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PARTEIEN/317: Skandal um erneuerbare Energie erregt Nordirland (SB)


Skandal um erneuerbare Energie erregt Nordirland

Stuhl der Ersten Ministerin Arlene Foster von der DUP wackelt


Lange Zeit haben die Unionisten in Nordirland ihre Ablehnung einer Wiedervereinigung mit der Republik Irland damit begründet, daß die Politik im katholisch dominierten Süden Irlands von Vetternwirtschaft gekennzeichnet sei, etwas, was den Protestanten im Norden mit ihrer kalvinistischen Aufrichtigkeit nicht zuzumuten wäre. Inzwischen hat sich die These von den korrupten Katholiken im Süden Irlands und den gewissenhaften, regeltreuen Protestanten im Norden endgültig als durchsichtiges Märchen entpuppt. Dafür haben die beiden Skandale um Project Eagle und die Renewable Heating Initiative (RHI) gesorgt. Wegen ersterem mußte Peter Robinson im September 2015 seinen Hut als langjähriger Chef der Democratic Unionist Party (DUP) und Erster Minister Nordirlands nehmen. Wegen letzterem wackelt dieser Tage der Stuhl seiner Nachfolgerin in beiden Ämtern, Arlene Foster, gewaltig.

Bei Project Eagle ging es um den Verkauf der Liegenschaften der irischen Bad Bank NAMA in Nordirland an den New Yorker Investitionsfonds Cerberus. Es besteht der dringende Verdacht, daß bei der Transaktion mit einem Gesamtwert von sage und schreibe 1,6 Milliarden Euro üppige Bestechungsgelder an Robinson und dessen Amigos geflossen sind. Mit dem Fall Project Eagle befaßt sich aktuell ein Sonderausschuß des irischen Parlaments in Dublin und die U. S. Securities & Exchange Commission, während strafrechtliche Ermittlungen seitens des Police Service of Northern Ireland (PSNI), der britischen National Crime Agency (NCA) und des Federal Bureau of Investigation (FBI) laufen.

Die Renewable Heating Initiative (RHI) ist ein Project, welches das nordirische Ministerium für Unternehmen, Handel und Investitionen 2012 unter seiner damaligen Chefin Arlene Foster von den Behörden in Großbritannien übernommen hat, um einer entsprechenden Direktive der Europäischen Union (EU) zur Steigerung des Anteils der Energiewinnung aus erneuerbaren Quellen zu folgen. Es wurden finanzielle Anreize für Betriebe geschaffen, ihre Heizsysteme von Öl und Gas auf Biomasse umzustellen. In Nordirland war der bevorzugte Energieträger bei der RHI Holzpellets. Doch durch den Preisverfall für Energie in den letzten Jahren wurde die RHI zu einem ausgesprochenen Minusgeschäft für den Staat bzw. den Steuerzahler. Weil der Einkaufspreis der Pellets unter den Wert der Subventionen fiel, geriet die RHI für die am Projekt beteiligten Betriebe zu einer Geldmaschine. Je mehr sie heizten, um so mehr Geld bekamen sie - also taten sie das, in einigen Fällen bei jedem Wetter sowie mit offenen Türen und Fenstern.

2015 kam es zu einer Reihe von Krisensitzungen, an denen Foster, inzwischen Erste Ministerin, und ihr Nachfolger als Handelsminister, der DUP-Kollege Jonathan Bell, sowie führende Beamten teilnahmen. Bell wollte angeblich die RHI-Prämie kappen bzw. die Aufnahme weiterer Betriebe in die Initiative beenden. Foster soll dagegen ihr Veto eingelegt haben. Mit dieser Version der Ereignisse ist Bell letzte Woche an die Öffentlichkeit gegangen und hat Foster in erhebliche Erklärungsnot gebracht. Der loyalistische Publizist Jamie Bryson, der letztes Jahr wesentlich dazu beitragen hat, die unappetitlichen Details von Project Eagle publik zu machen, behauptet auf seinem Blog, es seien hauptsächlich DUP-Unterstützer wie Fred Maxwell, der Eigentümer eines riesigen Geflügelmastbetriebs in Clogher Valley in der Grafschaft Antrim, sowie mehrere Sonderberater der Partei am Regierungssitz Stormont, die von der umstrittenen Initiative profitierten. Inzwischen wird der durch die RHI entstandene Finanzschaden für den nordirischen Staatshaushalt mit 400 Millionen Pfund, fast einer halben Milliarde Euro, beziffert. Die einfachen Bürger - egal ob nationalistische Katholiken oder protestantische Unionisten - sind empört.

Am 19. Dezember kam es im Belfaster Regionalparlament zu einem Tohuwabohu sondergleichen. Ohne Absprache mit dem Stellvertretenden Ersten Minister Martin McGuinness von Sinn Féin - was gegen das Karfreitagsabkommen von 1998 verstößt - hat Foster eine Erklärung abgegeben, in der sie jede Verantwortung von sich wies und dem armen Bell, gegen den bereits ein Ausschlußverfahren aus der DUP läuft, die Verantwortung für die katastrophalen Folgen der RHI aufbürdete. Die Rechtfertigungen der Regierungschefin hörten sich lediglich Fosters DUP-Kollegen an. Aus Protest gegen das Übergehen von McGuinness hatten die Abgeordneten aller anderen Fraktionen den Sitzungssaal verlassen. Nach der Erklärung Fosters kehrten diese zurück, um über ein Mißtrauensvotum der Social Democratic Labour Party gegen Foster abzustimmen. Die Vertreter aller Oppositionsfraktionen, also der SDLP, der gemäßigten Ulster Unionist Party (UUP), der Alliance Party und der linken Gruppierung People Before Profit (PBP), votierten dafür, diejenigen der reagierenden DUP dagegen. Nur weil sich die Abgeordneten des DUP-Koalitionspartners Sinn Féin enthielten, bekam der Antrag keine Mehrheit.

Foster hat also politisch überlebt, die Frage ist nur wie lange noch. Seitens der Oppositionsparteien wird der Ruf nach Neuwahlen zum nordirischen Provinzparlament laut. Sinn Féin, die solche Neuwahlen durch den Austritt aus der Koalition möglich machen könnte, hält vorerst zu den Regierungspartnern von der DUP. Hinter dem Verhalten Sinn Féins steckt das reine Kalkül. Der frühere politische Arm der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) beschert der DUP damit einen Schrecken ohne Ende statt eines Endes mit Schrecken. Die Turbulenzen innerhalb der DUP infolge des RHI-Skandals werden sich bis auf weiteres fortsetzen und zwangsläufig zu einer erheblichen Demontage der Democratic Unionists in den Augen der protestantischen Wählerschaft führen. Angeblich ist Jonathan Bell im Besitz von Tonaufnahmen, welche seine Version der Vorgänge stützen. Arlene Foster stehen unangenehme Tage und Wochen bevor.

20. Dezember 2016


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