichkeit, mit der wir uns nicht einigen konnten. Als Folge davon verschärfte sich die Haltung der Regierung beträchtlich." Die "Haltung" der US-Regierung "verschärfte" sich so sehr, daß Lumumba, der sich zunächst unter den Schutz von UN-Truppen gestellt hatte, unter tatkräftiger Mithilfe der CIA in die Hände seiner Todfeinde geriet und am 17. Januar 1961 ermordet wurde. In einem kurz nach seinem Tod vom Chef der CIA in Elisabethville, dem Sitz der Separatistenregierung Tschombes, des erbittertsten Gegners Lumumbas, nach Washington übermittelten Telegramm, das vom CIA-Untersuchungsausschuß als "ungewöhnlich" klassifiziert wurde, hieß es schlicht: "Danke für Patrice."

Der erste Präsident der soeben für unabhängig erklärten Republik Kongo war seinen Gegnern nicht unbedingt nur wegen seiner charismatischen Ausstrahlung verhaßt gewesen. Der Senatsausschuß, der erklärtermaßen "massive Beweise" für Mordpläne gegen Lumumba erhalten hatte, stellte in seinem Bericht dazu fest: "Lumumba wurde wegen seiner magnetischen Ausstrahlung auf die Öffentlichkeit und wegen seiner Anlehnung an die Sowjetunion von den verantwortlichen Politikern der USA mit Unruhe beobachtet." Mit anderen Worten: Wenn eine US-Administration eine politische Entwicklung und/oder ihnen unliebsame Politiker "mit Unruhe beobachteten", war höchste Vorsicht geboten. Dem 1975er CIA-Bericht zufolge haben es mit Fidel und Raul Castro nur zwei Menschen überlebt, von der CIA zum Ziel eines Mordanschlages erklärt zu werden.

Nun ist die Ermordung eines politischen Kontrahenten nicht immer und nicht unbedingt das erste Mittel der Wahl. Senator Frank Church listete deshalb in seiner anläßlich der Veröffentlichung des CIA-Berichts gehaltenen Rede weitere Beispiele nachgewiesener CIA-Aktivitäten auf, um das breite Spektrum derartiger Maßnahmen anzudeuten:

Wir beseitigten die Regierung von Guatemala, als uns ihr Linkstrend mißfiel; wir versuchten, einen Bürgerkrieg gegen Sukarno in Indonesien anzuzetteln; wir intervenierten, um den Schah wieder auf den Thron in Iran zu bringen, nachdem Mossadegh die Monopolherrschaft von British Petroleum über das iranische Erdöl gebrochen hatte; wir versuchten, mit einem gescheiterten Landeunternehmen einer Exilarmee in der Schweinebucht eine Konterrevolution in Kuba zu starten; wir führten sogar einen geheimen Krieg in Laos und bezahlten Angehörige des Meo-Stammes und thailändische Söldner dafür, daß sie dort für uns kämpften.

Was aber könnte all dies mit Südafrika zu tun gehabt haben? Womöglich weitaus mehr, als nach allgemeiner Kenntnislage der historischen Entwicklung bislang bekannt geworden ist. Edelgard Nkobi-Goldberg, die als profunde Kennerin der Geschichte und Gegenwart Südafrikas gilt, hatte das bereits im Jahre 1965 von dem südafrikanischen Anwalt Joel Joffe verfaßte Buch "Der Staat gegen Mandela. Die Jahre des Kampfes und der Rivonia-Prozeß" (*) erstmals ins Deutsche übersetzt, so daß es im Jahre 2006 als letzte große Arbeit der im Dezember 2006 in Kapstadt verstorbenen junge-Welt-Autorin erscheinen konnte. In ihrem Nachwort zu diesem Buch hatte Nkobi-Goldberg darauf hingewiesen, daß die USA und Großbritannien im Jahre 1961 sehr genau alle Vorgänge verfolgt hätten, die zur Gründung des bewaffneten Arms des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) geführt hatten. Neuere Quellen würden, so Nkobi-Goldberg, belegen, daß sowohl die CIA als auch der britische Auslandsgeheimdienst MI5 involviert gewesen wären: "Beide Geheimdienste hatten sich schon lange ins Geschehen eingeschaltet, spätestens über die Auslandsreise Nelson Mandelas 1962."

Was eine solche "Einschaltung", so sie denn stattgefunden hat, genau bedeutet und inwiefern sie über die bloße Beobachtung hinausgegangen sein mag, sind naheliegende Fragen, die allerdings noch immer der schonungslosen Aufklärung bedürften. Angesichts der Enthüllungen, die bereits im Jahre 1975 über CIA-Aktivitäten der schmutzigsten Art auch auf dem afrikanischen Kontinent veröffentlicht worden waren, wäre zumindest festzustellen, daß Interventionen der CIA und/oder anderer westlicher Geheimdienste in die Entwicklung Südafrikas - insbesondere um 1960 herum - nicht ausgeschlossen werden können. Und da laut NSC-Direktive ab 1955 jede noch so verdeckte und geheime Operation der CIA legitim war, so sie denn nur dem Zweck diente, den "Kommunismus" zurückzudrängen, zu bekämpfen und zu schwächen, ist es nur schwer vorstellbar, daß die Agentur ausgerechnet Südafrika außer acht gelassen haben könnte.

Immerhin hatte sich die 1950 verbotene "Südafrikanische Kommunistische Partei" (SACP), wie sich die 1912 gegründete, älteste kommunistische Partei Afrikas nach ihrer Illegalisierung genannt hatte, 1956 im Untergrund Strukturen geschaffen, um trotz des Verbots ihre Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Die SACP stand hinter Nelson Mandela, dem Gründungskommandeur von "Umkhonto we Sizwe" (der Zulu- Bezeichnung für "Speer der Nation"), wie sich die Untergrundvolksarmee des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) nannte. "Umkhonto we Sizwe", abgekürzt "MK", hatte sich konstituiert, nachdem 1960 das Blutbad von Sharpeville die Anti-Apartheidbewegung in Südafrika, aber auch die Befreiungsbewegungen in ganz Afrika, radikalisiert hatte. MK verstand sich als "bewaffneter Arm des Volkes gegen die Regierung [Südafrikas] und ihre Politik der Rassenunterdrückung". In dem Manifest von Umkhonto hieß es 1961: "Im Laufe ihrer Geschichte wird jede Nation einmal vor die Frage gestellt: sich zu unterwerfen oder zu kämpfen."

Nelson Mandela war in den Jahren 1960/61 untergetaucht. Im äthiopischen Addis Abbeba hatte er in dieser Zeit den ANC auf dem Kongreß der panafrikanischen Befreiungsbewegung ("Pan African Freedom Movement") vertreten, um bei den frisch entkolonialisierten Staaten um Unterstützung für den ANC zu werben, bevor er zurück nach Südafrika in die Illegalität ging. Mandela sollte 1964 in seiner Verteidigungsrede vor Gericht seinen Entschluß zum bewaffneten Kampf - er wurde der erste Oberkommandierende Umkhontos - folgendermaßen begründen: "Ich habe mich nach einem ruhigen und nüchternen Abwägen der politischen Lage, die auf Jahren der Tyrannei, der Ausbeutung und der Unterdrückung meines Volkes seitens der Weißen basiert, entschieden".

Die westliche Welt, offensichtlich in mehr oder minder stillschweigender Kooperation mit dem Apartheidregime, hatte sich vergeblich bemüht, eine solche Entwicklung zu verhindern. Mit dem Massaker von Sharpeville war eine rote Linie überschritten worden, weil auch den gemäßigteren Kräften innerhalb des ANC unmißverständlich klargemacht worden war, daß das Regime die vom ANC seit seiner Gründung im Jahre 1912 (!) praktizierte Politik der "Gewaltlosigkeit" nicht honorieren würde. Am 21. März 1960 hatte die Polizei des Apartheidstaates das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten eröffnet, die einem Aufruf des Panafrikanischen Kongresses (PAC), der sich 1959 vom ANC abgespalten hatte, gegen die rassistischen Paßgesetze gefolgt waren. 69 Menschen starben im Kugelhagel, mehrere hundert wurden verletzt. Doch damit nicht genug. Das Regime verhängte den Ausnahmezustand, das Militär fuhr in den Townships auf, ANC und PAC wurden im April 1960 gleichermaßen verboten, wodurch deren Aktivisten und Anhänger in den Untergrund bzw. ins Exil gedrängt wurden. Mit strengsten Strafen ging der Kapstaat gegen die schwarze Befreiungsbewegung vor. Auf "Förderung des ANC", und sei es noch so gewaltfrei, standen zehn Jahre Gefängnis.

Der ehemalige ANC-Vorsitzende Chief Albert Luthuli, der die an Gandhi orientierte Politik der Gewaltlosigkeit lange Zeit vertreten hatte, resignierte angesichts des Blutbads von Sharpeville: "Wer wird leugnen, daß ich dreißig Jahre meines Lebens damit zugebracht habe, geduldig, zurückhaltend, bescheiden und letztlich vergebens an eine verschlossene und verriegelte Tür zu klopfen?" Viele zornige Menschen innerhalb und außerhalb des ANC ließen sich durch solche Konzepte nicht länger zum Stillhalten bewegen. Der Westen versuchte vergeblich, die auch ihm genehme Politik der Petitionen innerhalb des ANC aufzuwerten. Am 11. Dezember 1961 wurde an Chief Albert Luthuli, der zwar noch den ANC-Vorsitz innehatte, jedoch schon lange in der Verbannung auf seiner kleinen Zuckerfarm lebte, der Friedensnobelpreis verliehen.

Die damit verfolgte Absicht, den Anti-Apartheidwiderstand auch weiterhin zu befrieden, schlug allerdings fehl. Wenige Tage später, am 16. Dezember 1961, trat "Umkhonto we Sizwe" als bewaffneter Arm des ANC erstmalig mit einer Reihe koordinierter Anschläge in Erscheinung. Bei diesen Explosionen in Johannesburg, Durban und Port Elizabeth wurde niemand verletzt oder getötet. Der ANC wollte nach wie vor keine Menschen treffen. Das Regime jedoch wurde als durchaus verletzbar bloßgestellt, auch wenn an den Regierungsgebäuden lediglich Sachschäden - geborstene Fensterscheiben, in Mauern gerissene Löcher - entstanden waren. Die Symbolkraft dieser Angriffe war gleichwohl immens, hatte sich doch der "Speer der Nation" mit dem 16. Dezember einen Tag ausgesucht, der bis dahin als Feiertag der weißen Eroberer galt, weil an diesem Tag im Jahre 1838 die weißen "Vortrecker", wie sich die damaligen Buren genannt hatten, in Natal den Zulu-König Dingane besiegt und dreitausend seiner Zulu-Krieger getötet hatten. Von deren Blut hatte sich ein naher Fluß, der noch 1960 "Bloodriver" hieß, rot verfärbt. Dieser Tag, ursprünglich ein Feiertag der Buren, die aus ihrem damaligen Sieg die Behauptung abgeleitet hatten, das auserwählte Volk Gottes zu sein, wurde 1961 zum Gründungstag "Umkhonto we Sizwes".

Zur Konstituierung des bewaffneten Arms des ANC hatte 1961 Arthur Goldreich maßgeblich beigetragen. In der weißen Gesellschaft Südafrikas galt er als Lebemann. Er war zudem reich genug, um eine Gesellschaft eigens zu dem Zweck gründen zu können, ein Anwesen im wohlsituierten Stadtteil Rivonia von Johannesburg erwerben zu können. Goldreich, ein Architekt, galt als kommunistischer Intellektueller. Er zog mit seiner Familie in die Liliesleaf Farm ein, die das Hauptquartier von "Umkhonto we Sizwe" sowie des illegalisierten ANC und PAC werden sollte. Möglich wurde dies, weil die vielen Quartiere des Anwesens von Schwarzen bewohnt werden konnten - angeblich Bediensteten der Farm. Tatsächlich rüsteten Goldreich und seine intellektuellen Genossen die schwarzen ANC-Kämpfer aus. Nelson Mandela firmierte als Hausfaktotum der Goldreichs unter einer falschen Identität.

Arthur Goldreich schien im Apartsheidstaat über jeden Verdacht unliebsamer politischer Umtriebe erhaben gewesen zu sein. Dazu mag beigetragen haben, daß der jüdische Architekt, der 1929 in Johannesburg geboren worden war, Südafrika 1948 verlassen und nach Israel gegangen war, um in der zionistischen Untergrundarmee Palmach, dem bewaffneten Arm der Haganah, zu kämpfen. Er war erst 1954 nach Südafrika zurückgekehrt, und so schien er für die Sicherheitsbehörden ein unbeschriebenes Blatt gewesen zu sein, zumal er sich auch international einen Namen gemacht hatte und selbst in Hollywood zu einer gewissen Berühmtheit gelangt war, weil er das Bühnenbild des Musicals "King Kong" mit Miriam Makeba selbst entworfen hatte. Im weißen Südafrika kannten wohl nur Kampfgefährten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges Goldreichs Vergangenheit.

Das Hauptquartier von ANC und PAC bestand jedoch nicht lange in Goldreichs Farm. Am 11. Juni 1963 wurde das komplette Oberkommando Umkhontos - auch Goldreich selbst, der diesem ebenfalls angehörte - auf der Liliesleaf Farm festgenommen. Bis heute ist jedoch völlig unklar, wer die gesamte Führung Umkhontos verraten und enttarnt hat. Am 9. Oktober 1963 wurden elf der Festgenommenen und auch Nelson Mandela, der zur Zeit der Razzia auf Goldreichs Farm bereits auf Robben Island einsaß, des Hochverrats angeklagt. Auf wundersame Weise - ihm soll ein Gefängniswärter geholfen haben - konnte Arthur Goldreich selbst dem Prozeß entkommen und als Priester verkleidet über das seinerzeit noch britisch besetzte Swaziland und Botswana nach Israel fliehen. Ein führendes Mitglied des ANC, der in jenen Jahren bereits Kontakte zu den jungen, soeben entkolonialisierten Staaten Afrikas geknüpft hatte, suchte und fand somit Zuflucht in Israel, so als wäre gerade Israel der natürliche Verbündete der sich radikalisierenden Anti-Apartheidbewegung - ein Narr, wer Böses dabei denkt, kann doch Goldreich als ehemaliger Palmach-Kämpfer allemal auf die Unterstützung Tel Avivs zählen.

Arthur Goldreich lebte fortan in Israel und blieb bis heute unbehelligt. Da die führende westliche Staatenwelt, zu der Israel sich sicherlich zählen würde, den ANC spätestens ab dem Jahr 1961, in dem er sich zur Aufnahme des bewaffneten Befreiungskampfes entschlossen hatte, in völliger Übereinkunft mit dem Apartheidregime in Pretoria als "terroristisch" bezeichnet hatte, müßte dies in der Logik des damals wie heute praktizierten "Antiterror"-Krieges zu der bizarren Annahme führen, daß Israel so etwas wie einen Paten oder Finanzier des Terrors beherberge. Andere Mitglieder des MK-Oberkommandos - auch Nelson Mandela - waren im Rivonia-Prozeß am 11. Juni 1964 zu (viermal) lebenslänglich verurteilt worden.

(*) Joel Joffe: Der Staat gegen Mandela. Die Jahre des Kampfes und der Rivonia-Prozeß (Mit einem Vorwort von Denis Goldberg). Karl Dietz Verlag, Berlin 2006, 303 Seiten, 14,90 Euro

(Fortsetzung folgt)

29. Oktober 2007