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SPANIEN/003: Sonderpolizeieinheit hilft illegalen Einwanderern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2013

Spanien: 'Guardia Civil mit menschlichen Zügen' - Sonderpolizeieinheit hilft illegalen Einwanderern

von Inés Benitez


Bild: © Inés Benitez/IPS

Angehörige des Migrantenschutzteams der 'Guardia Civil' in Andalusien
Bild: © Inés Benitez/IPS

Málaga, 12. Dezember (IPS) - Statt wie andere Polizisten in Spanien Einwanderer ohne Papiere aufzuspüren und auszuweisen, haben Sonderteams der Sicherheitspolizei 'Guardia Civil' die Aufgabe, die Menschen vor Übergriffe zu schützen.

"Wir sind oft in Zivilkleidung unterwegs, um Klagen in den Kasernen der Guardia Civil, in Privatwohnungen, Krankenhäusern und von Seiten der Nichtregierungsorganisationen entgegenzunehmen", berichtet Santiago González, der einem solchen Spezialteam zur Unterstützung von Immigranten (Edati) in der südlich gelegenen Provinz Málaga angehört.

Die Edati-Einheit in Málaga, die aus drei Männern und einer Frau besteht, nahm 2006 ihre Arbeit auf. Seit dem Jahr 2000 sind in ganz Spanien 13 solcher Teams an der Mittelmeerküste im Einsatz - von Barcelona im Nordosten bis Huelva im Südwesten des Landes. In allen Einheiten muss es mindestens eine Frau geben.

Die Spezialeinheiten sind dazu da, den Menschen ohne Papiere dabei zu helfen, ihre Rechte wahrzunehmen und Formulare wie Anträge auf eine Aufenthaltsgenehmigung auszufüllen. Außerdem ist es Aufgabe der Einsatzteams, zu verhindern, dass die rechtlosen Migranten hemmungslos übers Ohr gehauen werden.

Edati fungiert als Beschwerdestelle für Migranten. Diese können sich vertrauensvoll an die Spezialbeamten wenden, wenn sie etwa bestohlen worden sind, unter sklavenähnlichen Verhältnissen arbeiten mussten oder Gewalt ausgesetzt waren. Migrantinnen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, dürfen seit einer 2011 in Kraft getretenen Gesetzesreform ohnehin nicht mehr abgeschoben werden.


Russischer Magnat hielt Hauspersonal gefangen

"Oft sind es die Reichen, die am schlimmsten mit Menschen ohne Papiere umspringen", berichtet González und erinnert an einen russischen Großindustriellen im luxuriösen Ferienort Marbella, der 'illegale' tibetische Haushaltshilfen beschäftigt hatte. Diese durften während ihrer langen Arbeitszeit nicht essen und erhielten auch kein Geld. Bei einem der jüngsten Einsätze stieß das Team in Málaga auf eine Agentur, die heimlich eingereiste Ausländer als Hauspersonal vermittelte und diesen eine illegale Bearbeitungsgebühr abverlangte.

Landesweit hat Edati laut Angaben auf der Website der Guardia Civil im vergangenen Jahr etwa 10.700 Menschen ohne Papiere betreut, die meisten von ihnen Männer aus Nordafrika, Osteuropa und Südamerika. Insgesamt wurden 12.000 Einsätze durchgeführt. 11.200 wurden von den Beamten selbst veranlasst, und in den übrigen Fällen reagierte Edati auf Anzeigen.

In Spanien mit seinen 47 Millionen Einwohnern lebten 2012 etwa 5,4 Millionen Ausländer legal im Land. Aus den offiziellen Zahlen geht ferner hervor, dass mehr als 573.000 Migranten ohne Papiere dennoch in den Gemeinderegistern erfasst sind. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Einwanderern, die in keiner Statistik auftauchen.

Laut dem Innenministerium wurden im vergangenen Jahr 3.804 Bootsflüchtlinge in seeuntauglichen Booten vor der spanischen Küste aufgegriffen. Dies waren 30 Prozent weniger als 2011 und keine zehn Prozent der 39.180 Menschen, die 2006 die Küstengewässer erreichten. Den Angaben zufolge wurden ebenfalls 2012 etwa 26.400 Migranten ohne Papiere abgeschoben - 16,3 Prozent weniger als im Jahr davor. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nicht des Landes verwiesen werden.

Seit Oktober hat Spanien damit begonnen, die spanische Enklave Melilla mit Zäunen aus Nato-Draht von Marokko abzutrennen. Die Maßnahme, die die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy angeordnet hat, stößt bei Menschenrechtsgruppen auf scharfe Kritik.

Die Spezialeinheiten zum Schutz von Migranten geraten nach eigenen Angaben häufig mit Unternehmern und Rechtsanwälten aneinander, die der Meinung sind, dass Edati als Bestandteil der Guardia Civil Menschen ohne Papiere grundsätzlich festnehmen sollten. Auch die eigenen Kollegen reagieren häufig mit Unverständnis. "Es ist aber wichtig, dass uns die Migranten besser kennenlernen und Vertrauen zu uns aufbauen", betont González.

Aus Angst, abgeschoben zu werden, scheuen sich viele Menschen ohne Papiere, erlittenes Unrecht anzuprangern. Gegen schlechte Arbeitsbedingungen, nicht eingehaltene Versprechen der Arbeitgeber und die Erhebung illegaler Gebühren sind sie meist machtlos, wie Rafael Porta berichtet, ebenfalls Mitglied der Edati-Truppe in Málaga.

Die 28-jährige Hana El Rharnati engagiert sich für die Marokkanische Vereinigung zur Integration von Immigranten in Málaga. Sie selbst muss immer wieder fürchten, abgeschoben zu werden. Als ihr Studentenvisum abgelaufen und sie im Autobus bestohlen worden war, wandte sie sich an Edati. "Sie halfen mir beim Ausfüllen der Anzeige", erzählt die Aktivistin, die seit zehn Jahren in Spanien lebt. Die Edati-Beamten seien "eine Mischung aus Sozialarbeiter und Guardia Civil mit menschlichen Zügen".

El Rharnati fürchtet jedoch, dass illegale Einwanderer in Spanien solange Übergriffen und Ausbeutung zu Opfer fallen werden, bis sie eine reguläre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass die Ausländer nachweisen können, mindestens drei Jahre ständig in Spanien gelebt und keine Straftaten begangen zu haben und mindestens einen einjährigen Arbeitsvertrag vorweisen können. Spaniern, die Menschen ohne Papiere illegal beschäftigen, droht eine Geldbuße von mindestens 10.000 Euro. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://edatimalaga.blogspot.com.es/
http://www.guardiacivil.es/en/institucional/Conocenos/index.html
http://www.boe.es/boe/dias/2011/07/28/pdfs/BOE-A-2011-12962.pdf
http://www.interior.gob.es/file/59/59419/59419.pdf
http://asociacionmarroqui.com/
http://www.ipsnews.net/2013/12/spanish-police-protect-immigrants/

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IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2013