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PARTEIEN/274: Martin McGuinness schüttelt Elizabeth II. die Hand (SB)


Martin McGuinness schüttelt Elizabeth II. die Hand

Ex-IRA-Kommandeur und Englands Oberhaupt bemühen sich um Versöhnung



Mit einem historischen Händedruck haben am 27. Juni Martin McGuinness, der ehemalige Generalstabschef der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und Königin Elizabeth II. von Großbritannien, die auch formal Oberbefehlshaberin der britischen Streitkräfte ist, symbolisch das Ende der sogenannten "Troubles", die zwischen 1968 und 1997 in Nordirland rund 3500 Menschen das Leben kostete, besiegelt. Für den Vizepräsidenten der nationalistisch-katholischen Partei Sinn Féin, der als Vizepremier der interkonfessionellen Koalitionsregierung Nordirlands zusammen mit der protestantisch-probritischen Democratic Unionist Party (DUP) vorsitzt, war die Begegnung mit dem britischen Oberhaupt keine leichte Sache. Rund 30 Jahre lang hat die IRA für die Loslösung Nordirlands vom Vereinigten Königreich Krieg geführt. Die Wiedervereinigung Irlands gilt nach wie vor als das Ziel von Sinn Féin überhaupt. Doch auch für die britische Monarchin dürfte die Begegnung mit dem ehemaligen "Topterroristen" nicht einfach gewesen sein, haben doch dessen Männer 1979 ihren Cousin Lord Louis Mountbatten, den Onkel ihres Gemahls Prinz Philip, bei einem Bootsausflug vor der Küste der westirischen Grafschaft Sligo mit einer ferngezündeten Bombe getötet.

Die 86jährige Matriarchin der Familie Windsor feiert derzeit das 60jährige Jubiläum der Thronbesteigung und befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Beliebheit beim britischen Volk. Zur ihrer Popularität hat der zweitägige, aus PR-Sicht höchst erfolgreiche Besuch in der Republik Irland im vergangenen Frühsommer beitragen. Bei dieser ersten Staatsvisite eines britischen Staatsoberhauptes im Süden Irlands seit der Teilung der Insel 1922 infolge jenes Unabhängigkeitskrieges, der 1916 mit dem Osteraufstand in Dublin begann, hat Elizabeth II. ein diplomatisches Bravourstück hingelegt. Mit ihrer würdevollen Verneigung vor dem Denkmal zu Ehren der Helden des irischen Freiheitskampfes in Dublin, ihrer auf Gälisch gehaltenen Begrüßung der Anwesenden beim Staatsbankett in Dublin Castle und ihrer geäußerten Einsicht, wonach es vieles in der gemeinsamen Geschichte gäbe, auf das man rückblickend lieber verzichtet hätte, hat sie dem Wunsch aller Iren und Briten nach einer freundschaftlichen Partnerschaft auf Augenhöhe in den bilateralen Beziehungen vollends entsprochen.

Sinn Féin, deren gewählte Abgeordnete bis heute ihre Sitze im Londoner Unterhaus als Zeichen der Ablehnung der britischen Herrschaft in Nordirland nicht einnehmen, hat den Besuch von Frau Windsor in der Republik Irland demonstrativ boykottiert. Dafür wurde sie vielfach als engstirnig und heuchlerisch kritisiert. Schließlich regiert Sinn Féin Nordirland als Teil des Vereinigten Königreichs mit und hat sich damit vorläufig mit der Teilung der Insel abgefunden. Um sie jedoch überwinden zu können, muß der Vormarsch Sinn Féins in der Republik, wo sie sich derzeit anschickt, hinter Fine Gael, aber vor Labour und Fianna Fáil zweitstärkste Kraft zu werden, fortgesetzt werden und muß sich der einstige politische Arm der IRA von ihrer blutigen Vergangenheit distanzieren - ohne die eigene Parteibasis zu verprellen, versteht sich.

Dazu war das gestrige, erstmalige Treffen mit Elizabeth II. gedacht. Die Begegnung fand am Rande, jedoch nicht als offizieller Teil des Jubiläumsbesuchs der Königin in Nordirland statt. Anläßlich der Vernissage einer Kunstausstellung im Südbelfaster Lyric Theatre kamen McGuinness, die Königin, Prinz Philip, der irische Präsident Michael D. Higgins, seine Frau Sabina, Nordirlands Premierminister Peter Robinson von der DUP und Elizabeths Privatsekretär Sir Christopher Geidt für eine halbe Stunde hinter verschlossenen Türen zusammen. Bei dieser Gelegenheit soll sich McGuinness bei der Königin für ihre versöhnlichen Worte im vergangenen Jahr bedankt haben. Von diesem Privattreffen war die Presse ausgeschlossen und es gab keine Fotos.

Anders war es, als die Königin das Lyric Theatre verließ. Da stellte sich McGuinness neben Robinson in die Reihe und schüttelte der Königin, als sie vorbeiging, die Hand und wünschte ihr auf Gälisch eine gute Heimreise. Im Unterschied zu allen anderen Gästen hat er jedoch keine Verbeugung vor ihrer Majestät gemacht. Nichtdestotrotz dürfte der Händedruck ein wichtiges Zeichen gesetzt haben, nämlich daß Sinn Féin die Unionisten respektiert und bereit ist, mit ihnen ein neues Irland zu schaffen, wo Grün (die Nationalisten) und Orange (die Protestanten) friedlich zusammen leben können.

Obwohl viele Nationalisten und Republikaner beiderseits der irisch-irischen Grenze kein prinzipielles Problem mit Sinn Féins Versöhnungskurs haben, kritisieren nicht wenige von ihnen, daß die einstige IRA-Führung gegen politische Anerkennung und gut dotierte Posten im Staatsapparat den einstigen Streitgefährten den Rücken gekehrt haben. Auf Sinn Féin wirft es jedenfalls ein schlechtes Licht, daß die schwererkrankte, ehemalige IRA-Kämpferin Marian Price seit über einem Jahr im Gefängnis in Nordirland sitzt, nur weil sie am Ostersonntag 2011 an einem Aufmarsch von republikanischen Dissidenten teilgenommen hat. Für die Verhaftung von Price sind McGuinness' und Robinsons Kabinettskollege David Ford von der überkonfessionellen Alliance Partei und der konservative britische Nordirlandminister Owen Paterson verantwortlich. Sie lehnen eine Freilassung Prices unter Verweis auf "Erkenntnisse" des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, die zu veröffentlichen sie sich aus Gründen der "nationalen Sicherheit" weigern, ab. Menschenrechtler halten die Inhaftierung von Price für illegal, wurde sie doch 1980 aufgrund der schweren Mißhandlung, die sie als verurteilte Bombenlegerin und Hungerstreikende im Gefängnis erlitten hatte, von der Königin persönlich begnadigt.

28. Juni 2012