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INNEN/432: Das Stockholmer Programm und die traurige Realität an Europas Grenzen (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 30. November 2009

Das Stockholmer Programm und die traurige Realität an Europas Grenzen

PRO ASYL: Zurückweisung, willkürliche Inhaftierung und das Sterben von Flüchtlingen sind Ausdruck einer völlig enthemmten Abwehrpolitik


Frankfurt/Brüssel- Anlässlich des Ratstreffens Justiz und Inneres legt PRO ASYL heute in Brüssel gemeinsam mit ECRE, der Helsinki Citizen Assembly (Istanbul), der Group of Lawyers (Athen) und dem Border Monitoring Project Ukraine (Ushgorod) seinen aktuellen Befund zur Lage der Menschenrechte an den europäischen Außengrenzen vor. "Völkerrechtswidrige Zurückweisungen, willkürliche Inhaftierung, der Tod von Flüchtlingen sind traurige Realität und Ausdruck einer völlig enthemmten Abwehrpolitik Europas", so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

PRO ASYL fordert bezogen auf die Abschlussarbeiten an dem sogenannten Stockholmer Programm, welches die flüchtlingspolitische Agenda für die nächsten fünf Jahre festlegt, dass die EU sich auf die Wiederherstellung menschenrechtlicher Prinzipien verpflichtet.

Mit Blick auf die Entschließung des Europaparlaments vom 25. November 2009 und dem zweiten Entwurf der Schwedischen Präsidentschaft zum Stockholmer Programm mahnt PRO ASYL, Europa müsse sich entscheiden: Wer auf der einen Seite die Menschenrechte und den Flüchtlingsschutz stärken will, kann nicht ein paar Zeilen weiter mit dem libyschen Diktator Ghaddafi Kooperationen im Bereich der Migration- und Fluchtbekämpfung eingehen (siehe Auszüge im Anhang). "Diese doppelzüngige europäische Menschenrechtspolitik ist mitverantwortlich, dass auf Hoher See abgedrängte Bootsflüchtlinge aus Eritrea, dem Sudan und Somalia auf so beschämende Art erneut Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen in Libyen werden, " so Kopp. Das Modell Italien - die völkerrechtswidrige Zurückweisung von Bootsflüchtlingen - darf nicht das Modell für die künftige europäische Flüchtlingspolitik werden.

Internationale Flüchtlingsschutzstandards werden täglich an den EU-Außengrenzen eklatant verletzt, Schutzsuchende werden in Transitländer wie Libyen, die Türkei, Mauretanien und die Ukraine zurücktransportiert - egal wie es dort um die Menschenrechte bestellt ist. Entlang der europäischen Küsten und Landgrenzen entstehen immer mehr Haftanstalten für die neuankommenden Flüchtlinge. Die Todesrate bei den Einreiseversuchen nach Europa ist unvermindert hoch. Über 500 Bootsflüchtlinge sind seit Beginn dieses Jahres allein im Kanal von Sizilien ums Leben gekommen. "Die EU und ihre Mitgliedsstaaten, die über alles Statistik führen, sind bezeichnenderweise nicht bereit, die Opferzahlen der Festung Europa zentral zu dokumentieren, geschweige denn eine humane Antwort zu finden, um dieses Massensterben zu beenden", so Karl Kopp.

Wenn die EU und ihre Mitgliedstaaten es ernst meinen mit dem "Europa des Asyls" und wenn der Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts künftig ein "gemeinsamer Schutzraum für Flüchtlinge" sein soll, dann muss allen Kooperationen mit menschenrechtsverletzenden Regierungen eine Absage erteilt werden. Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen oder internationalen Gewässern durch Verbände der europäische Grenzschutzpolizei FRONTEX oder Mitgliedstaaten sind zu unterbinden.



Auszüge:

European Parliament resolution of 25 November 2009 on the Communication from the Commission to the European Parliament and the Council - An area of freedom, security and justice serving the citizen - Stockholm programme

Asylum

49. Calls for the further development of the Common European Asylum System so as to establish a "Europe of asylum" (..)

52. Recalls that asylum is a right to be guaranteed to all people fleeing from conflicts and violence; condemns refoulement and collective expulsions to countries where human rights are not respected or which have not signed the United Nations Convention Relating to the Status of Refugees;

58. Stresses that all agreements with countries of origin and transit, such as Turkey and Libya, should include chapters on cooperation on immigration, taking due account of the situation of Member States most exposed to migratory flows and with an emphasis on fighting irregular immigration and trafficking in human beings by facilitating the work of Frontex;


The Stockholm Programme - An open and secure Europe serving and protecting the citizens, 2. Draft of the Swedish Presidency 23 November 2009

6.2 Asylum: a common area of protection and solidarity

(.) The development of a Common Asylum Policy should be based on a full and inclusive application of the Geneva Convention on the status of refugees and other relevant international treaties.

7. Europe in globalised world - the external dimension of freedom, security and justice

The EU and Turkey have agreed to intensify the cooperation to meet the common challenge of managing migration flows and to tackle illegal migration in particular. (.) Concluding the negotiations on the readmission agreement with Turkey is a priority; until then, already existing bilateral agreements should be adequately implemented... Libya is particularly important, with a view to assisting those countries in their efforts to draw up migration policies and responding to illegal immigration at sea and on the borders. Efforts should be made to conclude agreements on re-admission with Algeria, Libya, Morocco and Egypt.


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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 30. November 2009
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2009