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ITALIEN/151: Italien befürchtet "Trump-Effekt" für Premier Renzi (Gerhard Feldbauer)


Italien befürchtet "Trump-Effekt" für Premier Renzi

Die Anbiederung von Sozialdemokraten an Faschisten leistet dem Vorschub

von Gerhard Feldbauer, 13. November 2016


In Italien wachsen die Befürchtungen, der "Trump-Effekt" könnte, wie La Repubblica am Freitag schrieb, Premier Renzi treffen und er am 4. Dezember beim Referendum über seine Verfassungsreform zur Abschaffung des Senats als zweiter Parlamentskammer eine Niederlage erleiden, was seinen Sturz bedeuten könnte. Vor diesem Hintergrund erhalten die jüngsten Proteste gegen die Ehrung der Salo-Faschisten Mussolinis durch die vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) dominierte Stadtverwaltung Mailands eine aktuelle Bedeutung (Schattenblick berichtete am 6.11.2016). Der Präsident des Partisanenverbandes ANPI der Provinz Treviso von Venetien, Berto Lorenzoni, erinnerte an die Wurzeln dieses Geschichtsrevisionismus, der sich heute auch in faschistischen, rassistischen und ausländerfeindlichen Prozessen, wie sie beispielsweise in Deutschland und Frankreich vor sich gehen, niederschlägt.

Begründet wurde er von der großbourgeoisen Democrazia Cristiana (DC), um den Vormarsch der Linken mit der Kommunistischen Partei (IKP) zu stoppen. Die DC ließ zu, dass sich das 1946 als Nachfolger der Partei Mussolinis gegründete Movimento Sociale Italiano (MSI) im Parlament etablieren konnte, obwohl das gegen das Verfassungsverbot einer Wiedergründung verstieß. Die Faschisierungsprozesse gingen so im parlamentarischen Rahmen vor sich, was ihnen eine "demokratische Legitimität" verschaffte. Ministerpräsidenten und Staatschefs empfingen Delegationen des MSI und ließen sich mit seinen Stimmen wählen. Der DC-Senator Luigi Sturzo rief 1952 die bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit dem MSI einen Einheitsblock gegen die "rote Machtübernahme" zu bilden. Das MSI durfte den Leichnam Mussolinis in dessen Heimatort Predapio überführen und dort in einem Ehrenhain beizusetzen. Das MSI-Blatt Sècolo d'Italia erhielt Staatszuschüsse.

Nach der Liquidierung der IKP durch die Revisionisten und danach der Gründung des sozialdemokratischen Partito Democratico della Sinistra (PDS) 1991 schloss dieser sich diesem unheilvollen Geschichtsrevisionismus an. Als 1995 das von Berlusconi in die Regierung aufgenommene MSI sich zur Vertuschung seines faschistischen Charakters in Alleanza Nazionale (AN) umtaufte, nahm an dem Parteitag eine PDS-Delegation teil, zu der mit Ugo Pecchioli, Kommandant der legendären 77. Garibaldi-Brigade, einer der angesehensten Resistenza-Kämpfer gehörte. Der Parlamentspräsident des PDS, Luciano Violante, bezeugte 1997 auf einem Pressefest der AN den Salo-Faschisten "seinen Respekt", sie hätten "immerhin für die Ehre des Vaterlandes gekämpft". Er sprach sich dafür aus, das "Kapitel des Faschismus abzuschließen" und ein "einheitliches Geschichtsbild" zu gestalten. Antonio Tabucchi entgegnete damals, die Salò-Faschisten "waren Kollaborateure der Nazis. Sie töteten und sie folterten". Wer anderes behaupte, "der lügt". Der aus dem PDS kommende Staatspräsident Georgio Napolitano lehnte nach dem Sturz Premier Berlusconis 2011 Neuwahlen ab, bildete eine Übergangsregierung mit dessen faschistoider Forza Italia (FI) und verschaffte ihm ein politisches Comeback. 2013 sicherte auch er sich die Stimmen der FI zu seiner Wiederwahl.

Lorenzoni verweist darauf, dass die jetzigen Ereignisse auf der Linie der Intentionen Renzis liegen, aus dem PD, der 2007 aus einer Fusion von Linksdemokraten und Katholiken entstand, eine "Partei der Nation" und eine "Partei für alle" zu machen. Der könnten dann auch sogenannte moderate extreme Rechten beitreten, was vor allem auf die FI zuträfe. Anwärter wäre aber auch Berlusconis Ex-Vize Angelino Alfano, der mit abtrünnigen Parlamentariern und Senatoren der FI bereits eine sogenannte "moderate" Partei "Neues Rechtes Zentrum" (NCD) gegründet hat, die Renzi in seine Regierung aufnahm, in der Alfano Innenminister ist. Die regierungsnahe La Repubblica fordert den PD-und Regierungschef auf, "seinen Kurs zu ändern".

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2016

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