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ITALIEN/177: In Rom stinkt es wieder einmal zum Himmel (Gerhard Feldbauer)


In Rom stinkt es wieder einmal zum Himmel

Eine Lösung des Müllskandals steht in den (Fünf) Sternen

von Gerhard Feldbauer, 17. Mai 2017


In Rom stinkt es wieder einmal zum Himmel. Die Metropole am Tiber versinkt im Müllchaos. Die Zeitungen zeigen wie sich im Trastevere, am Fontana Trevi-Brunnen, am Pantheon oder im gutbürgerlichen Prati in unmittelbarer Nähe des Vatikans in den Strassen die Abfälle um die überfüllten Container zu übelriechenden Haufen stapeln, dazwischen tummeln sich Ratten, picken Tauben Essenreste. Schwarzer Rauch steigt auf, denn empörte Einwohner zünden die Müllberge einfach an.

Diese Misere brachte der Metropole am Tiber den Beinamen "Europas Müllhauptstadt" ein. Das alles kennen die Römer seit Jahrzehnten und sie würden sich nicht mehr als sonst darüber aufregen, wenn ihnen die neue Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Protestpartei Fünf Sterne (M5S) nicht versprochen hätte, damit aufzuräumen. Aber seit sie im Juni vergangenen Jahres ins Campidoglio einzog, ist das bereits der zweite Skandal, den sie zu verantworten hat.

Für das jetzige Chaos werden viele Gründe angeführt: Von 660 Kilogramm Müll, die von jedem Bewohner der Hauptstadt pro Jahr anfallen, wird nach offiziellen Angaben nur etwa ein Viertel recycelt. 2013 wurde die nicht den Richtlinien entsprechende offene und völlig überlastete Deponie Malagrotta bei Rom, die gleichzeitig die größte Europas war, nach einer Forderung aus Brüssel geschlossen. Mit 4.500 Tonnen dort täglich abgeladenen Müll war die Anlage völlig überlastet. Seitdem fehlen generell ausreichend große Anlagen zur Müllverbrennung. Im Latium, wohin ein Teil des Mülls abgeführt wird, waren einige der Verarbeitungsanlagen wegen Wartungsarbeiten kürzlich vorübergehend außer Betrieb. Auch die Mülltrennung von derzeit 43 Prozent wird als viel zu gering gesehen und soll auf 70 Prozent erhöht werden.

Das mag sicher eine Rolle spielen, ist aber, wie die Nachrichtenagentur ANSA den Präsidenten der römischen Provinz Latium, Nicola Zingaretti, zitiert, nicht die entscheidende Ursache, die er im Missmanagement sieht und fordert, Europas Müllhauptstadt unter kommissarische Verwaltung zu stellen. Andernfalls werde sich nichts ändern. Das scheint in der Tat auf den entscheidenden Hintergrund zu zielen: die seit jeher herrschende Korruption, Vetternwirtschaft und Mafia-Verwicklungen. Deutlich wird das am Müllbetrieb AMA, einem kommunalen Unternehmen mit zirka 8.000 Beschäftigten, dessen ehemaliger Generaldirektor, Franco Panzironi, wegen Komplizenschaft mit dem Clan der Mafia Capitale zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Er hinterließ Schulden von 650 Millionen Euro. Panzironi war die rechte Hand von Giovanni Allemano von der faschistischen Allenaza Nazionale (AN), früherer Minister in Berlusconis Regierung und von 2008 bis 2013 Roms Bürgermeister. Auch gegen ihn laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Beziehungen zum Hauptstadt-Clan der Mafia.

In der AMA war die von Allemano berufene Umwelt-Stadträtin Paola Muraro 12 Jahre als Beraterin tätig, wofür sie über eine Million Euro kassierte. Obwohl die Staatsanwaltschaft auch gegen sie wegen Verstoßes gegen Umweltgesetze, Betrugs und Verwicklung in organisiertes Verbrechen ermittelt, hielt die M5S-Bürgermeisterin monatelang ihre schützende Hand über sie, ehe Muraro entlassen wurde. Dann berief Raggi auch noch einen früheren Vertrauten Allemanos, Raffaele Marra, als Vize ihres Kabinetts. Frühzeitig wurde Kritik laut, unter dem Druck des M5S-Chefs Beppe Grillo nehme Raggi nur zögerlich eine Säuberung der verfilzten Stadtverwaltung vor. Nachdem die rechtslastige M5S bei den Parlamentswahlen 2013 mit 25 Prozent Stimmen einen dritten Platz erreichte, geht es Grillo nicht mehr nur ums Protestieren, sondern er will regieren und buhlt um die Gunst auch der Unternehmer. Stillschweigend hat Grillo 2016 bei der Bürgermeisterwahl in Rom die 20 Prozent Stimmen der faschistischen Fratelli (Brüder) Italiens FdI angenommen, ohne die die Raggi nicht ins Campidoglio gekommen wäre. Die FdI aber gingen aus der AN hervor und Muraros Schutzpatron Allemano gehört ihr heute an. Aber auch bei Raggi wurde bereits gefragt, ob sie dem Mafia-Filz Zugeständnisse mache. Hat die Rechtsanwältin doch ihr Praktikum in der Kanzlei von Cesare Previti, einem früheren Minister unter Berlusconi gemacht, der wegen Mafia-Praktiken vor Gericht stand.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2017

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