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AGRAR/1504: Greening - Aigner geschwächt, Ciolos agiert (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 356 - Juni 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Greening: Aigner geschwächt, Ciolos agiert
Aigners isoliert sich mit dem Vorschlag, das Greening zu kippen.
EU-Kommissar Ciolos gewinnt mit leichten Korrekturen

von Ulrich Jasper



Es sollte wohl so etwas wie ein machtvoller Befreiungsschlag werden. Am 26. April trafen sich zeitgleich die deutschen Agrarministerinnen und -minister von Bund und Ländern zur Agrarministerkonferenz (AMK) in Konstanz - und die europäischen Minister in Brüssel zu einem EU-Agrarrat. Am Morgen präsentierte Bundesministerin Ilse Aigner per Pressemitteilung einen Vorschlag zum Greening, der eben dieses Greening letztlich zu Fall bringen sollte. Aigners Vorschlag lautet: Der Topf der gesamten Direktzahlungen, der einem Mitgliedstaat von der EU aus der ersten Säule zur Verfügung gestellt wird, wird um 10 Prozent gekürzt, um mit dem Geld freiwillige Agrarumweltmaßnahmen der zweiten Säule zu bezahlen (in diesem Fall voll aus Brüssel bezahlt, d.h. ohne nationale Kofinanzierungsanteile von Bund und Ländern). Die verbleibenden 90 Prozent der Direktzahlungen sollten wie bisher ohne jegliches Greening ausgezahlt werden. Diese 90 Prozent der Zahlungen wären also nicht an besondere gesellschaftliche Leistungen der Betriebe gebunden, wie die EU-Kommission es vorschlägt. Damit wäre eines der zentralen Projekte dieser EU-Agrarreform gestorben und der EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos politisch bis aufs Hemd blamiert. Es kam anders.


Klatsche in Konstanz

Schon in Konstanz ging Aigner mit ihrem Vorpreschen gehörig baden. Nicht nur von SPD- und Grünen-Ministern, sondern auch von CDU-Kollegen erntete sie gehörig Kritik. Hauptvorwurf: Aigner hat die gemeinsame Beschlusslage von Bund und Ländern verlassen und aufgekündigt. Diese Beschlusslage zur Agrarreform war auf der Agrarministerkonferenzen im Herbst 2011 in Suhl errungen worden, mühsam genug, und mündete damals sogar in einem einstimmigen Bundesratsbeschluss. Nirgendwo steht in diesen Beschlüssen, dass der Greening-Ansatz der Kommission abgelehnt werde. Vielmehr steht da: "Direktzahlungen sollen noch stärker an konkrete Umweltleistungen geknüpft werden". Es soll ein "ökologisches Anforderungsprofil für den Erhalt der Direktzahlungen zugrunde gelegt werden", dass u.a. folgendes enthält: auf dem Acker "mindestens drei Hauptkulturen, von denen keine überwiegen darf, (...), bzw. eine dreigliedrige Fruchtfolge im dreijährigen Rhythmus".

Jeder Betrieb, dessen Fläche mindestens zur Hälfte Acker ist und der mehr als 15 Hektar Acker bewirtschaftet, "sollte von seiner Ackerfläche einen angemessenen Anteil, orientiert am Kommissionsvorschlag, als ökologische Vorrangfläche bereitstellen". Dabei nennt der Beschluss der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern eine Reihe von Flächennutzungen, die als ökologische Vorrangflächen anerkannt werden sollen. "Die Umwandlung von Dauergrünlandflächen sollte vom Grundsatz her ausgeschlossen werden. Dabei ist der gegenwärtige Status als Bezugszeitpunkt zugrunde zu legen." Soweit der Beschluss von Suhl. In Konstanz ist er von den Agrarministerinnen und -ministern von Bund und Ländern nochmals ausdrücklich bestätigt worden. Die erste Schlappe für Aigner, und das auch noch unter Anwesenheit des Kabinettschefs der EU-Kommission Ciolos, Georg Häusler.


Isoliert in Brüssel

Zwei Wochen später fährt Ilse Aigner nach Brüssel zum nächsten EU-Agrarministerrat. Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung: Greening. Ungeachtet der Erfahrungen von Konstanz trägt sie auch hier - live übers Internet übertragen - wieder ihren Vorschlag einer neuen Modulation als Greening-Ersatz vor, wenn auch kürzer als auf ihrem Sprechzettel vorgesehen. Ob bewusst oder vielleicht auch nur vor Aufregung stellt sie ihrem Vorschlag sogar voraus, dass er auch mit den Bundesländern entwickelt worden sei. Aber auch das hilft ihr nicht: für ihre "Option A", wie sie das nennt, erhält sie so gut wie keine nennenswerte Unterstützung im Rat. Auch in Brüssel hat sich die Bundesministerin damit isoliert.


Ciolos behält die Initiative

Es ist der EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, auf den sich auf diesem EU-Agrarrat alle beziehen, und zwar durchweg mit Anerkennung. Ciolos hatte ein paar Tage vorher ein Arbeitspapier vorgelegt, in dem zum Greening leichte Korrekturen an den Gesetzesvorschlägen der Kommission angeboten werden. Die wichtigsten sind:

Die Schwelle, ab der Betriebe auf ihrer Ackerfläche mindestens drei Früchte anbauen müssen (Anbaudiversifizierung), könnte von 3 ha Ackerfläche auf bis zu 10 ha Ackerfläche je Betrieb angehoben werden. Betriebe mit bis zu 50 ha Nutzfläche, von der zudem ein bedeutender oder überwiegender Anteil Grünland ist (hier Dauer- und Wechselgrünland), könnten ebenfalls von der Anbaudiversifizierung freigestellt werden. Als Dauergrünland könnte in Zukunft nur noch solches Grünland gelten, das nicht mehr fünf, sondern acht Jahre lange nicht Bestandteil der Ackerfruchtfolge war, d.h. nur solches Dauergrünland müsste auf Betriebsebene erhalten werden. Zudem schlägt Ciolos vor, dass die konkreten Greening-Anforderungen auch im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen und von Zertifizierungssystemen nachgewiesen werden können. Die Maßnahmen müssen dann aber die gesamten Betriebsflächen umfassen und noch über die entsprechenden Greening-Anforderungen hinausgehen.


Greening-Ansatz bleibt

In seinem Papier stellt der Agrarkommissar heraus, dass die Greening-Anforderungen für alle Betriebe in der EU - außer den Kleinbetrieben - gelten müssen. Eine Menü-Liste, aus der sich jeder Mitgliedstaat solche Anforderungen herauspickt, die ihm gerade passen, lehnt Ciolos ab. In Brüssel bezeichnete er diesen Menü-Ansatz als "Greenwashing" und lehnt ihn ab. Eine solche Liste wird von 15 Mitgliedstaaten verfolgt, darunter auch Deutschland. Eine "Speise" in dem Menü ist Aigners verbrannter Vorschlag.


Greening
Unter dem Schlagwort "Greening" hatte die EU-Kommission bekanntlich vorgeschlagen, die Direktzahlungen nur noch dann voll auszuzahlen, wenn vom Betrieb auf der Ackerfläche eine Mindestfruchtfolge eingehalten, das Dauergrünland erhalten und eine Fläche im Umfang von 7 Prozent der betrieblichen Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche genutzt wird. Betriebe, die mindestens eine dieser Anforderungen nicht einhalten, sollen in dem Jahr mindestens 30 Prozent ihrer Direktzahlungen verlieren. Erfüllen sie die Anforderungen mehrere Jahre hintereinander nicht, verlieren sie weit mehr - so sieht es der Gesetzentwurf der EU-Kommission vor.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 356 - Juni 2012, S. 4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012