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GEWERKSCHAFT/010: Wachsender Widerstand gegen Spardiktate und "Arbeitsmarktreformen" (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 49 vom 5. Dezember 2014
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Drei mal Generalstreik
Wachsender Widerstand gegen Spardiktate und "Arbeitsmarktreformen"

von Georg Polikeit



Gleich in drei EU-Staaten haben die Gewerkschaften zum Jahresende 2014 zu landesweiten Generalstreiks aufgerufen. Das kann als ein Anzeichen dafür gewertet werden, wie Millionen Arbeiter und Angestellte trotz der offiziellen Schönrednerei von Juncker, Merkel und Co. ihre derzeitige persönliche Lebenssituation empfinden. Und was sie von den Spardiktaten, Sozialkürzungen und der Deregulierung der Arbeitsmärkte halten, die von den EU-Zentralen vorgeschrieben und von den nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten willig umgesetzt werden.

In Griechenland war es am 27. November bereits der vierte Generalstreik in diesem Jahr, der das öffentliche Leben und zahlreiche Unternehmen lahmlegte. Der Schiffsverkehr und die Häfen lagen still, zahlreiche Züge und Flüge fielen aus, Schulen, Behörden und Großunternehmen blieben geschlossen. Konkret richtete sich der jüngste griechische Generalstreik gegen den Haushaltsentwurf 2015 der Regierung der Großen Koalition unter Premier Samaras, die von der rechtskonservativen "Nea Dimokratia" dominiert und von der sozialdemokratischen PASOK als Juniorpartnerin mitgetragen wird. Sie sieht für 2015 trotz der angekündigten Aufhebung der Troika-Kontrolle über das Land weitere Lohn- und Gehaltskürzungen sowie Stellenabbau im öffentlichen Dienst und die Fortsetzung der Privatisierung öffentlicher Unternehmen vor.

Zu den Streiks und Protestmärschen aufgerufen hatten einerseits die unter sozialdemokratisch-linkem Einfluss stehenden Gewerkschaftsbünde GSEE und ADEDY, andererseits der von den Kommunisten geführte Gewerkschaftsbund PAME. Sie führten in Athen und einer Reihe weiterer Städte getrennte Demonstrationen durch. Daran beteiligten sich auch viele Rentner, Studenten und Schüler, aber auch die Inhaber kleiner Handwerks- und Handelsbetriebe, die neue Steuererhöhungen fürchten. In Italien ist für den 12. Dezember von den beiden größten Gewerkschaftsbünden CGIL und UIL ein gemeinsamer achtstündiger Generalstreik mit Demos unter der Losung "So geht es nicht!" angekündigt. Er richtet sich gegen die Sparvorhaben und "Arbeitsmarkreformen", die von der Regierung des sozialliberalen Ministerpräsidenten Renzi vorangetrieben werden. Diese wird irreführenderweise manchmal immer noch als "Linksregierung" präsentiert, obwohl Renzis Partido Democratico (PD), einst als "Linkspartei" (PDS) aus der traditionsreichen Kommunistischen Partei Italiens hervorgegangen, sich von jeder Art von linker Politik verabschiedet hat und eine Koalition mit dem "Neuen Rechten Zentrum" und der "Bürgerliste" eingegangen ist.

Der Generalstreik richtet sich insbesondere gegen Renzis "job act" (Beschäftigungsgesetz) bei dem es um die Beseitigung des Artikels 14 des italienischen Arbeitsrechts und damit um die gesetzliche Aushebelung des Kündigungsschutzes geht. Schon am 25. Oktober hatten sich in Italien Zehntausende an einer zentralen Gewerkschaftsdemo in Rom beteiligt. Am 14. November fand im Vorfeld des angekündigten Generalstreiks ein "Tag des gesellschaftlichen Streiks" statt, bei dem es in zahlreichen Fabriken in Norditalien und auch in mehreren Unternehmen im Süden des Landes zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen in einem Ausmaß kam, wie sie das Land seit langem nicht gesehen hatte. Auch ein Aktionstag der Linksparteien am 29. November war durch starke Beteiligung gekennzeichnet.

Ein dritter landesweiter Generalstreik ist für den 15. Dezember in Belgien von den beiden stärksten Gewerkschaften, dem linken FTGB und der christlichen CSC, angesetzt. Auch hier richtet sich der Widerstand gegen die Spar- und Kürzungspläne der erst Anfang Oktober neu installierten Regierung des wallonischen Rechtsliberalen Charles Michel, in der auch die separatistische und ausländerfeindliche "Neuflämische Allianz" von Bart de Wever entscheidende Positionen innehat. Sie verkündete, dass sie 11 Milliarden Euro im Haushalt einsparen will, was natürlich Einschränkung und Stellenabbau in den öffentlichen Diensten und Kürzungen in den Gesundheits-, Sozial- und Kulturetats bedeutet. Außerdem will sie gemäß den EU-Vorgaben das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre anheben und den Lohnindex, also die Kopplung der Löhne und Gehälter an den Preisanstieg, abschaffen. Allein letztere Maßnahme würde für Beschäftige, die beispielsweise 1900 Euro pro Monat verdienen, einen Lohnverlust von 336 Euro pro Jahr bedeuten.

Auch in Belgien fanden im Vorfeld des angekündigten Generalstreiks bereits am 24. November größere Streik mit Demonstrationen in vier Provinzen statt, bei dem u. a. die Häfen von Antwerpen, Gent und Zeebrügge lahmgelegt worden waren. "Die Regierung Michel-de Wever hat nicht die politische Legitimität, die sie zu haben vorgibt: Niemand hat für eine Partei gestimmt, die die Verschiebung der Rente auf 67 Jahre in ihrem Programm hatte", vermerkte dazu Raoul Hedebouw, Abgeordneter der belgischen Arbeiterpartei PTB, der an der Spitze der Brüsseler Demonstration mit 120 000 TeilnehmerInnen dabei war.

Bleibt nur noch kurz zu erwähnen, dass landesweite Protestaktionen gegen Sparhaushalte und Sozialabbau auch in weiteren EU-Staaten stattfanden, so am 15. November in Frankreich auf Initiative des Komitees 3 A (Alternative à l'Austerité - Alternative zum Sparzwang) in mehr als 30 Städten mit jeweils mehreren tausend Teilnehmern, vom 21.-25. November in Portugal der vom "Allgemeinen Verband Portugiesischer Arbeiter" (CGTP-IN) organisierte Protestmarsch von mehreren tausend Beteiligten quer durch das Land, am 29. und 30. November in Spanien die "Märsche der Würde" in mehr als 40 spanischen Städten.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 46. Jahrgang, Nr. 49 vom 5. Dezember 2014, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2014


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