Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → WIRTSCHAFT

AUSSENHANDEL/240: Amerikanischer Blick auf das Freihandelsabkommen EU/USA (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Amerikanischer Blick auf das Freihandelsabkommen EU/USA
Die us-amerikanische Handelsexpertin Shefali Sharma appelliert an einen Zusammenschluss der Kritiker in den USA und Europa, um TTIP zu verhindern

von Annemarie Volling



Werden die Interessen der Bäuerinnen, Bauern und VerbraucherInnen beim geplanten Freihandelsabkommen EU/USA untergepflügt? Dieser Frage wurde auf insgesamt sechs Veranstaltungen der AbL mit regionalen Bündnispartnern in Dresden, Weitnau (Allgäu), Fulda, Bekond (bei Trier), Westerstede (bei Oldenburg) und Elmshorn (Schleswig-Holstein) nachgegangen. Hauptreferentin war die US-amerikanische Handels- und Landwirtschaftsexpertin Shefali Sharma vom Institut for Agriculture and Trade Policy (IATP) aus Washington. Beim geplanten Freihandelsabkommen EU/USA - den Verhandlungen für eine neue Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) - geht es einerseits darum Märkte zu öffnen. Vor allem aber geht es darum, Standards und gesetzliche Regelungen zu "harmonisieren". So könnte das Freihandelsabkommen dazu genutzt werden, die lokale Lebensmittelerzeugung, die regionale Verarbeitung und Vermarktung zu stärken und jeweils die "besseren" Lebensmittel- und Sozialstandards zu etablieren. Aber die Ziele sind andere. Sie sind bekannt, weil im Mai 2013 über 20 US-Agrarindustrieverbände - vornehmlich aus der Fleisch-, Molkerei- und Getreideindustrie - ihre Stellungnahmen an das US-amerikanische Handelsministerium schickten und darin klar ihre Interessen bekundeten. Diese Eingaben sind öffentlich. Das IATP hat sie ausgewertet und in einem Hintergrundpapier die Zitate der Industrieforderungen aufbereitet. Die Wunschliste der Konzerne ist lang: Sie wollen das Verbot der Verwendung von Wachstumshormonen (Antibiotika, Ractopamin) in der EU aufheben, die Chlorbehandlung von Hühnerfleisch erlauben, aber auch die Zulassung von gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen zum Import nach Europa beschleunigen."Man darf sich aber nichts vormachen, denn sicherlich sind die Interessen der europäischen Agrarindustrie ziemlich deckungsgleich. Allerdings veröffentlichen sie ihre Positionen nicht, wohlwissend, dass das auf breite Ablehnung in der europäischen Bevölkerung stoßen würde", so Sharma.


Vorsorgeprinzip unterlaufen

Weiteres klares Ziel ist es, das Vorsorgeprinzip der EU zu schwächen und dafür den "wissensbasierten" US-Ansatz durchzusetzen. Wenn in der EU neue Produkte, Technologien, Medikamente etc. zugelassen werden, muss nach dem Vorsorgeprinzip sichergestellt werden, dass diese keinen Schaden in der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit verursachen. Die USA bemängeln, dass dieser Ansatz nicht wissensbasiert ist. Die USA stützt sich hingegen auf Industriebasierte Studien. Das US-System geht davon aus, dass solange nicht bewiesen ist, dass Chemikalien, Hormone, GV-Pflanzen schädlich sind, dürfen sie verwendet werden. Zwei völlig unterschiedliche Systeme, die nun angeglichen werden sollen.


Hormone und Chlorbad

So möchten die Konzerne bspw. das Ractopamin-Verbot in der EU aufheben. Früher wurde Ractopamin als Asthma-Medikament verwendet. Heute wird es als Wachstumshormon in der Schweinemast eingesetzt. Ractopamin ist in 160 Ländern verboten - darunter in der EU. Ractopamin schüttet Stresshormone aus und verstärkt die eh schon extrem stressauslösenden Haltungsbedingungen in den Mastbetrieben. Die US-Fleischindustrie sieht dieses Verbot als nicht gerechtfertigt an, weil es wissenschaftlich nicht bewiesen sei und gegen internationale Standards verstoßen würde. Von sechs Studien, die sie anführen, sind drei von Ractopamin-Herstellern selber durchgeführt worden.

Die US-Hähnchenindustrie sagt, dass "in den USA ... täglich mit hochgradig chlorhaltigem Wasser behandelte Hühnchen von über 300 Millionen US-Bürgern konsumiert, sowie von Verbrauchern aus den fast 100 Ländern, in die die US-Industrie momentan Produkte exportiert, konsumiert werden. Es sind keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen bekannt." Die Chlorbehandlung ermöglicht es, die Schlachttaktung zu erhöhen und die Kontrollen zu verringern. Durch eine Harmonisierung der Standards soll auch in Europa die Chlorbehandlung möglich werden.


Von globaler Dimension

Offiziell heißt es, dass die Standards harmonisiert werden sollen. Harmonisierung aber heißt, dass Lebens- und Futtermittel, die nach US-Standards erzeugt worden sind, hier akzeptiert und ungekennzeichnet verkauft werden dürfen - und umgekehrt. Noch viel schlimmer für Shefali Sharma ist, "dass die Standards, die gerade verhandelt werden, auch in der restlichen Welt eingeführt werden sollen."

In den USA wird aktuell diskutiert, ob es beim Freihandelsabkommen ein so genanntes "fast track" - also ein Schnell-Verfahren geben soll. Bislang hat der Kongress umfangreiche Mitspracherechte. Setzt sich Obama durch, dann würden diese stark eingeschränkt. Ähnlich wie in der EU, wo die EU-Parlamentarier und Mitgliedsstaaten keine inhaltlichen Veränderungen anstoßen, sondern nur am Ende "Ja" oder "Nein" sagen können.


Gemeinsam kämpfen

Für Shefali Sharma war es ermutigend, dass so viele Menschen auf die Veranstaltungen gekommen sind und den dreistündigen Diskussionen zu Handelspolitik interessiert und aktiv folgten. Ein solch politisches Interesse wünscht sie sich auch in den USA. Aber auch in Amerika gibt es eine wachsende Bewegung, die sich für eine regionale Lebensmittelerzeugung einsetzt. Regierungen haben Programme zur regionalen Lebensmittelversorgung bspw. in Schulen und Kantinen eingerichtet. Immer wieder plädiert Shefali Sharma für einen Zusammenschluss der Zivilgesellschaften beiderseits des Atlantiks und ist überzeugt, dass es gemeinsam gelingen kann TTIP zu stoppen.


Hintergründe: "10 gute Gründe",
www.abl-ev.de/themen/gentechnikfrei/hintergruende-positionen.html

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2014