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ITALIEN/067: Italienischer Polizei gelang spektakulärer Schlag gegen Mafia (Gerhard Feldbauer)


Italienischer Polizei gelang spektakulärer Schlag gegen Mafia

In Rom 37 Verhaftungen, Ermittlungen gegen faschistischen Ex-Bürgermeister Allemano

von Gerhard Feldbauer, 5. Dezember 2014



Die italienische Polizei hat einen weiteren Erfolg im Kampf gegen die Mafia errungen. Wie die Nachrichtenagentur ANSA mehrfach, zuletzt am 5. Dezember, meldete, wurden in Rom und der Provinz Latium bei einer Razzia von Spezialkräften 37 Personen aus Politik und Wirtschaft wegen der Verdachts der Mitgliedschaft in der Mafia bzw. der Komplizenschaft mit ihr verhaftet. Gegen etwa 100 weitere Personen leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, darunter gegen den früheren faschistischen Bürgermeister der Hauptstadt, Giovanni Allemano, der in der vergangenen Woche bei schweren Gewaltakten der rechtsextremen Casa Pound als deren Förderer bekannt wurde.


Ein Netz von "Mafia, Politik und Geschäftswelt"

Bei der Durchsuchung von Büros, Behörden und Privatwohnungen wurden Güter im Wert von 204 Millionen Euro sichergestellt. Wie die römische "Repubblica" schrieb, haben erste Ermittlungen ergeben, dass ein Netz von "Mafia, Politik und Geschäftswelt" existiert, das in großem Stil Korruption und Bestechung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und der entsprechenden Gelder betrieb. Die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, nannte den Fahndungserfolg "ein politisches Erdbeben". Chef des jetzt ausgehobenen Mafia-Clans von Rom, so "La Repubblica" weiter, sei ein gewisser Massimo Carminato, in den 1970er Jahren ein bekannter Terrorist und Führer von mit der faschistischen MSI, der späteren Alleanza Nazionale (AN), liierten Terrorbanden wie den pseudolinks getarnten Bewaffneten Revolutionären Zellen (NAR), die zum Netz der CIA, italienischer Staats- und Geheimdienstkreise sowie der Mafia gehörten, das die berüchtigte Strategie der Spannungen inszenierte, die in Tausenden Anschlägen Hunderte Tode forderte.


Mafia in Mord an Aldo Moro einbezogen

Prominentes Opfer war im Frühjahr 1978 der linke Führer der italienischen Christdemokraten (DC), Aldo Moro, der mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei (IKP), Enrico Berlinguer, ein Abkommen über die Regierungszusammenarbeit geschlossen hatte. Ansa erwähnt die führende Rolle Carminatos im damaligen Mafia-Clan "Bande della Magliana" (benannt nach einem Stadtviertel in Rom), der 1978 in das Mordkomplott gegen Moro einbezogen war.


Berlusconi zahlte Millionen an die Mafia

Die Anti-Mafia-Einheiten der italienischen Polizei haben in letzter Zeit viele erfolgreiche Operationen durchgeführt, bei denen Hunderte Mafiosi verhaftet wurden. In allen Fällen befanden sich Politiker und Wirtschaftsmanager als Komplizen darunter. 2013 wurden bei Mafia-Operationen 1.047 Personen, darunter 160 Bosse oder Angehörige von Mafia-Clans verhaftet und Güter im Wert von 2,7 Mrd. Euro sichergestellt. Auffällig ist, dass diese Erfolge nach dem Fall von Berlusconi als Regierungschef im November 2011 einsetzen. Zwar wurde der Ex-Premier wegen Korruption zu vier Jahren Haft verurteilt, die er derzeit im Sozialdienst auf ein Jahr reduziert verbüßt, aber die Verwicklung in Mafia-Geschäfte, deren er beschuldigt wurde, konnte ihm bisher konkret nicht nachgewiesen werden. Als 2012 aufgedeckt wurde, dass Berlusconi Zahlungen in Millionenhöhe an die Mafia leistete, behauptete er, seine Kinder seien bedroht und er damit zu Schutzgeldzahlungen erpresst worden.


Gab es einen "Pakt zwischen der Mafia und Berlusconi"?

Im Prozess gegen seinen langjährigen Vertrauten, den Senator Marcello Del Ultri, der in erster Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, kam jedoch ans Licht, dass dieser in den 1990er Jahren einen "Pakt zwischen der Mafia und Berlusconi" eingefädelt habe. In Berlusconis Villa Arcore in Mailand sei dazu ein Verbindungsmann der Mafia als Stallknecht getarnt untergebracht worden. Beobachter in Rom meinen, es sei fraglich, ob Berlusconi auf Dauer seinen Kopf werde aus der Schlinge ziehen können. So erwähnte denn "La Repubblica" in ihrem Bericht über die Hintergründe des jetzt ausgehobenen Mafia-Netzes in Rom auch, dass genannter Carminato zum Kreis des Chefs der faschistischen Putschloge P2, Licio Gelli, gehörte. Auch wenn hier der Name Berlusconis nicht fällt, weiß jeder politikbewanderte Italiener, das zielt auf den Ex-Premier, der in der P2 als Mitglied des Dreierdirektoriums einer der beiden Stellvertreter Gellis war.


Renzi musste zum 22. Mal die Vertrauensfrage stellen

Während Premier Renzi sonst jede Gelegenheit nutzt, unter seiner Regierung erreichte Erfolge herauszustellen, hatte er diesmal keine Zeit, denn im Senat musste er bei der Beschlussfassung über seinen Jobs act (die Arbeitsmarktreform mit der faktischen Beseitigung des Kündigungsschutzes) erneut (zum 22. Mal seit seinem Amtsantritt im Februar dieses Jahres) die Vertrauensfrage stellen, die er mit 166 zu 112 Stimmen nur dank der Stimmen aus der Forza Italia (FI) Berlusconis gewann. Vor dem Palazzo Madama, dem Senatssitz, ging die Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die gegen das arbeiterfeindliche Gesetz protestierten und den Aufruf der Gewerkschaften CGIL und CISL für einen Generalstreik am 12. Dezember unterstützten. 15 Demonstranten wurden verletzt, zwei festgenommen.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2014


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