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ITALIEN/082: Neuer Korruptionsskandal in Italien aufgedeckt (Gerhard Feldbauer)


Neuer Korruptionsskandal in Italien aufgedeckt

Sozialdemokraten aus Regierung verwickelt

Von Gerhard Feldbauer, 17. März 2015


Die italienischen Medien berichteten am Dienstag großaufgemacht über einen neuen Korruptionsskandal, den die operative Einsatzgruppe der Carabinieri ROS am Vortage in einer Blitz-Aktion aufdeckte. Es geht um die Vergabe von milliardenschweren Aufträgen, für die Unternehmer immense Summen an Bestechungsgeldern zahlten. Vier Personen, darunter der im Dezember pensionierte hochrangige Funktionär im Infrastrukturenministerium, Ercole Incalza, und die großen Bauunternehmer Stefano Perotti und Francesco Cavallo wurden festgenommen. Ihnen wird, wie La Repubblica berichtete, vorgeworfen, "ein weitverzweigtes Korruptionssystem aufgebaut zu haben, in das führende Vertreter der öffentlichen Dienste, der für die Vergabe öffentlicher Aufträge Verantwortlichen und der ausführenden Unternehmen einbezogen waren". Wie aus den ersten Ermittlungen hervorgehe, sei der "Dominus totale" dieses Systems Ercole Incalza gewesen, schrieb die Nachrichtenagentur ANSA am Dienstag. Das Wirtschaftsblatt Quodidiano verwies darauf, dass der 67jährige bereits 14mal wegen ähnlicher Delikte vor Gericht stand, aber immer den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. Schon Anfang der 1990er Jahre seien die Mailänder Staatsanwälte "Mani pulite" hinter ihm her gewesen.


Sohn des Verkehrsministers erhielt Bestechungsgelder

Die Staatsanwaltschaft von Floren ermittelt gegen insgesamt 51 Personen, darunter auch gegen Luca Lupi, den Sohn von Verkehrsminister Maurizio Lupi, der Unternehmern gegen Bestechungsgelder Aufträge vermittelt haben soll. Gegen den Minister selbst werde nicht ermittelt, erklärte die Staatsanwaltschaft. Er wird jedoch laut Medienberichten beschuldigt, von den festgenommenen Unternehmern Geschenke angenommenen zu haben.


Milliardenaufträge im Eisenbahn- und Autobahnbau

Es geht um die Vergabe von Riesenaufträgen für Projekte der Bahn und im Autobahnnetz sowie der Welt-Expo in Mailand, die am 1. Mai eröffnet wird. Untersucht wird die Vergabe von Milliarden-Aufträgen rund um den Bau der Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke in der Toskana mit einer Unterführung durch Florenz, für die Bahnlinien Mailand-Verona und Genua-Mailand, die Autostrada Civitavecchia-Orte-Mestre, die A3 Salerno-Reggio Calabria, die regionale Nord-Autobahn Cispadana und den Bau eines Terminals im sardischen Hafen Olbia. Durchsucht wurden die Sitze der Bahninfrastrukturgesellschaft Rete Ferroviaria Italiana (RFI) und der Straßenverwaltungsgesellschaft ANAS sowie Büros des Konsortiums der Autobahn Mestre-Orte-Civitavecchia und der Hafenbehörde im Norden Sardiniens.


Präsident des Parma Calcio festgenommen

Die Staatsanwälte untersuchen Aufträge im Wert von 25 Milliarden Euro. Durch die Zahlung von Bestechungsgeldern seien die Kosten um bis zu 40 Prozent gestiegen. Der Korruptionsskandal erhält zusätzliche Brisanz dadurch, dass die RFI für ihre Projekte von der Europäischen Investitionsbank (EIB) eine Milliarde Euro erhielt.

Wie ANSA am Mittwoch meldet, hat die römische Finanzpolizei nachgezogen und 22 Personen wegen illegaler Kapitaleinfuhr festgenommen, darunter den Präsidenten des Parma Calcio (Fussballklubs) Giampietro Manenti. Der Klub habe Insolvenz angemeldet.

Für Premier Matteo Renzi kommt die Aufdeckung der neuen Korruptionsaffären vor den im Mai in sieben Regionen stattfindenden Wahlen zu den Parlamenten, Präsidenten und Bürgermeistern höchst ungelegen. Die Opposition verlangt denn auch als erstes den Rücktritt von Minister Lupi, was dieser laut ANSA ablehnt. Da in den neuen Skandal mehrere frühere Minister, Staatssekretäre und Beamte der früheren Regierungen Berlusconis verwickelt sind, werden dem Vorgehen der rechtsextremen Opposition jedoch wenig Chancen eingeräumt, den Skandal auszunutzen. Es wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass Renzi Lupi einen Rücktritt nahelegen wird.


Hoffnung auf entschiedeneres Vorgehen unter Tsipras und Renzi

Senatspräsident Pietro Grasso von den regierenden Sozialdemokraten (Demokratische Partei) hat den aufgedeckten Korruptionsskandal die "Spitze eines Eisberges" genannt und gefordert, entschiedener gegen die in der Gesellschaft verwurzelte Bestechungsmentalität vorzugehen. Premier Renzi, der den Kampf gegen die Korruption zu einem Schwerpunkt seiner Politik erklärt und der gerade ein entsprechendes Antikorruptionsgesetz vorgelegt hat, sicherte denn auch entschiedene Aufklärung zu. In Rom erweckt das Hoffnungen, dass unter der sozialdemokratischen Regierung in Rom wie in Athen unter Tsipras tatsächlich im Kampf gegen diesen tief in der Gesellschaft verwurzelten Kriminalitätszweig sich etwas ändern möge.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2015

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