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ITALIEN/415: Katze aus dem Sack - Draghi will mit Meloni neue "Regierung der nationalen Einheit" bilden (Gerhard Feldbauer)


Wahlen in Italien

Katze aus dem Sack
Draghi will mit Meloni nach den Wahlen eine neue "Regierung der nationalen Einheit" bilden

von Gerhard Feldbauer, 8. September 2022


Obwohl der Wahlausgang noch offen ist, wird inzwischen bereits an einer Neuauflage der bisherigen "Regierung der nationalen Einheit" von Mitte-Links mit Faschisten - Lega und Forza Italia (FI) Berlusconis - gebastelt. Der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) soll dieser nach dem Willen Carlo Calendas, Chef der Zentrumspartei Azione, Kern seines "Dritten Pols", nicht mehr angehören, dafür die bisher nicht in ihr vertretenen Brüder Italiens (FdI) von Giorgia Meloni.

Eingeleitet wurde diese "Lösung" mit der Erklärung Draghis während der Messe in Rimini, er werde einer kommenden Regierung, von "welcher Couleur" sie auch immer sein werde, "zur Verfügung zu stehen". Auf dem Wirtschaftsforum in Cernobbio am Wochenende legte er "mit überschwänglichem Lob für Meloni" nach und verdeutlichte den anwesenden Bankiers und Industriellen, wie Manifesto anmerkte, mit Meloni werde seine Agenda "ihre wahre Umsetzung erfahren". Außerdem gewinne er mit Fratelli D'Italia die Partei, die mit dem PD "die fanatischste Partei im Krieg gegen Russland ist, deren Verfechter Draghi ist". Außerdem, so die linke Zeitung weiter, sei Meloni auch "die entschiedenste Befürworterin der Sparlinie des Regierungschefs". Und sie lasse durchsickern, dass sie "ständigen Kontakt mit Draghi hat" und unter "seinem Schutz Premierminister für ihn wird". Laut dem Online-Portal des linken Magazins Contropiano schiele Draghi bei einem Sieg Melonis auf das Amt des Präsidenten und dann werde Meloni "sein Elektriker" sein.

Umfragen zeigen zwar ein Absinken der FdI von 26 auf 24,5 % an, bestätigen aber der Koalition Melonis mit der Lega und Forza Italia (FI) Berlusconis mit etwa 45 % immer noch eine absolute Mehrheit. Während Melonis Bündnis die weiter bestehenden Meinungsverschiedenheiten hintenanstellt, bleibt das Mitte-Links-Lager zerstritten, findet keinen Ansatz zu einer antifaschistischen Einheit und steckt obendrein in der Defensive. Eine klare Enthüllung der von Meloni angekündigten Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung und der Errichtung eines Präsidialregimes erfolgt nicht. Die Warnung Lettas, bei der Wahl gehe es "um die Verteidigung der Verfassung oder um ihren Sturz", blieb ein Strohfeuer. Zwar warnt er laut der Nachrichtenagentur ANSA vom Mittwoch "vor einem Wahlsieg der Rechten", schweigt aber zum Entschluss Draghis, Meloni zu akzeptieren und meint nur, das werde "die Demokratie unseres Landes verzerren".

Letta hat ein Bündnis mit Sinistra Italia (SI) des früheren Kommunisten Nicola Fratoianni und den Verdi (Grünen) geschlossen. Auch die von Außenminister Luigi Di Maio nach der Abspaltung von M5S gegründete Partei Insieme per Il Futuro, inzwischen in Impegno civico (bürgerliche Verpflichtung) umgetauft, hat er in sein Bündnis aufgenommen. Die Fortsetzung der Koalition mit Conte lehnt er dagegen ab. Mit der Warnung, wer für den Dritten Pol und Fünf Sterne stimme, "favorisiert im Wesentlichen die Rechten", wirft er zwei unterschiedliche Kräfte in einen Topf. Calenda verhilft Meloni zum Sieg, während für Conte der Hauptgrund beim Bruch mit Draghi die Ablehnung der Unterstützung der Ukraine bis zu einem Sieg über Russland war. Deshalb kann die geschrumpfte M5S mit Zulauf von den 60 % der Italiener, die den Krieg in der Ukraine ablehnen, rechnen und laut Umfragen auf elf Prozent kommen. Di Maios Splitterpartei werden dagegen gerade mal ein Prozent zugetraut. Die Stimmen für Conte würden am 25. September "nützliche Stimmen" sein, und die Wähler verstünden die Gründe nicht, warum der PD sich von M5S trennt, so Manifesto. Conte macht geltend, damit werde die "fortschrittliche Agenda, an der wir gewinnbringend zusammengearbeitet haben, über Bord geworfen". In Lettas Position stecke, zitiert ihn ANSA am Mittwoch, "sehr viel Arroganz", aber er halte "das Spiel noch für offen und anfechtbar".

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 9. September 2022

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