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ITALIEN/376: Schockpreiserhöhungen ab 2022 - Gewerkschaften protestieren mit "No Draghi Day" (Gerhard Feldbauer)


Italien steht 2022 vor "Schockpreiserhöhungen"

Allein für Strom und Gas werde eine "typische" Familie 2.141 Euro mehr zu berappen haben
Gewerkschaften protestieren mit "No Draghi" Day

von Gerhard Feldbauer, 3. Dezember 2021


Nach Berichten des staatlichen Statistikamtes ISTAT steht Italien 2022 vor einer "Rekord-Inflation", mit den "höchsten Werten der letzten 13 Jahre". Die vorläufigen Schätzungen der Behörde sagen "einen Anstieg der Lebenshaltungskosten auf 3,8% im Laufe des Jahres" voraus, der aber bald auf 4 durchbrechen könnte. Im Oktober waren 3% "der höchste Wert seit September 2008". In nur einem Monat sind die Preise um 0,7% gestiegen", heißt es in dem alarmierenden Bericht, der 9,4 Prozent Arbeitslose nennt, darunter einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Oktober um 200.000. Dramatisch ist die Lage der mittelständischen Betriebe, von denen im Oktober sage und schreibe 270.000 schließen mussten. Die Gesamtzahl der in den Ruin getriebenen Selbständigen stieg laut ISTAT gegenüber dem Vorjahr um eine Million auf 4,9 Millionen.

Zu den "Schockpreiserhöhungen", die die Lebenshaltungskosten in die Höhe treiben, werden laut der Agentur Nomisma Energia die Energiekosten beitragen. Sie könnten, wie ihr Präsident Davide Tabarelli persönlich mitteilte, "bis zu 25 % steigen, darunter ab Januar Gas um mindestens 50% und Strom um 17%, aber vielleicht sogar 25%. Der Tarif von 0,95 Euro pro Kubikmeter Gas vom Oktober könne von Januar bis März 2022 1,40 Euro erreichen". Gleiches gelte für die Stromrechnung, die direkt vom Methanpreis abhängt. Diese Preistreiberei sei ein Ergebnis davon, dass "die Märkte in Spekulationshand sind" und die Politik nichts unternehme, so der Experte. Zwei oder drei Milliarden Euro, die die Regierung zur Stützung der Verbraucher bereitstellen wolle, seien "eine zu geringe Sache".

Manifesto hält dazu wenigstens zehn Milliarden Euro für erforderlich. Und auch der angekündigte Erlass des Mehrwertsteuersatzes für Gas bleibe für die Haushalte ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn, so hat das linke Blatt errechnet, eine "typische" Familie werde 2022 allein bei den Energierechnungen bei einem Anstieg von 1.227 Euro auf den Rekordwert von 3.368 Euro 2.141 Euro mehr zu berappen haben. Carovita (Teuerung) sei in Italien seit 2008 noch nie so hoch gewesen. Das linke Blatt rechnet damit, dass "diese Inflation nicht vorübergehend ist". Denn sie sei das Ergebnis der von Draghi betriebenen Doppelgesichtigkeit des "Wachstums", die nach einem fulminanten Einbruch durch die Quarantänen Rekorde mit Rebounds schleift, aber die Kaufkraft der Löhne, die bereits von früheren Krisen aufgezehrt wurden, bewusst niedrighält. Diese globalisierte fordistische Wirtschaft tue alles zugunsten der Unternehmer, was eine Senkung der Steuern (für die herrschenden Klassen und die "obere Mittelschicht") einschließe - aufgrund der sehr niedrigen Löhne aber zu Massenprekarität führe.

Dank dieser Linie Draghis komme "das Geld aus Europa", denn "sonst würden sie es uns nicht geben ", kommentiert Contropiano. Aber selbst die EZB, die jahrzehntelang mit Draghi an der Spitze die Rolle des "Hüters des Sparens" innehatte , weiß "angesichts der plötzlich allgegenwärtigen und überall virulenten Inflation nicht mehr, was sie tun soll", folgert das kommunistische Online-Portal. Contropiano nennt die "Rekord-Inflation" das Resultat des "kriminellen Managements der Pandemie", der Durchsetzung der Richtlinien des Recovery Fund der EU unter "Tränen und Blut", in dem Italien zu einem "privilegierten Versuchskaninchen" und "Ort des Experimentierens" gemacht wurde.

Gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die arbeitenden Menschen haben die Basis-Gewerkschaften für Sonnabend zu Protestdemonstrationen in ganz Italien (von Mailand, Genua, Turin über Rom bis Neapel und Palermo) unter der Losung "No Draghi Day" aufgerufen. Der u. a. von allen COBAS-Organisationen, von OFF MARKET, ORSA, SGB, USI-CIT erlassene Appell entlarvt die wirtschaftlichen Maßnahmen der Draghi-Regierung - Entlassungen, Privatisierungen - als einen neuen Angriff "auf die Lebensbedingungen der schwächsten sozialen Sektoren, während gleichzeitig die großen Unternehmen zusätzliche Finanzeinnahmen erhalten".

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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