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ITALIEN/418: Bereits 802 Arbeitstote im Jahr 2022 - Arbeitsschutz entfällt als "unnötiger Kostenaufwand" (Gerhard Feldbauer)


Seit Jahresbeginn 802 Arbeitstote in Italien

BASIS-Gewerkschaft USB: Elementarer Arbeitsschutz entfällt als "unnötiger Kostenfaktor"

von Gerhard Feldbauer, 21. September 2022


In einem schockierenden Bericht hat die Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) enthüllt, dass es mit Stand vom 18. September 2022 in diesem Jahr in Italien 802 Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang gegeben hat. 567 gab es am Arbeitsplatz, 231 auf dem Weg dahin und 4 im Zusammenhang mit Covid. Die Angaben basieren auf einem Bericht, den USB zusammen mit dem "Netzwerk für Soziale Intervention and Demokratische Initiative" (Rete Iside ONLUS) verfasst hat. Das 2008 gegründete Soziale Zentrum ist landesweit vielseitig zur Verteidigung und Förderung der Rechte der arbeitenden Menschen, darunter Migranten, und zur Unterstützung derjenigen, die in prekären und schwierigen Situationen leben müssen, tätig. Der Bericht schätzt ein, dass es sich um keine tragischen, auf Unvorsicht beruhenden Unfälle handelt, sondern dass "das ein Ergebnis des herrschenden kapitalistischen Systems ist, das vollständig auf Profit und Ausbeutung ausgerichtet ist" und in dem Schutz und Sicherheit am Arbeitsplatz ein "unnötiger Kostenfaktor" sind, der den Gewinn schmälert. Dieses System mache vor Schülern in Berufspraktika nicht Halt, wie der Tod des achtzehnjährigen Schülers Giuliano De Seta am Technikum von Itis Leonardo da Vinci in Portogruaro in Venetien zeigte, der am 17. September durch eine herabfallende, zwei Tonnen schwere Platte erschlagen wurde - einer von Dutzenden Fällen, in denen hoffnungsvolles junges Leben ausgelöscht wurde, Eltern, Geschwister, Freunde und Freundinnen in Schmerz und Leid zurückbleiben.

An der Spitze des "Mordes am Arbeitsplatz" stehen die industriellen nördlichen Regionen, die als die produktivsten gelten und am stärksten betroffen sind: den schrecklichen Rekord für das vergossene Arbeiterblut halten mit 118 Toten die Lombardei, gefolgt von Venetien mit 93 und Piemont mit 62 Toten.

Als immer wiederkehrende Todesursachen am Arbeitsplatz führt der Bericht Quetschungen, insbesondere durch das Umkippen von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und das Herunterfallen von schwerem Material in Fabriken und Lagern an; dass Arbeiter aus gefährlicher Höhe abstürzen; in Maschinen geraten, weil diese nur über unzureichende Sicherheitsvorrichtungen verfügen; in der Hitze der Sommermonate ohne die vorgeschriebenen Pausen gearbeitet wird. Der Bericht bringt ans Licht, dass in vielen Fällen das Leben von Arbeitnehmern hätte gerettet werden können, wenn die Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit eingehalten worden wären.

Die USB fordert, den Tatbestand der Tötung am Arbeitsplatz in das Strafgesetzbuch einzuführen, weil nur so auf die Unternehmer eingewirkt werden könne, Maßnahmen zur Sicherheit am Arbeitsplatz zu ergreifen. In Zusammenarbeit mit den Abgeordneten einer Mitte-Links-Gruppe hat USB einen entsprechenden Gesetzentwurf in der Abgeordnetenkammer vorgelegt, der die Einführung des Tatbestandes des Verbrechens der Tötung und der schweren Körperverletzung am Arbeitsplatz vorsieht.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. September 2022

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