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ZIVILRECHT/014: Streitbeilegung über Grenzen durch Mediation (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 9. November 2007

EU: Beilegung von grenzüberschreitenden Streitigkeiten durch Mediation wird attraktiver


In den Staaten der Europäischen Union (EU) wird die Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten durch Mediation künftig attraktiver. Haben sich die Parteien auf eine Mediation geeinigt, sind sie künftig besser vor Rechtsverlusten durch Verjährung geschützt. Sie können in der Mediation getroffene Vereinbarungen leichter vollstrecken und sich im Falle eines Gerichtsverfahrens auf die Vertraulichkeit der Mediation berufen. Den Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen hat der Rat der EU-Justizministerinnen und -minister heute gebilligt.

"Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Mediation als außergerichtliches Verfahren zur Konfliktschlichtung entscheiden, dürfen daraus keine Nachteile gegenüber Parteien erwachsen, die ihren Streit vor Gericht austragen. Die Mediation soll eine gleichwertige Alternative zum Gerichtsverfahren darstellen. Deshalb müssen auch bei der Mediation bestimmte Verfahrensgarantien gewährleistet sein und Vereinbarungen aus einer Mediation müssen, wenn erforderlich, auch vollstreckt werden können. Bisher musste sich eine Partei genau überlegen, ob sie wirklich einen Mediationsversuch in grenzüberschreitenden Streitigkeiten wagen sollte, weil sie aufgrund der unterschiedlichen Systeme in den Mitgliedsstaaten befürchten musste, dass während des Verfahrens Verjährungsfristen ablaufen könnten und sie deswegen später nicht mehr den Rechtsweg beschreiten konnte. Die heutige Einigung im Ministerrat beseitigt diese Hemmnisse. Sie gibt einen deutlichen Anreiz, Lösungen zwischen den Parteien durch Mediation statt durch kostspielige und langwierige grenzüberschreitende Gerichtsverfahren zu suchen. Damit leistet die Richtlinie einen wichtigen Beitrag zum Rechtsfrieden und zugleich zur Entlastung der Gerichte", sagte Bundesjustizministerin Zypries.

Die Richtlinie gilt - dem Vertrag von Nizza entsprechend - nur in grenzüberschreitenden Streitigkeiten, also für Mediationen, bei denen die Konfliktparteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten haben, oder aber wenn nach einer im Inland erfolgten Mediation später ein Gericht in einem anderen Mitgliedsstaat angerufen wird. Die Richtlinie stellt es den Mitgliedsstaaten frei, die Bestimmungen auch auf innerstaatliche Mediationsverfahren anzuwenden.

Die "Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen" strebt, wie es ihr Name schon sagt, keine umfassende Regelung der Mediation an. Neben einer Definition für den Begriff der Mediation und des Mediators und allgemeinen Aussagen zur Sicherung von Qualitätsstandards macht sie Vorgaben für die Vollstreckbarkeit von Vereinbarungen, für die Vertraulichkeit der Mediation und für den Ablauf von Verjährungsfristen während der Mediation. Die Richtlinie fördert die Mediation für den Fall eines erfolgreichen Verlaufs und verhindert Nachteile im Falle eines Scheiterns.

Beispiel 1:

Wenn ein deutscher und ein französischer Bürger eine Streitigkeit im Wege der Mediation lösen und eine Vereinbarung über die Zahlung von 400 € treffen, kann diese Vereinbarung auf Antrag und mit Zustimmung beider Parteien in jedem Mitgliedsstaat der EU (mit Ausnahme Dänemarks) für vollstreckbar erklärt werden. Die Vereinbarung ist damit einem Urteil aus einem anderen EU-Staat vergleichbar, so dass sie in Deutschland oder Frankreich nach einem Anerkennungsverfahren vollstreckt werden kann. Natürlich muss der Inhalt der Vereinbarung rechtskonform sein. So ist zum Beispiel die Übertragung des Sorgerechts von einem Elternteil auf den anderen oder gar auf Dritte auch im Rahmen einer Mediation nicht im Wege einer bloßen Vereinbarung möglich, da derartige Regelungen den staatlichen Gerichten vorbehalten sind.

"Es war uns wichtig, dass die Vollstreckbarkeit nur mit Zustimmung beider Parteien erfolgt, so dass der Grundsatz der Mediation als ein freiwilliges Verfahren gewahrt bleibt", betonte Zypries.

Beispiel 2:

Scheitert die Mediation, können die Parteien das zuständige Gericht anrufen. Es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um ein deutsches, französisches oder das Gericht eines anderen EU-Staates handelt. Ebenso wenig ist von Belang, ob deutsches, französisches oder ein anderes Recht zur Anwendung kommt. Jedenfalls müssen in allen Mitgliedsstaaten rechtliche Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die anwendbaren Verjährungsfristen nicht während der Mediation ablaufen können. Außerdem muss der Mediator vor dem zuständigen Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich allen Informationen haben, die er aus der Mediation heraus erlangt hat. Nur dort, wo zwingende Gründe der öffentlichen Ordnung eine Offenbarung gebieten (z. B. bei einer Gefährdung von Kindern), oder wo die Auslegung einer Mediationsvereinbarung im Streit steht, werden Ausnahmen zugelassen.

Nachdem die EU-Justizministerinnen und -minister heute über den Inhalt der Richtlinie eine politische Einigung erreicht haben, wird der Text im Europäischen Parlament in zweiter Lesung behandelt werden. Das Europäische Parlament hat aber bereits signalisiert, dass es dieser Einigung des Rates zustimmen wird. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten dann eine Frist von drei Jahren zur Umsetzung der Richtlinie in das jeweilige nationale Recht. "In Deutschland haben wir bereits weitgehend die entsprechenden Regelungen, lediglich zu der Frage, wie die Vollstreckbarkeitserklärung im deutschen Recht umzusetzen ist, gibt es Handlungsbedarf", unterstrich Brigitte Zypries.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 09.11.2007
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Ulf Gerder, Dr. Henning Plöger, Christiane Wirtz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2007