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AGRAR/1683: Die gemeinsame Agrarpolitik der EU (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2017
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Die gemeinsame Agrarpolitik der EU

von Jasmin Zöllmer


Die erste GAP 1958 - Nachkriegspolitik zur Ernährungssicherung

Nach Ende des zweiten Weltkriegs war Nahrung knapp in Europa. Daher wurde 1958 die erste Version der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) von den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) entworfen, um eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen. Zum erklärten Ziel der GAP wurde die Steigerung von Produktion und Produktivität in der Landwirtschaft. Damit sollte die Ernährung der Bevölkerung zu tragbaren Preisen gesichert und gleichzeitig ein angemessenes Einkommen für die Landwirte gewährleistet werden. Um dies zu erreichen, wurde die GAP auf zwei Säulen errichtet.


Milchseen und Butterberge werden zu Exportprodukten

Die erste Säule bestand hauptsächlich aus verschiedenen Instrumenten zur Marktregulierung: Die Landwirte erhielten eine Preisgarantie für ihre Produkte. Was sie nicht zum zugesicherten Mindestpreis (Interventionspreis) loswurden, wurde von der EWG aufgekauft, eingelagert und damit vom Binnenmarkt genommen. Das hielt die Preise stabil. Importzölle schützten Landwirte zusätzlich vor zu niedrigen Weltmarktpreisen. Folglich gab es einen starken Anreiz, viel zu produzieren - sogar zu viel. In den 70er und 80er Jahren musste die EU riesige Produktionsüberschüsse durch Interventionskäufe vom Markt nehmen - es entstanden sogenannte Milchseen und Butterberge. Um die Produktionsüberschüsse loszuwerden, wurden sie häufig mithilfe von Exporterstattungen in Drittländer verkauft. Exporteure erhielten also eine finanzielle Ausgleichsentschädigung, um ihre Produkte zu einem wettbewerbsfähigen Preis auf dem Weltmarkt anbieten zu können. So wurden aus Milchseen Exportprodukte. Mit den stark subventionierten und damit vergünstigten Importprodukten konnten die Landwirte der ärmeren Drittländer meist nicht konkurrieren - vor allem in afrikanischen Ländern wurden kleinbäuerliche Strukturen reihenweise zerstört. Folglich wurde die Kritik an den Marktinterventionen immer lauter, was zu zahlreichen Reformen der GAP in den folgenden Jahren führte.


Mehr Land = Mehr Geld

Importzölle und Exporterstattungen wurden in mehreren Reformen weitestgehend durch Direktzahlungen an Landwirte ersetzt. Pro Hektar bewirtschaftete Fläche erhalten sie nun eine Prämie. Dadurch bekommen aber große Betriebe mit viel Land auch einen großen Anteil der Subventionen. So sind unter den größten Geldempfängern Konzerne wie Bayer, BASF und Südzucker. Diese Firmen streichen gleichzeitig Millionengewinne ein und sind auf Steuergelder nicht angewiesen. Insgesamt schaffen die Direktzahlungen also ein ungerechtes System: 80 Prozent der Gelder gehen an nur 20 Prozent der Betriebe. Zwar werden seit der letzten Reform 30 Prozent der Direktzahlungen an die Einhaltung sogenannter "Greening"-Auflagen geknüpft, die beispielsweise bestimmte Umweltschutzmaßnahmen enthalten. Jedoch wurden diese Auflagen von den Mitgliedstaaten stark verwässert und bieten nur einen sehr begrenzten Tier- und Umweltnutzen.

Die zweite Säule der GAP sollte die Einkommensschere zwischen der zunehmend ärmeren Landbevölkerung und der zunehmend reicheren Stadtbevölkerung verringern. Durch sinkende Löhne war die Landwirtschaft nicht mehr in der Lage, jüngere Generationen anzulocken. Um dem entgegenzutreten, wurden diverse Ausgleichszahlungen und Unterstützungsleistungen an sogenannte benachteiligte Regionen geleistet. Heute umfasst die zweite Säule gezielt Förderprogramme für die Entwicklung des ländlichen Raumes, auch der ökologische Landbau und Tierschutzleistungen werden gefördert. Somit bietet sie durchaus Potential, ist jedoch stark unterfinanziert. Für Deutschland stehen hierfür jährlich nur rund 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gegenüber 5 Milliarden Euro für die erste Säule. Zwar steht es den Mitgliedsstaaten frei, bis zu 15 Prozent aus der ersten Säule in die zweite Säule umzuschichten, um damit höhere Leistungen an Umwelt- und Tierschutz gezielter zu honorieren. Die Bundesregierung ist jedoch leider weit davon entfernt, diese Spielräume zu nutzen. Sie blockiert sogar die Erhöhung der Umschichtung von 4,5 Prozent auf 6 Prozent, die im Bundesrat beschlossen wurde.

Die jüngste Reform der GAP wurde 2013 ausgearbeitet und gilt bis 2020. Mit circa 60 Milliarden Euro pro Jahr ist sie nach wie vor eine der größten Kostenfaktoren innerhalb des EU-Budgets. Dabei stellt die erste Säule mit 75 Prozent der Gelder immer noch den Löwenanteil.

Insgesamt setzt die EU auch heute noch auf Exportsteigerung, und damit auf Kostenführerschaft. Um im globalen Wettbewerb nicht unterzugehen, werden die Produktionskosten so niedrig wie möglich gehalten. Dieser Kostendruck auf die Landwirte hat aber fatale Folgen für Menschen, Tiere und die Umwelt.

All dies zeigt: Eine grundlegende Reform der GAP ist dringend geboten.


PROVIEH fordert eine grundlegende Reform der GAP ab 2021

Die bisherige Agrarpolitik wird ab 2021 von einer neu vereinbarten GAP abgelöst werden. Sie muss das Ergebnis einer grundlegenden Reform sein, die endlich von Verantwortung für die Gesellschaft zeugt.

Wir fordern, dass die pauschalen Direktzahlungen an die Landwirte durch eine gezielte Förderung von gesellschaftlich gewollten Leistungen ersetzt werden. Der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat errechnet, dass allein für den Umbau der Tierhaltung zu einem einigermaßen gesellschaftlich akzeptierten Modell drei bis fünf Milliarden Euro jährlich benötigt werden. Wir fordern, dass ein Großteil der Agrarsubventionen umgelenkt wird in diesen Umbau. Dafür brauchen die Landwirte klare Richtwerte und die Verbraucher eine EU-weit verpflichtende Haltungskennzeichnung für Fleisch und Milch. So können sie sich beim Kauf für mehr Tierschutz entscheiden. Dieses Modell läuft in der Legehennen-Haltung schon mit Erfolg. Noch hinkt das deutsche Tierschutzrecht den gesellschaftlichen Anforderungen hinterher. Die Reihenfolge muss umgekehrt werden.


ZEITPLAN VON HOGAN

Juni 2017
Rund 320.000 Eingaben aus einer Online-Befragung zur Zukunft der EU-Agrarpolitik werden ausgewertet.

Juli 2017
EU-Agrarkommissar Phil Hogan stellt die Ergebnisse der Online-Befragung in Brüssel vor.

November 2017
Vorschlag der EU-Kommission für den "Mittelfristigen Finanzrahmen 2010-2027"

Bis Juni 2018
Offizieller Reformvorschlag der EU-Kommission für die EU-Agrarpolitik nach 2020

Mai 2019

Das EU-Parlament wird neu gewählt

Oktober 2019

Ende der Amtszeit der aktuellen Kommission

Ob der Zeitplan von Hogan eingehalten werden kann, hängt auch von den Brexit-Verhandlungen ab. Die inhaltlichen Vorschläge für die EU-Agrarpolitik nach 2020 werden wohl erst bekannt gegeben, wenn der finanzielle Rahmen bereits steht.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2017, Seite 10-12
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2017

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