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ITALIEN/020: Kommunisten Italiens fordern Truppenabzug aus Afghanistan (Gerhard Feldbauer)


Kommunisten Italiens fordern Truppenabzug aus Afghanistan und von allen Kriegsschauplätzen

Appell zur Einheit der Kommunisten und Linken, um progressive Veränderungen herbeizuführen

von Gerhard Feldbauer, 2. September 2013



Die Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) fordert den sofortigen Abzug der italienischen Truppen aus Afghanistan und weltweit von allen Kriegsschauplätzen; außerdem eine Verringerung der Militärausgaben und dazu als Erstes den Verzicht auf den Kauf des Jagdbombers F-35. Von dem von Lockheed Martin hergestellten Tarnkappenmehrzweckflugzeuge sind unter der Berlusconi-Regierung insgesamt 90 Stück geordert worden. Die noch nicht genau bekannten Kosten des Joint Strike Fighters sollen in der Grundausführung (A) pro Stück zwischen 114 und 158 Millionen Dollar liegen. Bei der B-Ausführung (als Senkrechtstarter) ist mit bedeutend höheren Kosten zu rechnen. Nur dieser Posten der Militärausgaben würde das gegenwärtige Haushaltsdefizit von derzeit 120 Mrd. Euro sprunghaft weiter in die Höhe treiben. In den sozialen Bereichen dagegen fehlt es schon an einigen Millionen.


Gleich zwei Kehrtwenden

Mit der Forderung nach dem Truppenabzug vollzieht die PdCI eine Kehrtwende, die seit langem von der Parteibasis und den Linken mit der Friedensbewegung verlangt wird. In der Mitte Links-Regierung von Romano Prodi von 2006-08 stimmte die PdCI zusammen mit der 1991 nach dem Untergang der IKP gebildeten Kommunistischen Neugründungspartei (PRC) für den Verbleib der Truppen in Afghanistan. Die Quittung erhielten die Kommunisten bei den Parlamentswahlen 2008. In der umstrittenen Regenbogenkoalition (mit Linksdemokraten und Grünen) erlitten sie eine vernichtende Niederlage, sanken von über zehn Prozent auf 3,1 Punkte und sind seitdem erstmals in der Nachkriegsgeschichte nicht mehr im Parlament vertreten.

Die Forderung nach einer drastischen Reduzierung der Militärausgaben ist Bestandteil der Aufgaben, die sich die PdCI im Ergebnis einer auf ihrem 7. Parteitag im Juli erarbeiteten Analyse der katastrophalen Hinterlassenschaft des faschistoiden Regime Berlusconis in Politik, Wirtschaft und den sozialen Bereichen und des Kampfes dagegen stellt. Auf dem Parteitag vertraten 340 Delegierte die etwa 12.500 Mitglieder der PdCI. Die PdCI ist neben der PRC und der trotzkistisch orientierten Kommunistischen Arbeiterpartei (PCL) eine der drei KPs Italiens. Das von ihr verabschiedete Dokument befasst sich mit der Lage der Kommunisten und der Linken, konstatiert deren tiefe Krise, eine Spaltung wie nie zuvor in ihrer Geschichte, was zu schweren Niederlagen in der Auseinandersetzung mit dem Imperialismus führte.

Das Dokument hält fest: Auf das Anwachsen der IKP, die 1976 mit 34 Prozent Wählern (12 Millionen Italiener) zweitstärkste Partei wurde, habe der Imperialismus mit einer reaktionären Gegenoffensive geantwortet, die 1994 in den Machtantritt des in die Machenschaften der faschistischen Putschloge P2 eingebundenen Mediendiktators Berlusconi mündete. Die Liquidierung der IKP 1990/91 habe in Italien die "völlige Auslöschung eines Gesellschaftsmodells" gefördert. In Jahrzehnten des Kampfes geschaffene Kapazitäten, soziale Strukturen und Kontrollmechanismen seien zerstört worden, mit einem unvorstellbaren Anwachsen von Armut und sozialem Elend. Im Kampf gegen dieses System bleibe der Sozialismus trotz seiner schweren Niederlage 1989 unverändert "die Perspektive des Voranschreitens". Hervorgehoben werden "die Erfahrungen des Aufbaus des Sozialismus im 20. Jahrhundert für die Perspektive des Sozialismus im 21. Jahrhundert".

Wenn das Dokument als grundlegende Aufgabe und Voraussetzung des Erfolgs des Kampfes um progressive Veränderungen jetzt die Wiederherstellung der Einheit der Kommunisten nennt, erfolgt auch hier eine strategische Wende. Denn die PdCI entstand im Oktober 1998 im Ergebnis einer Abspaltung von der PRC. Während die Kommunistische Neugründung wegen des Sozialabbaus und der Teilnahme an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien die damalige parlamentarische Unterstützung der Mitte Links-Regierung beendete, setzte die neue PdCI diese nicht nur fort, sondern trat in die Regierung ein und machte auch den Kriegskurs mit. Langfristiges Ziel ist jetzt die Wiederherstellung einer einheitlichen Kommunistischen Partei und auf dieser Basis die Einheit der Linken. Es wird davor gewarnt, dass die Kommunisten in einer gleich wie gearteten Linksfront ihre Unabhängigkeit als Partei aufgeben.

Die Protestbewegung Fünf Sterne (M5S), die bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 mit über 20 Prozent Wählern zur drittstärksten Partei aufsteigen konnte, habe dabei auch von den Niederlagen der Kommunisten und ihrem sinkenden Einfluss unter den Wählern profitiert. Mit ihrer Ablehnung jeglicher auch punktueller Zusammenarbeit mit der Linkspartei SEL und der PD bei der Bildung einer Regierung gegen Berlusconi habe M5S dann die jetzige Koalition mit der Partei des Mediendiktators PdL ermöglicht. Die PdCI spricht sich für die Aufnahme von Kontakten mit M5S, in der sich starke Kräfte als links definierten, aus, um zu Formen der Zusammenarbeit für die Beendigung der Regierungskoalition mit der PdL und für progressive Veränderungen zu kommen.


EU eine Herrschaft des multinationalen Kapitals

Die Europäische Union wird als eine Herrschaft des multinationalen Kapitals und der an die NATO gebundenen Finanz-Oligarchien eingeschätzt, in der Deutschland eine Vorherrschaft ausübe, die die Länder des Südens ihrem Diktat unterwerfe, die Unabhängigkeit der nationalen Parlamente beseitige, deren Austeritätspolitik die Wirtschaft Griechenlands zerstört habe, Portugal und Spanien ein gleiches Schicksal drohe. Langfristiges Ziel der Kommunisten und Linken müsse der Kampf gegen dieses Europa der Banken und der Monopole für ein "fortschrittliches, sozialistisches Europa vom Atlantik bis zum Ural" sein. Offen bleibt, ob die PdCI ihren gegenwärtigen Beobachterstatus in der Europäischen Linkspartei aufgibt.


Staatspräsident Napolitano Interessenvertreter der Großbourgeoisie

Scharfe Kritik wird am Werdegang der heutigen Demokratischen Partei (PD) mit sozialdemokratischer Orientierung geübt, die 1990 ursprünglich aus der IKP als Linkspartei PdS hervorging, sich 2008 mit katholischen Zentrumskräften zusammenschloss. Zusammen mit der 2009 entstandenen neuen Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) habe die PD zu den Wahlen 2013 ein Bündnis mit der PdCI und der PRC abgelehnt, was zur neuerlichen Niederlage der Kommunisten (die mit zwei Prozent unter der Sperrklausel von vier Prozent blieben), aber auch zur verfehlten klaren Mehrheit der PD beigetragen habe. Ein vernichtendes Urteil wird über Staatspräsident Giorgio Napolitano (ein früheres Mitglied des Politbüros der IKP), gefällt, der nach dem Patt zwischen Rechten und Mitte Links bei den Wahlen 2013 erneute Wahlen, die der Linken Mitte einen Sieg hätten bringen können, verhinderte und mit der PD-Führung die sogenannte "Große Koalition" mit der Partei Volk der Freiheit (PdL) Berlusconis und der Bürgerliste des Übergangspremiers Mario Monti zu Wege brachte. Damit habe der Staatschef das Parlament ausgeschaltet und sich zum "Interessenvertreter der strategischen Interessen der Großbourgeoisie Italiens und Europas" gemacht.

Der Parteitag wählte den Metallarbeiter und langjährigen Regionalsekretär der PdCI der Marken, Cesare Procaccini, zum neuen Nationalsekretär. Für ihn stimmten 84 Mitglieder des neuen Zentralkomitees, 2 gegen ihn und 20 enthielten sich. Er tritt die Nachfolge von Olivieri Diliberto an, der seit Gründung der PdCI an der Spitze der Partei stand.

Ein Voranschreiten auf dem Weg zur Einheit der Kommunisten wird wesentlich von der PRC abhängen. Ihr Nationalsekretär, Paolo Ferrero, hat in der jüngsten Vergangenheit eine von der PdCI mehrfach vorgeschlagene Wiedervereinigung beider Parteien abgelehnt.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2013