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DILJA/064: Südafrika - Statthalterstaat des Imperiums - Teil 3 (SB)


Statthalter westlicher Hegemonialmächte auf dem schwarzen Kontinent - Südafrika vor, während und nach der Apartheid


Teil 3: Die Apartheid vor 1960 - Südafrika im Zangengriff eines antikommunistischen Regimes - Klassenkampf und/oder Rassenkampf?

Es wirkt wie eine bitterböse Satire: Als sich in der Südafrikanischen Union, dem heutigen Südafrika, am 30. Juli 1921 die "Kommunistische Partei Südafrikas" (CPSA) konstituierte, vertrat sie sozialistische und kommunistische Positionen im Interesse einer weißen Bergarbeiterelite zulasten der noch weitaus ärmeren schwarzen Beschäftigen, die als "Klassengenossen" wahrzunehmen die weiße Arbeiterbewegung Südafrikas sich noch lange weigern sollte. Wer mit dem Begriff "Kommunismus" eine herrschaftsfreie Gesellschaft assoziiert, wird schwerlich nachvollziehen können, daß die vom Sieg der Oktoberrevolution von 1917 und der entstehenden Sowjetmacht inspirierte sozialistische bzw. kommunistische Bewegung Südafrikas vom Elitenbewußtsein ihrer weißen Repräsentanten zutiefst durchzogen war.

Der Goldabbau hatte es aus Sicht der Minenbesitzer erforderlich gemacht, aus dem Mutterland des Bergbaus (England) eine qualifizierte Facharbeiterschaft ans Kap zu locken. Diese brachte "ihre" Gewerkschaften gleich mit, und so hielten sozialistische Ideen, die aus dem Umfeld der britischen Labourbewegung stammten, in den Goldbergwerken Südafrikas Einzug. Die weißen Facharbeiter - und wohlbemerkt, nur die weißen Bergleute, da diese ihren schwarzen Kollegen die Aufnahme in "ihre" Gewerkschaften verweigerten - standen der Bergwerksleitung in harten Arbeitskämpfen gegenüber, um höhere Löhne, soziale Rechte und einen Schutz vor Arbeitslosigkeit durchzusetzen. Sie wollten die von ihnen geforderten Vergünstigungen zulasten der schwarzen, schlechter qualifizierten und miserabel bezahlten Arbeiter durchsetzen. Sich mit diesen zu solidarisieren und einen gemeinsamen Arbeitskampf zu organisieren, fiel ihnen nicht nur im Traum nicht ein; sie forderten sogar eine Regelung, daß die qualifizierteren und besser bezahlten Jobs ausschließlich Weißen zur Verfügung gestellt werden dürften.

1922 führten die Arbeitskämpfe der weißen Facharbeiterelite zu einem großen Bergarbeiterstreik. Die Situation der schwarzen Arbeiter muß so verzweifelt gewesen sein, daß diese sich dem Kampf ihrer weißen, ihnen so unsolidarisch gegenüberstehenden Kollegen gleichwohl anzuschließen begannen und ebenfalls die Arbeit niederlegten. Daraufhin holte die Streikleitung der weißen Bergleute die Polizei, damit diese die schwarzen "Kollegen" zur Wiederaufnahme der Arbeit zwang. Der Streik ging am Ende für die weiße Arbeiterelite nicht minder übel aus: Der Streik wurde durch das Militär gebrochen, vier weiße Streikführer wurden zum Tode verurteilt und - angeblich mit dem Lied von der Roten Fahne auf den Lippen - gehängt. Während der Streiks hatte auf Spruchbändern der Kommunisten die Parole gestanden: "Arbeiter, vereint euch für ein weißes Südafrika."

Die Bereitschaft der weißen Arbeiterelite, sich entgegen jeder ernsthaften Klassenanalyse dem weißen bzw. vielmehr kapitalistischen Regime als Helfershelfer anzudienen und dem Prinzip "teile und herrsche" bereitwillig Folge zu leisten, wofür sie erhöhte Teilhaber-Löhne einforderten, endete in einem Desaster, ohne daß dies ad hoc zu einer Abkehr von der eingeschlagenen Strategie geführt hätte. Solange sich die Kommunistische Partei Südafrikas mit dieser weißen oder vielmehr pro-kapitalistischen Arbeiterbewegung verbunden fühlte, konnte sie auch kein Interesse daran haben, den von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben schon durch mangelnde Bildung ausgeschlossenen schwarzen Menschen Südafrikas Lesen und Schreiben beizubringen. Dies hätte schließlich in der Folge zu beruflichen Qualifikationen führen können, die die Privilegien der weißen Facharbeiterschaft tendenziell hätten gefährden können.

Nur mühsam konnte innerhalb der Kommunistischen Partei die Auffassung durchgesetzt werden, daß ein gemeinsamer Kampf mit den schwarzen Klassengenossen unumgänglich und unverzichtbar sei. Ob und inwiefern die allmählich einsetzende "antirassistische" Wende der Überlegung geschuldet gewesen sein mag, die schwarzen Arbeiter nun seitens der von Weißen dominierten Partei zu instrumentalisieren, um die Interessen der nach wie vor Privilegierten umso wirkungsvoller durchsetzen zu können, sei einmal dahingestellt. Die Kommunistische Partei begann, für schwarze Arbeiter einen ersten Schulunterricht sowie politische Bildung zu organisieren. Spätere ANC-Führer, so beispielsweise Moses Kotane oder J. B. Marks, haben so die erste Schulbank gedrückt.

Kotane, der von der Kommunistischen Partei schon in den zwanziger Jahren angetan war, schrieb ihr 1934, daß sie, wenn sie die Avantgarde der Arbeiterklasse werden wolle, der Masse der schwarzen Arbeiter und nicht nur den wenigen weißen etwas Grundlegendes zu sagen haben müsse. Nicht viele Menschen in Südafrika, die unter dem nicht abgeworfenen Erbe der Kolonialzeit, das ihnen in Gestalt strengster Rassentrennungsgesetze das Leben schwer machte, zu leiden hatten, schienen unterdessen gewillt gewesen zu sein, auf eine (späte) Einsicht in der Führung der Kommunistischen Partei zu warten. In den 40er Jahren gab es landesweite Proteste gegen das Apartheidregime. Ihnen schloß sich auch der 1918 geborene spätere ANC-Führer Nelson Mandela an, der an der ersten für Schwarze eröffneten Universität von Fort Hare studiert hatte, 1940 jedoch als Anführer eines Studentenstreiks ausgeschlossen worden war.

Innerhalb der Kommunistischen Partei sollte es jedoch noch bis 1960 dauern, bis laut Parteiprogramm die Beendigung der nationalen Unterdrückung als erste Etappe zum Aufbau des Sozialismus definiert wurde. Dabei war die unter der Apartheid firmierende scharfe Repression gegen nichtweiße Menschen seit 1950 unter Ministerpräsident Malan noch weiter verschärft worden. Offensichtlich machte das Regime keinen großen Unterschied zwischen dem antikapitalistischen Ansatz der Kommunistischen Partei und den antirassistischen Apartheidgegnern, denn im selben Jahr (1950) wurde die Kommunistische Partei verboten. Dies wäre womöglich schon weitaus früher geschehen, hätte der Zweite Weltkrieg dies nicht verhindert. Schließlich war die Sowjetunion für die westlichen Frontstaaten in dem geheimen Krieg der politischen Systeme ein Freundfeind gewesen, mit dem man es sich zwischen 1939 und 1945 nicht leichtfertig, etwa durch Verbote Kommunistischer Parteien in Staaten, die wie die Südafrikanische Union fest im westlichen Bündnis standen, verscherzen wollte.

Tatsächlich stand Südafrika fest in der nach 1945 von den USA dominierten antikommunistischen Achse. Das Verbot der "Kommunistischen Partei Südafrikas" wurde 1950 auf der Basis eines "Gesetzes zur Unterdrückung des Kommunismus in Südafrika" durchgesetzt - McCarthy läßt grüßen. Die Partei ging nach dem Verbot in die Illegalität, wo sie sich den bis heute beibehaltenen Namen "Südafrikanische Kommunistische Partei" (SACP) gab. Innerhalb des Parteiapparates hatte es in den vorausgegangenen Jahren zum Teil heftige Auseinandersetzungen um die Frage Klassenkampf oder Rassenkampf gegeben, was schon aberwitzig anmutet, weil durch das "oder" ein inhaltlicher Gegensatz postuliert wird, durch den der vermeintlich klassenkämpferische Ansatz von vornherein diskreditiert wird.

Die Komintern, wie der internationale Zusammenschluß kommunistischer Parteien unter maßgeblichem Einfluß Moskaus genannt worden war, hatte den Genossen in Südafrika bereits in den 30er Jahren "empfohlen", sich dem Befreiungskampf der Schwarzen anzuschließen und, Lenins Analyse über "nationale Befreiungskämpfe" folgend, eine "schwarze" Republik anzustreben. Dieser Vorschlag traf nicht auf ungeteilte Gegenliebe und führte zu zahlreichen Parteiaustritten einstiger Mitglieder. Der Zweite Weltkrieg führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in dem westlichen Frontstaat am Kap, von dem die schwarze Arbeiterschaft allerdings ausgeschlossen blieb. Dies nährte in ihr Unmut wie Kampfbereitschaft, und so kam es 1946 zu einem weiteren großen Bergarbeiterstreik. Der "schwarze" Befreiungskampf ließ sich von den kommunistischen Bestrebungen nicht mehr trennen. In der Kommunistischen Partei gab es längst weiße wie schwarze Mitglieder, und nicht wenige sollten sich in der Partei wie auch im ANC gleichermaßen engagieren.

Der Bergarbeiterstreik von 1946 beispielsweise wurde von J. B. Marks, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und späterer Parteivorsitzender und ANC-Aktivist, angeführt. Diesmal unterstützten die Kommunisten den Kampf der (schwarzen) Bergarbeiter. Der Streik allerdings wurde von der Regierung Jan Smuts abermals gewaltsam zerschlagen. Das Streikgesetz des Apartheidstaates untersagte schwarzen Arbeitern generell zu streiken, doch auch weiße sollten gerichtlich belangt werden, da die Kriegsnotstandsverordnung, die während des Zweiten Weltkrieges in Südafrika ein allgemeines Streikverbot verhängt hatte, noch immer in Kraft war. Das gesamte Zentralkomitee der Kommunistischen Partei wurde wegen "Anzettelung eines Aufstands" bzw. "Unterminierung der Verfassung" vor Gericht gestellt. Die Prozesse endeten allerdings mit Freisprüchen, wodurch die Bestrebungen des Regimes, die Kommunistische Partei zu verbieten, was dann ja auch 1950 geschah, neuen Auftrieb bekommen haben dürften.

Es ist gewiß kein Zufall, daß in der westlichen Welt das südafrikanische Regime ausschließlich als der Apartheidstaat wahrgenommen und - wenn auch verhalten - kritisiert wurde, der er zweifellos auch war. Die antikommunistische Komponente hingegen - einmal unterstellt, es ließe sich tatsächlich ein inhaltlich begründbarer Unterschied zwischen der gewaltsamen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und der Kommunistenhatz machen, die in der Zeit des sogenannten Kalten Krieges weltweit betrieben wurde - wurde und wird vollkommen ausgeblendet und konsequent ignoriert.

Schwer zu erklären ist dies nicht; schließlich war die Welt jener Zeit von einer Dichotomie geprägt (von der Blockfreienbewegung einmal abgesehen), die es mit sich brachte, daß jede Widerstands- und Befreiungsbewegung früher oder später für sich die Frage würde beantworten müssen, wie sie sich in diesem die Welt zweiteilenden Konflikt positionieren möchte. Da die führende westliche Welt mit den Kolonialmächten identisch war, konnte es vor diesem Hintergrund nicht ausbleiben, daß sich die Unabhängigkeitsbewegungen sowie die neuen Staaten Afrikas in der realexistierenden sozialistischen Welt die Hilfe, Anerkennung und Unterstützung holten, die ihnen anderweitig verwehrt wurde.

Das Regime in Kapstadt ungeachtet seiner extrem grausamen Rassentrennungspolitik als "rassistisch" zu bezeichnen, wie es in der westlichen Welt seit dem Bestehen der Apartheid üblich ist, klammert mit wohldurchdachter Absicht den "ideologischen" Part aus. Dies erfüllt zum einen die Funktion, für den Tag X einen Plan B bereitstellen zu können - schließlich müßte auch dem glühendsten Verfechter der weißen Vorherrschaft und mehr noch ihren Drahtziehern und Nutznießern im Laufe der Zeit, sprich der sogenannten Entkolonialisierung Afrikas, klar geworden sein, daß sich auch der südafrikanische Apartheidstaat nicht ewig würde aufrechterhalten lassen. Versucht man dessen Nutzung, Zweck und Entstehungszusammenhang allein auf den Begriff "Rassismus" zu reduzieren, liegt die Lösung nahe: Es muß eine Nach-Apartheid-Regierung geschaffen werden, deren Mitglieder eine schwarze Haut haben.

Mit dieser Formulierung soll Widerspruch provoziert werden, denn es ist nicht plausibel zu machen, welchen Zusammenhang es zwischen der Farbe der Haut eines Menschen und seiner politischen Position geben sollte, ohne dabei abermals auf rassistische Denkansätze zurückzugreifen. Aufschlußreich ist dabei, daß die Aktivisten der Befreiungsbewegungen und -organisationen Südafrikas ihren Kampf nicht unbedingt als ausschließlich antirassistisch begriffen haben. Viele Anhänger der Kommunistischen Partei, die den Kampf des ANC bis zum offiziellen Ende der Apartheid mitgetragen hatte, waren nicht gewillt, zwischen Antirassismus und Demokratie und Sozialismus einen Unterschied zu machen. Namentlich die Generation der Soweto-Aufstände Mitte der 1970er Jahre hatte sogar Kommunismus und Demokratie als eine Einheit begriffen und vertreten, daß der Kommunismus seiner Natur nach schon so demokratisch sei, wie es der Kapitalismus niemals sein könnte.

Die Frage Klassenkampf oder Rassenkampf stellt sich auf der Seite der Befreiungsbewegungen insofern nicht. Sie wird bestenfalls draufgesattelt von Wortführern der Gegenseite, die - in einer weiteren Nutzanwendung des Prinzips "teile und herrsche" - sehr daran interessiert sein mußten, durch solch ein ideologisch scheinbegründetes Sperrfeuer den ihnen entgegenschlagenden Widerstand zu spalten und damit zu schwächen - so dieser sich gleichermaßen, wenn man denn überhaupt so will, "antirassisisch" und "antikapitalistisch" positioniert. Die Realität des heutigen Südafrikas allerdings wäre gewiß eine gänzlich andere, wäre dies den "Spaltpilzen" im Dienste der internationalen Raubordnung, genannt freie westliche Welt, nicht auch gelungen - wenn auch unter Ausnutzung der Interessenbeteiligung der "Gespaltenen".

(Fortsetzung folgt)

24. Oktober 2007