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MEMORIAL/044: Vor 60 Jahren startete das "Unternehmen Sturzo" (Gerhard Feldbauer)


Seit der Faschismus existiert bildet der katholische Klerus eine entscheidende Stütze für ihn

Vor 60 Jahren startete das "Unternehmen Sturzo"

Von Gerhard Feldbauer, 23. April 2012



Abgrundtiefer Hass gegen die sozialistische und später kommunistische Bewegung ließen den Vatikan neben dem Kapital zur entscheidenden Stütze des Faschismus werden. Vor allem in Italien, aber nicht nur dort, zeigte sich das besonders deutlich. Mit dem Papst an der Spitze trug er 1922 aktiv zur Machtergreifung des "Duce" bei, verhinderte 1925/26 seinen Sturz, festigte Mussolinis und Hitlers Macht 1929 bzw. 1933 durch die Konkordate, förderte seine Regimes auf dem Balkan, unterstützte seine Aggressionskriege, half nach 1945 Zehntausenden Kriegs- und Naziverbrechern, darunter Martin Bormann und Adolf Eichmann, auf der sogenannten "Rattenlinie", zur Flucht und förderte danach das Fortbestehen des Faschismus in Rom mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

In den Apriltagen 1952 fand dazu das vom Vatikan eingefädelte sogenannte "Unternehmen Sturzo" statt. Der einflussreiche Kleriker Don Luigi Sturzo, 1919 Gründer der katholischen Volkspartei, rief am 24.‍ ‍des Monats auf, gegen die "rote Gefahr" einen Einheitsblock der führenden Regierungspartei Democrazia Cristiana (DC) mit den Faschisten zu bilden. Das Unternehmen stellte den Höhepunkt des vom Vatikan bis dahin geführten antikommunistischen Feldzuges unter Einbindung der bereits im Dezember 1946 wieder gegründeten Mussolininachfolgerpartei Movimento Sociale Italiano (MSI) dar.

Die vom Vatikan zusammen mit den reaktionären USA-Kreisen geführte antikommunistische Hetzkampagne hatte bei den Parlamentswahlen 1948 der DC zwar einen Wahlsieg von 48,4 Prozent gesichert, aber Kommunisten (IKP) und Sozialisten (ISP) hatten auf einer Einheitsliste dennoch 31 Prozent erreicht. Nach dem NATO-Beitritt Italiens 1949, gegen den IKP und ISP eine breite Volksbewegung organisierten, befürchtete die klerikale und weltliche Reaktion bei den Wahlen 1953 eine Niederlage der DC und ein Anwachsen der linken Stimmen. Pius XII. (Papst 1939-1958), der sich einst als bester Freund Hitlers feiern ließ, beauftragte Giovanni Battista Montini, den späteren Papst Paul VI. (1963-1978) ein Sonderbüro des Vatikans zum Kampf gegen den Kommunismus zu bilden. Dem Büro, das eng mit der CIA zusammenarbeitete, gehörten mehrere Kardinäle und der Jesuitengeneral Norberto Boyes an.

Auf Betreiben der Kurie machte die DC die Faschisten salonfähig. 1950‍ ‍empfingen ihr Staatspräsident Luigi Einaudi und Ministerpräsident Alcide De Gasperi Delegationen der MSI mit ihrem Parteiführer an der Spitze. Die MSI durfte den Leichnam Mussolini in dessen Heimatort Predapio in einem Ehrenhain beisetzen. Der Ort wurde und ist bis heute eine Wallfahrtsstätte für die faschistische Bewegung und ihre Verherrlichung der Verbrechen des "Duce".

1953‍ ‍erhielt die Regierung Giuseppe Pella, eines zur DC gewechselten ehemaligen Hauptmanns der Mussolini-Miliz, nur mit den Stimmen der MSI die erforderliche Parlamentsmehrheit. Die Kardinäle Alfredo Ottaviani und Giuseppe Siri wiesen Kritik zurück und bekräftigten die Zusammenarbeit mit den Faschisten, die im Gegensatz zu den Sozialisten gute Katholiken seien. Als Antifaschisten ein Verbot der MSI forderten, verurteilte "La Civilta Cattolica" es, "die 20‍ ‍Jahre Faschismus als völlig negativ zu bewerten" und nannte das "eine Verleumdung des Vaterlandes".

Im Ergebnis der klerikalen Unterstützung konnte die MSI bei den Parlamentswahlen 1953 ihre Stimmen mit 5,8 Prozent mehr als verdreifachen. Die DC selbst erlitt eine schwere Niederlage und sank auf 40 Prozent ab. Ministerpräsident De Gasperi musste zurücktreten. Der Versuch, Kommunisten und Sozialisten, die auf eigenen Listen antraten, eine Niederlage zu bereiten, scheiterte. Mit 22,6 Prozent IKP und 12,7 ISP stiegen ihre Stimmen gegenüber 1948 um 4,3 Prozent an.

Wenn es vorerst auch zu keinem offenen Bündnis von DC und MSI kam, hielt das Paktieren an. Unter anderem wurden von der DC 1962 Antonio Segni und 1972 Giovanni Leone nur Dank der Stimmen der MSI zu Staatspräsidenten gewählt.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2012