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AUSSENHANDEL/210: Portugal - Salzblume trotzt Wirtschaftskrise, hochwertige Exporte florieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. September 2012

Portugal: Salzblume trotzt Wirtschaftskrise - Hochwertige Exporte florieren

von Mario Queiroz


Salzernte in Castro Marim - Bild: © Katalin Muharay/IPS

Salzernte in Castro Marim
Bild: © Katalin Muharay/IPS

Castro Marim, 25. September (IPS) - Nachdem die Euro-Krise Portugals Wirtschaft in die Knie gezwungen hat, richten sich die Hoffnungen auf den Exporthandel. 'Flor de Sal', von Hand geerntetes naturbelassenes Meersalz, gehört zu den Produkten, mit denen sich das südeuropäische Land nach wie vor gegenüber der internationalen Konkurrenz behaupten kann.

Wirtschaftsexperten, unter ihnen auch Unterstützer der konservativen Regierung in Lissabon, empfehlen finanzielle Anreize für den Handel mit Waren, für die Portugal in aller Welt bekannt ist: Schuhe, Orangen, Kork, Wein und Premium-Salz.

Das erlesene Flor de Sal wird von Küchenchefs rund um den Globus geschätzt. Die so genannte Salzblume - im Englischen 'Salzkaviar' genannt - ist die oberste Schicht des Salzes, das in Salinen an den Küsten gewonnen wird. Inmitten der Finanzkrise besinnen sich immer mehr Portugiesen auf das traditionelle Handwerk zurück.

Jorge Filipe Raiado ist der Besitzer des kleinen und hoch angesehenen Unternehmens 'Salmarim' in Castro Marim in der südlichen Region Algarve, 330 Kilometer von Lissabon entfernt. Er erschloss sich eine Marktnische, als er mit der Produktion und dem Export des Salzes begann, das weit bessere Preise erzielt als herkömmliches Salz.

Für gewöhnlich wird Salz nur während der Sommermonate geerntet. "Die Exporte werden vor allem durch die Nachfrage von Küchenchefs gesteigert, die hochwertige Erzeugnisse für ihre Speisen suchen", berichtet der Firmeneigentümer.

Die in ganz Europa spürbare Rezession hat nicht nur Portugal, sondern auch seinen größten Handelspartner Spanien hart getroffen. In seinem Sektor sei die Krise jedoch nicht so sehr zu spüren, meint Raiado. In einer besseren Wirtschaftslage hätte er sicherlich mehr Kunden, andererseits wachse sein Geschäft aufgrund der Exporte weiter.

Was genau ist eine 'Salzblume'? Raiado versucht die Frage mit einem Vergleich zu beantworten. "Wenn Milch kocht, gibt es einen Temperaturunterschied zwischen der Flüssigkeit und der Luft. Auf der Milch bildet sich eine dünne Haut, die sich leicht zwischen den Fingern zerreiben lässt. Flor de Sal ist genau das Gleiche."


Salz ohne Maschinen und Chemikalien produziert

Die winzigen Salzkristalle, die eine Kruste auf der Wasseroberfläche bilden, werden jeden Tag von Hand geharkt. Nur die frischesten Kristalle, die zuoberst liegen, werden manuell geerntet und danach in der Sonne getrocknet. Weder Chemikalien für eine künstliche Bleiche noch Maschinen kommen dabei zum Einsatz. Auch wenn sich die Kristalle trocken anfühlen, enthalten sie einen kleinen Anteil an Feuchtigkeit.

Laut Raiado verändert dieses Salz nicht den Geschmack von Speisen, sondern ruft eine "Explosion an Aromen" hervor. Herkömmliches Tafelsalz sei damit nicht zu vergleichen. In Portugal kostet ein Kilo Flor de Sal etwa 25 US-Dollar. Wird die Ware ins Ausland exportiert, kann die gleiche Menge bis zu 130 Dollar einbringen. Ausfuhren in die wichtigsten Abnehmerländer Deutschland, Spanien, Frankreich, Polen, die USA, Kanada, Dänemark, die Schweiz, Belgien, Großbritannien und Ungarn sind zu einem lukrativen Geschäft geworden. Frankreich ist mit seiner 'fleur du sel' der größte Konkurrent.

2010 produzierte Portugal 44.574 Tonnen Meersalz. Salmarin ist im Vergleich dazu mit seinen acht Tonnen Flor de Sal im Jahr ein kleiner Hersteller. Raiado hat es jedoch mit Kreativität und Beharrlichkeit vermocht, einen Weg aus der Krise zu finden. Seine Firma wird in der derzeitigen Lage oft als positives Beispiel hervorgehoben.

Internationale Spitzenköche, die das edle Salz als Würze verwenden, sind die beste Werbung. Ungarischer Kaviar wird beispielsweise mit Flor de Sal von Salmarim verpackt. Seine Ware sei vielleicht etwas teurer, habe jedoch den Vorzug, dass sie aus den Salinen des Naturparks 'Castro Marim' komme. Dieses traditionelle Produkt sei von besserer Qualität als das industriell raffinierte Meersalz der Konkurrenz, erklärt er.

Somit gehören die kostbaren Salzkristalle zu den Exportgütern, die die verheerenden Auswirkungen der schwersten Wirtschaftskrise seit der Rückkehr zur Demokratie 1974 ein wenig abfedern können. Nach Daten des Justizministeriums mussten in der ersten Hälfte dieses Jahres mehr als 10.300 portugiesische Unternehmen schließen - 33 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho vor 15 Monaten folgt seine konservative Regierung strikt dem Diktat der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank.


Armut schafft keine Wettbewerbsfähigkeit

Als Gegenleistung zu ihrem Rettungspaket im Umfang von 110 Milliarden Dollar verlangt die Troika der Gläubiger Sparmaßnahmen wie erhebliche Lohnkürzungen und Steuererhöhungen. Zudem werden die Sozialversicherungsabgaben der Arbeitnehmer mit der Begründung erhöht, dass Portugal durch ein Angebot billiger Arbeitskräfte wettbewerbsfähiger werden müsse.

Die Strategie, wonach Wettbewerbsfähigkeit durch einen Anstieg der Armut erreicht werde, könne nur in den Köpfen dogmatischer Wirtschaftsexperten existieren, schrieb Rui Tavares, der für die Grünen im Europaparlament sitzt, kürzlich in einem Beitrag für die Tageszeitung 'Publico'.

Alle Portugal betreffenden Vorhersagen der EU, des IWF und der Regierung von Passos Coelho haben sich bisher nicht bewahrheitet. Die Wirtschaft befindet sich nach wie vor in einer Abwärtsspirale, während die Arbeitslosenrate mit 15,8 Prozent den bisherigen Höchststand in der Geschichte des Landes erreicht hat.


Exporte steigen, Handelsdefizit sinkt

2011 machten Exporte 35 Prozent des portugiesischen Bruttoinlandsprodukts aus, wie aus einer Anfang dieses Jahres veröffentlichten Studie des 'Banco do Espirito Santo' hervorgeht. Für 2012 wird mit einem Anstieg auf 37 Prozent gerechnet.

Nach Zahlen der portugiesischen Nationalbank und des Statistikamtes beliefen sich die Exporte von Waren und Dienstleistungen in den ersten sieben Monaten des Jahres auf insgesamt 48,5 Milliarden Dollar, das ist gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ein Anstieg um 6,5 Prozent und das beste Ergebnis seit fünf Jahren.

Das Handelsdefizit sank zwischen Januar und August 2011 auf 1,8 Prozent in den ersten sieben Monaten 2012. Damit nähert sich Portugal einer ausgeglichenen Handelsbilanz, die zuletzt vor 70 Jahren erreicht worden war. Auch kleine Unternehmen wie Raiados Firma tragen dazu bei, die Stellung des Landes im internationalen Exportgeschäft allmählich zu stärken. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.salmarim.com/cms/
http://www.ipsnews.net/2012/09/exports-worth-their-salt-in-crisis-struck-portugal/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2012