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BERICHT/040: Mathematische Gleichungen und die Frage, welche Lösungen dafür existieren (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 02.06.2008

Triviale Lösungen interessieren nicht
Die Arithmetik ist das Fachgebiet des Mathematikers Professor Otmar Venjakob von der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität
Mathematische Gleichungen und die Frage, welche Lösungen dafür existieren

Von Stefan Zeeh


Die Mathematik gilt als eine der ältesten Wissenschaften, und schon die alten Griechen schätzten den "logischen Beweis" mit Zahlen. Vielleicht ist die Mathematik auch eine der ursprünglichsten Wissenschaften, leitet sich doch das Wort Mathematik von dem griechischen manthano ab, was so viel bedeutet wie "ich lerne". Innerhalb der Mathematik nimmt schließlich die Zahlentheorie oder Arithmetik eine besondere Rolle ein, immerhin bezeichnete der berühmte deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß die Arithmetik als "die Königin der Mathematik".

Die Arithmetik und speziell die arithmetische Geometrie hat es auch Professor Otmar Venjakob von der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität angetan. "Das ist Mathematik um ihrer selbst willen", beschreibt der Mathematiker sein Arbeitsgebiet und hat sofort ein Beispiel zur Hand, um zu verdeutlichen, über was ein Mathematiker in diesem Fachgebiet forscht. "Eine typische Frage der Zahlentheorie ist, welche Lösungen es für eine bestimmte Gleichung überhaupt gibt", erläutert Otmar Venjakob. 3x² - 7y² = 0 wäre eine solche Gleichung, wobei nur solche Lösungen betrachtet werden sollen, in denen x und y ganze Zahlen sind. Die Lösung (0,0), also wenn x und y den Wert 0 einnehmen, wäre eine Möglichkeit. Sie interessiert den Mathematiker aber nicht direkt, denn (0,0) wäre bei Gleichungen dieser Art immer eine Lösung, die "triviale" Lösung.

Für welche Zahlen aber sonst gilt diese Gleichung? Eine schwierige Frage, denn schon die Menge der ganzen Zahlen ist unendlich groß, und so kann man natürlich nicht alle Zahlen ausprobieren. "Deshalb muss das Ganze auf ein endliches Problem reduziert werden", erklärt der Mathematiker Venjakob. Folglich muss die Menge der Zahlen, die betrachtet wird, verkleinert werden und dafür haben sich die Mathematiker ausgeklügelte Techniken überlegt.

"Eine Möglichkeit ist, sich die Division mit Rest, wie sie aus der Schule bekannt ist, zu Nutze zu machen", gibt Otmar Venjakob ein Beispiel für solch eine Methode. Betrachtet man beispielsweise Zahlen bis n=5, dann lässt sich die Zahl 7 als 1x5 mit einem Rest von 2 ausdrücken. Der Mathematiker sucht nun nach weiteren Zahlen, bei denen die Division durch 5 einen Rest von 2 ergibt. Diese Zahlen sind dann kongruent modulo 5 zueinander - der Mathematiker schreibt dafür 7≡2 modulo 5 - und die Bildung von Kongruenzen hilft eben beim Rechnen mit sehr großen Zahlen.

Für die Existenz von nicht-trivialen Lösungen gibt es nun zwei offensichtliche Obstruktionen: erstens muss die Gleichung eine Lösung in den reellen Zahlen besitzen und zweitens muss es eine Lösung modulo jeder natürlichen Zahl n geben. Für die obige Gleichung sind dies sogar die einzigen Hindernisse, wie das wichtige lokal-global Prinzip von Hasse besagt. Demnach besitzt die Gleichung eine nicht-triviale Lösung in den ganzen Zahlen, wenn eine (nicht-triviale) Lösung in den reellen Zahlen und (nicht-triviale) Lösungen der Kongruenzen für jedes n existiert.

"Man kann etwa mit diesem Prinzip für eine Gleichung auch aufzeigen, dass es keine andere Lösung außer Null gibt", führt der Mathematiker aus. Für die Gleichung x² + y² = -1 ist das schnell einleuchtend, denn x² + y² kann nur eine positive Lösung ergeben, diese Gleichung hat also keine Lösung in den reellen Zahlen. Bei anderen Gleichungen ist das aber nicht so einfach zu durchschauen und so muss man zu den Kongruenzen zurückkehren. Für unsere Ausgangsgleichung etwa existiert die reelle Lösung (√7,√3), aber keine nicht-triviale Lösung modulo 9, wie man leicht durch Einsetzen aller Zahlen zwischen 0 und 8 (man beachte 9≡0 modulo 9) für x und y verifiziert. Allgemeiner kann man solche Kongruenzen bezüglich immer größerer Primzahlpotenzen pn betrachten. So gelangen die Mathematiker zu den p-adischen Zahlen, wobei das p für eine Primzahl steht. Jede ganze Zahl kann nämlich in einer so genannten p-adischen Entwicklung geschrieben werden. Beispielsweise ist diese für die Primzahl 2 gerade die Binärdarstellung. So stellt sich die 2-adische Entwicklung der Zahl 35 folgendermaßen dar: 35 = 1x25 + 0x24 + 0x23 + 0x22 + 1x21 + 1x20 = 1000112. Allgemeiner lässt man unendliche Reihen solcher Entwicklungen zu.

Das Rechnen mit den p-adischen Zahlen erscheint auf den ersten Blick zwar nicht einfacher und die Zahlenmenge der p-adischen Zahlen ist sogar größer als die der rationalen Zahlen. "Aber der Zahlkörper der p-adischen Zahlen ist für den Mathematiker einfacher zu handhaben", erläutert Otmar Venjakob den Vorteil des Rechnens mit den p-adischen Zahlen und betont: "p-adische Methoden spielen heutzutage eine zentrale Rolle in der Zahlentheorie."

Es gibt aber auch geometrische Methoden, um Fragestellungen rund um Gleichungen der gezeigten Art zu studieren. Bei der arithmetischen Geometrie werden die Gleichungen in Kurven oder höherdimensionalen geometrische Räumen umgesetzt. "Das ist anschaulicher und man macht sich die geometrische Intuition zu nutze, um zu sehen, ob es Lösungen für eine Gleichung gibt oder nicht", betont der Leiter der Arbeitsgruppe "Arithmetische Geometrie" Otmar Venjakob den methodischen Ansatz seines Spezialgebietes.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Dr. Michael Schwarz, 02.06.2008
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2008