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ITALIEN/409: Am hellichten Tag - Migrant aus Nigeria zu Tode geprügelt (Gerhard Feldbauer)


Es geschah am hellichten Tag

Migrant aus Nigeria zu Tode geprügelt
Chef der faschistischen Lega fordert neues Sicherheitsgesetz mit "null illegalen Einwanderern"

von Gerhard Feldbauer, 2. August 2022


Mitten in der Kampagne zu den Wahlen am 25. September ist am Freitag in dem mittelitalienischen Adria-Badeort Civitanova der 39jährige Nigerianer Alika Ogorchukwu am frühen Nachmittag in einer belebten Einkaufsstraße zu Tode geprügelt worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. Das Opfer des abscheulichen Mordes ist ein Hausierer, der vor Passanten getötet wurde, von denen niemand eingriff, aber viele die Szene mit ihrem Smartphone filmten.

Das Verbrechen hat landesweite Proteste ausgelöst. Im italienischen Fernsehen sagte ein Passant, der Mann sei nur wegen seiner Hautfarbe getötet worden. Die Zeitung Quotidiano Nazionale schrieb, der Mord sei Ergebnis "rassistischen Hasses" und eines "Klimas der Gleichgültigkeit". In der römischen La Repubblica machte der Priester und Gründer einer Wohlfahrtsorganisation, Vinicio Albanesi, ebenfalls "Rassismus für den Mord verantwortlich", der sich an den Schwächsten entlade. "Wir leben in einer misstrauischen Region, in der Schwarze nur dann akzeptiert werden, wenn sie die bescheidensten Arbeiten verrichten."

Der Täter, ein 32-jähriger Italiener namens Filippo Felazzi aus Salerno, entriss dem körperhinderten Opfer seine Krücke und erschlug es damit. Er habe auch noch auf den Afrikaner eingeschlagen, als er bereits am Boden lag. Zuletzt habe er noch das Handy seines Opfers entwendet. Er wurde kurz darauf identifiziert und in Untersuchungshaft genommen. Er behauptete, der Händler habe seiner Begleiterin seine Ware angeboten und sei dabei zudringlich geworden.

Der 39-jährige Nigerianer wird dagegen als ein ruhiger, sanftmütiger, lockerer Mensch beschrieben, vielleicht ein wenig aufdringlich, aber nicht besonders übertrieben in seiner Art. "Er schien nicht der Typ zu sein, der Passanten nervt", sagte ein Mädchen hinter dem Tresen einer nahe gelegenen Bar, "höchstens hat er mal um Kleingeld gebeten. Er kam oft hierher, er hat nie Probleme gemacht". Alika Ogorchukwu war, so das linke Manifesto, eine bekannte Persönlichkeit in Civitanova: wohnhaft in San Severino, im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, verheiratet und mit einem kleinen Sohn. Aufgrund eines schweren Unfalls vor einigen Monaten war er seitdem gezwungen, sich an einer Krücke zu bewegen.

Die Region Marken wird seit Juni 2020 von Francesco Acquaroli von den Brüdern Italiens (FdI) von Giorgia Meloni regiert. Der distanzierte sich zwar von dem "Akt beispielloser Gewalt", aber Salvini, der Chef der zur Regionalregierung gehörenden Lega, die mit der Führerin der Brüder Italiens (FdI) Giorgia Meloni zu den Wahlen antritt, erklärte laut ANSA am Wochenende auf einer Wahlversammlung in Chioggia (Venedig), "wenn Sie uns vertrauen, werden wir wieder die Grenzen unseres Landes schützen und Sicherheit in unsere Städte bringen" und verlangte, gegen die Landungen von Migranten vorzugehen. Zu Beginn des Wahlkampfes hatte er seinen rassistischen Kurs bekräftigt und laut Manifesto angekündigt, der "Ministerrat einer regierenden Liga" werde als erstes "ein Sicherheitsdekret mit null illegalen Einwanderern beschließen".

Das linke Magazin Contropiano verwies in seinem Online-Portal darauf, dass es in der Region der Marken Gewalt schon in der Vergangenheit gab, dort vor fünf Jahren ein Nigerianer erschlagen wurde und zwei Jahre später in der Provinzhauptstadt Macerata mindestens 6 Afrikaner von Kugeln getroffen wurden. Und das - damals wie heute - am Vorabend eines Wahlkampfes, den die Lega und die Fratelli-Brüder Italiens anheizten und in dessen Ergebnis der FdI-Mann Acquaroli einen Sozialdemokraten aus dem Amt des Präsidenten verdrängte.

Auf einer Protestkundgebung der nigerianischen Gemeinde, die sich am Tatort versammelte, verlangte die weinende Charity Oriachi, Alikas Frau, die mit ihrem achtjährigen Kind allein zurückbleibt, "Gerechtigkeit für meinen Mann".

Laut La Repubblica versucht die Anwältin des Täters, psychische Probleme geltend zu machen und will ein Gutachten anfordern. Im Namen von Ferlazzo erklärte sie, es tue ihm leid und er bitte die Familie des Toten um Entschuldigung.

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Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. August 2022

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