Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/389: Proteste gegen den Ausbau der Militärbasis Coltano in Pisa (Gerhard Feldbauer)


Proteste gegen den Ausbau der Militärbasis Coltano in Pisa

USB-Gewerkschaft: Es geht um die "strategische Autonomie" der EU

von Gerhard Feldbauer, 19. April 2022


Am Sonntag haben Einwohner von Pisa gegen die Pläne der Draghi-Regierung, die dortige Militärbasis Coltano zu einem strategischen Stützpunkt einer Eingreiftruppe der EU auszubauen, protestiert. Vor dem Ex Centro Radar von Coltano folgten Gewerkschafter, Friedenskämpfer, Lehrer und Schüler, Kommunisten und Linksdemokraten der Partei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke) einem Aufruf der Unione Sindacale di Base (USB). Unter der Losung "Keine Militärbasis. Weder in Coltano noch anderswo, lasst uns Pisa entmilitarisieren" protestierten sie gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und die wachsenden militärischen Aktivitäten der NATO gegen Russland und die neue italienische Beteiligung.

Auf der Militär-Basis Coltano (Toskana) sind die "Ledernacken" der GIs und des 1. Tuscania-Fallschirm-Carabinieri-Regiments - beide Truppenteile bilden die 2. Mobile Brigade - untergebracht. Es werden auf ungefähr 73 Hektar neue Gebäude errichtet, darunter ein Hubschrauberlandeplatz, zwei Schießstände, Kasernen, Ausbildungszentren, Labors und andere Serviceeinrichtungen für das Militär. Coltano ist ein Ortsteil von Pisa, in dessen Hafen die Arbeiter in den vergangenen Wochen die Verladung von Waffentransporten in die Ukraine und den Umschlag von Lieferungen in weitere Kriegsgebiete wie den Jemen verhinderten.

Auf einer Klippe südlich von Livorno befindet sich die Basis mit einem US-Waffendepot - ein wichtiger strategischer Knotenpunkt bei der Kontrolle des Mittelmeeres. Mit Kosten von 40 Millionen Euro soll der Bau einer Eisenbahn zur direkten Verbindung mit dem Hafen von Livorno hergestellt werden. Den Hintergrund des neuen Projekts bilde nicht nur der in Europa wehende Kriegswind und das militärische Engagement in der Ukraine, sondern auch die unter Einhaltung der NATO-Vereinbarungen beschlossene massive Aufrüstung, kommentiert das linke Magazin "Contropiano" auf seinem Online-Portal.

Die Basis-Gewerkschaft USB, die für den 22. April zu einem landesweiten Streik gegen die italienische Beteiligung an dem von der NATO geschürten Krieg aufgerufen hat, appelliert, dazu keinerlei Arbeitskräfte zu stellen. Das Projekt müsse verhindert werden, weil es auch verheerende Auswirkungen auf die Umwelt des Gebiets haben werde.

Von Pisa zieht sich nach Livorno im Süden 32 km an den Pinienwäldern der Toskanaküste entlang ein Regionalpark mit etwa 23.000 Hektar, der dem Schutze der Natur, der Umwelt und der wissenschaftlichen Erforschung des Küstengebietes mit einer Vielzahl verschiedener Lebensformen der Tier- und Pflanzenwelt dient. Sein Herzstück ist der Park San Rossore von Pisa mit einer Fläche von 4.800 Hektar. In diesem Komplex soll die Militärbasis erweitert werden. Sie wurde, enthüllt die USB, zum "Objekt der Landesverteidigung" erklärt, das nicht den Umweltbeschränkungen des Gebiets unterliege. Dabei sei das Schutzgebiet bereits jetzt durch die starke Militarisierung infolge der bestehenden Einrichtungen der Militärbasis beeinträchtigt.

Grundlage des Coltano-Projekts ist, wie USB weiter darlegt, ein am 21. März vom EU-Rat verabschiedetes Dokument "Strategischer Kompass für Sicherheit und Verteidigung". Das zeige, was man sich in Brüssel auf militärischer Ebene unter dem "EU Next Generation" Programm vorstellt: Einen "Qualitätssprung des europäischen Imperialismus bei der Übernahme strategischer Autonomie". Neben der klareren Gestaltung des zukünftigen integrierten militärisch-industriellen und nachrichtendienstlichen Komplexes auf europäischer Ebene plane man in Brüssel, auch eine Inter-Force-Einheit für Feldinterventionen aufzustellen, deren Missionen nicht mehr auf einer einstimmigen Zustimmung basieren. Diejenigen, die nicht mitmachen wollten, könnten sich nur noch enthalten.

Es handele sich, so "Contropiano" zu den brisanten Enthüllungen der Basis-Gewerkschaft, kurz gesagt darum, dass "ein anderes spezifisches Gewicht als bisher gegenüber der angloamerikanischen Achse geltend gemacht" werde, die militärische Projektion eines "Europas der Macht", über das EU-Kommissar Thierry Breton bereits im vergangenen Januar gesprochen habe. Bei der Mobilisierung gegen den Bau der Militärbasis Coltano in ihren verschiedenen Aspekten wie Umweltzerstörung, der Militarisierung der Gebiete und den sozialen Kosten gehe es darum, "dem Hauptfeind, der für uns der europäische Imperialismus ist, Sand ins Getriebe zu streuen".

Die antikapitalistische Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke) unterstützt den Streikaufruf der USB für den 22. April. "Wir werden am 22. April zusammen mit Arbeitern und Studenten gegen den Krieg, die hohen Lebenshaltungskosten, die Kriegshetze und die liberalistische Politik der Draghi-Regierung auf die Straße gehen, um zu sagen: Waffen senken und Löhne erhöhen! Trotz der Propaganda ist die Mehrheit der italienischen Bevölkerung gegen diesen Krieg, dessen Kosten wir bereits auf unserer Haut tragen und der wegen der Erhöhung der Militärausgaben auf Kosten von Schule, Gesundheit, Sozialhilfe und den Lebenshaltungskosten bis hin zu dem kriminellen Vorschlag der Regierung, die Löhne im einzigen Land Europas, in dem sie in den letzten dreißig Jahren gefallen sind, einzufrieren, immer unhaltbarer wird." Die Schrecken des Krieges zeigen definitiv, dass es notwendig ist, "den Kurs umzukehren und gegen eine militärische Eskalation und ihre Folgen" vorzugehen.

Das Anti-Kriegs-Bündnis von Pisa hat für Dienstag zu einer Versammlung im Circolo Arci aufgerufen, um mit den Einwohnern den 25. April, den Jahrestag der Befreiung vom Faschismus 1945, zum Tag des Kampfes gegen Militärbasen und eine Politik, die neuen Krieg heraufbeschwört, zu machen.

*

Quelle:
© 2022 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 20. April 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang