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MEMORIAL/212: März 1945 - Verhandlungen über separate Kapitulation der Wehrmacht in Italien scheiterte (Gerhard Feldbauer)


Im März 1945 wollte OSS-Chef Allen Dulles mit SS-Obergruppenführer Wolf eine separate Kapitulation der Wehrmacht in Italien vereinbaren

Sie scheiterte am Einspruch Stalins

Von Gerhard Feldbauer, 10. März 2020


Im Frühjahr 1945 rückte die Niederlage Hitlerdeutschlands in greifbare Nähe. In Berlin versuchte das Regime zu einer separaten Kapitulation der Wehrmacht vor den anglo-amerikanischen Alliierten zu kommen, um die frei werdenden Truppen im Osten und Südosten gegen die Rote Armee einsetzen zu können. Die besten Möglichkeiten dazu sah man in Italien, wo sich noch 25 Divisionen befanden. Die westlichen Alliierten standen dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber.

Mit dem Ziel, entsprechende Verhandlungen einzuleiten, traf am 8. März 1945 eine Wehrmachtsabordnung unter Leitung des SS-Polizeichefs in Norditalien, Obergruppenführer Karl Wolff, in Zürich mit Allen Dulles, dem Chef des Office of Strategic Service - OSS (Vorläufer der dann 1947 gegründeten CIA) zusammen. Um Vorbehalte auszuräumen, versicherte Wolff, "er käme nicht als Vertreter Hitlers oder Himmlers" (des Reichsführers SS). Obwohl man zunächst nicht "von einem Waffenstillstand sprach", verdeutlichte man dem deutschen Mittelmeerkommando "die Unmöglichkeit der Fortsetzung eines verlorenen Krieges". Der "Ausgang der Gespräche wurde von den Alliierten in sehr optimistischer Weise eingeschätzt". Die OSS-Beamten schätzten Wolff als "starken Mann" ein und Dulles habe ihn als eine "ausgeprägte" und "dynamische" Persönlichkeit gesehen. Wolff habe nicht geleugnet, "dass der Krieg für Deutschland verloren sei" und keine Einwände gegen Dulles' Erklärung erhoben, dass es nur um das "Prinzip der bedingungslosen Kapitulation" gehen könne. Das Oberkommando der Wehrmacht habe aber beabsichtigt, nach einem Waffenstillstand die in Norditalien stehenden 19 Divisionen abzuziehen und gegen die in Österreich vorrückende Rote Armee einzusetzen. [1]

Nach seiner Rückkehr aus Zürich begab sich Wolff am 14. März ins Hauptquartier Mussolinis in Gargano am Gardasee zu einer deutsch-italienischen Beratung der Lage, die festlegte, die restlichen Truppen der Salo-Republik [2] nach Valtellina an die Schweizer Grenze zu verlegen und dort entschiedenen Widerstand gegen die Partisanenarmee zu leisten. [3]

Die Anglo-Amerikaner wollten die UdSSR von den Verhandlungen mit Wolff ausschließen. Der Botschafter der USA in Moskau Averell Harriman vertrat den Standpunkt, es gebe "keine Rechtfertigung für die Teilnahme sowjetischer Offiziere". Die Gespräche "beträfen ausschließlich eine anglo-amerikanische Front und die Sowjets hätten keinerlei legitimes militärisches Interesse in der Frage". Überdies könnten anwesende Sowjetoffiziere "störende Forderungen stellen" und damit die Diskussionen zum Scheitern bringen. [4]

Nachdem Stalin entschieden gegen die hinter dem Rücken der UdSSR aufgenommenen Gespräche protestiert hatte, versuchte Churchill abzuwiegeln. In der Schweiz seien "keinerlei Verhandlungen geführt, nicht einmal über eine militärische Kapitulation der Armee Kesselrings" worden. Gleichzeitig meinte Churchill, dass der britische Feldmarschall George Alexander (der Oberkommandierende im Mittelmeerraum) dass Recht habe, "die Kapitulation der aus 25 Divisionen bestehenden deutschen Armee an seiner Front entgegenzunehmen und solche Verhandlungen mit deutschen Abgesandten, die zu Verhandlungen über die Kapitulationsbedingungen bevollmächtigt sind, zu besprechen". [5]

Stalin reagierte am 7. April mit einer Botschaft an Präsident Roosevelt, in der er klar stellte, dass "bei jeder Verhandlung von Vertretern eines Verbündeten mit den Deutschen über Kapitulationsbedingungen die Teilnahme von Vertretern der anderen Verbündeten gewährleistet sein muss". Stalin hielt fest, Amerikaner und Engländer haben "den Russen das Recht verweigert, an der Begegnung mit den Deutschen in der Schweiz teilzunehmen". [6] Mit dem Einspruch Stalins waren die Versuche von Dulles und Wolff, zu einer separaten Kapitulation zu kommen, gescheitert.


Fußnoten:

[1] Bradley Smith, Elena Arragossi: Unternehmen Sonnenaufgang, Köln 1981, S. 90 ff. und 127.

[2] Von Mussolini unter dem Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht in Nord- und Mittelitalien nach dem Ausscheiden Italiens unter der Badoglio-Regierung aus der Achse mit Berlin und der Kriegserklärung an Deutschland im Oktober 1943 gebildeten Repubblica Sociale Italiano (RSI) in Salo am Gardasee.

[3] I Giorni della Storia d'Italia, Novara 1991, S. 511 f.

[4] Bradley/Arragossi, a. a. O., S. 135 ff.

[5] Persönliche und streng geheime Botschaft von Herrn Churchill an Marschall Stalin vom 5. April 1945, in: Briefwechsel Stalins mit Churchill, Attlee, Roosevelt und Trumann 1941-1945, Rütten & Loening, Berlin 1961, S. 381 ff.

[6] Persönlich und geheim von Premier J. W. Stalin an den Präsidenten, Herrn F. Roosevelt. Ebd. S. 390 ff.

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Quelle:
© 2020 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2020

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