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ITALIEN/170: Proteste in Neapel gegen rassistische Ausschreitungen (Gerhard Feldbauer)


Proteste in Neapel gegen rassistische Ausschreitungen

Lega Chef Salvini drohte Roma-Lager und Sozialzentren "zu eliminieren"

von Gerhard Feldbauer, 13. März 2017


Weit über 2.000 Einwohner haben am Sonnabend in Neapel gegen einen Auftrtitt des Chefs der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, protestiert. Im Kongresszentrum der Hafenstadt eröffnete er den Wahlkampf für mögliche, aber noch gar nicht anberaumte vorgezogene Parlamentswahlen, bei denen er die Eroberung Süditaliens ankündigte. La Repubblica zitierte ihn mit der Drohung: "Wenn wir an die Regierung kommen, werden wir die Roma-Lager beseitigen und auch die Sozialzentren eliminieren". An den Protesten beteiligten sich der Bürgermeister der Stadt, Luigi de Magistris, der Präsident des Stadtrates, Sandro Fucito, und zahlreiche Abgeordnete der Stadtverwaltung. De Magistris hatte sich gegen eine Zulassung der Kundgebung Salvinis, der "faschistisch, ausländerfeindlich und rassistisch" agiere, durch den Präfekten der Stadt gewandt. "Dafür werden wir De Magistris", so Salvini in seiner Wahlkampfrede, "vor Gericht stellen". Der für seine Ermittlungen als Staatsanwalt gegen die Mafia bekannte Politiker hatte 2016 auf der Liste der Partei der Werte Italiens (IdV) mit Unterstüzung der Partei Linke und Umwelt (SEL), die inzwischen in der Sinistra Italiana (SI) aufging, gegen den Kandidaten der Lega die Wahl zum Stadtoberhaupt gewonnen.

Nach den Drohungen Salvinis gingen Demonstranten, teilweise vermumt, im Stadtteil Fuorigrotta gegen Lega-Anhänger vor. Dabei kam es, wie La Repubblica am Montag berichtete, zu schweren Zusammenstößen mit 400 eingesetzten Polizisten, die gegen die sich mit Steinen und Molotowcocktails wehrende "Stadtguerilla" Tränengas und Wasserwerfer einsetzten. 34 Personen, davon 16 Polizisten seien verletzt, drei Demonstranten festgenommen worden, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA am Sonnabend. Zusätzlich angeheizt wurden die Proteste durch das Bekanntwerden des grausamen Todes eines 45jährigen Obdachlosen, der in der Nacht zum Sonnabend in Palermo mit einer brennbaren Flüssigkeit überschüttet und bei lebendigem Leib verbrannt wurde.

Der als Premier und Chef der regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) zurückgetretene Matteo Renzi verurteilte De Magistris Teilnahme an den Protesten in La Repubblica als "gegen die Legalität" gerichtet. Der Bürgermeister entgegnete, er habe Position bezogen für "die Opfer der Gewalt", gegen "Rassisten wie Salvini", gegen diejenigen, die "mit blutbefleckten Händen" das Volk bedrohen. De Magistris erinnerte damit deutlich daran, wo die Lega Nord steht, die sich bei ihrer Gründung 1991 zu der berüchtigten faschistischen Blut-und-Boden-Ideologie deutschen Ursprungs bekannte und einen offenen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit verfolgte. 1994 half sie zusammen mit den Faschisten der Alleanza Nazionale, Nachfolger der Mussolinpartei, dem Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P2 und seiner Forza Italia (FI), Silvio Berlusconi, an die Macht und war bis 2011 in drei seiner Regierungen vertreten. Rassistische Ausfälle gipfelten in der Äußerung, es sei leider "leichter, Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten". Der enge Vertraute Salvinis, Senator Roberto Calderoni, unter Berlusconi zweimal Minister, rief 2013 auf, die damalige aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Ministerin Cecile Kyenge zu töten. Er verlangte, Flüchtlingsboote zu beschießen, diffamierte Einwanderer, sich "zu den Kamelen in der Wüste" zu scheren und "mit den Affen zu tanzen".

Die separatistische Abspaltung der norditalienischen Regionen vom Zentralstaat hat Salvini aufgegeben und will die Lega nach dem Vorbild des Front National Frankreichs als gesamtnationale Partei aufstellen. Dem sollte auch der jüngste Aufmarsch in Neapel dienen. Dabei möchte Salvini vergessen machen, dass sich der Rassismus der Lega einst auch gegen die Neapolitaner richtete, deren Fußballklub in Mailand von Lega-Anhängern mit Spruchbändern empfangen wurde: "Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das Richtige für Napoli". Aber die Neapolitaner haben das, wie ihre vehementen Proteste gegen den Auftritt Salvinis zeigten, wohl nicht vergessen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2017

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