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MEMORIAL/112: Juni 1980 - Abschuss über Ustica (Gerhard Feldbauer)


Abschuss über Ustica

Im Juni 1980 schossen NATO-Jäger eine Passagiermaschine der italienischen Itavia ab

Um das Verbrechen zu vertuschen, wurden Überlebende und Mitwisser umgebracht

von Gerhard Feldbauer, 16. August 2014



Am 17. Juli dieses Jahres gegen 16:20 Uhr Ortszeit stürzte die Maschine des Malaysia-Airlines-Flugs 17 in der Nähe der Stadt Tores in der Ostukraine ab. Alle 298 Insassen, darunter 80 Kinder und die 15köpfige Crew, kamen ums Leben. Bis zum heutigen Tag ist die Absturzursache nicht geklärt, ein Abschuss gilt als sicher. Ohne Beweise vorlegen zu können, machte eine in Gang gesetzte westliche Propagandamaschinerie die Aufständischen im Donbass und indirekt die russische Regierung für die Katastrophe verantwortlich.

Der Absturz erinnert an den Itavia-Flug 870 vor 34 Jahren. Jahre später wurde nachgewiesen, dass die italienische Maschine damals von einem NATO-Jet abgeschossen wurde. Rekonstruieren wir die Ereignisse. Am 7. Juni 1980 um 20.59 Uhr stürzte die Passagiermaschine DC 9 Mc Donnell Douglas der italienischen Itavia nördlich der Insel Ustica ins Thyrrenische Meer. Alle 81 Insassen kamen ums Leben. Wie später ans Licht kam, führten zu dieser Zeit zirka 30 Jäger, Radarflugzeuge, Flugzeugträger und U-Boote der NATO in diesem Gebiet ein Manöver durch. Italienische, aber auch Medien in den USA berichteten schon bald, dass Ziel Angriffs der libysche Staatschef Ghaddafi war, dessen Maschine, eine Tupolew, sich zur selben Zeit über Ustica befand, aber überraschend abdrehte. Es sickerte durch, dass proarabische Kreise in Rom Kenntnis von dem Anschlag hatten und Gaddafi in letzter Minute warnten. Das Attentat gegen den Libyer sollte in Tripolis einen Putsch auslösen. Der die Rakete abschießende Pilot hatte die DC 9 für die Tupolew gehalten, da sich beide Flugzeuge im Profil ähnelten.

Medienberichte sprachen sofort von einem Bombenattentat linker Terroristen. Dann wurden Abnutzungserscheinungen und schlechte Wartung der Maschine als Ursachen genannt. Die Itavia legte Radaraufzeichnungen des römischen Flughafens Fiumicino vor, die ein fliegendes Objekt zeigten, das eine Rakete auf die DC 9 abfeuerte. Die NATO und ihre Geheimdienste, allen voran die CIA, erklärten sofort, "sämtliche Maschinen seien am Boden, alle Raketen in den Hangars" gewesen.


NATO-Sekretär Wörner (BRD) deckte das Verbrechen

Über ein Jahrzehnt wurden diese Lügen aufrechterhalten. Noch im März 1989 erklärte das Pentagon, dass "zur Zeit des Unglücks weder Schiffe noch Flugzeuge der US-Marine oder -Luftwaffe in oder über dem Thyrrenischem Meer anwesend waren." Manfred Wörner (BRD), seit Dezember 1987 NATO-Sekretär, deckte das Verbrechen ebenfalls und beteuerte, laut "Spiegel" (Nr. 14/1991) "die Unschuld der NATO-Piloten".

Als 1987 endlich das 3000 Meter tief liegende Wrack der DC 9 gehoben wurde, bewiesen ein völlig geschmolzenes Triebwerk und Einschläge im Frachtraum einen Raketeneinschlag. Der Voicerecorder, der die letzten Meldungen des Piloten aufgezeichnet haben musste, wurde von der französischen Bergungsgesellschaft IFREMIR angeblich nicht gefunden. Das Unternehmen, das mit den Amerikanern Teile der 1912 gesunkenen Titanic geborgen hatte, wurde beschuldigt, den Fund unterschlagen zu haben.


Über ein Dutzend Mitwisser kamen ums Leben

Nachdem am 28. August 1988 während einer Flugschau über der US-Luftwaffenbasis Ramstein zwei Piloten der italienischen Kunstflugstaffel "Frecce tricolori" zusammenstießen, in die Menge stürzten und es 70 Tote und 450 zum Teil schwer Verletzte gab, mussten in Italien die jahrelang verschleppten Ermittlungen endlich ernsthaft betrieben werden. Experten äußerten, dass zumindest eine der Maschinen manipuliert worden war. Die beiden Piloten waren am 27. Juni 1980 als Jagdflieger über Ustica im Einsatz und nach der Flugschau zur Vernehmung vorgeladen.

Es kam ans Licht, dass über ein Dutzend Mitwisser der Umstände des Absturzes der DC 9 auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen bzw., wie italienische Medien schrieben, umgebracht worden waren, darunter der Luftwaffengeneral Licio Giorgio, ein Radarexperte, der sich in der Absturznacht in einem Spezialflugzeug für elektronische Kriegführung, einer PD 800, über Ustica befand. Der Geheimdienstoberst Alessandro Marcucci, der am Abend des 27.Juni Dienst hatte, stürzte vor seiner Vernehmung mit einem Sportflugzeug ab. Der Kommandant der Radarzentrale "Martina Franca", General Roberto Boemio, wurde in Brüssel von unbekannten Tätern erstochen.


Überlebende Passagiere und Crew kaltblütig umgebracht

Obwohl die Absturzstelle der DC 9 genau bekannt war, wurden die Bergungskommandos in ein weit abseits liegendes Gebiet geschickt. Es sollte keine Überlebenden geben, die Aussagen konnten, dass die Maschine von einer Rakete getroffen wurde. Das Nachrichtenmagazin "Panorama" berichtete 1989, die DC 9 habe sich noch einige Stunden über Wasser gehalten, bis Ihr Rumpf im Morgengrauen von Froschmännern eines britischen U-Bootes gesprengt worden sei. "Panorama" zitierte einen Zeugen aus Militärkreisen, dass es bis zu dieser Sprengung noch Überlebende gegeben habe.

Den Durchbruch in den Ermittlungen erzielte der in Terrorfragen erfahrene Staatsanwalt Rosario Priore, der Tonbänder der Radarzentrale sicherstellte, die dem CIA-Chef in Rom, Duane Clarridge, ausgehändigt worden waren. Der USA-Botschafter hatte einen "Sonderstab Ustica" gebildet, der alle Beweise unter Verschluss nahm. Ex-Verteidigungsminister Lagorio sagte aus, dass die Geheimdienste die Ermittlungen in falsche Richtungen lenkten. Der General räumte ein, auch Zeugen seien "beseitigt" worden.

Staatsanwalt Priore wies nach, dass die DC 9 von einem NATO-Jäger abgeschossen wurde, es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Amerikaner war. Er klagte neun italienische Generäle und Offiziere wegen Hochverrats, Irreführung der Behörden, Beweisunterdrückung und Zeugenbeeinflussung an. Eine Anklage wegen Mittäterschaft bei der Ermordung oder zumindest des Totschlags der 81 Insassen der DC 9 wurde nicht zugelassen, auch nicht wegen Zeugenbeseitigung. Natürlich kamen auch die eigentlichen Drahtzieher des Verbrechens, die Verantwortlichen aus CIA und anderen westlichen Geheimdiensten sowie der NATO, unter ihnen der damalige Sekretär Wörner, nicht vor die Schranken des Gerichts. Die Urteile fielen mild aus. Die Verurteilten kamen bald wieder auf freien Fuß, ihre Karrieren litten darunter nicht. Der verurteilte General Lamberto Bartolucci stieg später zum Generalstabschef des Verteidigungsministers auf.

Ein Jahrzehnt wurde das unter Regie der USA über Ustica verübte Verbrechen vertuscht, skrupellos wurden weitere Menschen umgebracht, um die Verantwortung der USA und der von ihre geführten NATO zu leugnen. Wie lange wird es diesmal dauern, bis die Wahrheit ans Licht kommt, fragen sich schon jetzt unvoreingenommene Beobachter.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2014