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AGRAR/090: Die EU ein Selbstversorger? Barnier verbreitet Mythen (SB)


Irrtum Selbstversorgung

Die Landwirtschaft der Europäischen Union ist auf Tierfutter und Dünger aus Übersee angewiesen


Es werden derzeit viele Märchen verbreitet, wie der rasch wachsende globale Nahrungsnotstand behoben werden kann, eines gab der französische Landwirtschaftsminister Michel Barnier am Montag gegenüber der "Financial Times" zum besten. Die Europäische Union sei ein Selbstversorger, die Entwicklungsländer sollten sich ebenfalls zusammenschließen und wie die EU eine gemeinsame Agrarpolitik (GAP) betreiben, schlug er vor. Damit könnten sie wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen und gegen die steigenden Lebensmittelpreise vorgehen.

Tatsächlich täuscht der Begriff "Selbstversorgung" darüber hinweg, daß die Europäische Union vom ständigen Zustrom an Importen aus anderen Weltregionen abhängig ist. Barnier hat in seiner Rechnung beispielsweise nicht das Viehfutter aus Südamerika und den Dünger aus Übersee berücksichtigt, ohne deren ständige Anlieferung die landwirtschaftliche Produktion der Europäischen Union nicht in der heutigen Form möglich wäre. Demgegenüber müßte ein Selbstversorger ein Land sein, das seine Agrarproduktion vollständig aus den natürlichen Voraussetzungen des eigenen Territoriums bestreitet.

Unsachlich wäre es selbstverständlich auch, würde man die Einfuhr von Rohwaren mit den Ausfuhren von veredelten Produkten verrechnen. Auch wenn sich die Im- und Exporte von landwirtschaftlichen Produkten der Europäischen Union geldwertig, grob gerechnet, einigermaßen ausgleichen, beweist solch eine Bilanz keineswegs die Nahrungsmittelautarkie der EU.

Im übrigen wundert es nicht, wenn der Minister eines Landes wie Frankreich, das den größten Anteil an den jährlich 55 Milliarden Euro Agrarsubventionen von der Europäischen Union erhält, das System lobt, schließlich fahren die Franzosen nicht schlecht damit.

Dummerweise wirken sich die hohen Subventionen der EU sehr wohl als Entwicklungsbremse auf andere Länder aus, ob Barnier es wahrhaben will oder nicht. Beispielsweise vermochte vor einigen Jahren Kamerun nur durch staatliche Eingriffe seine eigene Hühnerproduktion wieder einigermaßen von dem schweren Schlag zu sanieren, der ihr durch den subventionierten Export gefrorenen Hühnerkleins aus der EU zugefügt worden war.

Die Europäische Union benötigt landwirtschaftliche Flächen und Ressourcen, die außerhalb ihres Territoriums liegen, um die Bevölkerung zu ernähren. Folglich funktioniert das System nur grenzüberschreitend und muß von seiner Anlage und Ausführung her als räuberisch bezeichnet werden. Ist es wirklich wünschenswert, wenn das GAP-Modell in dieser Hinsicht zum Vorbild würde?

29. April 2008