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ITALIEN/161: Medien erinnern an faschistoide Vergangenheit des neuen EU-Parlamentspräsidenten Tajani (Gerhard Feldbauer)


Italienische Medien erinnern an faschistoide Vergangenheit des neuen EU-Parlamentspräsidenten Tajani

Ex-Premier Berlusconi: "goldener Moment" für Le Pen bis Petry, Orban und Kaczynski

von Gerhard Felbauer, 20. Januar 2017


Nach der Wahl des Italieners Antonio Tajani zum neuen Präsidenten des EU-Parlaments am Dienstag gehörte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu den ersten Gratulanten. Mit seiner europapolitischen Erfahrung bringe Tajani die Voraussetzungen mit, "das Parlament in schwierigen Zeiten zu führen". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte laut einer Regierungssprecherin dem neuen Parlamentspräsidenten. Der SPD-Abgeordnete Josef (Jo) Leinen forderte Tajani auf, dem Parlament "Gesicht und Stimme gegen den wachsenden Nationalismus in Europa" zu geben.

In Italien konnte das übliche diplomatische Getue der Gratulationen der politischen Gegner zur Wahl Antonio Tajanis, bis heute ein Gefolgsmann des faschistoiden Ex-Premiers Silvio Berlusconis, nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), aber nicht nur bei ihr, große Sorge über die zu erwartenden Folgen herrscht. Südtirol News nannte die Kür des "engen Vertrauten Berlusconis", den die Sozialdemokraten und die Linken in Strassbourg als "nicht wählbar" erklärt hatten, einen "beispiellosen Vorgang". La Repubblica schrieb, mit der Niederlage des gegen Tajani angetretenen Sozialdemokraten Gianni Pittella werde ein "neuer konservativer Block das politische Panorama des EU-Parlaments in dramatischer Weise prägen". Berlusconi feierte das Ergebnis als "Ereignis der Freude und höchster Anerkennung" und hob die Wahl geradezu als seinen persönlichen politischen Erfolg als Chef der Forza Italia (FI) über die Grenzen Italiens hinaus hervor. In seinem Hausblatt Il Giornale nannte er am Donnerstag die Wahl seines "engen Weggefährten" einen "goldenen Moment" der "Trumpianer Europas, für Le Pen bis Wilders und Petry, Orban und Kaczynski", von dem er auch in Italien Auftrieb nicht nur für die rassistische Lega Nord und die faschistischen Fratelli (Brüder Italiens, sondern auch für seine schon vom Verfall bedrohte FI erwartet. Von bisher geforderten sofortigen vorgezogenen Parlamentswahlen rückte er ab, um Zeit zu gewinnen, die Wahl für die Ablösung der von den Sozialdemokraten geführten Regierung durch eine rechtsextreme Koalition vorzubereiten.

Gewählt wurde, wie Medienkommentare betonten, mit Tajani ein Parteigänger des noch immer reichsten Kapitalisten Italiens, Silvio Berlusconi, der lange vor dem US-Amerikaner Trump mit einem von der faschistischen Putschloge P2 finanzierten Medienimperium als "Showmaster der Macht", so der Titel eines Enthüllungsbuches bei Gatza 1994, zum Regierungschef aufstieg. In den Berichten schwingt mit, dass auch die deutsche CDU/CSU in Strassburg mit der Wahl Tajanis der extremen Rechten in Italien Schützenhilfe leistete.

Nicht nur linke Medien wie Unità und Fatto Quodidiano, oder die der PD nahestehende La Repubblica, sondern auch großbürgerliche Medien wie der Mailänder Corriere della Sera oder die Turiner La Stampa erinnerten an die faschistoide Vergangenheit des zum Ersten Parlamentarier der EU gewählten Tajani. Der gehörte 1993 mit Berlusconi zum engsten Kreis der Gründer der FI. Mit ihr agierte der Medientycoon, wie der 2001 verstorbene, nicht gerade linker Sympathien verdächtige Kolumnist des Corriere dela Sera Indro Montanelli seinerzeit schrieb, als "neuer Mussolini" und ganz im Faschisierungsrahmen, wovon sein Bündnis mit der Nachfolgepartei des "Duce" Movimento Sociale Italiano (MSI) zeugte. Als Berlusconi 1994 die Parlamentswahlen gewann, bildete er, der seit Ende der 70er Jahre dem Dreierdirektorium der P2 angehörte, eine, wie Il Manifesto am 15. Mai 1994 schrieb, "schwarze Regierung aus Faschisten, Monarchisten und Lega-Leuten", darunter auch drei Mitglieder der P2. Tajani war, wie der Corriere erinnerte, einer der früheren Monarchisten und wurde im Kabinett Pressesprecher. Noch im selben Jahr wurde er auf der Liste der FI erstmals ins EU-Parlament gewählt. Er profitierte von der in Brüssel verfolgten Förderung faschistischer Renaissance wie der Rehabilitierung der SS-Verbündeten Hitlerdeutschlands in Lettland, der Pfeilkreuzler in Ungarn bis zu den Banden Banderas in der Ukraine, übernahm Kommissar-Resorts, wurde Vize der Kommission und ebenso Stellvertreter der EVP, in die die FI dank der Hilfe des damaligen Bundeskanzlers Kohl zur Kaschierung ihres faschistoiden Charakters aufgenommen wurde.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2017

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