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ITALIEN/122: Senat stimmte Gesetz über Gleichstellung homosexueller Partnerschaften zu (Gerhard Feldbauer)


Italiens Premier Renzi hat neue Zitterpartie überstanden

Senat stimmte Gesetz über Gleichstellung homosexueller Partnerschaften zu

von Gerhard Feldbauer, 27. Februar 2016


Der italienische Senat hat am Donnerstagabend mit 173 Ja- bei 71-Neinstimmen dem von der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) vorgelegten Gesetzentwurf über die "unioni civili", die gesetzliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit Ehepaaren zugestimmt. Gleichgeschlechtliche Partner können ihre Beziehungen offiziell registrieren lassen, was weitgehend den Rechten und Pflichten von Eheleuten entspricht, aber keine Homo-Ehe darstellt. Die Zustimmung kam durch die Streichung des Paragrafen über die Adoption der Kinder homosexueller Partner zustande. Mehrere PD-Senatoren betonten, dass dieser Kompromiss nicht lange dauern und die Adoption, die etwa 100.000 Kinder betrifft, durchgesetzt werde. Premier Renzi hat mit dem Ergebnis eine neue Zitterpartie überstanden, denn er hatte die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbunden und im Falle einer Ablehnung wieder einmal mit seinem Rücktritt gedroht. Er räumte ein, es sei ein Risiko gewesen. Italien ist das letzte große westeuropäische Land, dass die Diskriminierung dieser Menschen als "Bürger zweiter Klasse", wie Reformministerin Maria Elena Boschi es nannte, beseitigt hat. Dafür waren vor allem die Regierungen unter Berlusconi verantwortlich, dessen Koalitionspartner, die AN-Faschisten, für Homosexuelle Konzentrationslager forderten. «Dieser Tag wird in die Chronik dieser Regierung eingehen, und in die Geschichte unseres Landes», kommentierte Renzi das Ergebnis. Im Angesicht ihrer Niederlage hatte vor allem die rassistische Lega Nord mit unflätigen Angriffen reagiert. Ihr Senator Roberto Calderoni giftete, "Renzi werde dafür in der Hölle landen". Wenn La Repubblica am Sonnabend schrieb, nach einer Meinungsumfrage stimmten sieben von zehn Italienern dem Gesetz zu, stellt das eine schwere Niederlage für die extreme Rechte dar.

In der vergangenen Woche hatte Senatspräsident Pietro Grasso (PD) die Debatte wegen einer sich abzeichnenden fehlenden Mehrheit abgebrochen. Neben der rechtsextremen Opposition von Forza Italia und Lega Nord hatte auch die Protestbewegung M5S das Gesetz abgelehnt und gefordert, erst müssten Abänderungsanträge - die Gegner des Gesetzes hatten rund 6.000 eingereicht - behandelt werden, was die Abstimmung um Monate verzögert hätte. In die Debatte hatte die katholische Kirche mit ihren Vereinigungen massiv eingegriffen. Papst Franziskus hatte sich mit der Betonung der traditionellen Ehe als "gottgewollt" persönlich eingemischt. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Erzbischof Angelo Bagnasco, hatte eine geheime Abstimmung gefordert, damit die Parlamentarier "ihrem Gewissen folgen" könnten. Die Bischofskonferenz hatte mit ihrem erteilten Segen einen sogenannten "Family Day" mit Zehntausenden Teilnehmern gegen den Entwurf mobilisiert. Die Senatorin Monica Cirinna, die den Entwurf ausgearbeitet hat, wies die Einmischung des Papstes zurück und warnte vor einem Kulturkampf zwischen Katholiken und Laizisten. In der PD selbst, die 2007 aus einem Zusammenschluss von Linksdemokraten und der katholischen Zentrumspartei Margherita entstand, hatten einige Senatoren dieser Strömung ihre Zustimmung verweigert. Großen Einfluss auf das Ergebnis dürfte eine am Montag von 400 prominenten Schriftstellern, Künstlern und Journalisten unterzeichnete Petition für die Verabschiedung des Gesetzes ausgeübt haben.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes ging es auch um Wählerstimmen in den ab April in zahlreichen Städten und Gemeinden stattfindenden Kommunal- und Bürgermeisterwahlen. Obwohl mit dem Kompromiss unzufrieden dürften ein Großteil der auf etwa zwei Millionen geschätzten Homosexuellen ihre Stimme der PD geben. Das dürfte auch den rechten Koalitionspartner Renzis, die Partei Neues Rechtes Zentrum (NCD) von Innenminister Angelino Alfano, veranlasst haben, für das Gesetz zu stimmen. Selbst einige Senatoren der FI votierten dafür. Für M5S dürfte die Ablehnung dagegen die Chancen beim Wähler eher verringern.

Nach dem Senat muss die Abgeordnetenkammer dem Gesetz noch zustimmen, was jedoch als sicher gilt, da die PD dort schon allein mit 340 der 630 Sitze über eine Mehrheit verfügt.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2016

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