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ITALIEN/077: Nach Wahl von Mattarella scharfe Auseinandersetzungen mit Berlusconi (Gerhard Feldbauer)


Nach Wahl des Antifaschisten Mattarella scharfe Auseinandersetzungen mit Berlusconi

Enthüllungen über Mord an dessen Bruder Piersanti zielen auf Paktieren des Ex-Premiers mit den Mördern

von Gerhard Feldbauer, 9. Februar 2015


Der faschistoide Ex-Premier Silvio Berlusconi, der mit seiner Forza Italia (FI) bei der Wahl des neuen Präsidenten eine schwere Niederlage einstecken musste, reagiert mit wütenden Ausfällen gegen Matteo Renzi, der als Chef der Demokratischen Partei (PD) und Ministerpräsident gestärkt aus der Wahl hervorgeht. Der Mediendiktator, der immer autoritär regierte und, wie Umberto Eco oder Dario Fo wiederholt einschätzten, das übelste Erbe des Mussolini-Faschismus verkörperte, attackiert Renzi, er strebe eine "autoritäre Lösung" an. Der Ex-Premier, der wie La Repubblica am Sonntag schreibt, "außer Kontrolle" gerate, versuche, damit die Spaltungen in seiner Foza Italia (FI) aufzuhalten.

Berlusconi, der gegenwärtig eine auf ein Jahr reduzierte vierjährige Haftstrafe im Sozialdienst verbüßt (den Antrag, ihm die Reststrafe zu erlassen, hat die Staatsanwaltschaft gerade abgelehnt), schwimmen die Felle davon. Sein Kandidat kam bei der Präsidentenwahl noch nicht einmal auf zehn Prozent der 1009 Stimmen. Die neue Rechtspartei NCD seines früheren Stellvertreters Angelino Alfano, der in der Regierung Renzi sitzt, stimmte fast geschlossen für den PD-Kandidaten Mattarelli. Wie das Mailänder Nachrichtenmagazin Espresso publik machte, auch etwa ein Drittel der Abgeordneten und Senatoren aus der FI. Auch Berlusconis letzter Trumpf, gegen die weiteren Reformen Renzi zu stimmen, zieht nicht mehr. Der Premier, der auf die Überläufer aus dessen Partei setzt, konterte, "dann werden wir es allein machen".

In dieser Situation hat La Repubblica schweres Geschütz aufgefahren und eine Breitseite abgefeuert, die eindeutig auf Berlusconi zielt. In einem Aufsehen erregenden Beitrag analysierte sie am Wochenende Hintergründe und Drahtzieher der Ermordung von Piersanti Mattarella, des Bruders des Präsidenten, eines Anhängers Aldo Moros, der wie dieser in Rom auf Sizilien eine Regierung mit den Kommunisten anstrebte. Das regierungsnahe Blatt enthüllte, dass "eine weitverzweigte schwarze Spur" von dem damaligen Mordkomplott in die Gegenwart führt und nannte als Drahtzieher den kürzlich in Rom verhafteten Chef des Mafia-Clans der Hauptstadt, Massimo Carminati. Dieser hatte mit dem Bürgermeister von Rom (2008-2013), Giovanni Allemano von den Faschisten der Alleanza Nazionale (AN), wie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, eine "kriminelle Vereinigung" gebildet, die Korruption, Bestechung, Geldwäsche und diverse andere Verbrechen mit in die Hunderte von Millionen gehenden Euro betrieb. Der aktuelle Sprengstoff ist, dass seit den 1980er Jahren Silvio Berlusconi, Mitglied des Dreierdirektoriums der ebenfalls in das Mordkomplott gegen Moro einbezogenen faschistischen Putschloge P2, der Komplizenschaft mit der Mafia beschuldigt wird und Allemano ein enger Vertrauter des Ex-Premiers war.

Wenn La Repubblica dann noch hervorhebt, dass vor 35 Jahren die Mussolininachfolgerpartei Movimento Sociale Italiano (MSI), aus der die AN hervorging, in die Mordkomplotte einbezogen war, weiß jeder halbwegs politisch gebildete Italiener, dass hier Berlusconi ins Visier genommen wird, der die MSI/AN 1994 erstmals in seine Regierung sowie in die folgenden zwei (2001-2006, und 2008-2011) aufnahm. Während in der Vergangenheit Mafia-Bosse wie Salvatore Riina, Michele Greco oder Bernardo Provenzano zu lebenslänglichen oder langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, sei Carminato bisher, was heißen soll, unter dem Schutz der Regierungen Berlusconis, immer davon gekommen. Damit soll nun Schluss sein, denn, so das Blatt, Carminato sitze im Gefängnis von Parma und dort werde er bleiben. Beobachter in Rom sehen den Artikel auch als einen Wink mit dem Zaunpfahl an Berlusconis Widersacher in der FI, ihm endlich den Laufpass zu geben.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2015

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