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AGRAR/1428: EU-Agrarreform einfach und wirksam (AbL)


AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - 18.02.2011

Pragmatischer Vorschlag der AbL, damit Gelder ökologischen und sozialen Nutzen stiften. Kern der Reform nicht zerreden lassen


Vor dem EU-Rat der Agrarminister/innen in Brüssel am Montag, den 21. Februar, hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am letzten Freitag einen Vorschlag zur anstehenden Reform der EU-Agrarpolitik vorgelegt. "Sowohl im EU-Agrarministerrat als auch im Europäischen Parlament wird derzeit versucht, den wesentlichen Kern dieser Reform zu zerreden, nämlich die dringende Notwendigkeit, die Brüsseler Direktzahlungen an wirksame ökologische und soziale Kriterien zu binden", so der AbL-Vorsitzende Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. "Die EU-Kommission hat in ihrem Papier vom November 2010 deutliche Bereitschaft hierzu signalisiert. Jetzt versuchen einige Interessensgruppen, die Qualifizierung der Gelder als zu kompliziert darzustellen, um sie schließlich ganz zu verhindern. Dabei ist die soziale und ökologische Konditionierung der Gelder sehr einfach und wirksam möglich. Das zeigt unser pragmatischer Vorschlag. Es kommt auf den politischen Willen an", macht Graefe zu Baringdorf deutlich.

Die AbL schlägt vor, dass sich die landwirtschaftlichen Betriebe die vollen Direktzahlungen nur sichern können, wenn sie eine Fruchtfolge einhalten, bei der erstens eine Frucht höchsten die Hälfte der betrieblichen Ackerfläche ausmacht und zweitens heimische Eiweißpflanzen (Leguminosen) wie Ackerbohnen, Erbsen oder Kleegras auf mindestens einem Fünftel der Ackerfläche angebaut wird. Wer sich dagegen entscheidet, erhält 30 Prozent Abzug der Gesamtprämie. "Das stoppt nicht nur die Tendenz zu Monokulturen, sondern bringt auch für Klimaschutz, Artenschutz, Bodenfruchtbarkeit und zur Verringerung der Soja-Importe entscheidende Fortschritte", so der AbL-Vorsitzende.

Als soziale Komponente füllt die AbL den Vorschlag der EU-Kommission, eine Obergrenze für die Zahlungen je Betrieb einzuführen, mit Leben. Die AbL schlägt als Obergrenze 150.000 Euro pro Betrieb und Jahr vor, wobei den von dieser Grenze betroffenen Betrieben die Möglichkeit gegeben werden soll, die Kürzung um die Hälfte ihrer Lohnkosten zu mildern. Die AbL sieht darin einen Beitrag, um die Wettbewerbsverzerrung der Zahlungen zulasten bäuerlicher Betriebe abzubauen. Gleichzeitig gebe es in flächenstarken Betrieben für arbeitsintensive Betriebszweige wie die Milcherzeugung und für bäuerlich-ökologische Wirtschaftsweisen eine faire Chance zur positiven Entwicklung.

"Unser Ansatz ist sozial, ökologisch und fair. Eine Reform, die das außen vor lässt, wird in der Gesellschaft nicht akzeptiert werden", untermauert Graefe zu Baringdorf.

Die AbL geht auch auf das Verhältnis der beiden Säulen der EU-Agrarpolitik ein. Die bisherige, gescheiterte Ausgleichslogik, wonach die zweite Säule (Ländliche Entwicklung) die negativen Folgen der ersten Säule (Direktzahlungen, Marktpolitik) ausgleichen solle, sei zu überwinden. "Beide Säulen müssen eigenständig am Ziel einer umwelt- und sozialverträglichen Agrarpolitik aktiv mitwirken. Dazu ist auch erforderlich, die zweite Säule mit ihren zukunftsweisenden Bereichen zur ländlichen Wirtschaftsentwicklung finanziell und konzeptionell zu stärken", so der AbL-Vorsitzende.

Den AbL-Vorschlag finden Sie anbei.


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EU-Agrarreform einfach und wirksam

Pragmatischer Vorschlag der AbL für die nächsten Schritte


Die Agrarpolitik der Europäischen Union steht vor der nächsten großen Reform für die Zeit nach dem Jahr 2013. Die EU-Kommission hat dazu im November 2010 eine noch allgemein gehaltene Mitteilung vorgelegt, die immerhin einige zentrale Anliegen der AbL und gesellschaftlicher Bündnisse aufgegriffen hat: Der große Bereich der Direktzahlungen (1. Säule) soll an gewisse ökologische und soziale Kriterien gebunden werden. Konkrete Vorgaben dazu hat die Kommission noch nicht benannt. Nun bereiten sowohl das Europäische Parlament als auch der EU-Rat der Agrarministerinnen und -minister ihre Stellungnahmen vor. Die großen Profiteure der bisher unqualifizierten Zahlungen versuchen hier ihren Einfluss geltend zu machen. Um nicht den Anschein zu erwecken, frontal gegen die notwendige Qualifizierung anzugehen, werden Vorschläge in den Raum geworfen, die zunehmend komplizierter werden und dazu angetan sind, Verwirrung zu stiften. Dabei ist die soziale und ökologische Qualifizierung sehr einfach und wirksam möglich. Es kommt auf den politischen Willen an. Die AbL legt hiermit einen pragmatischen Vorschlag für die konkreten Gesetzesentwürfe der EU-Kommission im Bereich der Mittelverwendung vor, die für Spätsommer/Herbst 2011 erwartet werden. Der Vorschlag zielt dabei auf die ersten Schritte der anstehenden Reform; die politischen Forderungen der AbL reichen zum Teil darüber hinaus. Hier geht es der AbL darum, in die wirksame soziale und ökologische Qualifizierung der Direktzahlungen einzusteigen.

Der Vorschlag berücksichtigt folgende Grundsätze:

Die Organisation der EU-Agrarpolitik soll nach 2013 von der Grundanlage her in zwei Säulen fortgeführt werden. In beiden Säulen muss aber das Ziel einer umwelt- und sozialverträglichen Agrarpolitik effektiv verankert werden, d.h. beide Säulen müssen mit ihren unterschiedlichen Maßnahmen daran mitwirken. Das ist die neue Kohärenz, die sich durch die gesamte EU-Agrarpolitik ziehen muss. Nur so ist die gescheiterte Ausgleichslogik, wonach Teile der zweiten Säule (Ländliche Entwicklung) die negativen Folgen der ersten Säule (Direktzahlungen und Marktpolitik) ausgleichen sollten, zu überwinden.

Die zweite Säule darf weder finanziell geschwächt noch konzeptionell ausgehöhlt werden, im Gegenteil. Die zukunftsweisenden Maßnahmen der zweiten Säule, sowohl im Bereich der Agrarumweltprogramme als auch im Bereich der von der regionalen und lokalen Ebene bestimmten und getragenen ländlichen Wirtschaftsentwicklung (wie LEADER-Ansatz) müssen im Kontext der gesamten Agrarpolitik deutlich gestärkt werden. Sie sind als Kern der zweiten Säule beizubehalten und strukturell als auch finanziell zu stärken. Das bedeutet, dass die Bindung von Mindestanteilen der Gelder für diese Maßnahmenbereiche (Achsenbindung) bestehen bleiben muss, verbunden mit höheren Ko-Finanzierungssätzen der EU für besonders zukunftsweisende ambitionierte Maßnahmen. Zudem könnte den Mitgliedstaaten (bzw. Bundesländern) die Möglichkeit gegeben werden, die nationalen Ko-Finanzierungsanteile für diese Maßnahmen durch zusätzliche eigene Mittel in gewissem Umfang aufzustocken.

Für beide Säulen gilt: bürokratischer Ballast ist einzustampfen. Die Cross Compliance-Bestimmungen müssen spürbar durchforstet und vereinfacht werden. Das geht sehr wohl, ohne damit auf eine in der Sache wirksame Kontrolle zu verzichten.


Die nächsten Schritte

Die Entkopplung der Direktzahlungen und die Überführung in regional einheitliche Zahlungsansprüche je Hektar sind in der EU nicht mehr strittig. Der Schritt, der nun folgen muss, ist die wirksame soziale und ökologische Konditionierung der Finanzmittel.

Dazu schlägt die AbL folgenden Einstieg vor:

Qualifizierung der Direktzahlungen im Rahmen der GAP nach 2013 Die angestrebte Qualifizierung besteht aus zwei Komponenten:

1) ökologische Konditionierung
2) soziale Konditionierung.


1) Ökologische Konditionierung: Fruchtfolge mit Leguminosen-Mindestanteil

Die Auszahlung eines ausreichend großen Anteils der einzelbetrieblichen Direktzahlungen - 30 % - wird an folgende leicht zu erfassende und effektiv wirkende Maßnahmen der Betriebe gebunden. Die Betriebe können diesen Anteil der Direktzahlungen für sich sichern (freiwillig), indem sie folgende Maßnahmen ergreifen:

- in der Acker-Fruchtfolge nimmt pro Vegetationsperiode eine Frucht maximal 50 % der betrieblichen Ackerfläche ein,

- in der Acker-Fruchtfolge nehmen Leguminosen (und Leguminosen-Gemenge wie Kleegras) mindestens 20 % der betrieblichen Ackerfläche ein,

- 3 % der betrieblichen Nutzfläche werden für ökologische Vorrangflächen (Landschafts-Strukturelemente wie Hecken, Streuobstwiesen, Blühstreifen) bereitgestellt. Bei hohen Schlaggrößen gilt das auch als Mindestanteil pro Schlag.

- Der Grünland-Anteil muss erhalten bleiben. Betriebe, die diese Maßnahmen nicht ergreifen, geben den Anspruch auf den oben genannten Anteil von 30 % ihrer gesamten Direktzahlungen auf. Das Geld der aufgegebenen Ansprüche wird im jeweiligen Mitgliedsland in der 2. Säule für Maßnahmen im Bereich der zukunftsweisenden Maßnahmen zur Verfügung gestellt.

Die Wirksamkeit der oben vorgeschlagenen ökologischen Konditionierung liegt darin, dass bei Nichteinhaltung der gesetzten Maßnahmen 30 % der Direktzahlungen des Gesamtbetriebes einbehalten werden. Damit rechnet sich z.B. Maisanbau in Monokultur nicht mehr, oder anders ausgedrückt: Die relative Vorzüglichkeit (Wirtschaftlichkeit) des Anbaus einer einzelnen Frucht wird aufgehoben, wenn diese entweder die Höchstgrenze von 50 % der Ackerfläche überschreitet oder wenn der Mindestanteil an Leguminosen von 20 % der Ackerfläche unterschritten wird. Denn jede Über- bzw. Unterschreitung der gesetzten Grenzen wird mit der Sanktion des Abzugs von 30 % der gesamten Betriebsprämie belegt.

Vorteile:

- Die breitere Fruchtfolge mit einem Mindestanteil an Leguminosen verbessert die Bodenfruchtbarkeit.

- Der Humusgehalt und damit die klimaschonende Kohlenstoff-Senkfunktion der Böden wird erhöht.

- Der Leguminosen-Anbau führt zu einer natürlichen Anreicherung von (Luft-)Stickstoff im Boden. Damit lässt sich ein Teil der energieintensiven Stickstoff-Düngung ersetzen.

- Die Biodiversität (sowohl natürliche Artenvielfalt als auch die arg gefährdete Nutzpflanzen-Vielfalt) wird gestärkt.

- Monokulturen (insbesondere Mais) verlieren ihre betriebswirtschaftliche relative Vorzüglichkeit - sie lohnen sich nicht mehr.

- Die Ausbreitung von Mais-Schädlingen wird erheblich gebremst und damit die fehlende Notwendigkeit von gentechnisch veränderten Mais-Sorten offenkundig.

- Ein erheblicher Beitrag zur heimischen Eiweißversorgung wird geleistet und damit indirekt auch ein Beitrag zum Schutz von Regenwäldern in Südamerika.

Diese ökologische Konditionierung (Fruchtfolge mit Leguminosenanteil) ist ein wichtiger Schritt für den notwendigen Wandel von der ölgesteuerten Agrarproduktion hin zur klimaschonenden solargestützten Landwirtschaft.


2) Soziale Konditionierung der Zahlungen: Obergrenze mit Flexibilisierung durch Anrechenbarkeit von Arbeitskosten

In ihrer Mitteilung vom November 2010 hat die EU-Kommission die Einführung einer betrieblichen Obergrenze ("Deckelung") vorgeschlagen, "unverhältnismäßige Auswirkungen auf landwirtschaftliche Großbetriebe mit vielen Beschäftigten" sollen "durch Berücksichtigung von entlohnter Arbeit gemildert werden".(1)

Die AbL schlägt dazu nun folgende Umsetzung vor:

Die Obergrenze wird bei 150.000 Euro je Betrieb und Jahr angesetzt. Bei der einzelbetrieblichen Berechnung der Obergrenze bleibt der Anteil der Direktzahlungen (30 %), der durch Einhaltung der ökologischen Konditionierung gesichert wird, außen vor. Betrieben, die von der Obergrenze betroffen sind, wird die Möglichkeit gegeben, die von der Obergrenze bewirkte Kürzung auf Antrag um den Betrag zu mildern, der der Hälfte ihrer regulären, sozialversicherten Lohnkosten entspricht. Die Betriebe müssen dafür selbst tätig werden, indem sie einen entsprechenden Antrag und die erforderlichen Nachweise selbst vorlegen. Mit den halben Lohnkosten kann höchstens die durch die Obergrenze erfolgte Kürzung ausgeglichen werden, d.h. die maximale Zahlungssumme je Betrieb bemisst sich - wie auch unterhalb der Obergrenze - nach der prämienberechtigten Fläche und den entsprechenden einzelbetrieblichen Zahlungsansprüchen. In Betrieben, deren Zahlungsansprüche in der Summe unterhalb der Obergrenze bleiben, finden die Arbeitskräfte bzw. Lohnkosten keine Berücksichtigung. Somit ist die Zahl der Betriebe, die Anspräche anmelden können, je nach Mitgliedstaat mit 1 - 3 Prozent sehr begrenzt, regional kann sie gleichwohl darüber liegen.

Vorteile:

- Diese flexibel gestaltete Obergrenze ist WTO-konform.

- Sie erhöht die Gerechtigkeit der Zahlungen innerhalb der Einkommensfunktion (nicht die Fläche, sondern Menschen haben Einkommen).

- Die Benachteiligung von landwirtschaftlichen Sektoren mit höherer Wertschöpfung je Fläche, die in aller Regel mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden ist, wird mindestens in großen Betrieben verringert.

- Wettbewerbsverzerrungen zulasten bäuerlich ökologischer Landwirtschaft werden gemildert.

- Nur sehr geringe Inanspruchnahme der staatlichen Administration (Nachweispflichten liegen bei den wenigen betroffenen Betrieben).

- Die Anrechenbarkeit auf maximal 50 % der sozialversicherungspflichtigen Lohnkosten zu begrenzen macht deutlich, dass das Einkommen der Betriebe vor allem aus den Markterlösen der Betriebe erfolgen soll. Eine Übersubventionierung von Arbeitsplätzen soll abgeschafft werden - heute erreichen rationalisierte Ackerbaubetriebe Zahlungen von umgerechnet bis zu 120.000 Euro je Arbeitskraft pro Jahr. Das ist eine enorme Wettbewerbsverzerrung zulasten bäuerlich wirtschaftender Betriebe, die - ob groß oder klein - nur ein Zehntel davon je Arbeitskraft erhalten.



Verantwortung zur vernünftigen Entscheidung

Die AbL formuliert diesen Vorschlag, um einen Beitrag zu einer vernünftigen Einigung der europäischen Institutionen zu leisten und die positiven Ansätze der EU-Kommission nicht zerreden zu lassen. Das Schreckgespenst der Bürokratie wird nur zu gern gemalt, um bestimmte wirtschaftliche Interessen dahinter zu verschleiern. Der Vorschlag der AbL ist einfach, unbürokratisch und gleichwohl in der Sache wirksam. Er greift die Interessen vieler gesellschaftlicher Akteure, auch aus außerlandwirtschaftlichen Bereichen, aktiv auf. Die vorgeschlagene Qualifizierung der Finanzmittel der EU ist ein wichtiger Schritt für die Zukunftssicherung der bäuerlichen Betriebe, indem die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung, Artenvielfalt und Wirtschaftsentwicklung in den ländlichen Regionen aktiv aufgegriffen werden. Das Ziel ist unbestritten, die ersten Schritte sind beschrieben, jetzt kommt es auf die politische Vernunft und Entscheidungskraft an.

Anmerkung:
(1) Die EU-Kommission hatte 2007 vorgeschlagen, die Direktzahlungen in Abhängigkeit von der Zahlungssumme der Betriebe zu staffeln: Beträge zwischen 100.000 und 200.000 Euro je Betrieb und Jahr sollten um 10 % gekürzt werden, zwischen 200.000 und 300.000 Euro um 25 % und über 300.000 Euro um 45 %. Das EU-Parlament hat in seiner damaligen Stellungnahme vorgeschlagen, den betroffenen Betrieben dabei das Recht einzuräumen, die Kürzungen auf Antrag durch Nachweis von betrieblichen Lohnkosten zu mindern.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 18.02.2011
AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Bahnhofstraße 31, 590067 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: info@abl-ev.de
Internet: www.abl-ev.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2011