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ITALIEN/268: Besorgniserregender Sieg der fachistischen Lega bei den EU-Wahlen (Gerhard Feldbauer)


Besorgniserregender Sieg der faschistischen Lega bei EU-Wahlen

PD bringt mit über 22 Prozent Kalkül der Rechten durcheinander
Sterneführer Di Maio zum Rücktritt als Vizepremier aufgefordert

von Gerhard Feldbauer, 29. Mai 2019


Die faschistische Lega wurde mit 34,33 Prozent erste Partei Italiens im neuen Parlament in Strassburg. Damit hat sie von rund 6 Prozent bei dem letzten EU-Votum 2014 über 17 bei der Parlamentswahl im März 2018 jetzt mit einer Verdoppelung einen besorgniserregenden Zuwachs erreicht und an Einfluss in Brüssel gewonnen. Als "erste Partei in Italien" werden wir jetzt "Europa verändern", kommentierte Matteo Salvini, Lega-Chef und Vizepremier, laut ANSA das "außergewöhnliche Wahlergebnis". Von der EVP forderte er, dass sie "mit den souveränen Kräften und nicht mit den Sozialisten über zukünftige europäische Vereinbarungen sprechen" soll. Die potenziellen Partner der Lega sind die Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi, die auch in Strassburg einzieht und auf 8,9 Prozent kam und die faschistischen Brüder Italiens (FdI) von Georgia Meloni mit 6,46 Prozent.

Die rechte Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), Koalitionspartner in der Regierung, wurde von ihrer kritischen Basis dafür abgestraft, dass sie ihre Wahlversprechen, darunter die Einführung eines Mindesteinkommens, nicht erfüllte und sich bedingungslos dem Kurs der Lega unterordnete. Sie fiel von rund 34 Prozent im März vergangenen Jahres mit 17,07 Prozent vom ersten auf den dritten Platz.

Für die Demokratische Partei (PD) mit einem noch blassen sozialdemokratischen Outfit zahlte sich dagegen aus, dass sie in den letzten Wochen offensivere Töne anschlug und ihr Sprachrohr, die römische La Repubblica, den Charakter der Lega als faschistisch und ausländerfeindlich enthüllte. Sie konnte sich von ihren 19 Prozent im März 2018 mit 22,7 Prozent auf den zweiten Platz steigern. Sie ist laut La Repubblica in Turin, Mailand, Genua, Florenz, Bologna und Rom die am meisten gewählte Partei und die einzige im Parlament vertretene Oppositionpartei. Sie werde, zitierte das Blatt Parteichef Nicola Zingaretti, die Alternative zu dem sein, was jetzt "eine Regierung Salvini" ist. In Piemont dagegen, wo am Sonntag Kommunal- und Regionalwahlen stattfanden, hatte die PD weniger Glück. Dort wurde ihr bisheriger Amtsinhaber, Sergio Chiamparino, als Präsident und Regierungschef vom Bewerber der FI, Alberto Cirio, mit Unterstützung der Lega und FdI abgelöst.

Die von der PD außen vor gelassenen Linken (sie sollten auf ihre kommunistischen Parteisymbole - auf Hammer und Sichel - verzichten) schafften es nicht zu einer gemeinsamen Liste und traten zerstritten an. Darunter die frühere Partei Freie und Gleiche (LeU), der im März 2018 mit 3,4 Prozent noch der Sprung über die 3-Prozent-Hürde (zum Votum für Strassburg jetzt vier Prozent) ins Parlament gelungen war. Die einzige antikapitalistische Linke Potere al Popolo, die auch allein antreten wollte, schaffte die erforderlichen Stimmen zur Unterstützung ihrer Kandidatur nicht. Eine Partei, die nicht über mindestens einen Sitz im Abgeordnetenhaus verfügt oder deren Vertreter bei vorherigen EU-Wahlen nicht direkt oder innerhalb eines Wahlbündnisses ein Mandat in Strassburg erreicht hatten, musste für eine Kandidatur in einem Wahlbündnis oder allein 30.000 bzw. 35.000 Unterschriften zur Unterstützung sammeln, von denen wiederum mindestens 10 Prozent in den Wahlkreisen jeder Region gesammelt werden müssen.

Auf unrühmliche Weise trug der pseudorevolutionäre Marco Rizzo (so mit der Losung von "der Eroberung der politischen Macht durch die Werktätigen") mit der Gründung eines Partito Comunista (PC) als vierter KP zur Vertiefung der Spaltung der Linken bei. Unter Kommunisten in Rom löste es Befremden aus, dass dessen Kandidatur von der griechischen KKE auf einer Liste ermöglicht wurde. Seitens der PD wird die alte Schuldfrage erörtert, dass die Linken mit ihrer Weigerung, für die PD zu stimmen, den Rechten nützen.

Der Wahlsieg der Lega wirft laut ANSA die Frage nach dem "Kräfteverhältnis" und zu "dem Verbündeten in der Regierung" auf. Die "Stabilität" sei gestört. Zwar versicherte Salvini, "auf nationaler Ebene ändert sich nichts", stellte aber gleichzeitig klar, die Lega sei das "Flaggschiff auf Regierungsebene". Und, so ANSA weiter, er habe verdeutlicht, "unendliche Geduld werde er nicht haben". Als nächste Schritte kündigte er die Senkung der Steuerbelastung, natürlich für die Unternehmer, die M5S bisher so blockiert hat, und "die Bekämpfung der Einwanderung" an. FdI-Chefin Meloni, eine enge Vertraute Salvinis, sprach Klartext: "Diese Regierung ist abgewählt worden."

Sterne-Führer und Vizepremier Luigi Di Maio äußerte sich dazu bisher nicht. Wie ANSA berichtete, erklärte er auf einer Pressekonferenz seiner Partei, das Wahlergebnis sei "eine Lektion", aus der "wir lernen" werden. "Wir müssen an den Versprechungen arbeiten, die wir den Italienern gemacht haben." Er habe dazu Premier Giuseppe Conte gebeten, baldmöglichst "einen Dreiergipfel einzuberufen".

Inzwischen haben, wie ANSA am Mittwoch berichtet, die Auseinandersetzungen in der Partei über Ursachen und Verantwortlichkeit der "Katastrophe" begonnen. Leitungsmitglied Roberto Lombardi attackierte Di Maio, er habe den von Parteigründer Grillo eingeschlagenen Kurs der Mitte verlassen und die Entscheidungen "allein" getroffen. Senatorin Elena Fattori kritisierte im Mailänder Corriere della Sera, der Parteichef habe Salvini in der Regierung "freien Lauf" gelassen, forderte Ämtertrennung und seinen Rücktritt als Vizepremier und Arbeitsminister.

Sollte es zum Bruch der Sterne mit der Lega kommen, wäre eine Regierung PD-M5S rechnerisch möglich. In diese Richtung weist La Repubblica, wenn sie schreibt: "Di Maio sollte die Regierung verlassen." Für den Fall einer so nicht lösbaren Regierungskrise hat PD-Vize-Sekretär Andrea Orlando in dem Blatt schon mal angekündigt, dann werde die PD "Neuwahlen verlangen". Insider in Rom sind sich sicher, dass die Regierungskrise kommt, offen ist nur, wann sie ausbricht. Und feststehen dürfte, dass ein Bruch mit der Lega gleichzeitig die Krise der Sterne bedeutet, deren rechter Flügel zu Salvini, aber auch zu Berlusconi stoßen würde.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2019

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