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ITALIEN/114: Italienische Verfassungsreform zur Entmachtung des Senats geht in die Endrunde (Gerhard Feldbauer)


Italienische Verfassungsreform zur Entmachtung des Senats geht in die Endrunde

Premier Renzi gibt sich siegessicher

Von Gerhard Feldbauer, 13. Januar 2016


Italiens Premier Renzi hat für seine wichtigste Reform, die Beseitigung des Senats als zweiter Kammer, für die eine Verfassungsänderung erforderlich ist, am Montag die Zustimmung der Abgeordnetenkammer erhalten. Im Montecitorio (Sitz des Gremiums), in dem der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) über eine Mehrheit von 340 der 630 Sitze verfügt, gab es 367 Ja-Stimmen, 194 Nein und fünf Enthaltungen. Zu den Befürwortern gehörte auch die in der Regierung sitzende neue Rechtspartei NCD Angelino Alfanos, früher Vize der faschistoiden Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi. Gegen die Reform votierten die FI und die rassistische Lega Nord sowie die Linkspartei SEL und ein Großteil der Fünf Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo.

Bisher hatten Abgeordnetenhaus und Senat die gleichen Kompetenzen. In Zukunft wird der reformierte Senat nicht mehr über die Amtseinführung der Regierung entscheiden und diese auch nicht mehr per Misstrauensvotum ablehnen können. Das obliegt dann nur noch dem Parlament. Die Beseitigung des Senats als zweiter Kammer leitete Renzi unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Februar 2014 als Kernstück umfassender Verwaltungsreformen ein, die die Zentralregierung stärken und ihre Arbeit effektiver gestalten und dabei den Staatshaushalt um Milliarden Euro entlasten sollen. Darunter fällt die 2014 bereits eingeleitete Auflösung der 96 Provinzen, deren Aufgaben den Ländern vergleichbaren Regionen übertragen wurden.

In der gegenwärtig bis 2018 gehenden Legislaturperiode stärkt die Beseitigung des Senats als zweiter Kammer die Positionen der regierenden Sozialdemokraten, die im derzeitigen Senat über keine stabile Mehrheit verfügen. Das kann sich nach neuen Wahlen ändern, aber die PD ist gegenwärtig mit Abstand stärkste Partei. Obwohl die Reform des Senats im progressiven Sinne ein 1946 bei der Proklamation der Italienischen Republik aus der Monarchie übernommenes Relikt beseitigt, ist sie deswegen nicht nur bei der rechtsextremen Opposition (FI und Lega), sondern auch von der linken Minderheit in der PD sowie von der Partei Linke und Umwelt (SEL) und auch von der Protestbewegung M5S abgelehnt worden.

Nach einem zweijährigen Tauziehen um die Zahl der Senatoren und die ihnen verbleibenden Rechte steht nunmehr fest, dass es statt bisher 315 nur noch 100 Senatoren geben wird, die nicht direkt gewählt werden. Für 95 Senatssitze können 21 Bürgermeister großer Städte und 74 Mitglieder der Regionalparlamente, die bei den Wahlen die meisten Stimmen erhielten, kandidieren. Die Anzahl der Sitze ergibt sich proportional aus dem Bevölkerungsanteil, wobei einer Region mindestens zwei Sitze zustehen. Bei Neuwahlen der Regionalparlamente, die nicht gleichzeitig mit den Parlamentswahlen der Republik stattfinden, sind anschließend von diesen auch die Senatoren neu zu wählen. Fünf Senatoren ernennt der Staatspräsident. Der Senat führt weiter den Titel "Senat der Republik". Seine Mitglieder genießen wie die Parlamentarier volle Immunität, beziehen jedoch keine Diäten mehr, womit - was zusätzlich ein gewichtiges Argument war - etwa 80 Milliarden Euro jährlich eingespart werden. Nicht nur die Größe, auch die Kompetenzen des Senats werden beschnitten. Er kann keinen Einspruch mehr gegen Dekrete bzw. Gesetze der Regierung einlegen. Ihm bleibt, vom Parlament verabschiedeten verfassungsrechtlichen Gesetzen zuzustimmen bzw. sie abzulehnen und sich zu legislativen Fragen zu äußern. Die Verfassungsreform stärkt auch die Stellung der Zentralregierung, die bisher den Regionalregierungen zustehende Entscheidungen in Infrastruktur, Verkehr und Energie erhält. Das soll unter anderem die Zustimmung zu Investitionsvorhaben erleichtern. Kritiker machten geltend, dass dadurch der Föderalismus geschwächt werde.

Das vorliegende Gesetz muss von der Abgeordnetenkammer und dem Senat endgültig mit einer Zwei Drittel-Mehrheit verabschiedet werden. Änderungen sind nicht mehr möglich. Im Senat, der im Oktober 2015 bereits in letzter Lesung zustimmte, ist das noch im Januar vorgesehen, im Abgeordnetenhaus im April. Kommt es, was zu erwarten ist, nicht zur Zwei Drittel-Mehrheit, wird über die Verfassungsreform im Oktober in einem Referendum entschieden. Generell kann ein Referendum auch von einem Fünftel der Abgeordneten oder Senatoren oder von einer Partei mit einer Unterstützung durch 500.000 Wähler beantragt werden. Renzi hat sein Schicksal als Regierungschef bereits vom Ausgang des Referendums abhängig gemacht. Bei einer Ablehnung werde er zurücktreten. Da derzeitige Meinungsumfragen der PD einen klaren Sieg bei Parlamentswahlen voraussagen, wird ein Referendumsausgang zugunsten Renzis als sicher gesehen. Der Premier selbst zeigte sich, wie La Repubblica ihn am Dienstag zitierte, siegessicher, dass "eine Mehrheit der Italiener zustimmen" werde.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2016

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