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AGRAR/1422: EU-Agrarkommissar Ciolos bleibt bei seiner Linie (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 339 - Dezember 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

EU-Agrarkommissar Ciolos bleibt bei seiner Linie
Im ersten offiziellen Papier werden gesellschaftliche Forderungen aufgegriffen. Konkrete Formulierungen fehlen

Von Marcus Nürnberger


Wie im Vorfeld angekündigt hat EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos Mitte November erste offizielle Leitlinien für die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik vorgelegt. Die Veröffentlichungen entsprechen weitgehend den Anfang Oktober in einem inoffiziellen Entwurf bekannt gewordenen Standpunkten (siehe unabhängige Bauernstimme 10/11). Dazu zählt die Bindung der Direktzahlungen an soziale und ökologische Kriterien. Zum einen sollen die Direktzahlungen gestaffelt und dabei arbeitsintensiven großen Betrieben die Möglichkeit gegeben werden, mit dem Nachweis ihrer Lohnkosten die Abzüge der Staffelung zu mindern. Zum anderen sollen die Direktzahlungen nicht mehr nur an geltende gesetzliche Standards, sondern an darüber hinausgehende wirksame ökologische Anforderungen wie eine weite Fruchtfolge oder den Grünlanderhalt gebunden werden.


Positive Resonanz

In den Reihen der alternativen und ökologischen Landbauverbände, des Tierschutzes und der Umweltverbände wurde der Entwurf positiv aufgenommen. Besonders die unterschiedlichen Anforderungen der europäischen Bevölkerung, die in der im Vorfeld abgehaltenen Konsultation durch den EU-Agrarkommissar abgefragt worden waren, haben Eingang in das Papier gefunden. "Wir begrüßen es sehr, dass der EU-Agrarkommissar Ciolos an diesen Vorschlägen zur sozialen und ökologischen Ausgestaltung der Direktzahlungen im wesentlichen festhält. Er hat sich damit gegen erhebliche Widerstände derjenigen Kräfte durchgesetzt, die nichts anderes als die Interessen der größten Profiteure der bisherigen Agrarpolitik im Sinn haben", kommentiert Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der AbL. "Diese Kräfte, zu denen auch Bundesministerin Ilse Aigner gehört, haben alles versucht, diese Vorschläge wieder aus dem Papier zu drängen. Nachdem das vergebens war, haben sie erheblichen Druck ausgeübt, um Formulierungen abzuschwächen und den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung möglichst viel Spielraum zu verschaffen, um die konsequente EU-weite Änderung der Agrarpolitik so auf die lange Bank zu schieben", so der AbL-Vorsitzende.


Wir wissen es besser

Vor allem aus den Reihen des Bauernverbands kam starke Kritik. "Die Herausforderungen einer Ernährungssicherung für 500 Millionen EU-Verbraucher, des Klimawandels und einer zukunftsfähigen Energieversorgung lassen sich nur mit einer modernen und effizienten Landwirtschaft meistern. Statt ein solches "grünes Wachstum" der Landwirtschaft mit Nachdruck zu fördern, verzettelt sich die EU-Kommission in Vorschlägen, die vor allem zu neuerlichem bürokratischen Aufwand für die Bauern führen würden", schreibt der DBV in seiner Presseerklärung und kommt zu dem Schluss, dass es keinen Änderungsbedarf gibt. Der Vorschlag, bei den Direktzahlungen Obergrenzen einzuführen, wird vom Raiffeisenverband aufgegriffen, der die aus den LPGen hervorgegangenen produktionsorientierten Agrargenossenschaften kurzerhand zu Mehrfamilienbetrieben mit sozialem Engagement macht. "Die Tatsache, dass die Kommission erneut eine Obergrenze für die an große Einzelbetriebe gewährten Direktzahlungen in die Diskussion einbringt, ist völlig unverständlich. Die als Mehrfamilienbetriebe geführten Agrargenossenschaften, die eine wichtige ökonomische und soziale Funktion in den oftmals strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands erfüllen, würden erneut einseitig und in einer mit dem Selbstverständnis der Direktzahlungen nicht zu vereinbarenden Form belastet", so Manfred Nüssel, Präsident des deutschen Raiffeisenverbands.

Der bayerische Bauernverband veröffentlichte ein umfangreiches Positionspapier, in dem mit Halbwissen versucht wird, die EU-Vorschlage zu diskreditieren. Bei der Bindung an Arbeitskräften etwa geht es anders als im BBV-Papier ausschließlich darum, für Betriebe mit vielen sozialversicherunspflichtigen Arbeitskräften, die von den Kürzungen aufgrund einer einzuführenden Obergrenze betroffen wären, einen Ausgleich zu schaffen.


Starkes Bündnis

Parallel zur Veröffentlichung des EU-Agrarkommissars hat ARC ein Strategiepapier zur Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik in Brüssel vorgestellt. ARG steht für Agricultural and Rural Convention 2020 (siehe Bauernstimme 11/2010). In diesem EU-weiten Bündnis arbeiten seit April 2010 zivilgesellschaftliche Organisationen und Experten, unter anderem die AbL und der BDM, intensiv daran, die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik aktiv zu begleiten. ARG fordert eine neue Europäische Landwirtschafts-, Lebensmittel- und ländliche Politik, deren Ziele über die alten, in den Römischen Verträgen festgelegten hinausgehen. Diese heutigen Ziele müssen Ernährungssicherheit, Nahrungsmittelqualität und Volksgesundheit ebenso umfassen wie nachhaltige Standards für Landwirtschaft, ein faires Einkommen für Landwirte, Umweltschutz, Begrenzung des Klimawandels, Stärkung der Wirtschaft in ländlichen Räumen und das Wohl ländlicher Gemeinschaften. ARG schlägt vor, diese Politik mittels zweier EU-Haushalts-Fonds umzusetzen: den Europäischen Agrarfonds mit Schwerpunkt Nahrung und Landwirtschaft und den Europäischen ländlichen Fonds, dessen Schwerpunkt auf der Wirtschaft in ländlichen Räumen im weiteren Sinne und der ländlichen Entwicklung liegen soll.

Weitere Informationen unter: www.arc2020.eu


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 339 - Dezember 2010, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2011