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ITALIEN/098: Rassistische Ausschreitungen gegen Flüchtlinge in Rom (Gerhard Feldbauer)


Rassistische Ausschreitungen gegen Flüchtlinge in Rom

Drahtzieher die von Ex-Bürgermeister Alemanno geförderte faschistische CasaPound

Von Gerhard Feldbauer, 20.07.2015


Am Tor Sapienza im Osten von Rom am Autobahnstadtring Grande Raccordo Anulare inszenierte die faschistische CasaPound in der vergangenen Woche schwere Ausschreitungen gegen das in einer früheren Schule untergebrachte Flüchtlingsheim, in dem 100 minderjährige Migranten und Asylbewerber aus Afrika untergebracht werden sollten. Wie die römische Repubblica am Sonntag berichtete, blockierte eine Menschenansammlung mit einer Straßensperre die Zufahrt und brüllte "die Schwarzen müssen weg". Gegen die Flüchtlinge wurden Steine und Knallkörper geworfen, vor dem Flüchtlingsheim Müllcontainer angezündet und Fensterscheiben eingeschmissen. Bei Zusammenstößen mit der Polizei, die gegen die Gewalttäter mit Schlagstöcken vorging, wurden zahlreiche Personen verletzt, darunter mehrere Ordnungskräfte. Unter den Festgenommenen befindet sich, wie La Repubblica hervorhob, ein bekannter Rädelsführer der Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), einem Zehntausende Mitglieder zählenden Nachfolger der Alleanza Nazionale, dem jahrelangen Bündnispartner in den faschistoiden Regierungen von Ex-Premier Berlusconi. Gegen 15 weitere Gewalttäter laufen polizeiliche Ermittlungen. Die Einsatzkräfte haben, wie die Nachrichtenagentur ANSA mitteilte, die Sperre beseitigt und das Gelände vor dem Flüchtlingsheim weiträumig abgesperrt und zum Schutz der Heimbewohner ein starkes Aufgebot mit mehreren Einsatzfahrzeugen postiert. Der linke Bürgermeister des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) von Rom, Ignazio Marino, bekundete den Flüchtlingen seine Solidarität. Der Präfekt, Franco Gabrielli, ebenfalls PD, versicherte, die Migranten würden in dem Heim untergebracht. "Wir machen keinen Schritt zurück", sagte er der Repubblica.

Die CasaPound ist eine faschistische Sammlungsbewegung, deren Aufbau der frühere AN-Faschist und enge Vertraute von Ex-Premier Berlusconi, Giovanni Allemano, der von 2008 bis 2013 Bürgermeister der Hauptstadt war, unterstützte. Unter anderem schenkte er der Schlägertruppe für 11,8 Millionen Euro in Rom ein Haus als Parteizentrale. Allemano, ein fanatischer Faschist und Mussolini-Verehrer stand in der Vergangenheit hinter zahlreichen Terrorakten der Naziskins, wie die Skinheads in Italien genannt werden.

Das Flüchtlingsheim befindet sich in einem der ärmsten Stadtviertel am Rande der Hauptstadt, in dem hinter tristen grauen Betonbauten aus den 1970er Jahren Elendsviertel aus Wellblechbaracken ohne elementarste sanitäre Anlagen liegen, in denen etwa 2,8 Millionen Menschen leben: Arbeitslose, kleine Gewerbetreibende, Rentner, die sich mit Gelegenheitsjobs halbwegs am Leben halten, viele vegetieren unter dem Existenzminimum dahin, allen gemeinsam ist, dass sie, da unbezahlbar, sich keine vernünftige Wohnung leisten können. Hier gelang es der CasaPound einige Hundert der Bewohner der Slums mit verlogenen Parolen gegen die Migranten, die sie als Ursache des Elends diffamierten, aufzubringen. So behauptete CasaPound, Migranten machten in Italien bereits 30 Prozent der Bevölkerung aus. ANSA stellte klar, dass Italien 2015 zwar etwas über 150.000 Flüchtlinge aufgenommen und sich die Zahl der Asylanträge gegenüber dem ersten Halbjahr 2014 verdoppelt hat, der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung 2013 offiziell aber bei rund sieben Prozent lag, während er in Deutschland neun, in der Schweiz fast 28 Prozent betragen habe. Mitarbeiter der Sozialzentren, die die Migranten betreuen, Angehörige des Partisanenverbandes ANPI, Antifaschisten, Sozialdemokraten und Kommunisten verurteilten die Gewalttaten. Ähnliche Ausschreitungen gab es in weiteren Städten Italiens, darunter in Treviso bei Venedig, einer Hochburg der rassistischen Lega Nord. Darin wird eine konzertierte Aktion der extremen Rechten gesehen, die mit Lega-Chef Matteo Salvini an der Spitze versucht, mit Gewaltakten gegen Migranten, diese als Ursache des sozialen Elends vorzuführen, die öffentliche Ordnung zu destabilisieren und sowohl die sozialdemokratische Stadt-Regierung als auch das Kabinett Renzi als unfähig zur Lösung der Probleme vorzuführen. Es ist ein uraltes Rezept der Faschisten, das schon Mussolini praktizierte.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2015

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