Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

SOZIALES/149: Die Zukunft Europas ist nicht nur eine ökonomische Frage (idw)


Justus-Liebig-Universität Gießen - 22.06.2012

Die Zukunft Europas ist nicht nur eine ökonomische Frage

Studie unter Beteiligung der Justus-Liebig-Universität Gießen warnt vor einer alleinigen Konzentration auf wirtschaftspolitische Maßnahmen, um den Zusammenhalt der Europäischen Union zu sichern



Die Förderung von sozialem Engagement ist auch politisch sinnvoll: Menschen, die sich freiwillig engagieren, nehmen häufiger an Wahlen teil und sind kompetenter in vielen Bereichen, die im politschen und gesellschaftlichen Miteinander eine Rolle spielen. Dies ist nur eines von vielen Ergebnissen einer internationalen Studie zur Bürgerbeteiligung. Die internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen vor einer alleinigen Konzentration auf wirtschaftspolitische Maßnahmen, um den Zusammenhalt der Europäischen Union (EU) zu sichern.

Die internationale Leitung der Studie lag beim Institute of Education, University of London, unter der Federführung von Dr. Bryony Hoskins (jetzt School of Education, University of Southampton). Die Co-Leitung hatte die National Foundation for Educational Research (UK) inne (Federführung: David Kerr,jetzt Citizenship Foundation, London). Für die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist Prof. Dr. Hermann Josef Abs vom Institut für Schulpädagogik und Didaktik der Sozialwissenschaften an der Studie beteiligt.

Die Studie unter dem Titel "Participatory Citizenship in the European Union" geht der Frage nach, in welchem Ausmaß die Menschen in Europa aktiv am politischen und gesellschaftlichen Leben teilhaben. Weiterhin werden Hindernisse auf dem Weg zu einer aktiven Teilhabe identifiziert und politische Maßnahmen benannt, die zu mehr politischem oder gesellschaftlichem Engagement beitragen können. Die Studie, die am 19. Juni in Brüssel vorgestellt wurde, wurde von der Europäischen Kommission finanziert.

Die der Studie zugrundeliegende Forschung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Partnerorganisationen aus sieben Europäischen Ländern: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande und Slovenien. Es wurden Politiken und Praktiken in den 27 Mitgliedsstaaten der EU verglichen, Experten befragt und Datenanalysen auf der Basis von internationalen Studien vorgenommen. Neue Analysen zum European Social Survey (ESS) und die International Civic and Citizenship Education Study (ICCS) kamen zum Einsatz.


Empfehlungen der Studie:

• Die Förderung von sozialem Engagement ist auch politisch sinnvoll, weil beispielsweise Menschen die sich freiwillig engagieren, häufiger an Wahlen teilnehmen und Kompetenzen entwickeln, die auch im politischen Raum zu mehr Effektivität beitragen.

• Um mehr politisches und soziales Engagement zu erreichen, ist es unverzichtbar, benachteiligte Gruppen anzusprechen, die besonders gefährdet sind, gesellschaftliche ausgeschlossen zu werden. In einigen Ländern erweisen sich Engagement-Programme in Schulen, in der Beruflichen Bildung und in der Jugendarbeit als ein geeigneter Weg.

• Politische Bildung sollte nicht nur als Erwerb von Kenntnissen, sondern auch als Chance zum niedrigschwelligen Erwerb von Erfahrungen in und außerhalb von Schule stärker gefördert werden. Dabei können Partnerschaften zwischen Schulen, Betrieben, und einer Vielfalt weiterer staatlicher und nicht-staatlicher Einrichtungen hilfreich sein.

• Die Europäische Kommission kann insbesondere durch einen Fokus auf Public-Private-Partnerships und die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen zu sozialer Innovation beitragen. Lücken, die in einigen Ländern aufgrund der aktuellen Finanzkrise entstanden sind, können auf diese Weise ausgeglichen werden.

• Die Nutzungsmöglichkeiten sozialer Medien zur Bürgerbeteiligung sollten stärker erkundet werden. Darin sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Chance, den Austausch von Information zu erleichtern und die Distanz zwischen politischen Akteuren und Bürgern zu überwinden.

In diesem Zusammenhang präsentiert die Studie auch ein Best-Practice-Beispiel aus Gießen, namentlich die eOpinio GmbH, die Internetlösung zur politischen Bürgerbeteiligung im kommunalen Raum entwickelt. eOpinio ist eine Unternehmensgründung, die aus einem studentischen Projekt an der Universität Gießen entstanden ist.


Hindernisse und Herausforderungen:
  • Das zurückgehende Vertrauen in politische Akteure.
  • Die Schwierigkeit, einen authentischen Dialog zwischen Politikern und Bürgern zu initiieren.
  • Die niedrige Stellenwert, der politischer und gesellschaftlicher Partizipation als Politikziel zukommt.
  • Die Herausforderungen aufgrund grundsätzlicher Veränderungen angesichts einer globalisierten Ökonomie, des Klimawandels, einer alternden Bevölkerung und einer Heterogenität der Lebensverhältnisse in der EU.


Die weiteren Partner im Konsortium:
- Dänemark: Dr. Hans Dorf, Aarhus University, Department of Education
- Frankreich: Jean Gordon, Prof. Antoine Bevort, Alain Michel, European Institute for Education and Social Policy (EIESP)
- Deutschland: Prof. Hermann J. Abs, Institut für Schulpädagogik und Didaktik der Sozialwissenschaften der JLU Gießen
- Italien: Prof. Bruno Losito, Roma Tre University
- Slovenien: Prof. Janez Krek, Faculty of Education, University of Ljubljana
- Niederlande: Prof. Wiel Veugelers, University of Humanistics Studies, Utrecht
- Großbritannien: Dr. Germ J. Janmaat, Dr. Christine Han, Prof. Andy Green, Institute of Education, University of London. Juliet Sizmur, Jo Morrison, National Foundation for Educational Research, Slough. Rebecca Ridley, Southampton Education School, University of Southampton

Weitere Informationen unter:
http://ec.europa.eu/citizenship/news-events/news/29052012_en.htm
- Bericht/Europäische Kommission

http://ec.europa.eu/citizenship/european-year-of-citizens-2013/index_en.htm
- European Year of Citizens 2013

http://ec.europa.eu/news/justice/111216_en.htm - 2014
- 2020 Europe for Citizens Programme

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution217

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Justus-Liebig-Universität Gießen, Charlotte Brückner-Ihl, 22.06.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2012