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BUCHTIP/232: Wie sich Vernichtungspolitik in Sprache ausdrückt (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 05.07.2007

"Afrikaner" versus "Eingeborene"

Wie sich Vernichtungspolitik in Sprache ausdrückt
Fachübergreifende Neuerscheinung der RUB-Genozidforschung


"Wir müssen noch lange hart sein und töten; aber wir müssen uns dabei, als einzelne und als Volk, um hohe Gedanken und edle Taten bemühen, damit wir der zukünftigen, brüderlichen Menschheit unser Teil beitragen." So heißt es am Ende von Peter Moors "Fahrt nach Südwest" aus dem Jahr 1906 zur Hochzeit der deutschen Kolonialisierung Südwestafrikas mit dem Krieg gegen die Herero und Nama (1904 - 1907). Völkermord beginnt mit Worten - dafür gibt es zahlreiche Beispiele in der Geschichte der Menschheit. Die Mechanismen dieser so genannten Exklusion durch Sprache, ihre Kodes und Muster sind jedoch weitgehend unerforscht. Diese Lücke schließt nun der Bochumer Genozidforscher Dr. Medardus Brehl. In seiner umfassenden Studie "Vernichtung der Herero" untersucht er die sprachlichen Strategien der Exklusion beispielhaft anhand des Völkermordes in der ehemaligen deutschen Kolonie Südwestafrika.

Erste vollständige Studie

Mit seiner Untersuchung legt Dr. Brehl die erste vollständige literaturwissenschaftliche Studie über die sprachlichen Mechanismen des Völkermordes vor. Damit schließt er ein fachübergreifendes Forschungsprojekt des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung (IDG) an der RUB ab. Unter Leitung von Prof. Dr. Mihran Dabag kooperierte das IDG mit dem Germanistischen Institut der RUB (Prof. Dr. Uwe-K. Ketelsen) und dem Historischen Seminar der Universität Münster (Prof. Dr. Horst Gründer), gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung.

Durch Sprache Besitz ergreifen

Wie stark Sprache das Denken und Handeln beeinflussen kann, zeigt die Studie anhand von Reise- und zeitgenössischer Kolonialliteratur aus der Zeit von 1884 bis 1915: Die Autoren kodieren die Ausgrenzung nicht etwa durch Begriffe wie "Kolonisten" und "Kolonisierte", sondern sie benutzen durchweg die rassischen Begriffe "Weißer" und "Schwarzer". Und sie gehen noch weiter, indem sie zwischen "Afrikanern" und "Eingeborenen" unterscheiden, wobei "Afrikaner" die europäischen Farmer, Ansiedler und Angehörigen der Schutztruppe bezeichnet. "Die Bedeutung der Begrifflichkeiten ist evident", so Brehl: "Den Eingeborenen gehört Afrika von Anbeginn der Geschichte genauso wenig, wie es den einheimischen Tieren gehört. Afrika wird von den Kolonisten nicht nur militärisch und ökonomisch in Besitz genommen, sondern auch diskursiv."

Genoziddiskussion erweitert

Durch die tiefgehende Analyse der Literatur über die Kolonialkriege und über die Vernichtung der Herero-Nama gelingt es der Studie, die "Genoziddiskussion" deutlich zu erweitern. "In den letzten Jahren drehte sich diese Diskussion vornehmlich um Zahlen und pragmatische Ursachen sowie um persönliche und institutionelle Verwicklungen", so Dr. Brehl. Anhand umfangreichen Materials fasst er erstmals den zeitgenössischen Diskurs über den Kolonialkrieg der Jahre 1904 bis 1907 und die Vernichtung der Herero zusammen: Die Studie prüft die Aussagekraft und die gesellschaftliche Anschlussfähigkeit der publizierten Texte und fragt nach der Verschränkung von historischem Geschehen und seinen sprachlichen Zusammenhängen.

Medardus Brehl: Vernichtung der Herero.
Diskurse der Gewalt in der deutschen Kolonialliteratur.
Wilhelm Fink Verlag, München 2007
(Schriftenreihe Genozid und Gedächtnis.),
256 Seiten, 28,80 Euro,
ISBN: 978-3-7705-4460-8

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 05.07.2007
WWW: http://idw-online.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2007