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BERICHT/247: Frontgiganten - Kriegselefanten (epoc)


epoc 2/11
Das Magazin für Archälogie und Geschichte

Frontgiganten

Von Theodor Kissel


Antike Feldherren schickten Elefanten in den Kampf. Anfangs sorgten die grauen Riesen für Verwirrung auf dem Schlachtfeld - und brachten so den Sieg. Doch schon bald wussten die Gegner die Schwachstellen der Tiere zu nutzen: Durch Lärm oder Verletzungen in Panik versetzt, gefährdeten sie sogar die eigenen Truppen.



Auf einen Blick

Giganten der Schlachtfelder
1. In der Antike setzten Feldherren indische Elefanten sowie eine heute ausgestorbene Unterart seines afrikanischen Verwandten als Waffe ein.
2. Die ersten Belege für ihre Zähmung als Reit-, Zug- und Arbeitstiere sind mehr als 5000 Jahre alt. Wann Elefanten erstmals im Kampf eingesetzt wurden, ist unbekannt.
3. Kriegselefanten waren eine Aufsehen erregende, aber keine besonders wirkungsvolle Waffe. Die Kolosse agierten langsamer als Pferde, ließen sich nur schwer lenken - und gerieten leicht in Panik.


Zama in Nordafrika, unweit Karthago, im Jahr 202 v. Chr.: Der seit 16 Jahren tobende Krieg zwischen Rom und Karthago tritt in seine entscheidende Phase. Aller Siege des punischen Feldherrn Hannibal zum Trotz hat sich das Kriegsblatt gewendet. Nun stehen Roms Legionen vor den Toren Karthagos. Um eine Niederlage abzuwenden, schickt er 80 Kriegselefanten auf das Schlachtfeld und hofft, den Gegner mit den mehr als drei Tonnen schweren Tieren in die Flucht zu schlagen.

Doch die Römer laufen nicht davon, sondern wagen ein Ausweichmanöver, das ihr Heerführer, Scipio Africanus, mit ihnen sorgsam einstudiert hat. Hierzu der römische Militärhistoriker Michael Speidel von der University of Hawaii: »Durch eine neuartige Formation seiner Einheit stellte Scipio das Heer nicht wie üblich auf Lücke auf, sondern mit durchgehenden Zwischenräumen, um den Angriff der Dickhäuter ins Leere laufen zu lassen.« Die Taktik der Römer geht auf. Dank ihrer aufgelockerten Formation können die anstürmenden Elefanten die Reihen der Legionäre nicht in Unordnung bringen. Dafür stoßen nun ihrerseits leicht bewaffnete - und deshalb sehr bewegliche - Einheiten in die Gassen vor und »attackieren von allen Seiten die eingekreisten Dickhäuter mit Pfeilen und Speeren«, so der römische Geschichtsschreiber Livius gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr.

Dass der Angriff der karthagischen Elefanten gleich zu Beginn des Gefechts wirkungslos verpuffte, war für den Ausgang der Schlacht entscheidend. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Hannibal, den die historische Zunft wie wohl keinen anderen Feldherrn der Weltgeschichte mit der Elefantenwaffe in Verbindung gebracht hat, den schlagenden Beweis für den geringen militärischen Nutzen dieser Tiere lieferte.

Im Grunde genommen hätte man bereits nach Zama den Schlussstrich unter ein Kapitel Kriegsgeschichte ziehen können, das auf dem indischen Subkontinent aufgeschlagen worden war. Dort richtete man die gelehrigen Vierbeiner bereits um 3000 v. Chr. als Arbeits-, Zug- und Reittiere ab. Der erste Nachweis für den Einsatz von Elefanten im Krieg findet sich im »Mahabharata«, ein um die Zeitenwende niedergeschriebenes, jedoch auf ältere Traditionen zurückgehendes Hindu-Epos. Demnach kämpften Elefanten bereits gegen Ende der frühvedischen Zeit (1500 - 1000 v. Chr.) auf Schlachtfeldern - offenbar, so vermutet die Indologin Angelika Malinar von der Universität Zürich, als Reaktion auf die um diese Zeit in die Gangesebene eingewanderten Arier (auch Arya genannt), deren Streitwagen die einheimische Bevölkerung anfänglich nichts Adäquates entgegenzusetzen vermochte.

Ob sich die tierischen Krieger gleich auf Anhieb bewährt haben, ist unklar. Fest steht jedenfalls, dass man in der Folgezeit Elefanten als Waffe eine immer größere Bedeutung beimaß. Bereits um 400 v. Chr. existierte eine indische Taktiklehre, die eine Reihe von Vorschriften für ihren Einsatz bei der Schlacht enthielt. Aus dieser geht hervor, dass gut ausgebildete Tiere bis zu 30 Kommandos verstehen konnten. »Ihnen wurde beigebracht, allerlei Hindernisse zu überqueren, in Formation den Gegner frontal zu attackieren, taktische Manöver im Gelände zu vollziehen, gegen andere Elefanten zu kämpfen - vor allem aber, ihren Körper als tödliche Waffe einzusetzen«, erklärt der Historiker Robin Lane Fox von der University of Oxford.


Eine lebende Wand aus 200 Tieren

Die ersten Europäer, die Bekanntschaft mit den grauen Riesen machten, waren die Kriegsteilnehmer des Alexanderfeldzugs. Im Jahr 326 v. Chr. war der makedonische Welteroberer mit seinem Heer nach Indien aufgebrochen, das sich am Hydaspes, dem heutigen Jhelum im nördlichen Punjab, mit diesem besonderen Gegner konfrontiert sah. Zwar waren die Dickhäuter den Makedonen nicht ganz unbekannt - in der Schlacht von Gaugamela 331 v. Chr. hatte der Perserkönig Dareios 15 Tiere eingesetzt -, doch eine lebende Wand aus 200 hochgerüsteten Kriegselefanten, wie sie nun der indische König Poros aufbot, konnte selbst hartgesottene Kriegernaturen nicht unbeeindruckt lassen. Zumal die grauen Riesen durch den turmartigen Aufbau, den sie auf dem Rücken trugen, noch imposanter wirkten. Auf dieser meist aus Holz bestehenden Plattform befanden sich Speerwerfer und Bogenschützen, deren Aufgabe es war, die Elefanten vor Angreifern zu schützen. Vor ihnen, direkt im Nacken des Tiers, saß der Elefantenführer, der die Kolosse in die Schlacht lenkte.

Wozu die ausgerüsteten Dickhäuter im Stande waren, erzählt der römische Historiker Curtius Rufus in seiner Schilderung von jener Schlacht am Hydaspes: »Die Elefanten töteten viele der Feinde, indem sie diese zertrampelten und ihnen dabei Rüstung und Knochen brachen; andere wurden von ihnen mit dem Rüssel emporgehoben und mit aller Gewalt auf den Boden geschlagen oder mit ihren Stoßzähnen aufgespießt.«

Allerdings, und das zeigt bereits das erste Aufeinandertreffen mit Elefanten in der Schlacht, waren sie keineswegs unbezwingbar - vorausgesetzt, der Gegner traf die richtigen Abwehrmaßnahmen. Der gewaltige Elefantenangriff konnte die makedonische Phalanx zwar durchbrechen, aber nicht niederrennen. Die Makedonen reagierten flexibel auf den Ansturm und versuchten entweder die Elefantenführer zu töten oder die Tiere selbst zu verwunden. »Dabei profitierten die Makedonen von der sarissa. Dank dieser vier bis fünf Meter langen Stoßlanze konnten sie den Tieren mit einem gewissen Sicherheitsabstand zu Leibe zu rücken, was sich als besonders wirkungsvoll erwies«, so die am St. John's College in Oxford lehrende Althistorikerin Ruth Sheppard. Mit der sarissa fügten die Makedonen den Tieren tiefe Stichwunden zu, so dass diese rasend vor Schmerz außer Kontrolle gerieten und die eigenen Reihen niedertrampelten. In diesem Fall, so wird später von den Karthagern berichtet, war der Elefantenführer angehalten, den »Irrläufer« mit einem gezielten Schlag eines Meißels ins Genick zu töten. Laut Livius soll Hannibals Bruder Hasdrubal dieses Vorgehen vor der Schlacht am Metaurus 207 v. Chr. befohlen haben.

»Alexander jedenfalls«, so der Münchner Althistoriker Jakob Seibert, »hat die Schlacht am Hydaspes wohl kaum von der Nützlichkeit der Elefantenwaffe überzeugt, eher von ihrer Gefährlichkeit für die eigene Truppe« - ein wesentlicher Grund übrigens, warum der Makedone die Vierbeiner später in seinem Heer nur noch als Lastenträger einsetzte. Ganz im Gegensatz zu seinen Nachfolgern, den Diadochen, die nach Alexanders Tod 323 v. Chr. das riesige Reich in langen und wechselvollen Kämpfen unter sich aufteilten und dabei verstärkt Kriegselefanten als taktische Waffen einsetzten.

Überhaupt erfreute sich der Elefant als Frontkämpfer in den hellenistischen Königreichen schon allein aus Prestigegründen weiterhin größter Beliebtheit. Mit ihren Armeen gelangten die Dickhäuter schließlich in den Mittelmeerraum. Wie begehrt die Tiere damals tatsächlich waren, zeigt das Beispiel des Seleukos. Der Exgeneral Alexanders und Begründer der Seleukidendynastie trat dem Inderkönig Sandrokottos im Gegenzug für den Erhalt von 500 Elefanten Gebiete im Ostteil seines Reichs ab. »Sicherlich keine leichte Entscheidung, wenn man bedenkt, dass das einmal in Besitz genommene Land, das im Zeitalter des Hellenismus >speererworbenes Land< war, als unveräußerlich galt«, erklärt der Althistoriker John Ma von der University of Oxford.

Elefanten zu besitzen, war das eine, sie zu unterhalten das andere. »Denn diese waren auf Grund ihrer Anschaffung und Haltung besonders kostspielig«, betont Alfred Hirt, Geschichtsforscher am Mavors-Institut für antike Militärgeschichte in Basel. Aristoteles zufolge fraß ein Elefant sechs bis sieben Medimnen (ein Medimnos entspricht zirka 29 Kilogramm) Futter am Tag. Fünf davon, also rund 150 Kilogramm, bestanden aus Gerstenschrot. Bei einem durchschnittlichen Preis von 2,4 Drachmen für einen Medimnos Gerste, wie ihn Polybios überliefert, kostete das Gerstenschrot für die 500 Elefanten täglich 6000 Drachmen. Zum Vergleich: Zur Zeit des Perikles (490 - 429 v. Chr.) brauchte ein Mensch in Athen eine halbe Drachme pro Tag zum Überleben. Elefantenpflegern des Tierparks Hagenbeck in Hamburg zufolge benötigen die Dickhäuter außerdem 80 bis 150 Liter Wasser pro Tag, was für Seleukos' Elefantentruppe einer Größenordnung von insgesamt 40 000 bis 75 000 Liter Wasser entspräche - gewaltige Mengen, deren Bereitstellung einen hohen logistischen Aufwand erforderte.

Weder Kosten noch Mühen scheuten auch die mit den Seleukiden rivalisierenden Ptolemäer, um in den Besitz von Elefanten zu gelangen. Christian Marek von der Universität Zürich spricht gar von einem regelrechten Rüstungswettlauf, der die hellenistische Welt erfasste. Da es den Ptolemäern allein auf Grund der geografischen Entfernung versagt war, wie Seleukos Elefanten aus Indien zu beziehen, mussten sie sich anderswo umsehen. »Um militärisch nicht ins Hintertreffen zu geraten, ließ Ägyptens Herrscher Ptolemaios II. (285 - 246 v. Chr.) im Hinterland des heutigen Äthiopien zur Elefantenjagd blasen«, berichtet der Althistoriker, wobei er sich auf eine Notiz bei Strabon stützt. Zu dieser Zeit entstanden am Westufer des Roten Meers mehrere Häfen. Einer davon war der um 265 v. Chr. gegründete Hafen Ptolemais Theron, übersetzt etwa: »Jagdplatz des Ptolemaios« (heute: Marsa Aqiq), von wo die Elefanten auf Schiffen nach Ägypten gebracht und dort von indischen Ausbildern für den Kampfeinsatz trainiert wurden, wie es in einem Papyrus aus Elephantine heißt.

Bereits um 245 v. Chr. brüstete sich Ptolemaios III. (246 - 222 v. Chr.) in einer Inschrift aus Adulis im heutigen Eritrea »mit äthiopischen Elefanten, die sein Vater und er selbst als Erste aus diesem Land erjagen, nach Ägypten bringen und zum Gebrauch im Krieg abrichten ließen«, gegen den seleukidischen Erzrivalen zu Felde gezogen zu sein. Allerdings, so Plinius der Ältere im 1. Jahrhundert n. Chr., hatten die afrikanischen Elefanten der Ptolemäer einen entscheidenden Nachteil: »Sie waren kleiner als ihre indischen Artgenossen.« Unterlief dem römischen Naturschriftsteller bei dieser Größenangabe ein Fehler, wie gemeinhin vermutet?

Mitnichten, sagt der amerikanische Tierforscher John M. Kistler, der selbst am Elephant Conservation Center in Thailand Elefanten ausbildete und als wissenschaftlicher Berater für Oliver Stones Monumentalfilm »Alexander« tätig war. Er glaubt, dass es sich bei den Tieren der Ptolemäer nicht um die heute in Afrika lebenden großen Steppenelefanten (Loxodonta africana) handelte, sondern um die bis zu einem Meter kleineren Waldelefanten, eine inzwischen ausgestorbene nordafrikanische Unterart (Loxodonta africana pharaonensis), die in vorchristlicher Zeit in Äthiopien, Eritrea und Somalia beheimatet war.


Indische Elefanten im Vorteil

Das würde auch erklären, warum in der Schlacht von Raphia 217 v. Chr. die indischen Elefanten der Seleukiden bei einem direkten Aufeinandertreffen den afrikanischen der Ptolemäer überlegen waren. Polybios kommentierte: »Die meisten Elefanten des Ptolemaios aber scheuten den Kampf. Sie können den Geruch und die Trompetentöne der indischen nicht aushalten, haben wohl auch Angst vor ihrer Größe und Kraft.«

In den westlichen Mittelmeerraum gelangten die Vierbeiner durch Pyrrhus von Epirus. Die süditalische Stadt Tarent rief ihn zu Hilfe, worauf er 280 v. Chr. mit 20 Kriegselefanten, die ihm sein Schwager Ptolemaios II. überlassen hatte, in Unteritalien landete. In drei Schlachten setzte er sie gegen die Römer ein. Bei Herakleia siegte Pyrrhus durch das Überraschungsmoment der hier noch unbekannten Tiere; bei Ausculum bewahrte ihn ihr Einsatz vor der Niederlage; bei Benevent schließlich wurden die Tiere sein Verhängnis.

Waren die Römer bei der ersten Begegnung mit diesen für sie fremdartigen Wesen - sie hielten sie für »lukanische Ochsen« - noch wie paralysiert und laut dem griechischen Chronisten Polybios »nicht in der Lage, von ihrer Tapferkeit gegen dieses alles zerstörende Erdbeben Gebrauch zu machen«, hatten die Schwergewichte beim dritten Waffengang bereits ihren Schrecken verloren. Die Römer hatten mittlerweile eine Abwehrstrategie entwickelt, die Livius bei der Schilderung der Schlacht von Benevent beschreibt: »Um dem Ansturm der Elefanten die Wucht zu nehmen, zogen sich die römischen Legionäre hinter tiefe und breite Gräben zurück, die sie vor der Schlacht ausgehoben hatten.« So zum Stehen gebracht, konnten die römischen Bogenschützen die Vierbeiner aus sicherer Distanz mit Brandpfeilen attackieren.

In die Flucht zu schlagen vermochten sie die Elefanten schließlich mit einer Taktik, die bereits 100 Jahre zuvor die Bewohner der belagerten Stadt Megara erfolgreich gegen die grauen Schwergewichte erprobt hatten, berichtet der Historiker Werner Huß von der Universität Bamberg: Da Elefanten äußerst empfindlich auf schrille Töne reagieren, bestrich man Schweine mit Pech, zündete die Tiere an und trieb sie auf die feindlichen Linien zu. Quiekend vor Schmerz rasten die lebenden Fackeln auf die karthagischen Kriegselefanten zu, die darauf panisch kehrtmachten und blindwütig durch die eigenen Reihen trampelten (siehe Abenteuer Archäologie 5/2006, S. 14).

Zum ersten Mal hatten Roms Bürgersoldaten einen Sieg über professionelle Söldnertruppen und ihre Elefanten errungen und dabei Mittel und Wege gefunden, sich effektiv gegen die Tiere zur Wehr zu setzen. Die Römer waren also nicht gänzlich unvorbereitet, als zehn Jahre später mit den Karthagern ein noch viel gefährlicherer Gegner auf den Plan trat, der Elefanten in die Schlacht führte.

Wie die Karthager dazu kamen, die großen Tiere im Kampf einzusetzen, ist in der Forschung umstritten. Zweifellos kannten sie die Dickhäuter bereits seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., wie aus dem Bericht des Hanno über seine Erkundungsfahrt entlang der Westküste Afrikas hervorgeht - allerdings noch nicht deren Verwendung als Kriegswaffe. Die hätten die Karthager durch die Ptolemäer kennen gelernt, referiert die französische Historikerin Josette Elayi die traditionelle Forschungsmeinung. Inzwischen sieht man indes auch in Pyrrhus das fehlende Bindeglied. Das behauptet jedenfalls Dexter Hoyos, Althistoriker an der University of Sydney, auf Grund einer Notiz des griechischen Geschichtsschreibers Appian. Der schreibt nämlich, dass Pyrrhus nach der Niederlage gegen die Römer sein Heer mitsamt Elefanten nach Sizilien verschiffte, weil ihn Syrakus um Hilfe gerufen hatte. Die griechische Stadt auf Sizilien lag im Dauerkonflikt mit den Puniern. »Selbst wenn über deren Einsatz in den Quellen nichts überliefert ist, liegt es doch nahe, dass die Karthager die Tiere gesehen und ihre Verwendung begriffen haben«, so Hoyos. Fakt ist, dass die Karthager noch nicht einmal zehn Jahre später, im 1. Punischen Krieg (264 - 241 v. Chr.), Elefanten in großer Zahl gegen die Römer einsetzten: 100 in der Schlacht gegen den römischen Feldherrn C. Atilius Regulus (256 v. Chr.) und 140 im Jahr 251 v. Chr. beim Angriff auf die von den Römern besetzte Stadt Panormos (heute: Palermo).


Die Herkunft der Waldelefanten

Woher die Tiere kamen, erfahren wir von Plinius. Er berichtet in seinem »Elefantenexkurs« von einem Fluss im heutigen Marokko namens Amilus, »zu dem in regelmäßigen Abständen große Elefantenherden von den bewaldeten Gebirgen (den Hängen des heutigen Mittleren Atlas; Anm. des Verfassers) herabkommen, um sich dort zu reinigen«. Ebenso wie die Ptolemäer konnten auch die Karthager auf Elefanten aus ihrem mittelbaren geografischen Umfeld zurückgreifen. Und ebenso wie ihre äthiopischen Artgenossen waren diese kleiner als indische Elefanten. Das dürfte wohl auch ein Grund dafür gewesen sein, warum die Karthager bevorzugt männliche Tiere im Krieg einsetzten, da diese größer und aggressiver sind als weibliche. Mithin, heißt es in den »Eigentümlichkeiten von Tieren«, einem zoologischen Kompendium aus der Feder des römischen Sophisten Claudius Aelianus (um 170 - 235 n. Chr.), hätten die Karthager die Angriffslust der Elefanten noch dadurch gestärkt, dass man ihnen vor dem Kampf Wein zu trinken gab.

Doch allen Anstrengungen zum Trotz, kriegsentscheidend waren die grauen Riesen im Kampf zwischen Rom und Karthago nicht. Längst war die psychologische Wirkung der Furcht erregenden Kolosse auf ihre Gegner verflogen, längst hatte sich in der antiken Welt herumgesprochen, wie man sich gegen die Dickhäuter erfolgreich zur Wehr setzen konnte. So griff der römische Konsul Lucius Caecilius Metellus 251 v. Chr. auf die gleiche Strategie zurück, die bereits die Bewohner der belagerten Stadt Megalopolis 70 Jahre zuvor erfolgreich gegen anstürmende Elefanten praktiziert hatten: Er ließ Nagelbretter vor den Mauern der Stadt vergraben, in die die Elefanten mit ihren empfindlichen Füßen traten - mit verheerenden Folgen für die Angreifer, denn sie wurden von den eigenen Vierbeinern zertrampelt.

Eine andere Art Fußfalle nutzte eine eigens für den Nahkampf gegen Elefanten ausgebildete Spezialeinheit: Schilde, mit Eisendornen gespickt, »die man den Dickhäutern wie Frisbeescheiben vor die Füße werfen konnte«, so die am Virginia Military Institute in Lexington lehrende Althistorikerin Rose Mary Sheldon über den Einsatz dieser ungewöhnlichen Waffe. Ohnehin sind die Tiere empfindlicher, als ihre gewaltige Statur vorgibt - vor allem an Rüssel und Ohren.

»Letztere sind sehr stark durchblutet«, sagt Nicole Weissenböck, Zoologin an der Universität Wien, »so dass Verletzungen an den Ohren schwer wiegende Folgen haben können.« Nicht umsonst gab Cäsar vor der Schlacht von Thapsus (46 v. Chr.) die Parole aus, die leicht verwundbaren Körperteile der Dickhäuter zu attackieren, ihnen die Rüssel abzuschlagen und mit Äxten die Beinsehnen zu durchtrennen. Der Erfolg, den er gegen die Anhänger des Pompeius im Bürgerkrieg erzielte, gab ihm Recht.

Nach fast 300 Jahren im Kriegseinsatz hatte sich der Elefant als taktische Waffe überlebt, war unpraktikabel geworden - schadete letztlich mehr, als er nutzte. Dafür sorgten immer effektivere Abwehrstrategien. Erwiesen sich die Tiere anfangs gegenüber der gegnerischen Kavallerie als äußerst wirksam, da Pferde ihren Geruch scheuten, konnte Cäsar seine Reiterei erfolgreich gegen die grauen Riesen einsetzen. Sein Trick, so der römische Schriftsteller Frontinus in seinen »Strategemata«, zu Deutsch »Kriegslisten«: Der Feldherr ließ die Pferde in der Nähe von erbeuteten Elefanten ausbilden und gewöhnte die Tiere so an deren Geruch und Anblick.

Thapsus war der letzte große Kampf der Antike mit Beteiligung von Kriegselefanten. Auf den Schlachtfeldern der nun römisch dominierten Welt traf man die Tiere nicht mehr an, dafür aber umso häufiger in den Arenen des Imperiums, wo sie bei »Brot und Spielen« in nicht weniger blutigen Kämpfen ein sensationslüsternes Publikum bei Laune hielten.


INFORMATIONSKÄSTEN

Grausame Zähmung im alten Indien
Der griechische Historiker Arrian berichtet im 2. Jahrhundert über die Fangmethoden in Indien: »Die Inder heben an einem sonnigen Ort zehn Meter breite und acht Meter tiefe kreisförmige Gräben aus, an deren Rändern sie den Erdaushub zu einem Wall aufschütten. In diesen graben sie unterirdische Räume mit Sehschlitzen, durch die sie sehen können, ob Tiere heranziehen und sich in die Umzäunung begeben. Als Lockmittel verwenden sie zahme Weibchen, zu denen nur ein Weg führt: eine mit Erde und Gras getarnte Brücke. Haben die wilden Elefantenbullen die Witterung der Weibchen aufgenommen und beschreiten sie die Brücke, schnappt die Falle zu.
Im Gehege lässt man die gefangenen Tiere erst einmal Hunger leiden und durch Durst mutlos werden. Erst dann stellen die Inder die Brücke wieder her und hetzen zahme Elefanten auf die wilden Tiere. Die gefangenen Bullen sind meist zu erschöpft, um den abgerichteten Artgenossen noch ernsthaft Widerstand zu leisten, und fallen bald ermattet zu Boden. Derart kampfunfähig, werden ihnen die Füße zusammengebunden und Schlingen um den Hals gelegt. Um jeglichen Widerstand zu brechen, schneiden ihnen die Inder den Hals mit einem scharfen Messer ringsum ein und legen eine Schlinge in die Wunde. So halten sie denn still, werden anderen Sinnes und lassen sich nunmehr am Strick von den zahmen Elefanten führen.«

Panik auf den ersten Blick
Über die Reaktion beim ersten aufeinandertreffen mit Elefanten berichtet der syrische Chronist Lukian von Samosata (um 115 - 190 n. Chr.) im Rückblick auf eine Schlacht, die um 268 v. Chr. in Anatolien zwischen Antiochos I. und den Kelten ausgetragen wurde: »Weder die Kelten selbst noch ihre Pferde hatten jemals zuvor einen Elefanten gesehen, und so wurden sie auf den unerwarteten Anblick hin so erschüttert, dass sie noch bei einiger Entfernung der Tiere, als sie nur ihr trompeten hörten und die Stoßzähne vom schwarz ihres ganzen Körpers umso deutlicher hervorglänzten und die Rüssel sichelförmig sich aufbiegen sahen, bevor diese auf Pfeilschussweite herankamen, sich umwandten und ohne jede Ordnung die Flucht ergriffen.«


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen

In der Schlacht von Zama im Jahr 202 v. Chr. (hier auf einem Gemälde aus dem 16. Jahrhundert) setzte der punische Heerführer Hannibal 80 Kriegselefanten gegen die Römer ein. Doch die Niederlage ließ sich nicht mehr abwenden.
Die auf der griechischen Insel Lemnos gefundene Terrakottastatuette aus der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. zeigt einen indischen Elefanten, der einen keltischen Krieger zertrampelt.
Um die Sensationslust der Massen im Zirkus zu befriedigen, durchkämmten römische Tierfänger die exotischen Gefilde Nordafrikas - und dezimierten damit die Fauna ganzer Landstriche. Das Mosaik aus einer römischen Villa in Piazza Armerina, Sizilien, zeigt die Verladung eines gefangenen Elefanten.
In den strategischen Überlegungen der Römer spielten Elefanten nur eine untergeordnete Rolle, dafür aber umso mehr in propagandistischen. Als Kriegstrophäen im Triumphzug vorgeführt oder auf Münzen dargestellt, waren die gewaltigen Tiere Chiffren für die Macht Roms und die Stärke seines Millitärs.

Literaturtipp
John M. Kistler
WAR ELEPHANTS
[University of nebraska Press, Lincoln 2007, 352 S., 15,99 Euro]
www.science-shop.de/epoc


Der Autor Theodor Kissel ist Althistoriker und Wissenschaftsjournalist. Er lebt in Mainz.

© 2011 Theodor Kissel, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg.


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Quelle:
epoc 2/11, Seite 70 - 77
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2011