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ITALIEN/218: Prätorianerin Berlusconis zur Senatspräsidentin gewählt (Gerhard Feldbauer)


Prätorianerin Berlusconis zur Senatspräsidentin gewählt

Rasssistenchef Salvini fordert Berufung zum Regierungschef

von Gerhard Feldbauer, 26. März 2018


Nach ihrem Wahlsieg bestimmt die extreme Rechte weiter das Geschehen auf der politischen Bühne. Am vergangenen Sonnabend sind nach zweitägigen heftigen Auseinandersetzungen in der faschistisch-rassistischen Allianz und aus dieser mit der rechten Fünf Sterne-Bewegung (M5S) auf den konstituierenden Sitzungen beider Kammern des Parlaments - Senat und Abgeordnetenhaus - deren Präsidenten gewählt worden. An die Spitze des Senats wurde im dritten Wahlgang mit 240 von 315 Stimmen die 72jährige Maria Elisabetta Alberti Casellati von der faschistischen Forza Italia (FI) gewählt. Mit der seit 1994 engen Vertrauten des FI-Chefs kam, wie der Mailänder Corriere della Sera schreibt, "eine unbeugsame Prätorianerin Berlusconis" in die zweithöchste Funktion des politischen System Italiens. Seit dieser Zeit, da Berlusconi das erste Mal an die Spitze einer "schwarzen Regierung" kam, wie Manifesto damals schrieb, ist sie ununterbrochen Senatrice, hatte hochrangige FI-Posten inne und war Mitglied in Berlusconis Regierungen. Mit ihr tritt erstmals eine Frau an die Spitze des Senats. Ihre Wahl an Stelle eines Lega-Kandidaten hatte Berlusconi mit der Drohung durchgesetzt, andernfalls das Bündnis aufzukündigen. Dennoch ist seine Zeit an der Spitze abgelaufen und Salvini ist, auch in der FI, der anerkannte Führer des faschistisch-rassistischen Lagers.

Zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer wurde im vierten Urnengang mit 422 von 620 Stimmen Roberto Fico von M5S gewählt. Jahrgang 1974, ist der Kommunikationswissenschaftler und bisherige Vorsitzende der Kommission zur Kontrolle der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt (RAI) seit 2013 Abgeordneter. Er gilt von der ersten Stunde an als ein enger Parteigänger des M5S-Gründers und Parteichefs Beppe Grillo. Zu den Orthodoxen gezählt, schirmte er ihn gegen die wachsende Kritik an seinem autoritären Führungsstil aus den eigenen Reihen ab und gründete dazu 2005 den Meetup "Amici di Beppe Grillo".

Die mit 19 Prozent große Wahlverliererin Partito Democratico (PD) trat mit eigenen Kandidaten an und kam im Senat auf 54, in der Abgeordnetenkammer auf 102 Stimmen. Laut dem amtierenden PD-Chef Maurizio Martina will die Partei in die Opposition gehen. Ob es dabei bleibt, ist offen. Wie die Nachrichtenagentur ANSA am Sonntag berichtete, hält M5S "die Tür offen gegenüber der Demokratischen Partei offen". Ein Beitritt zu einer von dem Rassistenchef Salvini geführten Regierung würde die PD in den endgültigen Untergang führen.

Nach der Wahl der Präsidenten steht noch die der Stellvertreter an. Dann wird Staatspräsident Sergio Mattarella, wie La Repubblica schreibt, ab 3. April die Meinungen der Vertreter der Parteien zur Erteilung des Auftrags zur Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung anhören und anschließend darüber entscheiden. Wie sich abzeichnet, wollen M5S und die rassistische Lega eine Koalitionsregierung bilden. Keine Einigung haben sie bisher über den Premier erreicht. M5S wurde mit etwa 32 Prozent stärkste Partei und fordert für seinen Spitzenkandidaten Luigi Di Maio den Auftrag. Die Lega kam nur auf etwa 17 Prozent, macht aber geltend, dass sie in der Allianz mit Berlusconi und der Fratelli Italien (FdI) auf 37 Prozent kam und verlangt, ihren Chef Matteo Salvini zu berufen. Da die Lega bei der Besetzung der Kammern leer ausging, scheint das abgesprochen zu sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich Mattarella entscheiden wird.

Die Entwicklung nach der Wahl am 4. März verdeutlicht, was seit langem bekannt ist, aber kaum zur Kenntnis genommen wird. Dass M5S unter Beppe Grillo einen rechtsextremen Kurs fährt. Dafür steht, dass Di Maio, Sohn eines ehemaligen Spitzenfunktionärs der neofaschistischen Sozialbewegung (MSI), bekanntermaßen ein Nachfolger der Partei Mussolinis, als Spitzenkandidat antrat. Grillo pflegte eine dicke Freundschaft mit Nigel Farage von der britischen rechtsextremen Independence Party (UKIP), mit dem er die Partei Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) dominiert. Wenn er schon 2015 die Abschiebung per Schnellverfahren aller illegal in Italien eingereisten Migranten forderte, befand er sich auf einer Linie mit Rassistenchef Salvini. "Wenn man den Hass sehe, mit dem die Lega die Menschenrechte von Immigranten und Flüchtlingen missachtet, könne man nur mit größter Sorge einer Regierung von M5S und der von der Lega angeführten rechtsextremen Koalition entgegensehen", warnt die Anthropologie-Dozentin an der Universität von Bari und Antirassismus-Aktivistin Annamaria Rivera, in MicroMega, dem Onlineportal des Magazins für Wissenschaft und Politik, zu dessen Autoren der Schriftsteller Andrea Camilleri und Noam Chomsky gehören.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2018

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